TE Vwgh Erkenntnis 1997/3/12 96/21/0190

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.03.1997
beobachten
merken

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z2;
StVO 1960 §19 Abs5;
StVO 1960 §19 Abs7;
StVO 1960 §99 Abs1;
StVO 1960 §99 Abs2 lita;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Hanel, über die Beschwerde des R in V, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 10. Jänner 1996, Zl. St 408/95, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) wurde gegen den Beschwerdeführer, einen kroatischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 sowie den §§ 19, 20 und 21 FrG ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von fünf Jahren erlassen. Die belangte Behörde ging davon aus, daß der Beschwerdeführer vom Bezirksgericht Vöcklabruck mit rechtskräftigem Urteil vom 17. August 1995 wegen des Vergehens der Hehlerei gemäß § 164 Abs. 1 Z. 2 StGB zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt worden sei, weil er sich im Zeitraum vom November 1994 bis Ende Mai 1995 wiederkehrend durch wissentliche Annahme von Diebesgut und dessen teilweise Weiterveräußerung bereichert habe. Bereits dieses sich über einen Zeitraum von mehreren Monaten erstreckende strafbare Verhalten berechtige zu der Annahme, daß der Beschwerdeführer eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und das Eigentum anderer Personen darstelle.

Weiters sei der Beschwerdeführer mit Strafverfügung vom 12. April 1994 gemäß § 19 Abs. 7 i.V.m. § 19 Abs. 5 und § 99 Abs. 3 lit. a StVO rechtskräftig bestraft worden, weil er am 22. Jänner 1994 als Lenker eines PKW in R an der Kreuzung der B 145 mit der Autobahnabfahrt R auf dieser ungeregelten Kreuzung den Vorrang eines richtungsbeibehaltenden Fahrzeuges verletzt habe, indem er ohne auf den Gegenverkehr zu achten nach links abgebogen und dabei mit dem entgegenkommenden Fahrzeug zusammengestoßen sei. Vorrangverletzungen nach § 19 StVO gehörten zu den schweren Verwaltungsübertretungen, weil bei derartigen Übertretungen eine eminente Gefährdung des Lebens und der Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer eintrete. Bereits der dieser Übertretung folgende Verkehrsunfall rechtfertige die Annahme, daß Vorrangverletzungen als schwere Verwaltungsübertretungen anzusehen seien.

Schon die Tatsache, daß der Beschwerdeführer über mehrere Monate hinweg in fremdes Eigentum insofern eingegriffen habe, als er wissentlich Diebesgut angenommen und teilweise weiterveräußert habe, mache die Erlassung des Aufenthaltsverbotes dringend erforderlich.

Der Beschwerdeführer halte sich bereits seit 1989 mit seiner Mutter und seinen beiden Brüdern in Österreich auf. Durch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes werde in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen. Die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wögen wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers. Das Aufenthaltsverbot sei daher auch im Sinne des § 20 Abs. 1 FrG zulässig.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet. Von der Erstattung einer Gegenschrift wurde abgesehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG ist gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet. Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat gemäß § 18 Abs. 2 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder (Z. 1) von einem inländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 19. Juni 1996, Zl. 94/21/0856, mit weiterem Nachweis) kann ein Aufenthaltsverbot im Grunde des § 18 Abs. 1 FrG auch dann erlassen werden, wenn zwar - wie im Beschwerdefall - keiner der Tatbestände des § 18 Abs. 2 leg. cit. verwirklicht ist, wohl aber das Gesamtfehlverhalten die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigt.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Auffassung der belangten Behörde, daß die Verurteilung wegen des Vergehens der Hehlerei bzw. das dieser Verurteilung zugrundeliegende Verhalten die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertigt. Er macht geltend, daß ihm nur EINE gerichtliche Verurteilung zu EINER GELDSTRAFE zur Last liegt. Das von der belangten Behörde unterstrichene Verhalten habe ZUR GÄNZE ihren Niederschlag in der Verurteilung gefunden.

Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer eine zur Aufhebung des Bescheides führende Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Die belangte Behörde ist an den Spruch eines verurteilenden Strafurteiles hinsichtlich der begangenen Tat gebunden. Die von einem verurteilenden Urteilsspruch nicht erfaßten Umstände der Tatbegehung sind aber zusätzlich gemäß § 18 Abs. 1 FrG zu berücksichtigen. So wurde die von der rechtskräftigen Verurteilung nicht erfaßte, von der Behörde aber festgestellte Bereitschaft mit Gewalt gegen Personen mit anderem Religionsbekenntnis vorzugehen (siehe das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 1996, Zl. 95/21/0265, 0266) bzw. gesellschaftliche oder politische Fragen mit Gewalt zu lösen (vgl. das Erkenntnis vom 1. Februar 1995, Zl. 94/18/0539) unmittelbar gemäß § 18 Abs. 1 FrG berücksichtigt. Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen im Beschwerdefall von einer gerichtlichen Verurteilung wegen § 164 Abs. 1 Z. 2 StGB zu einer Geldstrafe aus; der Spruch dieses verurteilenden Strafurteiles ist weder im Bescheid festgestellt noch im Verwaltungsakt ersichtlich. Es kann daher nicht beurteilt werden, ob der von der belangten Behörde für die Rechtfertigung der in Abs. 1 umschriebenen Annahme herangezogene Umstand, daß der Beschwerdeführer von November 1994 bis Mai 1995 wiederholt Diebesgut angenommen und teilweise weiterveräußert habe, zur Gänze dem im verurteilenden Strafurteil umschriebenen Tatbestand entspricht. Wäre dies der Fall, dann reicht vor dem Hintergrund des als Wertungsmaßstab heranzuziehenden Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG weder die festgestellte Verurteilung zu einer Geldstrafe noch das ihr zugrundeliegende Verhalten aus (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 22. November 1995, Zl. 95/21/0019, und vom 24. Oktober 1996, Zl. 95/18/1187). Da die belangte Behörde die für die abschließende Beurteilung der Verwaltungssache notwendigen Feststellungen nicht getroffen hat, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Beschwerdeführer ist aber auch insoweit im Recht, als er die Beurteilung der belangten Behörde bekämpft, die Bestrafung wegen Übertretung des § 19 StVO stelle eine "schwere" Verwaltungsübertretung dar. Auszugehen ist davon, daß der Beschwerdeführer nach der Strafbestimmung des § 99 Abs. 3 lit. a i.V.m. § 19 Abs. 5 und 7 StVO rechtskräftig bestraft wurde. Er hat demnach als Lenker eines Fahrzeuges gegen die Vorschriften der StVO verstoßen. In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wurden - wie der Beschwerdeführer zutreffend aufzeigt - Übertretungen der StVO dann als schwerwiegende Verwaltungsübertretungen im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG angesehen, wenn die Strafbestimmung des § 99 Abs. 1 oder die des § 99 Abs. 2 lit. a zur Anwendung kam. Ein schlichter Verstoß gegen eine Bestimmung der StVO - wie im vorliegenden Fall - kann aber nicht als schwerwiegende Verwaltungsübertretung angesehen werden. Da die belangte Behörde die dem Beschwerdeführer zur Last liegende rechtskräftige Bestrafung wegen einer Verwaltungsübertretung als schwere Verwaltungsübertretung qualifizierte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996210190.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten