Entscheidungsdatum
12.03.2021Norm
AsylG 2005 §11Spruch
W195 2193131-1/13E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Bangladesch, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.03.2018, XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.03.2021 zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Es wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 14.11.2015 gemeinsam mit seinem homosexuellen XXXX – ein diesen betreffendes Beschwerdeverfahren ist in dieser Gerichtsabteilung unter XXXX anhängig und wird mit hg. Erkenntnis vom heutigen Tage erledigt – einen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen einer Erstbefragung am Tag der Antragstellung gab der BF zu seinen Fluchtgründen an, als Homosexueller in seiner Heimat allgemein sozial vernachlässigt zu werden. Am 20.11.2014, als seine Verwandten von seiner Homosexualität erfahren hätten, seien sie sehr wütend auf den BF gewesen. Er sei von seinen Cousins geschlagen worden und von seiner Familie verbannt worden. Als Angehöriger dieser sozialen Gruppe seien seine Rechte sehr eingeschränkt und er könne seine Sexualität nicht frei ausüben. Als Homosexueller sei er in seiner Heimat sozial isoliert gewesen.
I.2. Mit Schreiben vom 22.01.2018 erstattete der – in diesem Zeitpunkt durch den XXXX vertretene – BF eine Stellungnahme. Darin wird soweit wesentlich betont, dass der BF mit seinem Partner in Österreich ein als offen lebendes schwules Paar ein Leben führt und in die österreichische „LGBT Community“ integriert sei. Ein derartiges Leben sei dem Paar in Bangladesch nicht möglich. Die Eingabe unternimmt auch eine so bezeichnete „rechtliche Beurteilung“, wonach von einer Gruppenverfolgung homosexueller Männer in Bangladesch auszugehen sei, weshalb die Gefahr einer Verfolgung iSd § 3 Abs. 1 AsylG 2005 iVm Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK bestünde. Darüber hinaus werden in der Stellungnahme (teilweise englischsprachige) Länderberichte zu Homosexuellen zitiert.
I.3. Am 17.01.2018 wurde der BF vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen.
Dabei aufgefordert, seine persönlichen Fluchtgründe darzulegen, führte der BF zusammengefasst aus, homosexuell zu sein und er daher in Bangladesch kein sicheres Leben habe führen können. Seine Freunde und die Gesellschaft hätten davon erfahren. Er habe unmenschliche mentale und physische Folter erfahren. Er habe Angst davor gehabt, dass Islamisten davon erführen.
Eines Abends sei der BF mit seinem Partner in einer Bar gewesen. Ein Bekannter namens XXXX hätte den Partner des BF und den BF gefragt, wie ihre Ehe laufe. Der Partner des BF habe den XXXX vom Sessel gestoßen, woraufhin der XXXX intime Fotos vom BF und seinem Partner vorgezeigt hätte.
In der Folge seien der BF und sein Partner ins jeweilige Heimatdorf gefahren. Dort habe es begonnen, dass der BF beschimpft worden sei. Die Familie des BF habe davon erfahren und diese sei beschimpft worden. Der BF habe in der Folge erfahren, dass sein Partner im Spital sei, woraufhin der BF sofort nach XXXX gegangen sei. Dort hätten seine Mitbewohner gesagt, er solle verschwinden, weil er ein Ungläubiger wäre. In der Folge hätten der BF und sein Partner beschlossen, Bangladesch zu verlassen.
I.4. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 12.03.2018, 1094835008 - 151771938, wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).
Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich des Status eines Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, der BF sei nicht angezeigt worden, weswegen dem BF nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen verfolgt zu werden, drohe. Kein Staat der Welt könne alle seine Bürger vor sämtlichen Übergriffen von Privatpersonen schützen. Unter Berücksichtigung der individuellen (persönlichen) Umstände des BF sei nicht davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland in eine ausweglose Situation gerate, weswegen auch keine Anhaltspunkte für die Gewährung subsidiären Schutzes vorliegen würden. Ebenso wenig lägen Anhaltspunkte für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ vor und zudem würden die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Die Abschiebung des BF sei als zulässig zu bewerten.
I.5. Mit gemeinsam mit seinem homosexuellen Partner verfassten Schriftsatz vom 12.04.2018 wurde dieser Bescheid (und ein solcher den Partner des BF betreffend) des BFA seitens des – im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung durch die ARGE Rechtsberatung, Diakonie Flüchtlingsdienst GmbH vertretenen – BF wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Verletzung von Verfahrensvorschriften zur Gänze angefochten.
Neben Wiedergabe des bisherigen Verfahrensverlaufes, der behaupteten Fluchtgründe und weitwendiger Zitierung von Länderberichten führt die Beschwerde im Wesentlichen aus, das BFA habe ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren geführt. Es habe seiner Entscheidung mangelhafte Länderberichte zugrunde gelegt und sich mit einer Stellungahme nicht auseinandergesetzt. Die vom BFA getroffene Beweiswürdigung sei mangelnd (gemeint: mangelhaft), unschlüssig und verletze § 60 AVG. Daraus resultiere eine falsche rechtliche Beurteilung.
Die Beschwerde stellt die Anträge, eine mündliche Verhandlung gem. § 24 VwGVG durchzuführen, den Bescheid hinsichtlich Spruchpunkt I. zu beheben und dem BF Asyl zuzuerkennen, in eventu, den Bescheid zu beheben und dem BF subsidiären Schutz zu gewähren, in eventu, festzustellen, dass seine Abschiebung nach Bangladesch auf Dauer unzulässig sei, sowie, die erlassene Rückkehrentscheidung ersatzlos zu beheben, in eventu, den Bescheid zu beheben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückzuverweisen.
I.6. Mit Schreiben vom 18.04.2018 legte das BFA die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
I.7. Mit Schreiben vom 16.02.2021 wurde zur Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht geladen und damit dem BF auch das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Bangladesch zur allfälligen Stellungnahme bis längstens im Rahmen der für den 11.03.2021 angesetzten mündlichen Beschwerdeverhandlung, übermittelt.
I.8. Am 11.03.2021 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali und des ausgewiesenen Rechtsvertreters des BF eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer der BF und sein Partner ausführlich u.a. zu seinen Fluchtgründen, seinen Rückkehrbefürchtungen, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensverhältnissen in Österreich befragt wurden.
Zu seinen persönlichen Verhältnissen gab der BF an, dass er keinen Kontakt zu den Familienmitgliedern habe.
Hinsichtlich seiner Deutschkenntnisse konnte festgestellt werden, dass eine Unterhaltung in deutscher Sprache möglich ist, der BF hat einen begrenzten Wortschatz; die Antworten sind nur inhaltlich verständlich.
Er habe eine Beziehung zu Sahadat Hossain, und dies seit sieben Jahren. Diese Beziehung bestand bereits in Bangladesch.
Er würde gerne eine Pflegerausbildung machen.
Er habe viele Freunde, sowohl bengalische als auch österreichische Freunde.
Zu seinem Fluchtgrund befragt gab der BF an, dass er homosexuell sei; danach widerholte der BF dem Grunde nach die vor dem BFA bereits erzählte Geschichte. Nach der Entwendung eines Mobiltelefons habe sein Freundeskreis, später auch die Familie und das Dorf erfahren, dass der BF homosexuell sei. Er sei deshalb überfallen und geschlagen worden. Er befürchte, dass er in Bangladesch seine Homosexualität nicht offen ausleben könne und sei deswegen nach Österreich geflohen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen:
II.1.1. Zur Person des BF, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensumständen in Österreich:
Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch und der Volksgruppe der Bengalen sowie der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Seine Muttersprache ist Bengali (gleichlautende Angaben in der Erstbefragung AS 9 sowie bei der Einvernahme vor dem BFA AS 115). Seine Identität steht fest.
Der BF ist im Distrikt XXXX geboren und hat dort gelebt (AS 9, 13, 115). Zwischenzeitig (AS 122) und auch zuletzt hat er in XXXX gewohnt (AS 116). Der BF hat in seinem Heimatland für zehn Jahre Grundschule, zwei Jahre College und ein Jahr eine Universität besucht (AS 9, 118).
Der BF ist ledig und hat keine Kinder (AS 9, 13, 117). In Bangladesch halten sich die Mutter, eine Schwester und ein Bruder des BF auf (AS 13, 117). Zwischen dem BF und seinen Verwandten besteht kein Kontakt.
Der BF ist Oktober 2015 (AS 9) legal unter Vorweisen eines Reisepasses samt Visum (AS 1 ff.) in das Bundesgebiet eingereist. Der BF ist in die staatliche Grundversorgung einbezogen.
Der BF ist in Österreich Mitglied der XXXX , des XXXX und bei der XXXX (AS 81 ff., 120) und engagierte sich während seines bisherigen Aufenthaltes nicht ehrenamtlich.
Der BF spricht ausreichend Deutsch. Er ist strafrechtlich unbescholten.
Der BF ist gesund. Er nimmt keine Medikamente (AS 114).
I.1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:
Der BF ist homosexuell. Er konnte daher in Bangladesch kein sicheres Leben führen. Seine Freunde und die Gesellschaft haben davon erfahren
Eines Abends ist der BF mit seinem Partner in einer Bar gewesen. Ein der Zimmerkollege des Partners des BF XXXX hat den Partner des BF und den BF gefragt, wie die Ehe laufe. Der Partner des BF hat den XXXX vom Sessel gestoßen, woraufhin der XXXX intime Fotos vom BF und seinem Partner vorgezeigt hat. Es ist zu einer Schlägerei gekommen.
In der Folge sind der BF und sein Partner ins jeweilige Heimatdorf gefahren. Dort hat es begonnen, dass der BF beschimpft wurde. Die Familie des BF hat davon erfahren und deren Mitglieder wurden ebenfalls beschimpft. Der BF hat in der Folge erfahren, dass sein Partner im Spital ist, woraufhin der BF sofort nach XXXX gegangen ist. Dort haben seine Mitbewohner gesagt, er solle verschwinden, weil er ein Ungläubiger sei. In der Folge haben der BF und sein Partner beschlossen, Bangladesch zu verlassen.
Im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland ist der BF dem realen Risiko ausgesetzt, aufgrund seiner Homosexualität verfolgt, verletzt oder getötet zu werden.
II.1.3. Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:
Allgemeine Menschenrechtslage:
Letzte Änderung: 16.11.2020
Die Menschenrechte werden nach der Verfassung mit Gesetzesvorbehalten garantiert (AA 21.6.2020). Bangladesch hat bisher mehrere UN Menschenrechtskonventionen ratifiziert, ist diesen beigetreten oder hat sie akzeptiert (ÖB 9.2020; vgl. UNHROHC o.D.). Die Verfassung von Bangladesch in der seit 17. Mai 2004 geltenden Fassung listet in Teil III, Artikel 26 bis 47A, einen umfassenden Katalog an Grundrechten auf. Artikel 102 aus Teil VI, Kapitel 1 der Verfassung regelt die Durchsetzung der Grundrechte durch die High Court Abteilung des Obersten Gerichtshofes. Jeder Person, die sich in ihren verfassungsmäßigen Grundrechten verletzt fühlt, steht der direkte Weg zum „High Court“ offen. Die „National Human Rights Commission“ wurde im Dezember 2007 unter dem „National Human Rights Commission Ordinance“ von 2007 eingerichtet, hat aber noch keine nennenswerte Aktivität entfaltet (ÖB 9.2020). Die Verwirklichung der in der Verfassung garantierten Rechte ist nicht ausreichend (AA 21.6.2020).
Teils finden Menschenrechtsverletzungen auch unter Duldung und aktiver Mitwirkung der Polizei und anderer Sicherheitskräfte statt (GIZ 11.2019a). Dazu zählen außergerichtliche Tötungen, Verschwindenlassen von Personen, willkürliche Festnahmen und Verhaftungen sowie Folter (USDOS 11.3.2020). Die Regierung verhaftete laut neuesten Berichten bis zu 2.000 Mitglieder der RABs (Rapid Action Battalion (RAB), Spezialkräfte für u.a. den Antiterrorkampf) wegen diverser Vergehen. Obwohl die RABs in den letzten Jahren hunderte Tötungen bzw. mutmaßliche Morde verübt haben, kam es noch zu keiner Verurteilung wegen außergerichtlicher Tötungen, Folter oder willkürlicher Verhaftungen (ÖB 9.2020, siehe auch Abschnitt 4).
Menschenrechtsverletzungen beinhalten weiters harte und lebensbedrohende Haftbedingungen, politische Gefangene, willkürliche oder rechtswidrige Eingriffe in die Privatsphäre, Zensur, Sperrung von Websites und strafrechtliche Verleumdung; erhebliche Behinderungen der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, wie beispielsweise restriktive Gesetze für Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Beschränkungen der Aktivitäten von NGOs; erhebliche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit; Einschränkungen der politischen Partizipation, da Wahlen nicht als frei oder fair empfunden werden; Korruption, Menschenhandel; Gewalt gegen Homosexuelle, Bisexuelle, Transgender- und Intersexuelle (LGBTI) und Kriminalisierung gleichgeschlechtlicher sexueller Aktivitäten; Einschränkungen für unabhängige Gewerkschaften und der Arbeitnehmerrechte sowie die Anwendung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit (USDOS 11.3.2020).
Die Regierung von Bangladesch ignoriert Empfehlungen im Hinblick auf glaubwürdige Berichte zu Wahlbetrug, hartem Vorgehen gegen die Redefreiheit, Folterpraktiken von Sicherheitskräften und zunehmenden Fällen von erzwungenem Verschwinden und Tötungen (EEAS 1.1.2019; vgl. HRW 14.1.2020).
Das Gesetz verbietet Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen und es werden Maßnahmen ergriffen, um diese Bestimmungen wirksamer durchzusetzen. Fälle von Diskriminierung und gesellschaftlicher Gewalt gegen religiöse und ethnische Minderheiten sowie von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung bestehen fort (USDOS 11.3.2020). Das Informations- und Kommunikationstechnologiegesetz (Information and Communication Technology Act - ICT Act) wird angewandt, um Oppositionelle und Mitglieder der Zivilgesellschaft wegen Verleumdungsdelikten juristisch zu verfolgen (USDOS 11.3.2020).
Bangladesch ist nach wie vor ein wichtiger Zubringer wie auch Transitpunkt für Opfer von Menschenhandel. Jährlich werden Zehntausende Menschen in Bangladesch Opfer von Menschenhandel. Frauen und Kinder werden sowohl in Übersee als auch innerhalb des Landes zum Zweck der häuslichen Knechtschaft und sexuellen Ausbeutung gehandelt, während Männer vor allem zum Zweck der Arbeit im Ausland gehandelt werden. Ein umfassendes Gesetz zur Bekämpfung des Menschenhandels aus dem Jahr 2013 bietet den Opfern Schutz und verschärft die Strafen für die Menschenhändler, doch die Durchsetzung ist nach wie vor unzureichend (FH 2020). Internationale Organisationen behaupten, dass einige Grenzschutz-, Militär- und Polizeibeamte an der Erleichterung des Handels mit Rohingya-Frauen und -Kindern beteiligt waren. Formen der Unterstützung von Menschenhandel reichen dabei von „Wegschauen“ über Annahme von Bestechungsgeldern für den Zugang der Händler zu Rohingya in den Lagern, bis hin zur direkten Beteiligung am Handel (USDOS 11.3.2020).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 9.11.2020
? EEAS - European External Action Service (1.1.2019): Statement by the Spokesperson on parliamentary elections in Bangladesh, https://eeas.europa.eu/headquarters/headquarters-homepage/56110/node/56110_es, Zugriff 13.11.2020
? FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 10.11.2020
? GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (11.2019a): Bangladesch, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat, Zugriff 10.11.2020
? HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022700.html, Zugriff 10.11.2020
? ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (9.2020): Asylländerbericht Bangladesch
? UNHROHC- United Nations Human Rights Office of the High Commissioner (o.D.): View the ratification status by country or by treaty - Bangladesh, http://tbinternet.ohchr.org/_layouts/TreatyBodyExternal/Treaty.aspx?CountryID=37&Lang=EN, Zugriff 11.11.2020
? USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 10.11.2020
SOGI - Sexuelle Orientierung und Genderidentität:
Letzte Änderung: 13.11.2020
Homosexuelle Handlungen sind illegal und können nach § 377 des „Bangladesh Penal Code, 1860“ (BPC) mit lebenslangem Freiheitsentzug (ILGA 3.2019), mit einer Haftstrafe von bis zu zehn Jahren, inklusive der Möglichkeit einer Geldstrafe, bestraft werden (ILGA 3.2019; vgl. AA 21.6.2020). Traditionell tendiert die Bevölkerung zu einer gemäßigten Ausübung des Islam, die Sexualmoral ist allerdings konservativ (ÖB 9.2020). Mitglieder der LGBTI-Gemeinschaft (Homosexuelle, Bisexuelle, Transgender und Intersex) berichteten, dass die Polizei das Gesetz als Vorwand benutzt, um LGBTI-Personen sowie feminine Männer, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, zu schikanieren (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 21.6.2020).
Homosexualität ist gesellschaftlich absolut verpönt und wird von den Betroffenen nicht offen gelebt. Wo Homosexuelle als solche erkannt werden, haben sie mit gesellschaftlicher Diskriminierung, in Einzelfällen auch mit Misshandlungen bis hin zum Mord zu rechnen (ÖB 9.2020; vgl. HRW 14.1.2020). Jedes Jahr wird über dutzende Angriffe auf Mitglieder der LGBTI-Gemeinschaft berichtet (FH 2020). Bei einem durch das Human Rights Forum Bangladesh (HRFB) eingereichten Bericht beim UN-Ausschuss gegen Folter vom 29.6.2019 wurden für den Zeitraum 2013 bis 2018 insgesamt 434 Beschwerden wegen schikanöser Behandlungen oder Misshandlungen angeführt. Davon betrafen 294 Fälle Angriffe gegen Angehörige sexueller Minderheiten (HRFB 22.6.2019).
Eine besondere Rolle kommt dem „dritten Geschlecht“ zu, den sogenannten „Hijras“, Eunuchen und Personen mit unterentwickelten oder missgebildeten Geschlechtsorganen. Diese Gruppe ist aufgrund einer langen Tradition auf dem indischen Subkontinent im Bewusstsein der Gesellschaft präsent und quasi etabliert. Dieser Umstand schützt sie jedoch nicht vor Übergriffen und massiver gesellschaftlicher Diskriminierung (AA 21.6.2020), auch wenn viele Hijras in klar definierten und organisierten Gemeinschaften leben, die sich seit Generationen erhalten haben. Obwohl sie eine anerkannte Rolle in der Gesellschaft Bangladeschs innehaben, bleiben sie trotzdem marginalisiert (DFAT 22.8.2019). Die Regierung verabsäumte es, den Schutz der Rechte von Hijras ordnungsgemäß durchzusetzen (HRW 14.1.2020).
LGBT-Organisationen, insbesondere für Lesben, sind selten (USDOS 11.3.2020). Es gibt keine NGO für sexuelle Orientierung und Geschlechteridentität in Bangladesch, dafür aber NGOs wie „Boys of Bangladesh“, die „Bhandu Social Welfare Society“ und Online-Gemeinschaften wie „Roopbaan“, das lesbische Netzwerk „Shambhab“ und „Vivid Rainbow“ (ILGA 3.2019).
2019 wurde erstmals eine Vertreterin der Hijras ins Parlament gewählt. Ein sog. drittes Geschlecht wird z.T. amtlich anerkannt (AA 21.6.2020).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 9.11.2020
? DFAT – Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade (22.8.2019): DFAT Country Information Report Bangladesh, https://www.ecoi.net/en/file/local/2016264/country-information-report-bangladesh.pdf, Zugriff 13.11.2020
? FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 9.11.2020
? HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022700.html, Zugriff 9.11.2020
? HRFB - Human Rights Forum Bangladesh (22.6.2019): veröffentlicht von CAT – UN Committee Against Torture: Stakeholders' Submission to the United Nations Committee against Torture, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014744/INT_CAT_CSS_BGD_35310_E.docx, Zugriff 11.11.2020
? ILGA – International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association (3.2019): State Sponsored Homophobia 2019 (Autor: Mendos, Lucas Ramon), https://www.ecoi.net/en/file/local/2004824/ILGA_State_Sponsored_Homophobia_2019.pdf, Zugriff 11.11.2020
? ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (9.2020): Asylländerbericht Bangladesch
? USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 10.11.2020
II.2. Beweiswürdigung:
II.2.1. Hinsichtlich der Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des BF sowie zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit und seiner Muttersprache wird den bereits im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen des BFA gefolgt, an denen sich im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht keine Zweifel ergeben haben, zumal diese Feststellungen, die auf den im Verfahren vor dem BFA getätigten eigenen Angaben des BF gründen (AS 9, 115), im vorliegenden Beschwerdeschriftsatz auch nicht beanstandet wurden.
Die Identität des BF konnte aufgrund des der Polizei vorgelegten Reisepasses (AS 1 ff.) festgestellt werden.
Die Feststellungen zur Herkunft des BF (geboren und gelebt in XXXX , AS 9, 13, 15, und auch, dass er in XXXX gewohnt hat, AS 116, 122), seiner absolvierten Schulausbildung, seinem Familienstand und seinen in Bangladesch aufhältigen Familienangehörigen legte ebenso bereits das BFA dem angefochtenen Bescheid zu Grunde, diese decken sich mit dem vom BF im Verfahren mehrfach übereinstimmend getätigten Angaben (vgl. AS 9, 13, 117) und wurden im Beschwerdeschriftsatz nicht bestritten.
Die im Oktober 2015 erfolgte legale Einreise des BF ist aktenkundig. Dass der BF in die staatliche Grundversorgung einbezogen und er strafrechtlich unbescholten ist, geht aus einer Einsichtnahme in die österreichischen amtlichen Register (Grundversorgungs-Informationssystem, Fremdeninformationssystem, Zentrales Melderegister, Strafregister) hervor.
Die Mitgliedschaften des BF hat der BF selbst angegeben (AS 120) und eine Bestätigung liegt im Akt (AS 81 ff.).
Von den Deutschkenntnissen des BF überzeugte sich bereits das BFA (AS 117 f.) und dies deckt sich mit dem Eindruck, den das Bundesverwaltungsgericht in der Beschwerdeverhandlung gewinnen konnte. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF gründen ebenso auf dessen eigenen Angaben vor dem BFA bzw. dem Bundesverwaltungsgericht (AS 114). Im Laufe des Verfahrens wurden auch keine ärztlichen Unterlagen vorgelegt, die gesundheitliche Beeinträchtigungen des BF nachweisen würden.
II.2.2.1. Dem Fluchtvorbringen des BF wird Glauben geschenkt. Er brachte im Wesentlichen gleichbleibend vor, homosexuell zu sein und er daher in Bangladesch kein sicheres Leben habe führen können. Seine Freunde und die Gesellschaft hätten davon erfahren. Er habe unmenschliche mentale und physische Folter erfahren. Er habe Angst davor gehabt, dass Islamisten davon erführen.
Eines Abends sei der BF mit seinem Partner in einer Bar gewesen. Ein Bekannter namens XXXX hätte den Partner des BF und den BF gefragt, wie ihre Ehe laufe. Der Partner des BF habe den XXXX vom Sessel gestoßen, woraufhin der XXXX intime Fotos vom BF und seinem Partner vorgezeigt hätte.
Dass es im Zuge dieser Situation zu eine Schlägerei gekommen sei, ergibt sich aus dem Vorbringen des Partners des BF, vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom heutigen Tage, XXXX .
In der Folge seien der BF und sein Partner ins jeweilige Heimatdorf gefahren. Dort habe es begonnen, dass der BF beschimpft worden sei. Die Familie des BF habe davon erfahren und diese sei beschimpft worden. Der BF habe in der Folge erfahren, dass sein Partner im Spital sei, woraufhin der BF sofort nach XXXX gegangen sei. Dort hätten seine Mitbewohner gesagt, er solle verschwinden, weil er ein Ungläubiger wäre. In der Folge hätten der BF und sein Partner beschlossen, Bangladesch zu verlassen.
II.2.2.2. Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen vermochte der BF im Ergebnis daher glaubhaft darzulegen, aufgrund seiner Homosexualität und die Schwelle asylrelevanter Verfolgung übersteigenden Misshandlungen ausgesetzt gewesen zu sein. Es haben sich keine gravierenden Widersprüche ergeben und auch das Vorbringen des Partners des BF deckt sich in wesentlichen Punkten mit den Ausführungen des BF (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom heutigen Tage, XXXX ).
II.2.2.3. Es ist im Verfahren somit hervorgekommen, dass der BF aufgrund seiner homosexuellen Neigung konkreten Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen ist.
II.2.3. Die allgemeine Lage im Herkunftsland des BF ergibt sich aus dem bereits vom BFA herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – das dem BF im Beschwerdeverfahren in der aktuellsten Fassung erneut zu Stellungnahme übermittelt wurde – und den darin angeführten Quellen. Darin wird eine Vielzahl von Berichten verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen zusammengefasst, die ein ausgewogenes Bild betreffend die allgemeine Situation in Bangladesch zeigen. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
II.3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.
§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.
Gemäß § 9 Abs. 2 FPG und § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA. Somit ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
II.3.1. Zu A:
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates oder wegen Schutzes in einem EWR-Staat oder in der Schweiz zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist).
Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Ausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.
Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) – deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben – ist ein Flüchtling, wer sich „aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.“
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist somit die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.).
Verlangt wird eine „Verfolgungsgefahr“, wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).
Die Voraussetzung der „wohlbegründeten Furcht“ vor Verfolgung wird in der Regel aber nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459). Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. u.a. VwGH 20.06.2007, 2006/19/0265 mwN).
Die „Glaubhaftmachung“ wohlbegründeter Furcht gemäß § 3 AsylG 2005 setzt positiv getroffene Feststellungen von Seiten der Behörde und somit die Glaubhaftigkeit des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 11.06.1997, 95/01/0627). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt im Asylverfahren das Vorbringen des Asylwerbers die zentrale Entscheidungsgrundlage dar. Dabei genügen aber nicht bloße Behauptungen, sondern bedarf es, um eine Anerkennung als Flüchtling zu erwirken, hierfür einer entsprechenden Glaubhaftmachung durch den Asylwerber (vgl. VwGH 04.11.1992, 92/01/0560).
Die Glaubhaftmachung hat das Ziel, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Glaubhaftmachung ist somit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit. Dafür genügt ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit als der, der die Überzeugung von der Gewissheit rechtfertigt (VwGH 29.05.2006, 2005/17/0252). Im Gegensatz zum strikten Beweis bedeutet Glaubhaftmachung ein reduziertes Beweismaß und lässt durchwegs Raum für gewisse Einwände und Zweifel am Vorbringen des Asylwerbers. Entscheidend ist, ob die Gründe, die für die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung sprechen, überwiegen oder nicht. Dabei ist eine objektivierte Sichtweise anzustellen.
So entspricht es der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass Gründe, die zum Verlassen des Heimatlandes bzw. Herkunftsstaates geführt haben, im Allgemeinen als nicht glaubwürdig angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens – niederschriftlichen Einvernahmen – unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen oder mit tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen, oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 06.03.1996, 95/20/0650; vgl. auch Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2004/83/EG – StatusRL, ABl. L Nr. 304, 12, sowie Putzer, Leitfaden Asylrecht2, [2011], Rz 31). Allgemein gehaltene Behauptungen reichen jedenfalls für eine Glaubhaftmachung nicht aus (vgl. VwGH 17.10.2007, 2006/07/0007).
Grundsätzlich obliegt es dem Asylwerber, alles Zweckdienliche, insbesondere seine wahre Bedrohungssituation in dem seiner Auffassung nach auf ihn zutreffenden Herkunftsstaat, für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen (Vgl. VwGH 31.05.2001, 2001/20/0041; VwGH 23.07.1999, 98/20/0464). Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 28 AsylG 1997 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. VwGH 14.12.2000, 2000/20/0494; VwGH 06.10.1999, 98/01/0311; VwGH 14.10.1998, 98/01/0222). Die Ermittlungspflicht der Behörde geht auch nicht soweit, den Asylwerber zu erfolgversprechenden Argumenten und Vorbringen anzuleiten (vgl. VwGH 21.09.2000, 98/20/0361; VwGH 04.05.2000, 99/20/0599).
Wie der Beweiswürdigung zu entnehmen ist, ist es dem BF mit seinem Vorbringen nunmehr gelungen, eine in seinem Herkunftsstaat bestehende konkrete Bedrohungssituation für seine Person glaubhaft zu machen.
Das BFA ist seinem Vorbringen in den Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht mangels Anwesenheit nicht entgegengetreten.
Dem BF war hinsichtlich seines Vorbringens eine Verfolgung aus Gründen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der homosexuellen Menschen die Glaubwürdigkeit zuzusprechen.
Da sohin Umstände vorliegen, wonach es ausreichend wahrscheinlich wäre, dass der BF in seiner Heimat in asylrelevanter Weise bedroht wäre, war der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides Folge zu geben und der in Beschwerde gezogene Bescheid aufzuheben.
Da somit dem BF der Status eines Flüchtlings zukommt waren die andere Spruchpunkte des Administrativbescheides ersatzlos zu beheben.
II.3.2. Zu B – Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides ausführlich wiedergegeben.
Schlagworte
Asylgewährung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren begründete Furcht vor Verfolgung Fluchtgründe Flüchtlingseigenschaft Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit Homosexualität inländische Schutzalternative innerstaatliche Fluchtalternative mündliche Verhandlung sexuelle Orientierung soziale Gruppe Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete FurchtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W195.2193131.1.00Im RIS seit
24.06.2021Zuletzt aktualisiert am
24.06.2021