TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/2 W183 2237547-1

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Veröffentlicht am 02.03.2021
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Entscheidungsdatum

02.03.2021

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §3 Abs5
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W183 2237547-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. PIELER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.10.2020, Zl. XXXX , zu Recht:

A) Der Beschwerde wird Folge gegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Die Beschwerdeführerin verließ im Jahr 2019 Syrien, stellte am 11.05.2020 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Am 29.07.2020 wurde die Beschwerdeführerin von der nunmehr belangten Behörde, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), zu ihren Fluchtgründen niederschriftlich einvernommen.

Im behördlichen Verfahren gab die Beschwerdeführerin als Fluchtgrund im Wesentlichen an, dass ihr durch einen Cousin Verfolgung drohe, der sie zwangsweise habe heiraten wollen bzw. sie nach ihrer Verlobung mit ihrem jetzigen Ehemann bedroht habe.

Im Rahmen des Administrativverfahrens legte die Beschwerdeführerin folgende syrische Ausweise bzw. Dokumente vor:

?        Reisepass

?        Heiratsurkunde

?        Familienbuch

?        Gerichtliche Heiratseintragung

2.       Mit dem angefochtenen Bescheid (zugestellt am 06.11.2020) wurde der Antrag auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) abgewiesen. Unter einem wurde dieser der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführerin drohe in Syrien keine asylrelevante Verfolgung.

Das BFA stellte der Beschwerdeführerin amtswegig einen Rechtsberater zur Seite.

3.       Mit Schriftsatz vom 25.11.2020 erhob die Beschwerdeführerin durch ihre Rechtsvertretung binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des im Spruch bezeichneten Bescheides. Begründend wurde ausgeführt, der Cousin der Beschwerdeführerin habe gedroht, sie zu töten; ihr Vater sei schon alt und leide unter Herzproblemen, weshalb er sie nicht länger beschützen habe können.

4.       Mit Schriftsatz vom 01.12.2020 (eingelangt am 07.12.2020 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vor. Am 02.03.2021 wurde eine Strafregisterabfrage durchgeführt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1.    Die Beschwerdeführerin ist eine volljährige syrische Staatsangehörige, die der Volksgruppe der Kurden angehört und deren Identität feststeht. Sie ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten und hat keinen Asylausschlussgrund gesetzt.

1.2. Die Beschwerdeführerin stammt aus Qamishli. Abgesehen vom Flughafen Qamishlis ist das Herkunftsgebiet der Beschwerdeführerin aktuell in der Hand kurdischer Machthaber.

1.3. Die Beschwerdeführerin ist mit XXXX verheiratet, diese Ehe ist syrischen Behörden bekannt, da sie offiziell registriert wurde.

1.4. Der Ehemann befindet sich in Österreich; er hat Syrien verlassen, um sich dem Wehrdienst zu entziehen und wurde ihm aus diesem Grund in Österreich der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

1.5. Die Beschwerdeführerin könnte nur über die Grenzübergänge, die in der Hand des syrischen Regimes sind (wie über den Flughafen von Damaskus), sicher und legal nach Syrien zurückkehren.

1.6. Die Beschwerdeführerin würde diesfalls am jeweiligen Grenzkontrollposten kontrolliert werden und besteht das reale Risiko, dass sie dabei verhaftet und zumindest einer mit Folter verbundenen mehrtägigen Anhaltung zugeführt wird, da man dieser als rückkehrender Syrerin kurdischer Volksgruppenzugehörigkeit, die aus einem Gebiet stammt, das derzeit nicht unter der Kontrolle des Regimes ist, deren Ehemann sich dem Wehrdienst durch Flucht ins Ausland entzogen hat, eine oppositionelle politische Gesinnung unterstellen würde.

1.7.    Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat

Aus der aktuellen Länderinformation der Staatendokumentation zu Syrien aus dem COI-CMS (generiert am 01.03.2021, Version 2) ergibt sich wie folgt:

Zur Rückkehr (letzte Änderung: 19.02.2021):

Es liegen widersprüchliche Informationen vor, ob Personen, die nach Syrien zurückkehren möchten, eine Sicherheitsüberprüfung durchlaufen müssen, oder nicht. Laut Deutschem Auswärtigen Amt müssen syrische Flüchtlinge, unabhängig von politischer Ausrichtung, vor ihrer Rückkehr weiterhin eine Überprüfung durch die syrischen Sicherheitsdienste durchlaufen (AA 19.5.2020). Auch laut International Crisis Group (ICG) stellt unabhängig davon, welchen administrativen Weg ein rückkehrwilliger Flüchtling wählt, die Sicherheitsfreigabe durch den zentralen Geheimdienstapparat in Damaskus (oder die Verweigerung einer solchen) das endgültige Urteil dar, ob es einem Flüchtling möglich ist sicher nach Hause zurückzukehren (ICG 13.2.2020). Im Gegensatz dazu berichtet der Danish Immigration Service (DIS) auf Basis von Interviews, dass Syrer, die außerhalb Syriens wohnen und nicht von der syrischen Regierung gesucht werden, keine Sicherheitsfreigabe benötigen, um nach Syrien zurückzukehren. Weiters berichtete Syria Direct gegenüber DIS, dass lediglich Syrer im Libanon, die über "organisierte Gruppenrückkehr" nach Syrien zurückkehren möchten, eine Sicherheitsfreigabe benötigen (DIS 12.2020).

Ein Punkt, der nach wie vor schwer zu ermitteln ist, ist der Anteil der Antragsteller, denen die Rückkehr nicht genehmigt wurde (ICG 13.2.2020). Er wird von den verschiedenen Quellen mit 5% (SD 16.1.2019), 10% (Reuters 25.9.2018), bis hin zu 30% (ABC 6.10.2018) angegeben. In vielen Fällen wird auch Binnenvertriebenen die Rückkehr in ihre Heimatgebiete nicht erlaubt (USDOS 11.3.2020).

Gründe für eine Ablehnung können (wahrgenommene) politische Aktivitäten gegen die Regierung bzw. Verbindungen zur Opposition oder die Nicht-Erfüllung der Wehrpflicht sein (Reuters 25.9.2018; vgl. ABC 6.10.2018, SD 16.1.2019). Einige Beobachter und humanitäre Helfer behaupten, dass die Bewilligungsrate für Antragsteller aus Gebieten, die als regimefeindliche Hochburgen identifiziert wurden, nahezu Null ist (ICG 13.2.2020). Kriterien und Anforderungen, um ein positives Ergebnis zu erhalten, sind nicht bekannt. Es gibt Berichte, denen zufolge Rückkehrer trotz positiver Sicherheitsüberprüfung Opfer willkürlicher Verhaftung, Folter oder Verschwindenlassens geworden und vereinzelt in Haft ums Leben gekommen sein sollen (AA 19.5.2020).

Personen, die von der syrischen Regierung gesucht werden, und darum die Genehmigung zur Rückkehr nicht erhalten, sind aufgefordert ihren „Status zu klären“, bevor sie zurückkehren können (Reuters 25.9.2018; vgl. SD 16.1.2019). Einem syrischen General zufolge müssen Personen, die aus dem Ausland zurückkehren möchten, in der entsprechenden syrischen Auslandsvertretung „Versöhnung“ beantragen und unter anderem angeben, wie und warum sie das Land verlassen haben und Angaben über Tätigkeiten in der Zeit des Auslandsaufenthaltes etc. machen. Diese Informationen werden an das syrische Außenministerium weitergeleitet, wo eine Sicherheitsüberprüfung durchgeführt wird. Syrer, die über die Landgrenzen einreisen, müssen dem General zufolge dort ein „Versöhnungsformular“ ausfüllen (DIS 6.2019). Um im Falle der Rückkehr einer Verhaftung zu entgehen, versuchen Syrer, Informationen über ihre Sicherheitsakte zu erhalten und diese, wenn möglich, zu bereinigen. Persönliche Kontakte und Bestechungsgelder sind die gängigsten Mittel und Wege zu diesem Zweck, doch aufgrund ihrer Informalität und der Undurchsichtigkeit des syrischen Sicherheitssektors sind solche Informationen und Sicherheitsfreigaben nicht immer zuverlässig, und nicht jeder kann sie erhalten (ICG 13.2.2020).

Zwar schützt der Genehmigungsprozess potenzielle Rückkehrer nicht vor Misshandlung durch die Milizen oder zukünftiger Verfolgung, trägt jedoch dazu bei, die Unsicherheit zu verringern, mit der sie konfrontiert sind, und nimmt ihnen damit ein Element der Abschreckung (ICG 13.2.2020).

Der Sicherheitssektor kontrolliert den Rückkehrprozess in Syrien. Die Sicherheitsdienste institutionalisieren ein System der Selbstbeschuldigung und Informationsweitergabe über Dritte, um große Datenbanken mit Informationen über reale und wahrgenommene Bedrohungen aus der syrischen Bevölkerung aufzubauen. Um intern oder aus dem Ausland zurückzukehren, müssen Geflüchtete umfangreiche Formulare ausfüllen (EIP 6.2019).

Syrer benötigen in unterschiedlichen Lebensbereichen eine Sicherheitsfreigabe von den Behörden, so z.B. auch für die Eröffnung eines Geschäftes, eine Eheschließung und Organisation einer Hochzeitsfeier, um den Wohnsitz zu wechseln, für Wiederaufbautätigkeiten oder auch, um eine Immobilie zu kaufen (FIS 14.12.2018; vgl. EIP 6.2019). Die Sicherheitsfreigabe kann auch Informationen enthalten, z.B. wo eine Person seit dem Verlassen des konkreten Gebietes aufhältig war. Der Genehmigungsprozess könnte sich einfacher gestalten für eine Person, die in Damaskus aufhältig war, wohingegen der Aufenthalt einer Person in Orten wie Deir ez-Zour zusätzliche Überprüfungen nach sich ziehen kann. Eine Person wird für die Sicherheitserklärung nach Familienmitgliedern, die von der Regierung gesucht werden, befragt, wobei nicht nur Mitglieder der Kern- sondern auch der Großfamilie eine Rolle spielen (FIS 14.12.2018).

Es ist schwierig, Informationen über die Lage von Rückkehrern in Syrien zu erhalten. Regierungsfreundliche Medien berichten über die Freude der Rückkehrer (TN 10.12.2018), oppositionelle Medien berichten über Inhaftierungen und willkürliche Tötungen von Rückkehrern (TN 10.12.2018; vgl. TWP 2.6.2019, FP 6.2.2019). Zudem wollen viele Flüchtlinge aus Angst vor Repressionen der Regierung nicht mehr mit Journalisten (TN 10.12.2018) oder sogar mit Verwandten sprechen, nachdem sie nach Syrien zurückgekehrt sind (SD 16.1.2019; vgl. TN 10.12.2018). Zur Situation von rückkehrenden Flüchtlingen aus Europa gibt es, wohl auch aufgrund deren geringen Zahl, keine Angaben (ÖB 29.9.2020).

Die syrische Regierung führt Listen mit Namen von Personen, die als in irgendeiner Form regierungsfeindlich angesehen werden. Die Aufnahme in diese Listen kann aus sehr unterschiedlichen Gründen erfolgen und sogar vollkommen willkürlich sein. Zum Beispiel kann die Behandlung einer Person an einer Kontrollstelle, wie einem Checkpoint, von unterschiedlichen Faktoren abhängen, darunter die Willkür des Personals am Kontrollpunkt oder praktische Probleme, wie die Namensgleichheit mit einer von der Regierung gesuchten Person. Personen, die als regierungsfeindlich angesehen werden, können unterschiedliche Konsequenzen von Regierungsseite zu gewärtigen haben, wie Festnahme und im Zuge dessen auch Folter. Zu als oppositionell oder regierungsfeindlich angesehenen Personen gehören einigen Quellen zufolge unter anderem medizinisches Personal, insbesondere wenn die Person in einem von der Regierung belagerten oppositionellen Gebiet gearbeitet hat, Aktivisten und Journalisten, die sich mit ihrer Arbeit gegen die Regierung engagieren und diese offen kritisieren, oder Informationen oder Fotos von Geschehnissen in Syrien, wie Angriffe der Regierung, verbreitet haben sowie allgemein Personen, die offene Kritik an der Regierung üben. Einer Quelle zufolge kann es sein, dass die Regierung eine Person, deren Vergehen als nicht so schwerwiegend gesehen wird, nicht sofort, sondern erst nach einer gewissen Zeit festnimmt (FIS 14.12.2018). Jeder Geheimdienst führt eigene Fahndungslisten und es findet keine Abstimmung und Zentralisierung statt. Daher kann es trotz positiver Sicherheitsüberprüfung eines Dienstes jederzeit zur Verhaftung durch einen anderen kommen (AA 4.12.2020).

Ein weiterer Faktor, der die Behandlung an einem Checkpoint beeinflussen kann, ist das Herkunftsgebiet oder der Wohnort einer Person. In einem Ort, der von der Opposition kontrolliert wird oder wurde, zu wohnen oder von dort zu stammen kann den Verdacht des Kontrollpersonals wecken (FIS 14.12.2018).

Laut ICG ist nicht immer klar, wen die syrische Regierung als Gegner ansieht, bzw. kann sich dies im Laufe der Zeit auch ändern. Demnach gibt es keine Gewissheit darüber, wer vor einer Verhaftung sicher ist. Viele Flüchtlinge, mit denen ICG Gespräche führte, berichteten, dass der Verzicht auf regimefeindliche Aktivitäten keine sichere Rückkehr garantiert (ICG 13.2.2020).

Es wurde regelmäßig von Verhaftungen von und Anklagen gegen Rückkehrer gemäß der Anti-Terror-Gesetzgebung berichtet, wenn diesen Regimegegnerschaft unterstellt wird. Diese Berichte erscheinen laut deutschem Auswärtigem Amt glaubwürdig, konnten im Einzelfall aber nicht verifiziert werden (AA 13.11.2018).

Es muss davon ausgegangen werden, dass syrische Sicherheitsdienste in der Lage sind, exil-politische Tätigkeiten auszuspähen und darüber zu berichten (ÖB 29.9.2020; vgl. TWP 2.6.2019). Es gab Berichte, dass syrische Sicherheitsdienste mit Drohungen gegenüber noch in Syrien lebenden Familienmitgliedern Druck auf in z.B. Deutschland lebende Verwandte ausübten (AA 13.11.2018). Die syrische Regierung hat Interesse an politischen Aktivitäten von Syrern im Ausland. Eine Gefährdung eines Rückkehrers im Falle von exil-politischer Aktivität hängt jedoch von den Aktivitäten selbst, dem Profil der Person und von zahlreichen anderen Faktoren, wie dem familiären Hintergrund und den Ressourcen ab, die der Regierung zur Verfügung stehen (STDOK 8.2017). Der Sicherheitssektor nützt den Rückkehr- und Versöhnungsprozess, um, wie in der Vergangenheit, lokale Informanten zur Informationsgewinnung und Kontrolle der Bevölkerung zu institutionalisieren. Die Regierung weitet ihre Informationssammlung über alle Personen, die nach Syrien zurückkehren oder die dort verblieben sind, aus. Historisch wurden Informationen dieser Art benutzt, um Personen, die aus jedwedem Grund als Bedrohung für die Regierung gesehen werden, zu erpressen oder zu verhaften (EIP 6.2019). Das Schreiben eines „taqrir“ (Bericht), d.h. die Meldung von Personen an die Sicherheitsbehörden, ist seit Jahrzehnten Teil des Lebens im ba'athistischen Syrien, der laut ICG auch unter den Flüchtlingen im Libanon fortbesteht. Motive sind dabei persönliche Bereicherung, Begleichen von Rechnungen oder Vermeidung selbst zur Zielscheibe zu werden. Sogar Regimebeamte geben zu, dass Verhaftungen aufgrund unbegründeter Denunziationen erfolgen (ICG 13.2.2020).

Es gibt Berichte über Menschenrechtsverletzungen gegenüber Personen, die nach Syrien zurückgekehrt waren (IT 17.3.2018). Hunderte syrische Flüchtlinge wurden nach ihrer Rückkehr verhaftet und verhört – inklusive Geflüchteten, die aus dem Ausland nach Syrien zurückkehrten, IDPs aus von der Opposition kontrollierten Gebieten, und Personen, die in durch die Regierung wiedereroberten Gebieten ein Versöhnungsabkommen mit der Regierung unterschrieben haben. Sie wurden gezwungen, Aussagen über Familienmitglieder zu machen und in manchen Fällen wurden sie gefoltert (TWP 2.6.2019; vgl. EIP 6.2019).

Syrische Flüchtlinge benötigen für die Heimreise üblicherweise die Zustimmung der Regierung und die Bereitschaft, vollständige Angaben über ihr Verhältnis zur Opposition zu machen. In vielen Fällen hält die Regierung die im Rahmen der „Versöhnungsabkommen“ vereinbarten Garantien nicht ein, und Rückkehrer sind Schikanen oder Erpressungen durch die Sicherheitsbehörden oder auch Inhaftierung und Folter ausgesetzt, mit dem Ziel Informationen über die Aktivitäten der Flüchtlinge im Ausland zu erhalten (TWP 2.6.2019).

Nach Einschätzung des Hochkommissariats für Flüchtlinge der Vereinten Nationen (UNHCR), der Internationalen Organisation für Migration (IOM) und des Internationalen Komitees vom roten Kreuz (IKRK) sind die Bedingungen für eine umfassende Rückkehr von Flüchtlingen nach Syrien in Sicherheit und Würde aufgrund weiter bestehender signifikanter Sicherheitsrisiken für die Zivilbevölkerung in ganz Syrien weiterhin nicht gegeben (AA 4.12.2020).

Zu Sicherheits- und Nachrichtendiensten (letzte Änderung: 11.02.2021):

Die Sicherheitskräfte nutzen eine Reihe an Techniken, um Bürger einzuschüchtern oder zur Kooperation zu bringen. Diese Techniken beinhalten im besten Fall Belohnungen, andererseits jedoch auch Zwangsmaßnahmen wie Reiseverbote, Überwachung, Schikanen von Individuen

und/oder deren Familienmitgliedern, Verhaftungen, Verhöre oder die Androhung von Inhaftierung. Die Zivilgesellschaft und die Opposition in Syrien erhalten spezielle Aufmerksamkeit von den Sicherheitskräften, aber auch ganz im Allgemeinen müssen Gruppen und Individuen mit dem Druck der Sicherheitsbehörden umgehen (GS 11.2.2017; vgl. USDOS 11.3.2020).

Zu Folter, Haftbedingungen und unmenschliche Behandlung (letzte Änderung: 11.02.2021):

NGOs berichten glaubhaft, dass die syrische Regierung und mit ihr verbündete Milizen physische Misshandlung, Bestrafung und Folter an oppositionellen Kämpfern und Zivilisten begehen (USDOS 11.3.2020; vgl. TWP 23.12.2018). Vergewaltigung und sexueller Missbrauch von Frauen, Männern und Minderjährigen sind weit verbreitet. Die Regierung nimmt hierbei auch Personen ins Visier, denen Verbindungen zur Opposition vorgeworfen werden (USDOS 11.3.2020). Es sind zahllose Fälle dokumentiert, bei denen Familienmitglieder wegen der als regierungsfeindlich wahrgenommenen Tätigkeit von Verwandten inhaftiert und gefoltert wurden, auch wenn die als regierungsfeindlich wahrgenommenen Personen ins Ausland geflüchtet waren (AA 4.12.2020).

Zur Einreise nach Syrien (letzte Änderung: 09.12.2020):

Infolge der COVID-19-Pandemie wurden sowohl der Flughafen Damaskus als auch die Grenzen zu den Nachbarländern geschlossen (AA 19.5.2020). Es gab jedoch bereits wieder Lockerungen für Reisen in das Ausland als auch bei der Einreise nach Syrien. Der Flugbetrieb am internationalen Flughafen in Damaskus wurde wiederaufgenommen (BMEIA 19.8.2020). Es kommt jedoch zu verstärkten Einreisekontrollen, Gesundheitsprüfungen und Einreisesperren (AA 19.8.2020).

Quellen:

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?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.12.2020): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/684459/684542/60 38295/22065632/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt,_Bericht_%C3%BCber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_(Stand_November_2020),_04.12.2020.pdf?nodeid=224799 18&vernum=-2, Zugriff 18.1.2021

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (19.8.2020): Syrien: Reisewarnung: Reisewarnung, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/syrien-node/syriensicherheit/204278, Zugriff 8.9.2020

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (13.11.2018): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1451486/4598_1542722823_auswaertiges-amt-berichtueber-die-lage-in-der-arabischen-republik-syrien-stand-november-2018-13-11-2018.pdf, Zugriff 18.8.2020

?        ABC – ABC News – Australian Broadcasting Cooperation (6.10.2018): Syrians return home after years as unwelcome refugees, but there’s little cause for celebration, https://www.abc.net.au/new s/2018-10-06/syria-refugees-returning-home-from-lebanon/10319154, Zugriff 8.10.2020

?        BMEIA – Bundesministerium für Europäische und Internationale Angelegenheiten [Österreich] (19.8.2020): Syrien – Aktuelle Hinweise, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/syrien, Zugriff 14.9.2020

?        DIS – Danish Immigration Service [Denmark] (12.2020): Syria: Security clearance and status settlement for returnees, https://www.ecoi.net/en/file/local/2042786/COI_Report_Syria-security_c learance_and_status_settlement_dec_2020.pdf, Zugriff 8.2.2021

?        DIS – Danish Immigration Service [Denmark] (6.2019): Consequences of illegal exit, consequences of leaving civil a servant position without notice and the situation of Kurds in Damascus, per E-Mail

?        EIP – European Institute of Peace (6.2019): Refugee return in Syria: Dangers, security risks and information scarcity, https://www.ecoi.net/en/file/local/2018602/EIP+Report+-+Security+and+R efugee+Return+in+Syria+-+July.pdf, Zugriff 27.10.2020

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?        FP – Foreign Policy (6.2.2019): A Deadly Welcome Awaits Syria’s Returning Refugees, https: //foreignpolicy.com/2019/02/06/a-deadly-welcome-awaits-syrias-returning-refugees/, Zugriff 8.10.2020

?        GS – Global Security (11.2.2017): Syria Intelligence & Security Agencies, http://www.globalsecuri ty.org/intell/world/syria/intro.htm, Zugriff 14.9.2020

?        ICG – International Crisis Group (13.2.2020): Easing Syrian Refugees‘ Plight in Lebanon, https: //d2071andvip0wj.cloudfront.net/211-easing-syrian-refugees-plight-in-lebanon.pdf, Zugriff 24.8.2020

?        IT – Irish Times (17.3.2018): Arrests and torture of Syrian refugees returning home reported, https: //www.irishtimes.com/news/world/middle-east/arrests-and-torture-of-syrian-refugees-returning-h ome-reported-1.3429762, Zugriff 8.10.2020

?        ÖB – Österreichische Botschaft Damaskus [Österreich] (29.9.2020): Asylländerbericht Syrien 2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2038328/Asylländerbericht+2020+(Stand+29092020)+.pdf, Zugriff 12.10.2020

?        Reuters (25.9.2018): Fifty thousand Syrians returned to Syria from Lebanon this year: official, https://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-syria-lebanon-refugees/fifty-thousand-syrians-re turned-to-syria-from-lebanon-this-year-official-idUSKCN1M51OM, Zugriff 8.10.2020

?        SD – Syria Direct (16.1.2019): In first ‘organized’ refugee returns from Jordan, dozens of Syrians head back to Damascus suburb, https://syriadirect.org/news/in-first-%E2%80%98organized%E2% 80%99-refugee-returns-from-jordan-dozens-of-syrians-head-back-to-damascus-suburb/, Zugriff 9.10.2020

?        STDOK – Staatendokumentation des BFA [Österreich] (8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien – mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/file_upload/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf, Zugriff 24.7.2020

?        TN – The National (10.12.2018): Uncertainty over fate of Syrian refugees who return home, https: //www.thenational.ae/world/mena/uncertainty-over-fate-of-syrian-refugees-who-return-home-1.8 01269, Zugriff 8.10.2020

?        TWP – The Washington Post (2.6.2019): Assad urged Syrian refugees to come home. Many are being welcomed with arrest and interrogation, https://www.washingtonpost.com/world/assad-urg ed-syrian-refugees-to-come-home-many-are-being-welcomed-with-arrest-and-interrogation/2019 /06/02/54bd696a-7bea-11e9-b1f3-b233fe5811ef_story.html?utm_term=.e0a2c27a072f, Zugriff 8.10.2020

?        USDOS – United States Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2026345.html, Zugriff 22.7.2020

Aus dem InterimsIeitfaden zum internationalen Schutzbedarf von Asylsuchenden aus Syrien: Aufrechterhaltung der UNHCR-Position aus dem Jahr 2017 (Februar 2020) der UNHCR ergibt sich wie folgt:

Den Vereinten Nationen und Menschenrechtsbeobachtern zufolge werden willkürliche Verhaftungen, Verschwindenlassen, Inhaftierungen unter lebensbedrohlichen Umständen, systematische und weitverbreitete Folter und sonstige Formen der Misshandlung, einschließlich sexueller Gewalt, Strafverfolgung nach der zu weit gefassten Antiterrorgesetzgebung unter Verletzung des Rechts des Beschuldigten auf ein faires Verfahren vor Antiterror- und militärischen Feldgerichten sowie summarische und außergerichtliche Hinrichtungen weiterhin in großem Umfang dokumentiert. Sie richten sich überwiegend gegen Personen, die tatsächlich oder vermeintlich Gegner der Regierung sind. Zu den Personen, denen regelmäßig eine regierungsfeindliche Gesinnung unterstellt wird, zählen Zivilpersonen (und insbesondere Männer und Jungen im kampffähigen Alter) aus (ehemals) von der Opposition kontrollierten Gebieten; Wehrdienstverweigerer und Deserteure; Mitglieder lokaler Räte; Aktivisten; Journalisten und Bürgerjournalisten aus der Zivilbevölkerung; Mitarbeiter humanitärer Hilfsorganisationen und Freiwillige des Zivilschutzes; medizinische Fachkräfte; Verteidiger der Menschenrechte sowie Hochschullehrkräfte und -wissenschaftler. Die tatsächliche oder vermeintliche oppositionelle Haltung einer Person wird häufig Personen in ihrem Umfeld zugeschrieben, einschließlich Familienmitgliedern.

2. Beweiswürdigung:

2.1.    Die Feststellungen ergeben sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsunterlagen sowie den Aktenbestandteilen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Als Beweismittel insbesondere relevant sind die Niederschriften der Einvernahmen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Erstbefragung; EB) und durch das BFA (EV), der Beschwerdeschriftsatz, die Länderinformation der Staatendokumentation – Syrien Version 2 (generiert am 01.03.2021 über das COI-CMS) mit den darin enthaltenen, bei den Feststellungen näher zitierten Berichten, die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Dokumente (Reisepass, Familienbuch, Heiratsurkunde, gerichtliche Heiratseintragung), die relevanten Unterlagen aus dem behördlichen Asylverfahrens des Ehemannes der Beschwerdeführerin (Bescheid, Aktenvermerk, Einvernahme) und die Strafregisterabfrage vom 02.03.2021.

2.2.    Zu folgenden Feststellungen wird näher ausgeführt wie folgt:

2.2.1.  Aufgrund des beim BFA vorgelegten, unbedenklichen Reisepasses, der einer kriminaltechnischen Untersuchung unterzogen wurde, steht die Identität der Beschwerdeführerin fest. Dies hat auch das BFA seiner Entscheidung unterstellt.

Die Feststellung der Unbescholtenheit gründet sich auf eine eingeholte Strafregisterauskunft, ebenso wie die Feststellung fehlender Asylausschlussgründe, die sich auch darauf gründet, dass solche Gründe nicht in Ansatz zu sehen oder hervorgekommen sind.

Dass die Beschwerdeführerin aus Qamishli stammt, ergibt sich aus ihren glaubwürdigen, gleichbleibenden Angaben sowie den vorgelegten Unterlagen. Die aktuellen Machtverhältnisse ergeben sich aus einer Nachschau auf https://syria.liveuamap.com vom 01.03.2021.

Aufgrund der vorgelegten syrischen Unterlagen (Heiratsurkunde, Familienbuch, gerichtliche Eheeintragung) steht fest, dass die Beschwerdeführerin und XXXX nach syrischem Recht gültig verheiratet sind – dies hat auch das BFA seiner Entscheidung unterstellt – sowie dass aufgrund der offiziellen Registrierung bzw. Eintragung der Ehe diese auch den syrischen Behörden bekannt geworden ist. Im Falle einer Einreise wäre für das syrische Regime daher ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin die Ehefrau des XXXX ist, der Syrien verlassen hat, um sich dem Wehrdienst zu entziehen, und welchem aus diesem Grund in Österreich der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde (dies ergibt sich aus den Unterlagen seines behördlichen Asylverfahrens: dem Bescheid, dem zugehörigen Aktenvermerk und der Einvernahme).

2.2.2.  Die Feststellung, dass eine Rückkehr nach Syrien nur über vom Regime kontrollierte Grenzübergänge wie den Flughafen von Damaskus sicher und legal möglich ist, ergibt sich aus den aktuellen Länderberichten bzw. aus dem Umstand, dass die Behörde eine andere Möglichkeit nicht aufgezeigt hat. Auch aus den aktuellen Berichten der UNOCHA (OCHA, 2.4.2020, Syrian Arab Republic: COVID-19. Humanitarian Update No. 04. (https://reliefweb.int/report/syrian-arab-republic/syrian-arab-republic-covid-19-update-no-04-2-april-2020); OCHA, 23.12.2020, Syrian Arab Republic: COVID-19. Humanitarian Update No. 22 (https://reliefweb.int/report/syrian-arab-republic/syrian-arab-republic-covid-19-humanitarian-update-no-22-23-december-2020)) ergibt sich, dass der informelle Grenzübergang Fishkabour/Semalka in kurdisches Gebiet aktuell für den zivilen Personenverkehr (humanitäres Personal ausgenommen – im gegenständlichen Fall nicht relevant) geschlossen ist. Die Beschwerdeführerin hat daher nur die Möglichkeit, über Damaskus einzureisen, wo das syrische Regime auf sie zugreifen kann und ist daher dieses als Verfolger zu prüfen. Die Feststellungen hinsichtlich der Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung ergeben sich aus den angeführten, aktuellen Länderberichten, die unter 1.7. näher ausgeführt werden, und hat die belangte Behörde diese Länderberichte auch ihrer eigenen Entscheidung unterstellt. Diesen Feststellungen wurde auch in der Beschwerde nicht widersprochen.

2.2.3.  Zur Situation in Syrien

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat ergeben sich aus den unter Punkt 1.7. genannten Länderberichten samt den darin zitierten Quellen. Die aktuellen Länderberichte beruhen auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von staatlichen und nichtstaatlichen Stellen und bieten dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche, weshalb im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass besteht, an der Richtigkeit dieser Berichte zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben. Auch die belangte Behörde hat diese Länderberichte ihrer Entscheidung unterstellt und wurde diesen auch in der Beschwerde betreffend den hier entscheidungswesentlichen Sachverhalt nicht substantiiert entgegengetreten, weshalb für das Bundesverwaltungsgericht auch aus diesem Grund keine Zweifel an deren Richtigkeit bestehen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1.    Gemäß § 3 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (in Folge: AsylG 2005), ist Asylwerbern auf Antrag der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft gemacht wurde, dass diesen im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955 (in Folge: GFK), droht und dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat.

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 17 AsylG ist unter Herkunftsstaat der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt, oder – im Falle der Staatenlosigkeit – der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes zu verstehen. Dies ist im vorliegenden Fall zweifellos Syrien.

3.2.    Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, droht einer Person, die sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen;

Die Beschwerdeführerin würde im Falle ihrer Rückkehr nach Syrien mit hinreichender Wahrscheinlichkeit im Rahmen der Einreise über einen vom Regime kontrollierten Grenzübergang als Rückkehrerin kurdischer Volksgruppenzugehörigkeit, die aus einem Gebiet stammt, das aktuell nicht vom Regime kontrolliert wird, genauer überprüft werden. Dabei würde mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass sich deren Ehemann dem Militärdienst entzogen hat. Daher besteht die hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass man die Beschwerdeführerin festnehmen, dieser wegen der oben dargestellten Entziehung eines nahen Verwandten vom Militärdienst eine oppositionelle politische Gesinnung unterstellen und diese zumindest für einige Tage anhalten und im Rahmen dieser Anhaltung der Folter unterwerfen würde.

Daher liegt eine der Beschwerdeführerin objektiv drohende asylrelevante Verfolgung vor.

3.3.    Die rechtskräftige Gewährung von subsidiärem Schutz durch das Bundesamt steht mangels einer diesbezüglichen relevanten Änderung der Rechts- oder Tatsachenlage einer Prüfung einer innerstaatlichen Fluchtalternative entgegen (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/18/0054).

3.4.    Da darüber hinaus keine von der Beschwerdeführerin verwirklichte Asylausschluss- oder -endigungsgründe festzustellen waren, ist der Beschwerde der Beschwerdeführerin stattzugeben, dieser der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen und auszusprechen, dass der Beschwerdeführerin somit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

3.5.    Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 – der diesbezüglich § 24 Abs. 4 VwGVG vorgeht (VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017) – kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig und in ordnungsgemäßem Ermittlungsverfahren erhoben wurde, zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes immer noch aktuell und vollständig ist und das Verwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilt.

Das ist hinsichtlich des entscheidungsrelevanten Sachverhalts hier der Fall, da dieser bereits von der Behörde ermittelt wurde; es waren daher nur Rechtsfragen zu klären.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. die unter Punkt 3. angeführte Judikatur); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die für die Lösung des Falles relevante Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter A) dargestellt und ist dieser gefolgt; es ist daher keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung zu erkennen.

Im Übrigen war eine auf die Umstände des Einzelfalls bezogene Prüfung vorzunehmen.

Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Asylgewährung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren begründete Furcht vor Verfolgung Fluchtgründe Flüchtlingseigenschaft Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit politische Gesinnung Sippenhaftung unterstellte politische Gesinnung Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung Volksgruppenzugehörigkeit Wehrdienstverweigerung wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W183.2237547.1.00

Im RIS seit

24.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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