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24/01 Strafgesetzbuch;Norm
FrG 1993 §18 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Hanel, über die Beschwerde des T in F, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 12. Februar 1996, Zl. III 80/96, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 und den §§ 19, 20 und 21 FrG ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von fünf Jahren erlassen.
In der Begründung dieses Bescheides ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer mit dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 10. Oktober 1995 wegen des Verbrechens des versuchten Diebstahles durch Einbruch nach den §§ 15, 127, 129 Z. 1 StGB mit einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe bestraft worden sei, weil er fremde bewegliche Sachen in einem S 25.000,-- nicht übersteigenden Wert durch Einbruch mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht habe, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern und zwar am 10. Juli 1995 in F aufzufindende Wertsachen einer namentlich genannten Firma nach Einschlagen des Fensters und Einsteigen durch das Fenster in den Kassenraum und am 21. Juli 1995 in M drei Packungen Zigaretten unerhobenen Wertes einer namentlich genannten Person nach Einsteigen durch ein Fenster. Der Beschwerdeführer habe bei seiner Einvernahme angegeben, deshalb einbrechen gegangen zu sein, weil er "jedes Monat Geldprobleme habe bzw. mit seinem Lohn nicht auskomme". Aus dem der Verurteilung zugrundeliegenden Fehlverhalten des Beschwerdeführers komme deutlich seine negative Einstellung gegenüber den österreichischen Rechtsvorschriften zum Ausdruck. Es entstehe der Eindruck, daß der Beschwerdeführer offensichtlich nicht gewillt sei, die österreichischen Rechtsvorschriften in erforderlicher Weise zu achten und sein Verhalten den österreichischen Gesetzen anzupassen. Daraus ergebe sich die berechtigte Folgerung, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet eine Gefahr für die öffentliche Ordnung, Ruhe oder Sicherheit darstelle. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes stelle einen relevanten Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers im Sinne des § 19 FrG dar. Dieser Eingriff sei aber angesichts der sich in den schwerwiegenden Übertretungen manifestierenden Neigung des Beschwerdeführers, sich über die Rechtsordnung hinwegzusetzen, zur Verhinderung strafbarer Handlungen bzw. zum Schutz der (Vermögens-)Rechte anderer (Art. 8 Abs. 2 MRK) notwendig.
Die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet seien von großem Gewicht. Der Beschwerdeführer selbst halte sich seit November 1988 in Österreich auf und gehe einer erlaubten Arbeit nach. Der Beschwerdeführer sei mit einer türkischen Staatsangehörigen seit ca. zwei Jahren verheiratet und lebe mit ihr und dem (1994 geborenen) Kind im gemeinsamen Haushalt. Im Hinblick auf die Neigung des Beschwerdeführers zu Straftaten wögen jedoch diese Interessen höchstens gleich schwer wie die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei daher auch im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG zulässig. Das Gewicht der privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt werde durch die relative Kürze des Aufenthaltes seiner Ehegattin im Bundesgebiet und der Dauer des gemeinsamen Haushaltes verringert.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet. Auf die Erstellung einer Gegenschrift wurde verzichtet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei über die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nicht ordnungsgemäß informiert und es sei ihm keine Möglichkeit gegeben worden, hiezu Stellung zu nehmen.
Mit dieser Verfahrensrüge zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf, zumal er weder konkret anführt, zu welcher ohne seine Mitwirkung getroffenen Feststellung die Behörde ihm keine Stellungnahme eingeräumt habe und was er in diesem Falle vorgebracht hätte.
Auch die Rüge des Beschwerdeführers, es sei in keiner Weise dargetan und einsichtig, weshalb das Aufenthaltsverbot in der Dauer von fünf Jahren verhängt worden sei, zeigt keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Die Beschwerde tut nämlich nicht dar, welche Umstände die belangte Behörde hätten veranlassen müssen, zu dem Ergebnis zu gelangen, es sei vorhersehbarerweise mit einem Wegfall der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gründe vor dem Verstreichen der festgesetzten Dauer von fünf Jahren zu rechnen.
Der Beschwerdeführer bringt vor, es liege eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG nicht vor. Das der Verurteilung zugrundeliegende Verhalten rechtfertige daher nicht die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme.
Gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG ist gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet. Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat gemäß § 18 Abs. 2 leg. cit. insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder (Z. 1) von einem inländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 1. Februar 1994, Zl. 94/18/0539) kann ein Aufenthaltsverbot im Grunde des § 18 Abs. 1 auch dann erlassen werden, wenn zwar - wie im Beschwerdefall - keiner der Tatbestände des § 18 Abs. 2 leg. cit. verwirklicht ist, wohl aber das Gesamtfehlverhalten die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigt. Die belangte Behörde ist an den Spruch eines rechtskräftigen Strafurteiles hinsichtlich der Tat gebunden. Vom verurteilenden Urteilsspruch nicht erfaßte Umstände der Tatbegehung sind von der belangten Behörde gemäß § 18 Abs. 1 FrG zusätzlich zu berücksichtigen. So wurde in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die von der rechtskräftigen Verurteilung nicht erfaßte, aber von der Behörde festgestellte Bereitschaft, mit Gewalt gegen Personen mit anderem Religionsbekenntnis vorzugehen (siehe das Erkenntnis vom 22. Mai 1996, Zlen. 95/21/0265, 0266) bzw. gesellschaftliche oder politische Fragen mit Gewalt zu lösen (vgl. das Erkenntnis vom 1. Februar 1995, Zl. 94/18/0539) unmittelbar gemäß § 18 Abs. 1 FrG berücksichtigt. Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht nur das dem verurteilenden Straferkenntnis zugrundeliegende Verhalten für die Rechtfertigung der im § 18 Abs. 1 FrG umschriebenen Annahme herangezogen, sondern auch die Angabe des Beschwerdeführers bei seiner Einvernahme am 21. Juli 1995 beim Gendarmerieposten Fulpmes, die - soweit hier wesentlich - lautet:
"Auf die Frage, warum ich einbrechen gegangen bin (Lift und Kirchbrücke) muß ich sagen, daß ich jedes Monat Geldprobleme habe. Mit meinem Lohn komme ich nicht aus. Die Wohnung kostet 6.600,-- öS und meine Frau arbeitet nicht. Sie bekommt 1.400,-- öS Kinderbeihilfe und ich verdiene ca. 12.000,-- - 15.000,-- öS im Monat (kommt auf die Überstunden an)."
Die Auffassung der belangten Behörde, daß die im Strafurteil umschriebenen Taten des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit dem vom Beschwerdeführer angegebenen Motiv hiefür (Geldmangel) und der Umstand, daß der Beschwerdeführer mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft wieder einmal Geldmangel haben und durch Alkoholeinfluß enthemmt sein werde, reiche für die Rechtfertigung der im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme aus, wird vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt. Die Angabe des Beschwerdeführers bei dem Gendarmerieposten F stellt eine Entschuldigung für die in der Vergangenheit begangenen Straftaten dar, kann jedoch nicht so gedeutet werden, daß der Beschwerdeführer damit seine Bereitschaft, Geldprobleme mit der Begehung strafbarer Handlungen gegen fremdes Vermögen zu lösen, dargelegt habe. Zur Annahme einer solchen Grundeinstellung des Beschwerdeführers bietet die wiedergegebene Angabe keinen hinreichenden Grund. Es ist daher lediglich bei Beurteilung der im § 18 Abs. 1 FrG umschriebenen Annahme von dem auch zur Gänze dem rechtskräftigen Strafurteil zugrundeliegenden Verhalten des Beschwerdeführers auszugehen. Vor dem Hintergrund des als Wertungsmaßstab heranzuziehenden Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG rechtfertigt das dem Beschwerdeführer zur Last liegende Verhalten nicht die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme. Da die belangte Behörde dies verkannt hat, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996210223.X00Im RIS seit
20.11.2000