Entscheidungsdatum
25.02.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W168 2236528-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Dr. Bernhard MACALKA als Einzelrichter über die Beschwerde von Frau XXXX , geb. am XXXX , StA. Armenien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.09.2020, Zahl 1248814903 / 191035688, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
1. Verfahrensgang
1.1. Die Beschwerdeführerin reiste schlepperunterstützt unberechtigt am 10.10.2019 in das Bundesgebiet und stellte am gleichen Tag den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Hierbei gab die BF (Beschwerdeführerin) an XXXX zu heißen, armenische Staatsbürgerin und am XXXX geboren worden zu sein.
Am 11.10.2019 wurde die Beschwerdeführerin bei der LPD Niederösterreich, PI XXXX einer Erstbefragung unterzogen bei der diese zum Fluchtgrund befragt folgendes angab:
„Ich leide seit ca. Juni 2019 an hohem Fieber und Unterkieferschmerzen. Als ich ins Spital nach Erewan ging, wurde nach mehreren Untersuchungen am 27.9.2019 festgestellt, dass ich an Hodgkin-Lymphoma (autarke Immunerkrankung) leide. Die Ärzte empfahlen mir sofort nach Österreich zu reisen, weil ich so schnell wie möglich eine Immuntherapie (Chemotherapie) brauche. In Armenien habe ich keine Chance, diese Krankheit zu überleben. Das sind alle meine Fluchtgründe. Weitere Flucht- und Asylgründe habe ich keine.“
Nach Zulassung des Verfahrens wurde die BF am 15.9.2020 von der zur Entscheidung berufenen Organwalterin des BFA niederschriftlich einvernommen. Die wesentlichen Passagen dieser Einvernahme gestalten sich wie folgt:
„LA: Sie wurden bereits einvernommen. Haben Sie bis dato immer der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht?
VP: Ja.
LA. Geben Sie bitte einen kurzen Lebenslauf an, wo Sie geboren sind, wo und mit wem Sie gelebt haben, was Sie schulisch und beruflich gemacht haben?
VP: Ich wurde am XXXX in XXXX geboren. Dort besuchte ich 12 Jahre lang die Grundschule, zog ich im Jahre 2012 nach XXXX und habe dort 4 Jahre lang Kunstgeschichte an der Uni studiert. 2016 habe ich mein Studium abgeschlossen, von 2017 bis September 2019 arbeitete ich im Museum. Ich bin am 1.11.2019 ausgereist. Zunächst war ich in Moskau und am 10.11.2019 bin ich in Österreich eingereist. Im November 2019, als ich bereits in Österreich war, wurde mein Dienstverhältnis aufgelöst.
LA: Mit wem lebten Sie zuletzt in Ihrem Heimatland im gemeinsamen Haushalt?
VP: Ich bin alleine nach XXXX gereist und habe bis zu meiner Krankheit alleine gelebt. Als meine Krankheit im Juni 2019 ausgebrochen ist, sind meine Eltern zum Großteil bei mir gewesen.
Auf Nachfrage, meine Eltern sind nach wie vor im Heimatland aufhältig. Sie sind arbeitstätig. Ich habe 2 Brüder, auch sie leben in Armenien.
LA: Stehen Sie in Kontakt mit Ihren Verwandten?
VP: Natürlich.
LA: Aus welchem Grund verließen Sie Ihr Heimatland?
VP: Aus gesundheitlichen Gründen musste ich ausreisen.
Auf Nachfrage, das ist mein Fluchtgrund, ausschließlich aus gesundheitlichen Gründen bin ich nach Österreich gekommen. Und weil ich hier bin, lerne ich Deutsch.
LA: Wie sieht Ihre Situation in Österreich aus?
VP: Ich male und meine Bilder schenke ich meinen Ärzten. Ich habe nicht die Gelegenheit, mich anders bei den Ärzten zu bedanken. Auch in Traiskirchen habe ich meine Bilder verschenkt, weil sie mich sehr gut im Lager behandelt haben. Nebenbei besuche ich auch eine Schule für Computer und auch Englisch.
LA: Betreffend Ihren gesundheitlichen Zustand ist im Schreiben des Landesklinikums XXXX vom 29.7.2020 festgehalten, dass Sie derzeit als geheilt gelten. Was sagen Sie dazu?
VP: Ja, ich gelte als geheilt. Aber im November habe ich einen Termin. Die Ärzte werden mich untersuchen und feststellen, ob sich etwas in meinem Körper verändert hat oder nicht.
LA: Nehmen Sie Medikamente?
VP: Im Moment nicht. Ich habe einen Befund geschickt, ich war einmal im Krankenhaus, weil ich Schmerzen hatte, es wurden mir Medikamente verschrieben, die ich auch eingenommen habe. Derzeit nehme ich keine Medikamente.
Auf Nachfrage, ich muss nicht regelmäßig Medikamente einnehmen, nur bei Bedarf.
LA. Wie sah die medizinische Behandlung in Österreich aus, was haben Sie erhalten?
VP: Mir wurde eine Biopsie gemacht, dann habe ich eine Chemotherapie erhalten und zuletzt eine Bestrahlung.
LA. Welche Behandlung erhielten Sie in Armenien?
VP: Als ich Schmerzen (VP zeigt auf ihr Kiefer) oben hatte, ging ich zum Arzt. Zunächst wurde keine Krankheit diagnostiziert, dann hat ein Kieferspezialist mir gegen die Schwellung Medikamente verschrieben, aber ich erhielt noch keine Diagnose. Diese Medikamente haben genau das Gegenteil bei mir bewirkt, anstelle mir zu helfen. Dann gingen wir in ein Ärztezentrum namens „Armenium“. Dort wurden mehreren Untersuchungen durchgeführt. Weil meine Lymphknoten enorm geschwollen waren, musste in einem staatlichen Krankenhaus ein Ultraschall durchgeführt werden. Anschließend waren wir bei mehreren Ultraschallärzten und Zentren. Zuletzt wurde eine Biospie durchgeführt, sie haben dann die Diagnose Hodgkin Syndrom gestellt und die Ärzte, sie haben mehr mit meinen Eltern gesprochen, haben gesagt, dass in Armenien diese Krankheit nicht behandelbar ist. Meine Eltern haben sich erkundigt, wo diese Krankheit behandelt werden könnte und es hat sich herausgestellt, dass die Medizin in Österreich sehr fortgeschritten ist und wir mussten etwas gegen diese Krankheit machen.
Auf Nachfrage, in Armenien wurde keine medizinische Behandlung gemacht.
LA: Was war der ausschlaggebende Grund, der Sie zum Verlassen des Heimatlandes bewogen hat?
VP: Meine Krankheit. Nur die Gesundheit, ich werde weder verfolgt noch sonst etwas.
LA: Welche Situation würden Sie im Falle der Rückkehr nach Armenien vorfinden?
VP: Ich möchte noch anmerken, dass ich, Gott behüte, sollte ich einen Rückfall erleiden, in Armenien keine Möglichkeit habe, die Krankheit behandeln zu lassen.
LA: Ich beende jetzt die Befragung. Möchten Sie noch weitere Angaben machen?
VP: Nein.
LA: Konnten Sie zum Verfahren alles umfassend vorbringen?
VP: Ich bedanke mich sehr bei den Ärzten, bei Ihnen, bei der Polizei, von XXXX angefangen haben mich alle sehr gut behandelt, sehr nett behandelt, bis zu den Ärzten, bis zu Ihnen, eine sehr angenehme Atmosphäre und überall genieße ich Verständnis. Auch ohne einen Termin zu haben, bin ich ins Krankenhaus gefahren, die Ärzte haben mich immer aufgenommen, auch in Traiskirchen, waren alle verständnisvoll und auch heute bei Ihnen ist das so. Ich möchte mich bedanken.“
Mit Verfahrensanordnung vom 15.09.2020 wurde der BF ein Rechtsberater gemäß § 52 BFA-VG für ein allfälliges Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.
1.2.Mit gegenständlich angefochtenen Bescheid des BFA vom 25.09.2020 wurde I. der Antrag auf internationalen Schutz vom 10.10.2019 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, abgewiesen, II. gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien abgewiesen, III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, sowie IV. wurde gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr 100/2005 (FPG) idgF, gegen die Beschwerdeführerin erlassen.
Begründend wurde zusammenfassend ausgeführt, dass die BF als Grund für die Stellung des Antrages auf internationalen Schutz, bzw. zu den Gründen für das Verlassen Ihres Herkunftsstaats angegeben habe, dass diese Ihr Heimatland ausschließlich wegen Ihrer Krebserkrankung verlassen habe. Andere Gründe für das Verlassen ihres Herkunftsstaates wären insgesamt nicht geltend gemacht worden. Die BF wäre aufgrund der nunmehr vorliegenden aktuellen medizinischen Unterlagen bezüglich der Krebserkrankung des LKH XXXX nach dem Erhalt der diesbezüglichen Therapie als geheilt zu betrachten. Bezüglich einer Rückkehr nach Armenien könne keine wie auch immer geartete, insbesondere auch asylrelevante Gefährdung der BF festgestellt werden. Es wäre zudem nicht davon auszugehen, dass die BF im Falle einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Situation geraten könnte. Die BF könnte Ihren Lebensunterhalt nach einer Rückkehr nach Armenien auch dort bestreiten. Das Vorliegen einer besonderen Integration im Bundesgebiet, bzw. das Vorliegen von berücksichtigungswürdigen persönlichen Kontakten hätte nicht festgestellt werden können. Die Beschwerdeführerin erfülle nicht die Voraussetzungen für die Gewährung eines Aufenthaltstitels gem. §57 AsylG. Eine Ausweisung der BF stelle insgesamt keinen unzulässigen Eingriff in besonders durch Art. 3 oder Art. 8 EMRK geschützte Rechte dar. Eine Rückkehrentscheidung wäre somit zu erlassen gewesen.
1.3. Gegen diesen Bescheid des BFA erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde. Begründend wurde insbesondere zusammenfassend ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin auch bezüglich der Krebserkrankung im Jänner 2021 noch einen weiteren, bzw. abschließenden Kontrolltermin hätte bei dem ein abschließender Befund erstellt werden würde. Die BF könne sich die Kosten für eine Wiedereinreise nicht leisten und wolle diesen Termin im Bundesgebiet abwarten. Auch wäre die BF aufgrund der erhaltenen Chemotherapie als Risikopatientin anzusehen, da ihr Immunsystem aufgrund der Krebstherapie geschwächt wäre. Aus diesem Grund hätte die BF Angst, dass diese als Risikopatientin sich mit Covid 19 anstecken und diesbezüglich in Lebensgefahr geraten könnte. Es wurden die Anträge gestellt den angefochtenen Bescheid zu beheben und das Verfahren zuzulassen, der BF den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, ihr in eventu einen subsidiären Schutz zu gewähren, bzw. einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. §57 und 55 AsylG zu gewähren, in eventu die Rückkehrentscheidung aufzuheben und die Abschiebung dauerhaft für unzulässig zu erklären, bzw. in eventu den angefochtenen Bescheid zu beheben und das Verfahren zur neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückzuverweisen.
Mit Schreiben des BVwG vom 25.01.2021 wurde der Beschwerdeführerin ein ergänzendes Parteiengehör gewährt und dieser ergänzend auch die Möglichkeit gewährt sich insbesondere zu ihrem aktuellen Gesundheitszustand zu äußern, bzw. allfällig weitere, aktuelle medizinische Unterlagen, insbesondere etwa betreffend der in der Beschwerdeschrift angeführten Kontrolluntersuchung im Jänner 2021, in Vorlage zu bringen. Mit Schreiben vom 19.02.2021 wurde ein Zertifikat betreffend die Absolvierung des Basiskurses A1 im Herbst 2020 beim Bildungsträger Diakonie Flüchtlingsdienst, ein medizinischer Befund der onkologischen Ambulanz datiert vom 04.11.2020, sowie vom 04.02.2021 übermittelt.
Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1.) Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:
Die BF ist armenische Staatsangehörige. Die Identität der Beschwerdeführerin steht fest.
Die Beschwerdeführerin ist ledig.
Die Beschwerdeführerin ist strafrechtlich unbescholten.
In Österreich leben keine Personen zu denen die Beschwerdeführerin ein verfahrensrelevantes Nahe – oder Abhängigkeitsverhältnis besitzt.
Die Beschwerdeführerin litt bei der Einreise an dem Hodgkin Syndrom. Die Beschwerdeführerin erhielt eine hierauf bezogene Therapie und gilt derzeit als diesbezüglich geheilt. Ein Vorliegen sonstiger verfahrensrelevant schwerer psychischer oder physischer Erkrankungen zum verfahrensrelevanten gegenwärtigen Zeitpunkt hat die Beschwerdeführerin nicht ausgeführt, bzw. ist das Vorliegen von solchen auch nicht aus dem vorliegenden Verwaltungsakt zu erschließen. Das gegenwärtige Vorliegen von verfahrensrelevant lebensbedrohlich schweren psychischen oder physischen Erkrankungen wurde nicht dargelegt. Eine Rückkehr und Abschiebung der Beschwerdeführerin in ihren Herkunftsstaat stellt keinen unzulässigen Eingriff in besonders durch Art. 3 EMRK geschützte Rechte dar.
1.2. Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates und der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz in Österreich:
Die Beschwerdeführerin hat ihren Herkunftsstaat ihren eigenen Angaben nach ausschließlich wegen Ihrer Erkrankung aufgrund eines Hodgin – Lymphoms und der diesbezüglichen Behandlungsmöglichkeiten in Österreich verlassen. Andere Gründe, die die Beschwerdeführerin zum Verlassen des Heimatlandes bewogen hätten, hat diese im gesamten Verfahren nicht geltend gemacht.
Es kann nicht festgestellt werden, bzw. hat die Beschwerdeführerin nicht glaubhaft machen können, dass sie Armenien aufgrund einer glaubhaften sie persönlich und konkret betreffenden unmittelbaren Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verlassen hat.
Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr nach Armenien aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevant bedroht wäre.
1.3. Zur Situation im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat:
Bei einer Rückkehr nach Armenien besteht für die Beschwerdeführerin als junge und numehr von ihrem Krebsleiden vollständig geheilte Frau im berufsfähigen Alter ohne nunmehr festgestellten besonderen Schutzbedarf, dies auch unter besonderer Berücksichtigung der persönlichen Eigenschaften der BF, keine in casu besoders berücksichtigungswürdige Bedrohungssituation, bzw. läuft diese im Herkunftsstaat auch nicht in Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.
Die Beschwerdeführerin ist in Armenien aufgewachsen und diese hielt sich vor dem Verlassen ihres Herkunftsstaates in der Stadt XXXX auf. Die Eltern und zwei Brüder der BF sind gegenwärtig im Herkunftsstaat aufhältig.
Der BF ist aufgrund der allgemeinen Sicherheit – als auch Versorgungssituation in Armenien bei einer Rückkehr keiner verfahrensrelevanten Gefährdung gem. Art. 3 mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt.
Die Beschwerdeführerin ist in ihrem Herkunftsstaat Armenien auch in Bezug auf eine mögliche Corona Erkrankung keiner maßgeblich erhöhten Gefährdung als im Bundesgebiet ausgesetzt.
Eine Rückkehr der Beschwerdeführerin nach Armenien ist dieser unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Eigenschaften, ihres aktuellen Gesundheitszustandes, in Zusammenschau mit der aktuellen Sicherheit – als auch Versorgungslage, sowie auch der aktuellen Lage im Herkunftsstaat aufgrund der gegenwärtigen weltweiten Corona 19 Pandemie, in ihrem Herkunftsstaat möglich und auch zumutbar. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung stellt insgesamt keinen unzulässigen Eingriff in besonders durch Art. 3 EMRK geschützte Rechte dar.
1.4. Zum Privat und Familienleben der Beschwerdeführerin in Österreich:
Die strafrechtlich unbescholtene Beschwerdeführerin ist seit ihrer Antragstellung in Österreich mit 11.10.2019 durchgehend ausschließlich nur auf Grund des vorläufigen Aufenthaltsrechts während des Asylverfahrens rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig.
Das Vorliegen eines besonders zu berücksichtigenden Nahe - bzw. Abhängigkeitsverhältnisses der volljährigen Beschwerdeführerin zu Personen im Bundesgebiet ist nicht dargelegt worden.
Die BF lebt ausschließlich von der Grundversorgung und ist insgesamt im Bundesgebiet nicht selbsterhaltungsfähig.
Die Beschwerdeführerin hat während ihres Aufenthaltes in Österreich mehrere Deutschkurse besucht. Diese ist nicht Mitglied in einem Verein.
Das Vorliegen einer insgesamt besonders berücksichtigungswürdigen Integration in Österreich kann in casu nicht festgestellt werden.
Das Bestehen von besonderen Gründen, die für ein Verbleiben der BF im Bundesgebiet sprechen, sind dem vorliegenden Verwaltungsakt nicht zu entnehmen.
Eine Rückkehr der Beschwerdeführerin in ihren Herkunftsstaat Armenien stellt keinen unzulässigen Eingriff in besonders durch Art. 8 EMRK geschützte Rechte dar.
Die Beschwerdeführerin erfüllt insgesamt nicht die Voraussetzungen für die Gewährung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. §57 AsylG und 55 AsylG.
1.5. Zur maßgeblichen Situation in Armenien: (gekürzt und zusammengefasst durch das BVwG):
Gemäß Verordnung der Bundesregierung, mit der Staaten als sichere Herkunftsstaaten festgelegt werden, ist Armenien als sicherer Herkunftsstaat anzusehen (Herkunftsstaaten-Verordnung - HStV), BGBl. II Nr. 177/2009
Politische Lage Letzte Änderung: 18.3.2020
Armenien (arm.: Hayastan) umfasst knapp 29.800 km² und hatte im ersten Quartal 2019 eine Einwohnerzahl von 2,96 Millionen, was einen Rückgang von 0,3% zum Vergleichszeitraum des Vorjahres ausmachte (ArmStat 7.5.2019). Davon sind laut der Volkszählung von 2011 98,1% ethnische Armenier. Den Rest bilden kleinere Ethnien wie Jesiden und Russen (CIA 14.2.2019).
Armenien ist seit September 1991 eine unabhängige Republik. Die Verfassung von 2005 wurde zuletzt durch Referendum vom 6.12.2015 weitreichend geändert. Durch die Verfassungsreform wurde das semi-präsidentielle in ein parlamentarisches System umgewandelt. Das Ein-Kammer-Parlament (Nationalversammlung) hat nun 105 Mitglieder (zuvor 131) und wird alle fünf Jahre gewählt (AA 7.5.2019a). Der Premierminister und der Präsident werden vom Parlament gewählt. Der Premierminister ist der Regierungsvorsitzende, während der Präsident vorwiegend zeremonielle Funktionen ausübt (USDOS 11.3.2020).
Oppositionsführer Nikol Pashinyan wurde im Mai 2018 vom Parlament zum Premierminister gewählt, nachdem er wochenlange Massenproteste gegen die Regierungspartei angeführt und damit die politische Landschaft des Landes verändert hatte. Er hatte Druck auf die regierende Republikanische Partei durch eine beispiellose Kampagne des zivilen Ungehorsams ausgeübt, was zum schockartigen Rücktritt Serzh Sargsyans führte, der kurz zuvor das verfassungsmäßig gestärkte Amt des Premierministers übernommen hatte, nachdem er zehn Jahre lang als Präsident gedient hatte (BBC 20.12.2018).
Am 9.12.2018 fanden vorgezogene Parlamentswahlen statt, welche unter Achtung der Grundfreiheiten ein breites öffentliches Vertrauen genossen. Die offene politische Debatte, auch in den Medien, trug zu einem lebhaften Wahlkampf bei. Das generelle Fehlen von Verstößen gegen die Wahlordnung, einschließlich des Kaufs von Stimmen und des Drucks auf die Wähler, ermöglichte einen unverfälschten Wettbewerb (OSCE/ODIHR 10.12.2018). Die Allianz des amtierenden Premierministers Nikol Pashinyan unter dem Namen „Mein Schritt“ erzielte einen Erdrutschsieg und erreichte 70,4% der Stimmen. Die ehemalige mit absoluter Mehrheit regierende Republikanische Partei (HHK) erreichte nur 4,7% und verpasste die 5-Prozent-Marke, um in die 101-Sitze umfassende Nationalversammlung einzuziehen. Die Partei „Blühendes Armenien“ (BHK) des Geschäftsmannes Gagik Tsarukyan gewann 8,3%. An dritter Stelle lag die liberale, pro-westliche Partei „Leuchtendes Armenien“ unter Führung Edmon Maruyian, des einstigen Verbündeten von Pashinyan, mit 6,4% (RFE/RL 10.12.2018; vgl. ARMENPRESS 10.12.2018).
Zu den primären Zielen der Regierung unter Premierminister Pashinyan gehören die Bekämpfung der Korruption und Wirtschaftsreformen (RFL/RL 14.1.2019) sowie die Schaffung einer unabhängigen Justiz (168hours 20.7.2018).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt (7.5.2019a): Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/armenien-node/-/203090#content_0, Zugriff 7.5.2019
? ARMENPRESS – Armenian News Agency (10.12.2018): My Step – 70.44%, Prosperous Armenia – 8.27%, Bright Armenia – 6.37%: CEC approves protocol of preliminary results of snap elections, https://armenpress.am/eng/news/957626.html, Zugriff 21.3.2019, ua.
Sicherheitslage
Letzte Änderung: 18.3.2020
Hinsichtlich Bergkarabach - das sowohl von Armenien als auch von Aserbaidschan beansprucht wird - besteht die Gefahr erneuter Feindseligkeiten aufgrund des Scheiterns der Vermittlungsbemühungen, der zunehmenden Militarisierung und häufiger Verletzungen des Waffenstillstands. Im Oktober 2017 trafen sich die Präsidenten Armeniens und Aserbaidschans unter der Schirmherrschaft der Minsk-Gruppe, einer von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) geleiteten Vermittlungsgruppe, in Genf und begannen eine Reihe von Gesprächen über eine mögliche Lösung des Konflikts. In den letzten Jahren haben Artilleriebeschüsse und kleinere Gefechte zwischen aserbaidschanischen und armenischen Truppen Hunderte von Toten gefordert. Anfang April 2016 gab es die heftigsten Kämpfe seit 1994. (CFR 20.3.2019). Die Spannungen zwischen Armenien und Aserbaidschan um Bergkarabach dauern an. Die Grenze zwischen Armenien und Aserbaidschan ist geschlossen. Im Jahr 2018 fanden mehrere Waffenstillstandsverletzungen entlang der Kontaktlinie zwischen den gegnerischen Streitkräften und anderswo an der zwischenstaatlichen Grenze zwischen Aserbaidschan und Armenien statt, die zu einer Reihe von Todesfällen und Verlusten führten (FCO 17.3.2020, vgl. EDA 2.3.2020).
Der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev und der armenische Premierminister Nikol Pashinyan vereinbarten bei ihrem ersten Treffen am Rande des Gipfels der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, der am 27. und 28. September 2018 in Duschanbe stattfand, mehrere Schritte zum Abbau der Spannungen zwischen den armenischen und aserbaidschanischen Streitkräften, wie z.B. die Installierung einer direkten "operativen" Kommunikationslinie zwischen den beiden Seiten und die Fortsetzung der diplomatischen Verhandlungen über eine Lösung des Konflikts (Eurasianet 1.10.2018). In Folge kam es zu mehreren weiteren Treffen. Der laufende Prozess trug dazu bei, die Häufigkeit der Verletzungen des Waffenstillstandes deutlich zu reduzieren (ACLED 20.2.2020).
Quellen:
? ACLED - Armed Conflict Location and Event Data Project (20.2.2020): Regional Overview: Central Asia and the Caucasus 9-15 February 2020, https://acleddata.com/2020/02/20/regional-overview-central-asia-and-the-caucasus-9-15-february-2020/, Zugriff 18.3.2020, ua.
Rechtsschutz / Justizwesen Letzte Änderung: 18.3.2020
Es gibt immer wieder glaubhafte Berichte von Anwälten über die Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze durch Gerichte. Die Unschuldsvermutung werde nicht eingehalten, rechtliches Gehör nicht gewährt, Verweigerungsrechte von Zeugen nicht beachtet und Verteidiger oft ohne Rechtsgrundlage abgelehnt. Nach bisher vorliegenden Informationen hat sich die Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis seit Mitte 2018 verbessert. Die Unabhängigkeit der Gerichte und der Richter wurde bisher durch Nepotismus, finanzielle Abhängigkeiten und weit verbreitete Korruption konterkariert. Es gibt Anzeichen, dass allein der Regierungswechsel im Mai 2019 zu weniger Korruption in der Justiz geführt hat. Hinsichtlich des Zugangs zur Justiz gab es bereits Fortschritte, dass die Zahl der Pflichtverteidiger erhöht wurde und einer breiteren Bevölkerung als bisher kostenlose Rechtshilfe zuteil wird (AA 7.4.2019). Zwar muss von Gesetzes wegen Angeklagten ein Rechtsbeistand gewährt werden, doch führt der Mangel an Pflichtverteidigern außerhalb Jerewans dazu, dass dieses Recht den Betroffenen verwehrt wird (USDOS 11.3.2020).
Richter stehen unter systemischem politischem Druck und Justizbehörden werden durch Korruption untergraben. Berichten zufolge fühlen sich die Richter unter Druck gesetzt, mit Staatsanwälten zusammenzuarbeiten, um Angeklagte zu verurteilen. Der Anteil an Freisprüchen ist extrem niedrig (FH 4.2.2019). Allerdings entließen viele Richter nach der "Samtenen Revolution" im Frühjahr 2018 etliche Verdächtige in politisch sensiblen Fällen aus der Untersuchungshaft, was die Ansicht von Menschenrechtsgruppen bestätigte, dass vor den Ereignissen im April/Mai 2018 gerichtliche Entscheidungen politisch konnotiert waren, diese Verdächtigen in Haft zu halten, statt gegen Kaution freizulassen (USDOS 11.3.2020).
Trotz gegenteiliger Gesetzesbestimmungen zeigt die Gerichtsbarkeit keine umfassende Unabhängigkeit und Unparteilichkeit. Die Verwaltungsgerichte sind hingegen verglichen zu den anderen Gerichten unabhängiger. Sie leiden allerdings unter Personalmangel. Nach dem Regierungswechsel im Mai 2018 setzte sich das Misstrauen in die Unparteilichkeit der Richter fort und einige Menschenrechtsanwälte erklärten, es gebe keine rechtlichen Garantien für die Unabhängigkeit der Justiz. NGOs berichten, dass Richter die Behauptungen der Angeklagten, ihre Aussage sei durch körperliche Übergriffe erzwungen worden, routinemäßig ignorieren. Die Korruption unter Richtern ist weiterhin ein Problem. Die am 10. Oktober 2019 verabschiedete Strategie für die Justiz- und Rechtsreform 2019-2023 zielt darauf ab, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Justiz und das Justizsystem zu stärken und die Unabhängigkeit der Justiz zu fördern (USDOS 11.3.2020).
Die Verfassung und die Gesetze sehen das Recht auf einen fairen und öffentlichen Prozess vor, aber die Justiz setzt dieses Recht nicht durch. Ebenso sieht das Gesetz die Unschuldsvermutung vor, Verdächtigen wird dieses Recht jedoch in der Regel nicht zugesprochen. Das Gesetz verlangt, dass die meisten Prozesse öffentlich sind, erlaubt aber Ausnahmen, auch im Interesse der "Moral", der nationalen Sicherheit und des "Schutzes des Privatlebens der Teilnehmer". Gemäß dem Gesetz können Angeklagte Zeugen konfrontieren, Beweise präsentieren und den Behördenakt vor einem Prozess einsehen. Allerdings haben Angeklagte und ihre Anwälte kaum Möglichkeiten, die Aussagen von Behördenzeugen oder der Polizei anzufechten. Die Gerichte neigen währenddessen dazu, routinemäßig Beweismaterial zur Strafverfolgung anzunehmen. Zusätzlich verbietet das Gesetz Polizeibeamten, in ihrer offiziellen Funktion auszusagen, es sei denn, sie waren Zeugen oder Opfer (USDOS 11.3.2020).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007493/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asylund_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Armenien_%28Stand_Febru.pdf, Zugriff 18.3.2020, ua.
Sicherheitsbehörden Letzte Änderung: 18.3.2020
Die Polizei ist für die innere Sicherheit zuständig, während der Nationale Sicherheitsdienst (NSD oder eng. NSS) für die nationale Sicherheit, die Geheimdienstaktivitäten und die Grenzkontrolle zuständig ist (USDOS 11.3.2020, vgl. AA 7.4.2019). Beide Behörden sind direkt der Regierung unterstellt. Ein eigenes Innenministerium gibt es nicht. Die Beamten des NSD dürfen auch Verhaftungen durchführen. Hin und wieder treten Kompetenzstreitigkeiten auf, z.B. wenn ein vom NSD verhafteter Verdächtiger ebenfalls von der Polizei gesucht wird (AA 7.4.2019).
Der Sonderermittlungsdienst führt Voruntersuchungen in Strafsachen durch, die sich auf Delikte von Beamten der Gesetzgebungs-, Exekutiv- und Justizorgane beziehen und von Personen, die einen staatlichen Sonderdienst ausüben. Auf Verlangen kann der Generalstaatsanwalt solche Fälle an die Ermittler des Sonderermittlungsdienstes weiterleiten (SIS o.D., vgl. USDOS 11.3.2020, HRW 14.1.2020). Der NSD und die Polizeichefs berichten direkt an den Premierminister. NSD, SIS, die Polizei und das Untersuchungskomitee unterliegen demzufolge der Kontrolle der zivilen Behörden (USDOS 11.3.2020).
Obwohl das Gesetz von den Gesetzesvollzugsorganen die Erlangung eines Haftbefehls verlangt oder zumindest das Vorliegen eines begründeten Verdachts für die Festnahme, nahmen die Behörden gelegentlich Verdächtige fest oder sperrten diese ein, ohne dass ein Haftbefehl oder ein begründeter Verdacht vorlag. Nach 72 Stunden muss laut Gesetz die Freilassung oder ein richterlicher Haftbefehl erwirkt werden. Angeklagte haben ab dem Zeitpunkt der Verhaftung Anspruch auf Vertretung durch einen Anwalt bzw. Pflichtverteidiger. Die Polizei vermeidet es oft, betroffene Personen über ihre Rechte aufzuklären. Statt Personen formell zu verhaften, werden diese vorgeladen und unter dem Vorwand festgehalten, eher wichtige Zeugen denn Verdächtige zu sein. Hierdurch ist die Polizei in der Lage, Personen zu befragen, ohne das das Recht auf einen Anwalt eingeräumt wird (USDOS 11.3.2020).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007493/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asylund_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Armenien_%28Stand_Febru.pdf, Zugriff 18.3.2020, ua.
Folter und unmenschliche Behandlung Letzte Änderung: 18.3.2020
Das Gesetz verbietet solche Folter und andere Formen von Misshandlungen. Dennoch gibt es Berichte, dass Mitglieder der Sicherheitskräfte Personen in ihrer Haft gefoltert oder anderweitig missbraucht haben. Laut Menschenrechtsanwälten definiert und kriminalisiert das Strafgesetzbuch zwar Folter, aber die einschlägigen Bestimmungen kriminalisieren keine unmenschliche und erniedrigende Behandlungen (USDOS 11.3.2020). Menschenrechtsorganisationen haben bis zur „Samtenen Revolution“ immer wieder glaubwürdig von Fällen berichtet, in denen es bei Verhaftungen oder Verhören zu unverhältnismäßiger Gewaltanwendung gekommen sein soll. Folteropfer können den Rechtsweg nutzen, einschließlich der Möglichkeit, sich an den Verfassungsgerichtshof bzw. den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zu wenden (AA 7.4.2019). Gemäß Menschenrechtsanwälten führte die Straffreiheit von Folter in der Zeit vor der „Samtenen Revolution“ dazu, dass Folter weiterhin angewandt wird, wenn auch nun in geringerem Ausmaß, und alte Fälle von Folter werden nicht aufgearbeitet (USDOS 11.3.2020).
Misshandlungen finden auf Polizeistationen statt, die im Gegensatz zu Gefängnissen und Polizeigefängnissen nicht der öffentlichen Kontrolle unterliegen. Nach Ansicht von Menschenrechtsanwälten gab es keine ausreichenden verfahrensrechtlichen Garantien gegen Misshandlungen bei polizeilichen Vernehmungen, wie z.B. den Zugang zu einem Anwalt durch die zur Polizei als Zeugen geladenen Personen sowie die Unzulässigkeit von Beweisen, die durch Gewalt- oder Verfahrensverletzungen gewonnen wurden (USDOS 11.3.2020). In einem Antwortschreiben an das Helsinki Komitee Armeniens bezifferte der Special Investigation Service (SIS) die Anzahl der strafrechtlichen Untersuchungen bezüglich des Vorwurfes von Folter im Zeitraum zwischen dem 1.1. und dem 20.12.2018 auf 49 (HCA 1.2019).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007493/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asylund_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Armenien_%28Stand_Febru.pdf, Zugriff 18.3.2020, ua.
Korruption Letzte Änderung: 18.3.2020
Das Gesetz sieht strafrechtliche Sanktionen bei behördlicher Korruption vor. Das Land hat eine Hinterlassenschaft der systemischen Korruption in vielen Bereichen. Nach der „Samtenen Revolution“ im Mai 2018 eröffnete die Regierung eine Untersuchung, die die systematische Korruption in den meisten Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens aufdeckte und es wurden zahlreiche Strafverfahren gegen mutmaßliche Korruption durch ehemalige Regierungsbeamte und ihre Angehörigen, Parlamentarier und in einigen Fällen auch durch Angehörige der Justiz und ihre Verwandten und einige wenige derzeitige Regierungsbeamte eingeleitet. 2018 machte die Regierung die Korruptionsbekämpfung zu einer ihrer obersten Prioritäten und setzte ihre Maßnahmen zur Beseitigung der Korruption im Laufe des Jahres fort. Obwohl Spitzenbeamte die „Ausrottung der Korruption“ im Land ankündigten, stellten lokale Beobachter fest, dass Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung einer weiteren Institutionalisierung bedürfen (USDOS 11.3.2020; vgl. FH 4.2.2019).
Ministerpräsident Pashinyan, für dessen Regierung die Korruptionsbekämpfung ein hochrangiges Ziel darstellt, berichtete im Juli 2018, dass innerhalb zweier Monate bereits AMD 20,6 Milliarden (EUR 36,8 Millionen) an Geldern aus Steuerhinterziehungen sichergestellt wurden. Betroffen waren 73 Unternehmen, denen Steuerhinterziehung vorgeworfen wird. Die Summe bezog sich ausschließlich auf die Steuerschuld (Haypress 13.7.2018, vgl. JAMnews 24.7.2018). Während die meisten Beobachter der Meinung sind, dass es reichlich Beweise für Fehlverhalten gibt, warnten einige, dass es eine schmale Linie zwischen soliden Rechtsfällen und politisch motivierten gibt. Die mit der ehemaligen, langjährigen Regierungspartei verbündeten Eliten zeigten erheblichen Widerstand gegen diese Ermittlungen und schienen den Antikorruptionskurs der neuen Regierung zu erschweren (FH 4.2.2019).
Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex 2019 von Transparency International belegte Armenien mit 44 Punkten Rang 77 von 180 untersuchten Ländern (TI 23.1.2020), im Vergleich zum Vorjahr mit 35 Punkten und Rang 105 von 180 Staaten (TI 2018).
Quellen:
? FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Armenia, https://www.ecoi.net/en/document/2002606.html, Zugriff 10.4.2019, ua.
NGOs und Menschrechtsaktvisten Letzte Änderung: 8.5.2019
Die Zivilgesellschaft ist in Armenien aktiv und weitgehend in der Lage, frei zu agieren. Das Gesetz über öffentliche Unternehmen und das Stiftungsrecht wurden kürzlich mit einer Reihe positiver Änderungen verabschiedet, darunter die Möglichkeit, direkt einkommensschaffende oder unternehmerische Aktivitäten durchzuführen; weiters die Möglichkeit von Freiwilligenarbeit sowie die Möglichkeit für Umweltorganisationen, die Interessen ihrer Mitglieder in Umweltfragen vor Gerichten zu vertreten. Es gibt jedoch noch eine Reihe von Herausforderungen. Zum Beispiel die gesetzlichen Bestimmungen in Bezug auf Steuerverpflichtungen im Zusammenhang mit der Erzielung von Einnahmen, das Fehlen klarer Regeln für den Zugang zu öffentlichen Mitteln sowie klarer Regelung für die Verwendung privater Daten. Einschränkungen gibt es für zivilgesellschaftliche Organisationen, die mit sensiblen Themen wie den Rechten von Minderheiten und einigen Gender-spezifischen Fragen arbeiten (OHCHR 16.11.2018). Nichtregierungsorganisationen (NGOs) fehlen lokale Mittel und sind weitgehend auf ausländische Geber angewiesen (FH 4.2.2019).
Die Zivilgesellschaft war sehr aktiv bei den Protesten 2018, den anschließenden Konsultationen mit der Regierung in politischen Fragen und bei der Überwachung der Aktivitäten im Zusammenhang mit den Wahlen im Dezember 2018 (FH 4.2.2019).
Quellen:
? FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Armenia, https://www.ecoi.net/en/document/2002606.html, Zugriff 29.3.2019, ua.
Ombudsperson Letzte Änderung: 18.3.2020
Die vom Parlament gewählte und als unabhängige Institution in der Verfassung verankerte „Ombudsperson für Menschenrechte“ muss einen schwierigen Spagat zwischen Exekutive und den Rechtsschutz suchenden Bürgern vollziehen (AA 7.4.2019). Das Büro der Ombudsperson hat das Mandat, die Menschenrechte und Grundfreiheiten auf allen Regierungsebenen vor Missbrauch zu schützen. Das Büro verbessert seine Reichweite in den Regionen und die Zusammenarbeit mit regionalen Menschenrechtsorganisationen. Im Jahr 2019 startete das Büro eine Kampagne zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die Verfahren zur Meldung häuslicher Gewalt. Das Büro berichtet weiterhin über einen deutlichen Anstieg der Zahl der Bürgerbeschwerden und Besuche, was zu den gestiegenen Erwartungen und dem Vertrauen der Öffentlichkeit in die Institution beitrug (USDOS 11.3.2020).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007493/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asylund_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Armenien_%28Stand_Febru.pdf, Zugriff 18.3.2020, ua.
Allgemeine Menschenrechtslage Letzte Änderung: 18.3.2020
Die Verfassung enthält einen ausführlichen Grundrechtsteil modernen Zuschnitts, der auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte mit einschließt. Durch Verfassungsänderungen im Jahr 2015 wurde der Grundrechtekatalog noch einmal erheblich ausgebaut. Ein Teil der Grundrechte können im Ausnahmezustand oder im Kriegsrecht zeitweise ausgesetzt oder mit Restriktionen belegt werden. Gemäß Verfassung ist der Kern der Bestimmungen über Grundrechte und –freiheiten unantastbar. Extralegale Tötungen, Fälle von Verschwindenlassen, unmenschliche, erniedrigende oder extrem unverhältnismäßige Strafen, übermäßig lang andauernde Haft ohne Anklage oder Urteil bzw. Verurteilungen wegen konstruierter oder vorgeschobener Straftaten sind nicht bekannt. Presse und Menschenrechtsorganisationen berichten allerdings nachvollziehbar von Fällen willkürlicher Festnahmen (AA 7.4.2019).
Zu den bedeutendsten Menschenrechtsverletzungen gehören: Folter; willkürliche Inhaftierung, wenn auch mit weniger Berichten; harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; willkürliche Eingriffe in die Privatsphäre; erhebliche Probleme mit der Unabhängigkeit der Justiz; Gewalt oder die Androhung von Gewalt gegen Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender oder intersexuelle Personen (LGBTI) und der Einsatz von erzwungener oder obligatorischer Kinderarbeit (USDOS 11.3.2020, vgl. HRW 14.1.2020). Die Regierung unternimmt Schritte zur Untersuchung und Ahndung von Missbrauch gegen aktuelle und ehemalige Beamte und Sicherheitskräfte (USDOS 11.3.2020).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007493/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Armenien_%28Stand_Febru.pdf, Zugriff 18.3.2020
? HRW – Human Rights Watch (17.1.2019‘): World Report 2019 – Armenia, https://www.ecoi.net/en/document/2002243.html, 29.3.2019
? HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Armenia, https://www.hrw.org/world-report/2020/country-chapters/armenia, Zugriff 16.1.2020
? USDOS – U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Armenia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/ARMENIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 13.3.2020
Meinungs- und Pressefreiheit Letzte Änderung: 18.3.2020
Die Verfassung schützt die Freiheit der Meinung, Information, Medien und anderer Informationsmittel (AA 7.4.2019, vgl. USDOS 11.3.2020). Seit dem politischen Übergang 2018 ist das Medienumfeld freier geworden und einige Sender begannen, sich von der früheren Praxis der Selbstzensur zu lösen. Es gibt jedoch Berichte, dass einige Sender es vermeiden, die Behörden zu kritisieren, um nicht „konterrevolutionär“ zu erscheinen (USDOS 11.3.2020). Journalisten zeichneten neun Monate nach dem politischen Machtwechsel ein gemischtes Bild. Während die Regierung nicht mehr versucht, die Berichterstattung direkt zu orchestrieren, erweisen sich die neuen Behörden als dünnhäutig gegenüber Kritik. Premierminister Pashinyan selbst hat wiederholt öffentliche Angriffe auf Journalisten gestartet, von denen viele in den Medien sagen, dass sie ein Klima der Einschüchterung gegen kritische Berichterstattung geschaffen haben (Eurasianet 6.2.2019, vgl. USDOS 11.3.2020). Viele traditionelle und Online-Medien lassen weiterhin eine objektive Berichterstattung vermissen. Einzelpersonen können die Regierung ohne Angst vor Verhaftung kritisieren (USDOS 11.3.2020).
Dem Rundfunk und auflagenstarken Printmedien fehlt es in der Regel an politischer Meinungsvielfalt und objektiver Berichterstattung. Privatpersonen oder private Gruppen, von denen die meisten Verbindungen zur alten Regierung haben, besitzen die meisten Rundfunkmedien und Zeitungen, was in der Regel die politische Ausrichtung und die finanziellen Interessen ihrer Eigentümer widerspiegelt. Nach Ansicht einiger Medienkritiker präsentierte das öffentlich-rechtliche Fernsehen weiterhin Nachrichten aus einer regierungsfreundlichen Perspektive und hat nach dem Regierungswechsel die Sichtweise gewechselt (USDOS 11.3.2020). Im Parlamentswahlkampf im Herbst 2018 gab es keine größeren Einschränkungen der Pressefreiheit, obwohl politisch ausgerichtete Medien weiterhin die mit ihnen verbundenen Parteien und Kandidaten bevorzugten (FH 4.2.2019).
In den ersten neun Monaten des Jahres 2019 wurden drei physische Angriffe auf Journalisten gemeldet (USDOS 11.3.2020). Im Jahr 2018 wurden insgesamt 21 Vorfälle von körperlicher Gewalt gegen Reporter und Kameramänner registriert, 67 Vorfälle von Druck auf Medien und deren Mitarbeiter und 98 Vorfälle von Verletzungen des Rechts auf Erhalt und Verbreitung von Informationen (HCA 1.2019).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007493/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asylund_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Armenien_%28Stand_Febru.pdf, Zugriff 18.3.2020, ua.
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition Letzte Änderung: 18.3.2020
Die Verfassung und das Gesetz sehen die Freiheit der friedlichen Versammlung vor und nach der "Samtenen Revolution" im Frühjahr 2018 respektierte die neue Regierung diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 11.3.2020). Das Versammlungsgesetz entspricht EU- und anderen internationalen Standards. Die Versammlungsfreiheit wird durch die Polizei respektiert. Die Versammlungsfreiheit wird unter der Regierung Pashinyan nicht mehr durch Anwendung des Gesetzes über administrative Haft und des Versammlungsgesetzes eingeschränkt (AA 7.4.2019). Der Schutz und die Zugänglichkeit des Rechts auf Versammlungsfreiheit haben sich durch die politischen Veränderungen der im April 2018 abgehaltenen Versammlungen erheblich verbessert (HCA 1.2019).
Versammlungen können ohne vorherige Genehmigung, aber nach Benachrichtigung der Behörden abgehalten werden. In einigen Fällen die Benachrichtigung nicht erforderlich ist, wenn spontane und dringende Versammlungen abgehalten werden, oder wenn die Teilnehmerzahlen 100 Personen nicht überschreiten. Darüber hinaus sieht dieses Gesetz vor, dass die Polizei unabhängig von der Art der Versammlung verpflichtet ist, für Sicherheit zu sorgen und Demonstrationen zu ermöglichen, solange sie friedlich sind. Einige problematische Gesetzesbestimmungen schränken die Versammlungsfreiheit jedoch ein. So erlaubt das Gesetz beispielsweise nicht, dass sich Menschen vor dem Eingang bestimmter öffentlicher Gebäude versammeln (OHCHR 16.11.2018).
Die Vereinigungsfreiheit hat Verfassungsrang. Die Gesetzgebung entspricht im Wesentlichen internationalen Standards, weist aber in der Umsetzung Defizite auf (AA 7.4.2019, vgl. OHCHR 16.11.2018). Das Gesetz schützt das Recht der Arbeitnehmer auf Gründung und Beitritt zu unabhängigen Gewerkschaften, Streiks und Tarifverhandlungen. Diese Schutzvorkehrungen werden jedoch mangelhaft durchgesetzt und die Arbeitgeber sind im Allgemeinen in der Lage, die Gewerkschaftstätigkeit in der Praxis zu blockieren (FH 4.2.2019).
Das Gesetz schränkt die Registrierung oder Tätigkeit von politischen Parteien nicht ein. Die politische Dominanz und Kontrolle der Republikanische Partei (HHK) über die administrativen Ressourcen hat in der Vergangenheit verhindert, dass die gleichen Wettbewerbsbedingungen für die konkurrierenden Parteien des Landes galten. Die Protestbewegung von 2018, die Sargsyan, den Ministerpräsidenten der bis dahin regierenden HHK, aus dem Amt zwang, gab den Oppositionsgruppen deutlich mehr Freiheit vor den nationalen Wahlen im Dezember 2018. Die Parlamentswahlen im Dezember veränderten die politische Landschaft, ließen die HHK ohne parlamentarische Vertretung und ebneten den Weg für das Oppositionsbündnis „Mein Schritt“ zur Macht. Die Größe der neuen parlamentarischen Mehrheit gab am Jahresende Anlass zu einigen Bedenken, dass die beiden kleinen Parteien, die als Opposition fungieren sollten, nicht in der Lage sein würden, eine ausreichende Kontrolle der neuen Regierung zu gewährleisten (FH 4.2.2019).
Eine Reihe von inhaftierten radikalen Oppositionellen wurde nach der Machtübernahme der Opposition freigelassen. Einige Beobachter kritisierten ein im Oktober verabschiedetes Amnestiegesetz als politisch motiviert. Dazu gehörte auch die Amnestie für Mitglieder von Sasna Tsrer, einer bewaffneten Oppositionsgruppe, die 2016 ein Polizeigebäude beschlagnahmte und drei Polizisten tötete (FH 4.2.2019).
[siehe auch Abschnitt 1. Politische Lage]
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007493/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asylund_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Armenien_%28Stand_Febru.pdf, Zugriff 18.3.2020, ua.
Haftbedingungen Letzte Änderung: 18.3.2020
Mit Stand 1.1.2018 befanden sich 3.536 Personen in Haft, was einen Wert von 119 per 100.000 Einwohner ausmachte und eine Abnahme bedeutet (2016: 4.873; 162 per 100.000). Allerdings stieg die Quote bei Untersuchungshäftlingen 2018 auf rund 37% im Vergleich zu fast 29% im Jahr 2016 (ICPS 2018).
Die Haftbedingungen sind geprägt von schlechter Hygiene, unzureichender medizinischer Versorgung und dominanten kriminellen Strukturen. Überbelegung ist auf der Ebene der Gefängnisse kein Problem mehr, jedoch auf der Ebene der Zellen. Die Bedingungen sind in einigen Fällen hart und lebensbedrohlich. In den Gefängnissen fehlte es im Allgemeinen an Unterkünften für Häftlinge mit Behinderungen (USDOS 11.3.2020).
Es existieren in Armenien 12 Haftanstalten, darunter ein Krankenhausgefängnis. Drei Haftanstalten befinden sich in Jerewan, die übrigen in den Provinzen. Die Haftanstalt Abovyan ist für die Unterbringung von Frauen und Jugendlichen vorgesehen. Der bauliche Zustand der Haftanstalten unterscheidet sich erheblich. Kritisch sind die materiellen Haftbedingungen in der Haftanstalt Nurbarashen, welche von gravierender Überbelegung und fortgeschrittener Baufälligkeit betroffen ist. Am besten sind die Haftbedingungen in der Anstalt Armavir, welche auch nicht voll belegt ist. Häftlinge aus anderen Anstalten, insbesondere zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilte, werden vermehrt nach Armavir verlegt. Aber auch hier machen sich bereits bauliche Alterserscheinungen bemerkbar. Die Zellen sind ausreichend beleuchtet. Ausreichende Belüftung ist zum Teil, Heizung stets sichergestellt. Die hygienischen Verhältnisse sind insgesamt zufriedenstellend. Die Sicherstellung einer regelmäßigen Versorgung mit Nahrung ist aufgrund bestehender Regulierungen des staatlichen Beschaffungswesens zum Teil problematisch. Spezielle Angebote für Sport/Freizeitaktivitäten existieren in der Regel nicht. Fälle von willkürlicher Gewalt durch Gefängnispersonal stellen die Ausnahme dar. Allerdings ist der Schutz vor Gewalt von Insassen untereinander nicht immer gewährleistet. Probleme bereitet die gesundheitliche Versorgung. So gibt es zu wenig medizinisches Personal in den Krankenstationen, die Ausstattung mit medizinischen Geräten verbessert sich jedoch zunehmend. Die Situation der Überbelegung hat sich, mit Ausnahme der Haftanstalt Nurbarashen, verbessert (AA 7.4.2019).
Neben dem schlechten Zustand der Einrichtungen dominiert eine organisierte kriminelle Struktur das Gefängnisleben. Gefängnisbeamte delegieren Befugnisse an ausgewählte Häftlinge (sogenannte "Beobachter") an der Spitze der informellen Gefängnishierarchie, welche dann die Insassen kontrollieren. Die Haftbedingungen von Angehörigen sexueller Minderheiten sind die schlimmsten. Sie sind, geduldet von der Gefängnisverwaltung, häufig Ziel von Diskriminierung, Gewalt, psychologischem und sexuellem Missbrauch und werden von anderen Häftlingen gezwungen, entwürdigende Arbeit zu leisten (USDOS 11.3.2020)
Die Behörden führen keine Ermittlungen durch und ergreifen keine Maßnahmen, um Probleme wie Misshandlung von Gefangenen, Streitigkeiten und Gewalt zwischen Häftlingen oder weit verbreitete Korruption sinnvoll anzugehen. Strafgefangene und Häftlinge haben nicht immer einen angemessenen Zugang zu den Besuchern, da es keine geeigneten Räumlichkeiten gibt. Die Leiter von Gefängnissen und Haftanstalten nützen mitunter ihre Position, um willkürlich Gefangenen und Häftlingen den Besuch und den Kontakt zu Familien zu verweigern. Die Regierung erlaubt im Allgemeinen nationalen und internationalen Menschenrechtsgruppen sowie dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes die Haftbedingungen in Gefängnissen zu überwachen und Insassen zu besuchen. Die Behörden gestatten den Beobachtern auch, privat mit den Gefangenen zu sprechen (USDOS 13.3.2018).
Im Jahr 2019 wurde die Wasserversorgung in allen Haftanstalten verbessert und die Renovierung von einigen Gefängnissen wurde begonnen (USDOS 11.3.2020).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007493/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asylund_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Armenien_%28Stand_Febru.pdf, Zugriff 18.3.2020, ua.
Todesstrafe Letzte Änderung: 8.5.2019
Armenien hat im September 2003 das 6. Protokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention ratifiziert. Die Todesstrafe ist damit abgeschafft; dies ist in Artikel 24 der Verfassung verankert (AA 7.4.2019, vgl. AI 23.10.2018, Standard 19.4.2003).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007493/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Armenien_%28Stand_Febru.pdf, Zugriff 18.3.2020
? AI – Amnesty International (23.10.2018): Abolitionist and retentionist countries (as of July 2018), https://www.amnesty.org/download/Documents/ACT5066652017ENGLISH.pdf, Zugriff 27.3.2019
? Der Standard (19.4.2003): Armenien schafft Todesstrafe ab, https://derstandard.at/1276261/Armenien-schafft-Todesstrafe-ab, Zugriff 25.3.2019
Religionsfreiheit Letzte Änderung: 18.3.2020
Die Religionsfreiheit ist verfassungsrechtlich garantiert und darf nur durch Gesetze und nur soweit eingeschränkt werden, wie dies für den Schutz der staatlichen und öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral notwendig ist. Gemäß Verfassung wird zudem die Freiheit der Tätigkeit von religiösen Organisationen garantiert. Es gibt keine verlässlichen Angaben zum Anteil religiöser Minderheiten an der Gesamtbevölkerung; Schätzungen zufolge machen sie weniger als 5% aus. Auch in den 2015 beschlossenen Verfassungsänderungen genießt die Armenisch-Apostolische Kirche (AAK) nach wie vor Privilegien, die anderen Religionsgemeinschaften nicht zuerkannt werden (Zulässigkeit der Eröffnung von Schulen, Herausgabe kirchengeschichtlicher Lehrbücher, Steuervorteile u. a. bei Importen, Wehrdienstbefreiung von Geistlichen, Kirchenbau). Religionsgemeinschaften sind nicht verpflichtet, sich registrieren zu lassen. Religiöse Organisationen mit mindestens 200 Anhängern können sich jedoch amtlich registrieren lassen und dürfen dann Zeitungen und Zeitschriften mit einer Auflage von mehr als 1.000 Exemplaren veröffentlichen, regierungseigene Gelände nutzen, Fernseh- oder Radioprogramme senden und als Organisation Besucher aus dem Ausland einladen. Es gibt keine Hinweise darauf, dass Religionsgemeinschaften die Registrierung verweigert wurde bzw. wird. Bekehrungen durch religiöse Minderheiten sind zwar gesetzlich verboten; missionarisch aktive Glaubensgemeinschaften wie die Zeugen Jehovas oder die Mormonen sind jedoch tätig und werden staatlich nicht behindert. Dies wird von offiziellen Vertretern der Zeugen Jehovas bestätigt (AA 7.4.2019).
In Artikel 18 der Verfassung wird die Armenische Apostolische Kirche als "Nationalkirche" anerkannt, die für die Erhaltung der armenischen nationalen Identität verantwortlich ist. Religiöse Minderheiten haben in der Vergangenheit über Diskriminierung berichtet und einige hatten Schwierigkeiten, Genehmigungen für den Bau von Gotteshäusern zu erhalten (FH 4.2.2019). Mitglieder religiöser Minderheiten werden bei der Beschäftigung im öffentlichen Dienst benachteiligt (USDOS 11.3.2020).
Menschenrechtsaktivisten äußerten weiterhin ihre Besorgnis über die Zustimmung der Regierung, dass die AAK am Unterricht an Schulen mitwirkt und die Zugehörigkeit zur AAK mit der nationalen Identität oft gleichsetzt wird, was die staatliche und gesellschaftliche Diskriminierung anderer religiöser Organisationen verstärkt (USDOS 21.6.2019).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007493/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Armenien_%28Stand_Febru.pdf, Zugriff 18.3.2020, ua.
Ethnische Minderheiten Letzte Änderung: 8.5.2019
Die Bevölkerung setzt sich aus ca. 96% armenischen Volkszugehörigen und ca. 4% Angehörigen von Minderheiten (vor allem Jesiden, Russen, Kurden und Assyrer, denen nach der neuen Verfassung als den vier größten Minderheitengruppen jeweils ein Parlamentssitz zusteht) zusammen. Die Volkszugehörigkeit wird in armenischen Reisepässen nur eingetragen, wenn der Passinhaber dies beantragt. Die Verfassung garantiert nationalen Minderheiten das Recht, ihre kulturellen Traditionen und ihre Sprache zu bewahren, in der sie u.a. studieren und veröffentlichen dürfen. Zugleich verpflichtet ein Gesetz alle Kinder zu einer Schulausbildung in armenischer Sprache. Dennoch wird an einigen armenischen Schulen in Gegenden mit jesidischer Bevölkerung (derzeit in 23 Dörfern) auch Unterricht in Jesidisch erteilt. Angehörige der jesidischen Minderheit berichten zwar immer wieder über Diskriminierungen, aber weder Jesiden noch andere Minderheiten sind Ziel systematischer und zielgerichteter staatlicher Repressionen (AA 7.4.2019).
Die größte Herausforderung für Minderheiten in Armenien ist ihre schiere Unsichtbarkeit in der Gesellschaft. Alle Minderheitengruppen zusammen machen weniger als 2% der armenischen Bevölkerung aus. Hinzu kommt, dass keine Minderheit in irgendeinem Teil des Landes die Mehrheit ausmacht und stattdessen in ganz Armenien verstreut lebt. Während die jüngsten Verfassungsänderungen dazu geführt haben, dass 2017 vier Minderheitenvertreter in das Parlament gewählt wurden, werden alle Regierungsgeschäfte weiterhin auf Armenisch geführt. Infolgedessen stehen Minderheiten nach wie vor Schwierigkeiten gegenüber, an Entscheidungen teilzunehmen, die ihr tägliches Leben betreffen, zumindest auf nationaler Ebene. Sie sind weiterhin größtenteils nur auf lokaler Regierungsebene vertreten (MRGI 2019).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007493/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Armenien_%28Stand_Febru.pdf, Zugriff 18.3.2020
? MRGI - Minority Rights Group International (2019): Armenia, https://minorityrights.org/country/armenia/, Zugriff 27.3.2019
Relevante Bevölkerungsgruppen
Frauen
Letzte Änderung: 18.3.2020
Verfassung und Gesetze schreiben die Gleichberechtigung von Männern und Frauen fest und verbieten die Diskriminierung auf der Basis des Geschlechts. Die Rolle der Frau in Armenien ist gleichwohl durch das in der Bevölkerung verankerte patriarchalische Rollenverständnis geprägt (AA 7.4.2019, vgl. USDOS 11.3.2020).
Frauen sind in Führungspositionen im öffentlichen Sektor deutlich unterrepräsentiert. Im Jahr 2018 lag die durchschnittliche Arbeitslosenquote der Frauen in Armenien bei 17,3%. Auch in der Exekutive bleibt die Beteiligung von Frauen auf den höchsten Entscheidungsebenen, auf