Entscheidungsdatum
16.03.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs3Spruch
I406 1412551-4/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard KNITEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Nigeria, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R01, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.09.2020, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsbürger, reiste in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 24.05.2009 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes (nunmehr Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) vom 19.03.2010 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 sowie § 8 Abs. 1 AsylG als unbegründet abgewiesen. Zugleich hatte das Bundesasylamt die Ausweisung des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet nach Nigeria verfügt. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes (nunmehr Bundesverwaltungsgericht) vom 08.07.2010, Zl. A6 412.551-1/2010/4E, als unbegründet abgewiesen.
3. Am 09.07.2011 stellte der Beschwerdeführer in der Schweiz unter einer anderen Identität einen neuerlichen Asylantrag und wurde gemäß Art. 16 der Dublin II-Verordnung am 02.11.2011 nach Österreich rücküberstellt. Nach seiner Ankunft stellte er am 03.11.2011 einen zweiten Asylantrag in Österreich.
4. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.05.2012 wurde dieser Antrag als unbegründet abgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 24.10.2013, Zl. D11 412551-2/2012/15E, als unbegründet abgewiesen.
5. Am 17.06.2014 stellte der Beschwerdeführer seinen dritten Folgeantrag auf internationalen Schutz.
6. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.04.2017 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers wegen entschiedenen Sache nach § 68 Abs. 1 AVG zurück. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Nigeria zulässig ist.
7. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.02.2018, I411 1412551-3, wurde die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass keine Familienangehörigen oder Verwandten des Beschwerdeführers in Österreich lebten, er die Deutschprüfung „A2 Grundstufe Deutsch 2" abgelegt habe, in Österreich keiner regelmäßigen Beschäftigung nachgehe und am Arbeitsmarkt nicht tiefergehend integriert sei, weshalb keine tiefergehende sprachliche, soziale oder integrative Festigung in Österreich vorliege.
8. Am 12.07.2018 stellte der Beschwerdeführer gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs 1 AsylG.
9. Am 29.07.2020 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Er gab an, er habe den Antrag gestellt, da er in Österreich bleiben und arbeiten möchte. Er habe einen Deutschkurs A2 abgeschlossen und arbeite als Verkäufer einer Straßenzeitung. In Österreich habe er keine Familie oder Verwandte. In Nigeria leben noch seine Frau und sein Bruder, welchen der Beschwerdeführer finanziell unterstütze.
10. Mit angefochtenem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.09.2020, Zl. XXXX , wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK gemäß § 58 Abs 10 AsylG zurückgewiesen (Spruchpunkt I.)
11. Der Beschwerdeführer erhob mit Schriftsatz vom 21.10.2020 rechtzeitig Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nigeria und bekennt sich zum christlichen Glauben.
Der Beschwerdeführer reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 24.05.2009 erstmalig einen Antrag auf internationalen Schutz. Er verließ zwischenzeitlich das österreichische Bundesgebiet und wurde am 02.11.2011 gemäß Art. 16 der Dublin II-Verordnung von der Schweiz nach Österreich rücküberstellt. Seit November 2011 hält sich der Beschwerdeführer im Bundesgebiet auf.
Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.
Der Beschwerdeführer ging bisher – abgesehen von seiner Tätigkeit als Verkäufer einer Straßenzeitung – keiner regelmäßigen und legalen Beschäftigung nach. Er ist derzeit nicht sozialversichert und bezieht keine Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.
In Österreich verfügte der Beschwerdeführer weder über Verwandten noch maßgebliche private und familiäre Beziehungen.
In Nigeria leben die Frau und der Bruder des Beschwerdeführers.
Der Beschwerdeführer spricht Deutsch auf A2-Niveau.
Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.
Der Beschwerdeführer ist trotz aufrechter Rückkehrentscheidung seiner Ausreiseverpflichtung aus Österreich nicht nachgekommen, sondern hält sich weiterhin unrechtmäßig im Bundesgebiet auf.
Aus dem begründeten Antragsvorbringen des Beschwerdeführers gemäß § 55 AsylG geht im Vergleich zur rezenten rechtskräftigen Rückkehrentscheidung vom 08.02.2018 ein im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervor.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I geführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Die Identität des Beschwerdeführers steht mangels Vorlage unbedenklicher identitätsbezeugender Dokumente nicht fest.
Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seinem Gesundheitszustand, seiner Arbeitsfähigkeit, seiner Herkunft, seinem fehlenden Familienleben in Österreich, seiner Glaubenszugehörigkeit sowie seiner Staatsangehörigkeit, seiner Einreise und seinem Aufenthalt in Österreich ergeben sich aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.02.2018, I411 1412551-3/4E. Sowohl in einer dem Antrag beiliegenden Stellungnahme wie auch in der Beschwerde wurde nur auf Umstände Bezug genommen, die bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Folgeantrag am 08.02.2018 vorgelegen waren. Auch dass der Beschwerdeführer – abgesehen von seiner Tätigkeit als Verkäufer einer Straßenzeitung – keiner regelmäßigen und legalen Beschäftigung nachgeht und Deutsch auf A2-Niveau spricht, wurde bereits im Vorverfahren berücksichtigt. Die bloße Verlängerung seines Aufenthaltes in Österreich um zwei Jahre (die zwischen der Entscheidung vom 08.02.2018 und dem gegenständlichen Bescheid vom 23.09.2020 liegen) stellt keine wesentliche Sachverhaltsänderung dar, zumal der Beschwerdeführer verpflichtet gewesen wäre, Österreich zu verlassen und keinen über zehnjährigen durchgängigen Inlandsaufenthalt nachweisen kann.
Die Feststellung über die Unbescholtenheit ergibt sich aus dem Strafregister.
Dass gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung besteht, ergibt sich aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.02.2018, GZ I411 1412551-3/4E.
Die im nunmehrigen Verfahren vorgelegten Unterlagen wurden bereits im Verfahren, welches zur letztmalig ergangenen rechtskräftigen Rückkehrentscheidung führte, berücksichtigt. Ergänzend wurden nur ein Empfehlungsschreiben des XXXX (Straßenzeitung) vom 21.07.2020 vorgelegt. Damit wurden aber keine neuen Umstände aufgezeigt.
Weder aus der Antragsbegründung des nunmehr begehrten Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG, noch aus den Ausführungen im Beschwerdeschriftsatz kann daher ein (maßgeblich) geänderter Sachverhalt gewonnen werden, der zum Zeitpunkt des erstinstanzlichen Bescheides eine neuerliche meritorische Prüfung des Antrages erforderlich machen würde.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
3.1. Zur Zurückweisung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
Anwendbare Rechtsnormen:
§ 58 Abs. 10 AsylG bestimmt:
(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß §9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. […]
Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1803 BlgNR 24. GP 50) legen zur Bestimmung des § 58 Abs 10 AsylG dar:
„Der neue (Abs. 10) entspricht im Wesentlichen § 44b NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011. Mit der Neuerrichtung des Bundesamtes und der damit einhergehenden Verfahrensvereinfachung und organisatorischen Umstrukturierung ist die Einbindung der zuständigen Sicherheitsdirektion entfallen. Die Beurteilung bzw. Prüfung erfolgt nun durch das Bundesamt. Dementsprechend sind Anträge als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 iVm § 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Diese inhaltliche Neubewertung des Sachverhaltes hat sich lediglich auf den Zeitraum zwischen der rechtskräftigen Entscheidung nach dem FPG bis zur Entscheidung des zugrundeliegenden Antrages auf Erteilung des Aufenthaltstitels zu beziehen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass – im Rahmen einer Neubewertung – wenn ein maßgeblich geänderter Sachverhalt im Sinne des Art. 8 EMRK vorliegt, ein Aufenthaltstitel zu erteilen sein wird.“
§ 10 Abs. 3 AsylG lautet:
„(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt."
§ 52 Abs. 3 FPG lautet:
„(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.“
Die zur Vorgängerregelung des § 58 Abs. 10 AsylG (also zu § 44b Abs. 1 NAG) ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auf die Auslegung des § 58 Abs. 10 AsylG zu übertragen (dazu VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101). Nach dieser Rechtsprechung liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht erst dann vor, wenn der vorgebrachte Sachverhalt auch konkret dazu führt, dass nunmehr der begehrte Aufenthaltstitel erteilt werden müsste. Vielmehr liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nur dann nicht vor, wenn die geltend gemachten Umstände von vornherein keine solche Bedeutung aufweisen, die eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK gebieten würde. Nur in einem solchen Fall ist eine - der Sache nach der Zurückweisung wegen entschiedener Sache nachgebildete - Zurückweisung (nunmehr) gemäß § 58 Abs. 10 AsylG zulässig (VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101 mit Hinweisen auf VwGH 22.07.2011, 2011/22/0127; 05.05.2015, Ra 2014/22/0115).
Da der Zurückweisungsgrund gemäß § 58 Abs. 10 AsylG (vormals § 44b Abs. 1 Z 1 NAG) der Zurückweisung wegen entschiedener Sache (§ 68 Abs. 1 AVG) nachgebildet ist, können die zu § 68 Abs. 1 AVG entwickelten Grundsätze für die Beurteilung, wann eine Änderung des Sachverhaltes als wesentlich anzusehen ist, auch für die Frage herangezogen werden, wann eine maßgebliche Sachverhaltsänderung iSd § 58 Abs. 10 AsylG vorliegt.
Demnach ist eine Sachverhaltsänderung dann wesentlich, wenn sie für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die rechtskräftige Entscheidung gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann.
Die Erlassung eines inhaltlich anderslautenden Bescheides (bezogen auf § 58 Abs. 10 AsylG: eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK) muss also zumindest möglich sein; in dieser Hinsicht hat die Behörde eine Prognose zu treffen. Dabei ist die Wesentlichkeit der Sachverhaltsänderung nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen Entscheidung erfahren hat. Für diese Prognose ist eine Gesamtbetrachtung anzustellen (vgl. VwGH 09.09.2013, 2013/22/0161; 09.09.2013, 2013/22/0215, mwN).
Anwendung im Beschwerdefall:
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt zu der durch das VwGVG neu geschaffenen Rechtslage ausgesprochen (vgl. VwGH 18.12.2014, Ra 2014/07/0002-0003; 26.02.2015, Ra 2014/22/0152- 0153; 23.06.2015, Ra 2015/22/0040; 16.09.2015, Ra 2015/22/0082-0083; 12.10.2015, Ra 2015/22/0115), dass - wenn die Behörde in erster Instanz den Antrag zurückgewiesen hat - das Verwaltungsgericht lediglich befugt ist, darüber zu entscheiden, ob die von der Behörde ausgesprochene Zurückweisung als rechtmäßig anzusehen ist, dies allein bildet den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.
Aus diesem Grund war auf den in der Beschwerde gestellten Anträge des Beschwerdeführers, das Bundesverwaltungsgericht möge „eine inhaltliche Entscheidung treffen; feststellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung des Aufenthaltstitels vorliegen; Aufenthaltstitel zu erteilen, etc.“ nicht einzugehen, weil ein solcher Ausspruch den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens überschreiten würde.
Der Beschwerdeführer bringt in der Beschwerde vor, dass er sich seit 2009 in Österreich aufhalte und er Deutsch auf A2-Niveau spreche. In Österreich sei er als Verkäufer von Straßenzeitungen tätig. In Nigeria habe er Kontakt zu seinem Bruder, welchen er finanziell unterstütze, zudem lebt dort seine Frau.
Damit zeigt er aber keine Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes gegenüber dem Sachverhalt, der dem Erkenntnis vom 08.02.2018 zugrundegelegt worden war, auf.
Es wurde in keiner Weise dargelegt, welche entscheidungsrelevante Änderung in den zwei Jahren, die zwischen den beiden Entscheidungen liegen, eingetreten sein sollte.
Im Übrigen hat der Beschwerdeführer seine bereits in der rechtskräftigen Entscheidung vom Februar 2018 (und den vorherigen rechtskräftigen Rückkehrentscheidungen) berücksichtigten Schritte zur Integration in Österreich während der folgenden Monate einfach fortgesetzt, dies obwohl ihm gegenüber nunmehr eine rechtskräftige Ausreiseverpflichtung bestand; diese Schritte erfolgten insofern daher weiterhin vor dem Hintergrund eines unsicheren Aufenthaltsstatus.
Daher kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers mit der Begründung zurückweist, dass ‚die gleichen Entscheidungsgrundlagen wie zum Zeitpunkt der zweitinstanzlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.02.2018 vorliegen‘.
Die geltend gemachten Umstände weisen von vornherein keine solche Bedeutung auf, die eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK gebieten würde, daran ändert auch das vorgelegte Empfehlungsschreiben einer Vertriebsorganisation einer Straßenzeitung nichts.
Das Bundesverwaltungsgericht ist auch der Auffassung, dass die im angefochtenen Bescheid gewählte Vorgangsweise, die Zurückweisung nicht mit einer neuerlichen Rückkehrentscheidung zu verbinden, rechtens war.
Zwar sieht der Gesetzeswortlaut eine Verbindung sowohl einer Ab- als auch einer Zurückweisung des Antrags nach § 55 AsylG mit einer Rückkehrentscheidung vor (und zwar gemäß § 52 Abs. 3 FPG unterschiedslos, nach § 10 Abs. 3 AsylG jedoch - im Widerspruch zu § 52 Abs. 3 FPG - "nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 AsylG 2005 vorliegt.").
Das Gericht geht davon aus, dass der Gesetzgeber bei diesen Regelungen den Fall der Zurückweisung wegen bereits durch ergangene Rückkehrentscheidung entschiedener Sache nicht bedacht hat und dass der Regelungsgehalt des § 52 Abs. 3 FPG und des § 10 Abs. 3 AsylG vor dem Hintergrund des Normzwecks (keine neuerliche Entscheidung bei bereits entschiedener Sache, gerade angesichts dessen, dass über alle Aspekte, die bei einem Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG relevant sind, bei Erlassung der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung bereits entschieden wurde) für Fälle der Zurückweisung nach § 58 Abs. 8 AsylG nicht zum Tragen kommt. Die bisher dazu ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist - soweit ersichtlich - für diesen Fall nicht einschlägig, sondern betraf andere Arten der Zurückweisung, z.B. wegen Nichtmitwirkung im Verfahren gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG; vgl. VwGH, 14.04.2016, Ra 2016/21/0077 [=VwSlg. 19.347 A/2016]; 17.11.2016, Ra 2016/21/0200 [=VwSlg. 19.482 A/2016]; 17.05.2017, Ra 2017/22/0059; 21.09.2017, Ra 2017/22/0128).
Zudem würde eine allfällige Säumnis in Bezug auf die Erlassung der Rückkehrentscheidung nicht zur Rechtswidrigkeit des Ausspruchs über den Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach Art. 8 EMRK führen. Dieser hängt nämlich nicht von der Rückkehrentscheidung ab (VwGH, 12.12.2018, Ra 2017/19/0553).
Die belangte Behörde ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 (Art. 8 EMRK) gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zurückzuweisen war, die Beschwerde war demnach abzuweisen.
4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung
In der Beschwerde wurde zwar ein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt, das Bundesverwaltungsgericht konnte sich aber auf vom Beschwerdeführer unbestrittene Annahmen stützen. Die Beschwerde läuft letztlich darauf hinaus, dass die - unstrittige - Sachlage vom Verwaltungsgericht rechtlich anders gewürdigt werden soll als von der belangten Behörde.
Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG („Die Verhandlung kann entfallen, wenn ... der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei ... zurückzuweisen ist") kann das Verwaltungsgericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Diese Bestimmung ist auch in den vom Anwendungsbereich des BFA-VG erfassten Verfahren anwendbar, weil § 21 Abs. 7 BFA-VG nur hinsichtlich von § 24 Abs. 4 VwGVG eine Spezialregelung trifft, im Übrigen aber die Anwendung von § 24 Abs. 1 bis 3 und 5 VwGVG unberührt lässt (VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017; VwSlg. 18.966 A/2014).
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Aufenthaltstitel Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK aufrechte Rückkehrentscheidung Ausreiseverpflichtung Bindungswirkung entscheidungsrelevante Sachverhaltsänderung entschiedene Sache erhebliche Unterschiedlichkeit geänderte Verhältnisse Identität der Sache Integration Interessenabwägung öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen Rechtskraft der Entscheidung Rechtskraftwirkung res iudicata unzulässiger Antrag Vergleich wesentliche Änderung ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:I406.1412551.4.00Im RIS seit
24.06.2021Zuletzt aktualisiert am
24.06.2021