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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1993 §18 Abs2 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Hanel, über die Beschwerde der M in S, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 8. September 1995, Zl. III 382/94, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 8. September 1995 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine kroatische Staatsangehörige, gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 und Z. 2 sowie § 18 Abs. 2 Z. 2 Fremdengesetz ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von fünf Jahren erlassen.
Der Bescheid enthält (wörtlich und ausschließlich) folgende Begründung:
"Die im angefochtenen Bescheid angeführten rechtskräftigen Verwaltungsstrafen nach dem Fremdengesetz und Meldegesetz erfüllen den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG. Das bzw. das aus den angefochtenen Bescheiden ersichtliche Gesamtfehlverhalten der Berufungswerberin im Bundesgebiet rechtfertigt die Annahme des § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG, der dringenden Notwendigkeit der Erlassung eines Aufenthaltsverbots im Sinne des § 19 FrG und die Annahme des Übergewichts zugunsten der öffentlichen Interessen am Nicht-Aufenthalt der Berufungswerberin im Bundesgebiet bei der "Interessenabwägung". Vgl. den relativ kurzen Aufenthalt der Berufungswerberin im Bundesgebiet - seit 1992, ihre Kinder oder wen auch immer kann sie ja mitnehmen und ihr Ehemann MT hat sowieso bereits ein Aufenthaltsverbot für Österreich.
§ 20 Abs. 2 FrG kommt der Berufungswerberin schon aus zeitlichen Gründen nicht zugute. Vgl. § 10 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz und ihren Aufenthalt im Bundesgebiet erst seit 1992. Die Sicherheitsdirektion für Tirol ist der Ansicht, daß bis zum Wegfall des Grundes für die Erlassung des Aufenthaltsverbots, nämlich der Gefährlichkeit der Berufungswerberin für die öffentliche Ordnung, das Verstreichen von fünf Jahren vonnöten ist."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil die Behörde ohne jeglichen Anlaß und aus einem Willkürakt heraus ein Aufenthaltsverbot erlassen habe, obwohl die dem Aufenthaltsverbot zugrundeliegenden Verwaltungsvergehen teilweise zwei Jahre zurücklägen und der Beschwerdeführerin die Aufenthaltsbewilligung bis dato erteilt worden sei. Die Beschwerdeführerin habe sich seit dem Jahr 1993 wohlverhalten und nicht den geringsten Anlaß für ein Aufenthaltsverbot gesetzt. Die von der Behörde zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes herangezogenen Verwaltungsvergehen seien jedenfalls nicht schwerwiegend im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG.
Im Hinblick auf den Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin im Sinne der §§ 19 und 20 FrG durch das verhängte Aufenthaltsverbot führt die Beschwerde aus, daß die belangte Behörde es verabsäumt habe, das Gesamtverhalten der Beschwerdeführerin zu prüfen und zu werten, um beurteilen zu können, ob der weitere Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährde oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe. Die belangte Behörde habe lediglich drei Verwaltungsvergehen aufgezählt und lapidar begründet, daß die Abwehr eines für die Allgemeinheit nicht wiedergutzumachenden Schadens das Aufenthaltsverbot erfordere. Der Hinweis der belangten Behörde, daß gegen den Ehemann der Beschwerdeführerin MT "sowieso" bereits ein Aufenthaltsverbot erlassen sei und darüber hinaus sie ihre Kinder oder wen auch immer mitnehmen könne, könne zur Lösung dieser Frage ebenfalls nichts beitragen.
Gemäß § 18 Abs. 1 FrG ist gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährde oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe. Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat gemäß § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder im Inland mehr als einmal wegen einer schwerwiegenden Verwaltungsübertretung, einer Übertretung dieses Bundesgesetzes, des Grenzkontrollgesetzes 1969, des Meldegesetzes 1991, oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, rechtskräftig bestraft worden ist.
Nach der Aktenlage wurde die Beschwerdeführerin für folgende Verwaltungsübertretungen rechtskräftig bestraft:
1. Am 21. Jänner 1992 wegen Übertretung des § 40 Abs. 2 iVm § 23 Abs. 1 Paßgesetz 1969 von der Bezirkshauptmannschaft Schwaz zu einer Geldstrafe von S 1.000,--;
2. am 2. September 1993 wegen Übertretung des § 82 Abs. 1 Z. 4 iVm § 15 FrG von der Bezirkshauptmannschaft Schwaz zu einer Geldstrafe von S 500,--; (im erstinstanzlichen Bescheid sind offensichtlich irrtümlich das Datum "2.9.1994" und eine Geldstrafe von S 1.000,-- angeführt, veranlaßt offenbar von der Mitteilung der BH Schwaz vom 13. Oktober 1994; siehe demgegenüber die Verständigung derselben Behörde vom 29. Dezember 1993);
3. wegen einer Übertretung des Meldegesetzes von der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck zu einer Geldstrafe von
S 1.000,-- betreffend den Zeitraum 19. August 1993 bis 24. September 1993.
Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin erfüllt die Bestrafung wegen einer Übertretung des § 40 Abs. 2 iVm § 23 Abs. 1 Paßgesetz 1969 den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. November 1996, Zl. 95/21/0153). Unter Bedachtnahme auf die rechtskräftigen Bestrafungen - oben Z. 2 und 3 (jene nach dem Paßgesetz wurde nicht herangezogen) - konnte die belangte Behörde rechtsrichtig davon ausgehen, daß die Beschwerdeführerin den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG verwirklicht hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. April 1996, Zl. 95/21/0075).
Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist nach § 18 Abs. 1 FrG die auf bestimmte Tatsachen gegründete Prognose, daß der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder die im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen erheblich gefährdet. § 18 Abs. 1 FrG ordnet sohin an, daß bei Vorliegen eines der im Abs. 2 leg. cit. aufgezählten Tatbestände eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen ist, ob dieser Tatbestand in concreto die umschriebene Annahme rechtfertigt (vgl. dazu aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die hg. Erkenntnisse vom 15. Dezember 1995, Zl. 95/21/0007 und vom 13. November 1996, Zl. 96/21/0085). Entscheidend ist aber nicht nur das Vorliegen von rechtskräftigen Bestrafungen oder Verurteilungen, sondern das diesen zugrundeliegende strafbare Verhalten des Fremden. Hiebei kommt nicht nur dem von ihm gesetzten Fehlverhalten entscheidende Bedeutung zu, sondern auch der Dauer seines Wohlverhaltens seit der Verwirklichung einer - in den Tatbeständen des § 18 Abs. 2 FrG beispielsweise aufgezählten - bestimmten Tatsache im Sinne des § 18 Abs. 1 FrG. Je länger die Verwirklichung dieser bestimmten Tatsache zurückliegt, desto größeres Gewicht kommt dem Wohlverhalten des Fremden seit diesem Zeitpunkt zu (vgl. u.a. das bereits genannte Erkenntnis vom 15. Dezember 1995, Zl. 95/21/0007).
Indem die belangte Behörde diese Grundsätze verkannt und das den Verwaltungsstrafen zugrundeliegende Fehlverhalten nicht festgestellt hat, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Vollständigkeit halber sei bemerkt, daß in den seltsam anmutenden Äußerungen im angefochtenen Bescheid eine ausreichende Begründung zur Erforderlichkeit des Aufenthaltsverbotes nach § 19 FrG und zur Interessenabwägung nach § 20 Abs. 1 FrG nicht enthalten ist.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995211032.X00Im RIS seit
06.08.2001