TE Vwgh Erkenntnis 1997/3/12 95/21/0594

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Veröffentlicht am 12.03.1997
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §6 Abs3;
B-VG Art132;
VwGG §36 Abs2;
VwGG §38;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Hanel, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. März 1995, Zl. 103.412/3-III/11/94, betreffend Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 16. März 1995 wies der Bundesminister für Inneres (die belangte Behörde) den Antrag des Beschwerdeführers auf Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 6 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes (idF vor der Novelle BGBl. Nr. 351/1995) ab. In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer über eine Aufenthaltsbewilligung bis zum 31. März 1994 verfügt habe; Anträge auf Verlängerung seien aber spätestens vier Wochen vor Ablauf der Geltungsdauer einer Bewilligung zu stellen; als letzter Tag der vierwöchigen Frist errechne sich der 3. März 1994. Da der Beschwerdeführer seinen Verlängerungsantrag erst am 4. März 1994 eingebracht habe, sei die gesetzlich vorgeschriebene Frist versäumt worden. Bei der genannten Frist handle es sich um eine vom Gesetz normierte Fallfrist, die der Behörde keinen Ermessensspielraum einräume. Eine Auseinandersetzung mit dem Berufungsvorbringen sei daher nicht zulässig.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, in eventu wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde erklärte, die Akten des Verfahrens erster Instanz nicht vorlegen zu können, weil diese in Verstoß geraten seien; von der Erstattung einer Gegenschrift sah die belangte Behörde ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer macht einerseits geltend, er habe entgegen den Feststellungen im angefochtenen Bescheid seinen Verlängerungsantrag bereits am 2. März 1994 bei der Behörde erster Instanz eingebracht, andererseits hätte die belangte Behörde auf den mit der Abweisung seines Verlängerungsantrages verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben Bedacht nehmen müssen. Die belangte Behörde habe sich mit seinen in der Berufungsschrift vorgetragenen persönlichen Verhältnissen zu Unrecht nicht auseinandergesetzt; vor dem Hintergrund des Art. 8 Abs. 2 MRK hätte die belangte Behörde eine Interessenabwägung durchzuführen gehabt.

Der Beschwerdeführer macht aber auch geltend, die belangte Behörde habe mit der Erlassung des gegenständlichen Bescheides eine ihr nicht mehr zugekommene Zuständigkeit in Anspruch genommen. Der Beschwerdeführer habe nämlich, nachdem er innerhalb der im § 73 AVG normierten Frist von sechs Monaten eine bescheidmäßige Erledigung seiner Berufung nicht erhalten habe, am 15. Februar 1995 eine Säumnisbeschwerde nach Art. 132 B-VG erhoben. Mit Einlangen dieser Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof am 16. Februar 1995 sei deshalb die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Berufung an diesen übergegangen. Dennoch habe die belangte Behörde den bekämpften Bescheid am 24. März 1995 erlassen, also in einem Zeitpunkt, in dem sie dafür nicht mehr zuständig gewesen sei.

Dem Beschwerdeführer ist zunächst zu entgegnen, daß aufgrund der von ihm auf Art. 132 B-VG gestützten Säumnisbeschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht betreffend die erwähnte Berufung die hg. Verfügung vom 24. Februar 1995, Zl. 95/18/0314, erging, womit der belangten Behörde gemäß § 36 Abs. 2 VwGG aufgetragen wurde, den versäumten Bescheid innerhalb einer Frist von drei Monaten zu erlassen und eine Abschrift davon dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen. Diese Verfügung wurde der belangten Behörde am 24. März 1995, zugestellt. Aufgrund des am selben Tag erlassenen Bescheides wurde das Verfahren über diese Säumnisbeschwerde eingestellt. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers bleibt die belangte Behörde während der ihr gemäß § 36 Abs. 2 VwGG zu setzenden Frist zur Nachholung des versäumten Bescheides zuständig (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. April 1990, Zl. 89/01/0426, mwN). Damit erweist sich die vom Beschwerdeführer erhobene Rüge wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde zur Erlassung des angefochtenen Bescheides als nicht berechtigt.

Mangels Vorlage des maßgeblichen Verwaltungsaktes (§ 38 Abs. 2 VwGG) ist aber davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer bereits in seiner Berufungsschrift vorgebracht hat, er habe den Verlängerungsantrag innerhalb der Frist des § 6 Abs. 3 leg. cit. eingebracht, und darauf hingewiesen hat, daß durch die Versagung der Aufenthaltsbewilligung ein erheblicher Eingriff in seine privaten und familiären Interessen stattfinde. Das Fehlen der Bekanntgabe der maßgebenden Erwägungen der belangten Behörde für die - entgegen den laut Beschwerde in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid aufgestellten Behauptung, er habe die Antragstellung bereits am 2. März 1994 vorgenommen - getroffene Feststellung, der Antrag sei erst am 4. März 1994 eingebracht worden, hindert die Kontrolle des Bescheides auf seine inhaltliche Rechtmäßigkeit. Der belangten Behörde fällt somit ein Verstoß gegen die Begründungspflicht gemäß den § 58 Abs. 2 iVm § 67 AVG zur Last.

Sollte der Beschwerdeführer seinen Antrag tatsächlich erst am 4. März 1994 eingebracht haben, hätte die belangte Behörde richtig erkannt, daß bei Versäumung der Frist des § 6 Abs. 3 leg. cit. der Anspruch auf Verlängerung einer Bewilligung infolge der materiell-rechtlichen Natur dieser Frist grundsätzlich erloschen ist. Allerdings hat der Verwaltungsgerichtshof auch ausgesprochen, daß im Lichte des in Art. 8 MRK gewährleisteten Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens bei solchen Antragstellern, die sich jahre- bzw. jahrzehntelang rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben oder bei denen spezifische private oder familiäre Interessen vorliegen, eine relativ kurze Versäumung der Frist des § 6 Abs. 3 leg. cit. nicht zum Untergang des Rechtes auf Verlängerung einer Bewilligung gemäß § 4 Abs. 1 und § 6 Abs. 2 zweiter Satz AufG führt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 20. März 1996, Zl. 95/21/0714). Ob diese Grundsätze auch im vorliegenden Fall zur Anwendung kommen, läßt sich mangels Vorlage der relevanten Verwaltungsakten nicht beurteilen. Damit wird sich die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren auseinanderzusetzen haben.

Aus den angeführten Erwägungen war der Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995210594.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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