Entscheidungsdatum
11.03.2021Norm
AVG §38Spruch
W113 2223680-1/14E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Katharina DAVID über die Beschwerde der XXXX , vertreten durch Hajek & Boss & Wagner Rechtsanwälte OG, gegen den Bescheid der Agrarmarkt Austria vom 09.04.2019, Zl. 98.187-14/I/3/10/T/Lu, nach Beschwerdevorentscheidung vom 20.08.2019, Zl. 98.187-15/I/3/10/T/Lu, zu Recht erkannt:
A) Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid der Agrarmarkt Austria (AMA, belangte Behörde) vom 17.01.2019 wurde in Spruchpunkt I festgestellt, dass die Anerkennung der BF als Erzeugerorganisation (EO) weiterhin bestätigt wird. Mit Spruchpunkt II. wurde der BF die Auflage erteilt, näher spezifizierte Überprüfungen ihrer Mitglieder durchzuführen.
Mit Schriftsatz vom 14.02.2019 wurde dagegen von der BF Beschwerde erhoben. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 04.04.2019 wurde der Beschwerde stattgegeben und der Bescheid vom 17.01.2019 ersatzlos behoben.
Dagegen wurde ein Vorstellungsantrag von der BF eingebracht. Dieses Verfahren wurde am BVwG zu Zl. W113 2218685-1 protokolliert. Dieses Verfahren ist noch anhängig.
2. Mit Bescheid der AMA vom 09.04.2019 wurde eine Verfahrensanordnung gemäß § 38 AVG erlassen, mit der das Verfahren zur Entscheidung über die Beschwerde gegen den Bescheid vom 18.01.2019 zur Zl. 98.187-10/I/3/10/T (Genehmigung Operationelles Programm 2019 mit Einschränkungen), bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage (Anerkennung der EO; vgl. Pkt. 1) ausgesetzt wurde.
Mit Schriftsatz vom 26.04.2019 wurde dagegen von der BF Beschwerde erhoben.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 20.08.2019 wurde die Beschwerde abgewiesen.
Dagegen wurde von der BF ein Vorlageantrag eingebracht. Dieses hier gegenständliche Verfahren wurde am BVwG zu Zl. W113 2223680-1 protokolliert.
3. Am 08.03.2021 fand am Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung via zoom statt, an der die belangte Behörde und die BF teilnahmen. In der Verhandlung wurde die Sach- und Rechtslage erörtert.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Feststellungen zur Rechtsform der BF
Die Rechtsvorgängerin der BF, die XXXX , wurde zunächst mit Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft (in der Folge: BMLF) vom 27.06.1996 als EO für Zwiebeln, Karotten und Sellerie anerkannt. Mit Bescheid des BMLF vom 14.09.1998 wurde die letztgültige Anerkennung der XXXX auf Grund der Verordnung über Erzeugerorganisationen für Obst und Gemüse, BGBl. II Nr. 167/1997 für Gemüse ausgesprochen.
Mit Wirksamkeit vom 31.05.2015 kam es mit Abtretungsvertrag vom 21.01.2016 sowie Sacheinlagevertrag vom 22.02.2016 zum Vermögensübergang der XXXX auf die BF, wodurch die BF im Wege der Gesamtrechtsnachfolge in die Rechte und Pflichten der XXXX eintrat.
Eine Anerkennung der BF als EO erfolgte damit mit 14.09.1998.
1.2. Feststellungen zur „Vorfrage“
Mit Bescheid der AMA vom 17.01.2019 wurde in Spruchpunkt I festgestellt, dass die Anerkennung der BF als EO weiterhin bestätigt wird. In der Begründung wurde u.a. ausgeführt: „… Die neue ergänzte Mitgliederliste per 02.08.2018 wurde bei der Prüfung der erforderlichen Mitgliederanzahl zugrunde gelegt, wobei die XXXX vor allem aufgrund der 2017 in Kraft getretenen gesetzlichen Bestimmungen der Art 2 a.) und 2 b.) VO 2017/891 iVm Art 4 Abs. 1 a.) VO (EU) 1307/2013 nicht anerkannt werden konnte. Dies ist im Hinblick auf die erreichte Mitgliederanzahl von über 20 im Anerkennungsverfahren nicht weiter relevant, spielt aber bei der Neuberechnung des WvE ab dem Wirtschaftsjahr 2017/2018 hinsichtlich der Förderhöhe eine Rolle.“
Mit Spruchpunkt II. wurde der BF die Auflage erteilt, näher spezifizierte Überprüfungen ihrer Mitglieder durchzuführen. Dagegen wurde Beschwerde erhoben.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 04.04.2019 wurde der Beschwerde stattgegeben und der Bescheid vom 17.01.2019 ersatzlos behoben. Begründend wurde ausgeführt, dass in der Beschwerde die Auflage betreffend die Kontrollverpflichtung bestritten werde und damit zugegeben würde, dass bisher keine Kontrollen stattgefunden hätten und dies auch in Zukunft nicht geplant sei. Bei einem derartigen Verstoß könne keine Feststellung der Anerkennung der EO erfolgen.
1.3. Feststellungen zu Spruchpunkt A.
Mit Bescheid der AMA vom 18.01.2019, Zl. 98.187-10/I/3/10/T, wurde der Antrag der BF vom 14.09.2018 zur Änderung des Operationellen Programmes 2019 entsprechend der beigefügten Projektkostengliederung unter näher bezeichneten Bedingungen bzw. Einschränkungen genehmigt. Insbesondere Spruchpunkt d) sah vor, dass die Kosten unter der Aktion 2.1.1. in Höhe von 32.666,64 EUR nicht förderfähig seien. Diese Investition betrifft die im Bescheid vom 17.01.2019 nicht anerkannte XXXX als Mitglied der EO. Gegen den Bescheid vom 18.01.2019 wendete sich die BF in ihrer Beschwerde vom 14.02.2019. Dieses Beschwerdeverfahren wurden von der AMA mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 09.04.2019 nach Beschwerdevorentscheidung vom 20.08.2019 nach § 38 AVG ausgesetzt.
Bezüglich der Vorfrage, wegen derer die belangte Behörde das Beschwerdeverfahren ausgesetzt hat, wird auf den vorhergehenden Punkt verwiesen.
Mit weiterem Bescheid vom 10.10.2019 wurde erneut über einen Antrag der BF auf Änderung des Operationellen Programms 2019 vom 15.05.2019 (Korrekturantrag vom 12.09.2019) entschieden. Unter Spruchpunkt c.) wurde erneut ausgesprochen, dass die unter der Aktion 2.1.1. geplanten Kosten in Höhe von 32.666,64 EUR nicht förderfähig seien. Der dagegen erhobenen Beschwerde wurde im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung vom 06.02.2020 stattgegeben und die Investition in Höhe von 32.666,64 EUR nun als förderfähig anerkannt.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Verfahrensakt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes über Beschwerden in Rechtssachen in Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden. Gemäß § 1 AMA-Gesetz 1992, BGBl. 376/1992 idF BGBl. I Nr. 46/2014, iVm § 6 Marktordnungsgesetz 2007 (MOG 2007), BGBl. I Nr. 55/2007 idF BGBl. I Nr. 89/2015, erfolgt die Abwicklung der Maßnahmen im Rahmen der einheitlichen gemeinsamen Marktordnung (EGMO) durch die AMA im Rahmen der unmittelbaren Bundesverwaltung.
Zu A)
Die maßgeblichen Rechtsvorschriften lauten:
§ 38 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG, BGBl. Nr. 51/1991, lautet:
„§ 38. Sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, ist die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.“
§ 17 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, lautet:
„3. Abschnitt
Verfahren vor dem Verwaltungsgericht
Anzuwendendes Recht
§ 17. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.“
Daraus ergibt sich in der Sache:
1. Zur „Vorfrage“
Mit Bescheid der AMA vom 17.01.2019 wurde in Spruchpunkt I festgestellt, dass die Anerkennung der BF als EO weiterhin bestätigt wird. Dieser Spruchpunkt wurde von der BF deswegen angefochten, da sie mit einem Teil der Begründung, nämlich, dass die XXXX als Mitglied der EO nicht anerkannt werden könne, nicht einverstanden ist. Mit Spruchpunkt II., der ebenso bekämpft wurde, wurde der BF die Auflage erteilt, näher spezifizierte Überprüfungen ihrer Mitglieder durchzuführen.
Dieser Bescheid vom 17.01.2019 wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom 04.04.2019 behoben.
2. Zur Aussetzung nach § 38 AVG
Die AMA setzte das Beschwerdevorverfahren betreffend die Änderung des Operationellen Programms mit der Begründung aus, es sei zunächst die Vorfrage zu klären, ob die Anerkennung der BF als EO erfolgt oder nicht (Beschwerdeverfahren betreffend Bescheid vom 17.01.2019, Beschwerdevorentscheidung vom 04.04.2019).
Gemäß § 38 AVG kann die Behörde das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.
Da § 38 AVG gemäß § 17 VwGVG auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren anzuwenden ist, begegnet die Anwendung der gegenständlichen Aussetzung keinen grundsätzlichen Bedenken (VwGH 26.11.2015, Ro 2015/07/0018). Auch der Umstand, dass die Behörde im Beschwerdevorverfahren, das von ihr zu führen ist, das Beschwerdeverfahren aussetzt, kann nach Ansicht des Gerichts nicht rechtswidrig sein, hat die Behörde doch 4 Monate Zeit um eine Beschwerdevorentscheidung zu treffen.
Keine Zweifel bestehen auch an der Bescheidqualität der Aussetzung durch die Behörde. Bereits jene Aussetzung vom 09.04.2019 war als Bescheid zu qualifizieren und wurde dies durch die Beschwerdevorentscheidung vom 20.08.2019, in der die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid ergänzt wurde, verdeutlicht (vgl. Hengstschläger/Leeb AVG, § 38 Rz 47).
Allerdings wurde der Bescheid vom 18.01.2019 (Spruchpunkt d) zumindest in jenem maßgeblichen Pkt. der Frage, ob die Investition in Höhe von 32.666,64 EUR förderfähig ist, durch den Bescheid vom 10.10.2019 (Spruchpunkt c) nach Beschwerdevorentscheidung vom 06.02.2020 ersetzt.
Demnach richtet sich die Beschwerde (betreffend den Bescheid vom 18.01.2019) gegen einen nicht mehr existenten Bescheid. In der Folge betrifft die gegenständliche Aussetzung des Beschwerdeverfahrens nach § 38 AVG durch die AMA ein Beschwerdeverfahren, bei welchem nachträglich die Voraussetzungen für seine Einleitung weggefallen sind. Damit sind aber auch die Voraussetzungen für die Aussetzung des Beschwerdeverfahrens weggefallen und war der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben.
Ob im gegenständlichen Fall eine in § 38 AVG geforderten Vorfrage im Hinblick auf den Bescheid vom 17.01.2019 vorliegt, konnte somit dahingestellt bleiben.
Es war spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Schlagworte
Anerkennungsantrag Auflage Aussetzung Behebung der Entscheidung Bescheidqualität Beschwerdevorentscheidung ersatzlose Behebung Erzeugerorganisation Kassation Kontrolle mündliche Verhandlung Nichtbescheid Voraussetzungen Vorfrage Vorlageantrag WegfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W113.2223680.1.00Im RIS seit
30.06.2021Zuletzt aktualisiert am
30.06.2021