TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/16 W123 1417666-3

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Veröffentlicht am 16.03.2021
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Entscheidungsdatum

16.03.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z4
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z3
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs5

Spruch


W123 1417666-3/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Michael ETLINGER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch RA Dr. Gregor KLAMMER bzw. RA Mag. Dr. Ralf Heinrich HÖFLER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.01.2021, Zl. 810822607-200110844, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 02.08.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.09.2011, Zl. 11 08.226-BAT, wurde dem Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 iVm § 34 Abs. 2 AsylG stattgegeben und dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

3. Mit Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 22.04.2020 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 zweiter und dritter Fall SMG zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 10 Monaten (Probezeit 3 Jahre) verurteilt.

4. Mit Schriftsatz vom 07.07.2020 („Parteiengehör“) teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) dem Beschwerdeführer mit, dass ein Asylaberkennungsverfahren eingeleitet wurde. Dem Beschwerdeführer wurde die Möglichkeit einer Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme innerhalb von 14 Tagen eingeräumt.

5. Mit Schriftsatz vom 22.07.2020, damals vertreten durch RA Gregor KLAMMER, erstattete der Beschwerdeführer eine Stellungnahme und wies auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf die Ausschlussgründe nach § 6 AsylG hin. Die belangte Behörde möge berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer lediglich zu einer bedingt nachgesehenen Strafe verurteilt worden sei. Somit sei das Gericht nicht von der Gefährlichkeit des Beschwerdeführers ausgegangen.

6. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid der belangten Behörde wurde dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aberkannt und gemäß § 7 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG wurde dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG die Abschiebung nach Afghanistan für zulässig erklärt (Spruchpunkt V.), gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.) und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG gegen den Beschwerdeführer ein auf 6 Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

Der Bescheid lautet auszugsweise:

„Betreffend die Feststellungen zu den Gründen für die Erlassung des Einreiseverbots:

Die Feststellungen hinsichtlich des Einreiseverbotes waren aufgrund der eindeutigen Aktenlage zu treffen.

Aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung des Landesgerichtes Korneuburg ( XXXX ) und dem damit zum Ausdruck gebrachten Unwillen zur Beachtung der österreichischen Rechtsordnung kann von keiner seit Ihrer Tat verstrichenen Zeit des Wohlverhaltens gesprochen und einem solchen Wohlverhalten auch keine Relevanz zugesprochen werden.

Sie wurden vom Landesgericht Korneuburg ( XXXX ) mit Rechtskraft des 28.04.2020 wegen Suchtgifthandels gemäß §§ 28a (1) 2. Fall, 28a (1) 3. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten bedingt unter Aussetzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.

Die Suchtgiftkriminalität ist in höchstem Maße sozialschädlich, da durch sie eine Gesundheitsgefährdung in großem Ausmaß entstehen kann, wobei zu bemerken ist, dass sie vor allem auch besonders schutzwürdige jugendliche Personen gefährdet. Durch Ihre Mitwirkung am Suchtgifthandel haben Sie dazu beigetragen, diese Gefahren zu verwirklichen. Ihr Fehlverhalten ist daher außerordentlich gravierend und gefährdet massiv die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Aus den schon vorher aufgezeigten Umständen gefährden Vergehen bzw. Verbrechen gegen das Suchtmittelgesetz nachhaltig maßgebliche öffentliche Interessen. Das öffentliche Interesse an der Unterbindung der Suchtgiftkriminalität hat einen sehr großen Stellenwert (VwGH-Erk. vom 30.04.2009, Zahl 2008/21/0549).

Dass Sie „nur 10 Monate bedingte Freiheitsstrafe“ ausgefasst haben, mindert zu keiner

Zeit die Verwerflichkeit Ihrer Straftat und die daraus resultierende Gefährlichkeit für die Gesundheit Dritter, die Sie bewusst in Kauf genommen haben und damit in äußerster Konsequenz rechnen hätten müssen.

[…]

Zu Spruchpunkt I.:

[…]

Sie wurden wegen Suchtgifthandel gemäß §§ 28a (1) 2. Fall, 28a (1) 3. Fall SMG vom Landesgericht Korneuburg, AZ: XXXX , mit Rechtskraft des 28.04.2020 zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten bedingt, unter Aussetzung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt.

Dass die diesbezügliche Verurteilung rechtskräftig ist, ist unstrittig; die Gemeingefährlichkeit ergibt sich aus der großen Menge des geschmuggelten Suchtgiftes, der hohen Rückfallsgefahr bei Straftaten im Suchtgiftmilieu und - unabhängig davon – der qualifizierten Straffälligkeit an sich (VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0155).

Ferner wird festgestellt, dass gegen Ihre Person ein Waffenverbot (vollstreckbar seit 19.12.2019) seitens der LPD Wien ( XXXX ) besteht.

Ihr bisher gesetztes Wohlverhalten (letzte Tat am 17.12.2019, Verurteilung: 22.04.2020) lässt nicht automatisch darauf schließen, dass Sie gewillt sind, sich an die hier in Österreich geltenden Gesetze zukünftig zu halten, zumal Sie zuvor schon mehrere Jahre im Bundesgebiet gelebt haben und trotzdem straffällig wurden und dann gleich wegen eines so verwerflichen Straftatbestandes.

Ein Fremder stellt jedenfalls dann eine Gefahr für die Allgemeinheit im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 dar, wenn sich diese aufgrund besonders qualifizierter strafrechtlicher Verstöße prognostizieren lässt. Als derartige Verstöße kommen insbesondere qualifizierte Formen der Suchtgiftdelinquenz (wie sie beispielsweise in § 28a SMG unter Strafe gestellt werden) in Betracht, zumal an der Verhinderung des Suchtgifthandels ein besonderes öffentliches Interesse besteht (vgl. dazu etwa VwGH vom 22. November 2012, 2011/23/0556, mwN).“

7. Mit Schriftsatz vom 08.02.2021 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und führte zusammenfassend aus, dass die vollständig bedingt ausgesprochene Freiheitsstrafe darauf schließen lasse, dass die dem Beschwerdeführer angelastete Tat nicht besonders schwerwiegend gewesen sei und er jedenfalls nicht gemeingefährlich sei.

8. Mit Schriftsatz vom 15.02.2021, nunmehr vertreten durch RA Mag. Dr. Ralf Heinrich HÖFLER, übermittelte der Beschwerdeführer eine weitere Beschwerde und brachte zusammenfassend vor, dass das Landesgericht Korneuburg bei der Bemessung des Strafausmaßes mehrere Milderungsgründe herangezogen habe, jedoch keinerlei Erschwerungsgründe. Es sei daher davon auszugehen, dass das vom Beschwerdeführer begangene Verbrechen in seiner Gesamtheit als subjektiv nicht besonders schwerwiegend zu beurteilen sei. Zudem sei der Beschwerdeführer nur einmal straffällig geworden und habe sich der Beschwerdeführer seit der Verurteilung gänzlich wohlverhalten. Eine gänzlich bedingte Freiheitsstrafe habe zudem eine starke Indizwirkung für eine ausreichend günstige Prognose.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer ist ein Staatsangehöriger Afghanistans und gehört der Volksgruppe der Paschtunen.

Der Beschwerdeführer ist in Afghanistan, Provinz Kunar, geboren und aufgewachsen und ging dort 2-3 Jahre zur Schule. Danach zog er mit seiner Familie nach Kabul und lebte dort bis zu seiner Ausreise im Juli 2011. Der Beschwerdeführer besuchte in Afghanistan die Schule bis zur achten Klasse.

1.2. Mit Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 22.04.2020, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge, nämlich Cannabiskraut aus der Tschechischen Republik aus- und in die Republik Österreich eingeführt zu haben. Der Beschwerdeführer wurde daher wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 zweiter und dritter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten bedingt (Probezeit 3 Jahre) verurteilt. Im Zuge der Strafbemessung wurden beim Beschwerdeführer als erschwerend keine Umstände angeführt, als mildernd die Sicherstellung des Suchtgiftes und der ordentliche Lebenswandel.

1.3. Der Beschwerdeführer ist seit dem Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.09.2011 Asylberechtigter in Österreich. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Er spricht die Sprachen Dari, Farsi, Paschtu, Englisch und Deutsch. Die Eltern sowie die zwei Schwestern des Beschwerdeführers leben in Österreich und sind verfügen über den Asylstatus. Der Beschwerdeführer war in Österreich erstmals am im November 2016 (als „geringfügig beschäftigter Angestellter“) in Österreich gemeldet. Danach ging der Beschwerdeführer Beschäftigungsverhältnissen in Österreich (mit Unterbrechungen) und ist seit 19.02.2021 (laufend) bei „ XXXX “ als „Arbeiter“ gemeldet (vgl. AJ-WEB Auskunftsverfahren; Stand: 15.03.2021).

1.4. Der Beschwerdeführer ist nicht als gemeingefährlich zu qualifizieren.

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz. Auskünfte aus dem Strafregister (SA), dem Zentralen Melderegister (ZMR) und dem AJ-WEB Auskunftsverfahren wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

Die Feststellungen zu seinem Familien- und Privatleben beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers in den Schriftsätzen bzw. auf den unbestritten gebliebenen Ausführungen im angefochtenen Bescheid.

Die Feststellung zu der strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers geht aus dem im Verwaltungsakt befindlichen Urteil hervor.

Zur Feststellung, wonach der Beschwerdeführer nicht als gemeingefährlich zu qualifizieren ist, wird auf die folgende rechtliche Beurteilung verwiesen (vgl. unten, 3.2.).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Die belangte Behörde stützt die Aberkennung des Status des Asylberechtigten im Spruch des angefochtenen Bescheides auf § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG und führt in der Bescheidbegründung zusammenfassend aus, dass es sich bei einer Verurteilung wegen Drogenhandels um ein „schweres Verbrechen“ handelt.

3.2. Die Aberkennung erfolgte jedoch aufgrund folgender Erwägungen nicht zu Recht:

3.2.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid der Status eines Asylberechtigten abzuerkennen, wenn ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt.

Gemäß § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 ist ein Fremder von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs müssen für die Anwendung des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt sein, damit ein Flüchtling trotz drohender Verfolgung in den Herkunftsstaat verbracht werden darf: Er muss erstens ein besonders schweres Verbrechen verübt haben, dafür zweitens rechtskräftig verurteilt worden und drittens gemeingefährlich sein, und schließlich müssen die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung seine Interessen am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen (vgl. etwa VwGH 26.02.2019, Ra 2018/18/0493, mwN).

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, fallen unter den Begriff des "besonders schweren Verbrechens" iSd § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 nur Straftaten, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter verletzen. Typischerweise schwere Verbrechen sind gemäß der ständigen Rechtsprechung des VwGH etwa Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub und dergleichen (vgl. zuletzt VwGH 28.08.2019, Ra 2019/14/0289, mwN).

3.2.2. Die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach §§ 28a SMG, auf die die belangte Behörde die Aberkennung des Asylstatus stützt, fällt somit gemäß der eben dargestellten Rechtsprechung prima facie unter die Kategorie "besonders schweres Verbrechen".

Es genügt gemäß der weiteren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs jedoch nicht, wenn ein abstrakt als "schwer" einzustufendes Delikt verübt worden ist. Die Tat muss sich vielmehr im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen, wobei unter anderem auf Milderungsgründe Bedacht zu nehmen ist (vgl. VwGH 99/01/0288). Bei der Beurteilung, ob ein "besonders schweres Verbrechen" vorliegt, ist daher eine konkrete fallbezogene Prüfung vorzunehmen und sind insbesondere die Tatumstände zu berücksichtigen (VwGH 23.9.2009, 2006/01/0626). Lediglich in gravierenden Fällen schwerer Verbrechen erweist sich bereits ohne umfassende Prüfung der einzelnen Tatumstände eine eindeutige Wertung als schweres Verbrechen mit negativer Zukunftsprognose als zulässig (vgl. etwa in Zusammenhang mit der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren wegen des Verbrechens des versuchten Mordes: VwGH 14.2.2018, Ra 2017/18/0419, mwN) (vgl. zu dem Ganzen VwGH 29.08.2019, Ra 2018/19/0522). Das Vorliegen eines gravierenden Falles eines schweren Verbrechens kann gegenständlich verneint werden und wurde auch von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid nicht angenommen. Es war daher eine umfassende Prüfung der einzelnen Tatumstände geboten.

Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes geht hervor, dass bei der Beurteilung, ob ein besonders schweres Verbrechen vorliegt, folgende Maßstäbe heranzuziehen sind:

* (teil)bedingte oder unbedingte Strafe

* Höhe der konkret verhängten Strafe im Vergleich zum Strafrahmen (eine verhängte Strafe im unteren Bereich spricht gegen ein besonders schweres Verbrechen;)

* Erschwerungsgründe

* Ausmaß der Beteiligung des Beschwerdeführers an den Straftaten ("Kopf der Bande" oder nur untergeordnete Stellung).

3.2.3. Fallbezogen wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 zweiter und dritter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt, wobei gemäß § 43 Abs. 1 StGB der Vollzug unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde. Zudem wurden bei der Strafbemessung keine erschwerenden Umstände, sondern ausschließlich Milderungsgründe herangezogen. Zudem sieht der Tatbestand des § 28a Abs. 1 SMG eine Höchststrafe von 5 Jahren vor, die gegenständlich bei weitem nicht ausgeschöpft wurde.

Bereits aufgrund der Tatsachen, dass im vorliegenden Fall „nur“ eine bedingte Freiheitsstrafe von 10 Monaten verhängt wurde und zudem keine Erschwerungsgründe herangezogen wurden, kommt zum Ausdruck, dass sich das begangene Delikt objektiv und subjektiv nicht als besonders schwerwiegend erwiesen hat.

Im Erkenntnis vom 03.12.2002, 99/01/0449, führte der Verwaltungsgerichtshof zudem zur Frage, wann ein "typischerweise schweres Verbrechen" ausreichend sei, um "besonders schwer" zu sein, "illustrativ" an, dass in der Bundesrepublik Deutschland etwa für den auf Art. 33 Abs. 2 zweiter Fall Genfer Flüchtlingskonvention bezogenen Tatbestand in § 51 Abs. 3 dAuslG das Erfordernis einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren normiert worden sei. Dies liegt im gegenständlichen Fall nicht vor.

3.2.4. Überdies kann der Beschwerdeführer auch nicht als "gemeingefährlich" bezeichnet werden: Dem Beschwerdeführer ist kein weiteres Vergehen bzw. Verbrechen (seit der rechtskräftigen Verurteilung) zuzurechnen; somit ist von Wohlverhalten auszugehen. Zudem steht der Beschwerdeführer derzeit in einem ordentlichen Beschäftigungsverhältnis mit einem monatlichen Entgelt. Schon deshalb kann aber die Ansicht der belangten Behörde, wonach von beim Beschwerdeführer von einem „mit Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu befürchtendem Rückfall in die Straffälligkeit“ auszugehen sei, nicht gefolgt werden. Ferner ist auch zu berücksichtigen, dass die Eltern und die beiden Schwestern des Beschwerdeführers in Österreich leben hier asylberechtigt sind, womit aber auch von stabilen Familienverhältnissen ausgegangen werden kann, die sich ebenfalls positiv auf den Beschwerdeführer auswirken.

3.2.5. Mangels Vorliegen eines besonders schweren Verbrechens und des Fehlens einer Gefährdungsprognose bzw. negativen Zukunftsprognose war daher Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides zu beheben.

Da dem Beschwerdeführer mit diesem Erkenntnis in Folge der Behebung von Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides weiterhin der Status des Asylberechtigten zukommt, verlieren die übrigen von der belangten Behörde getroffenen Aussprüche II. bis VII. ihre rechtliche Grundlage, weshalb diese ebenfalls ersatzlos aufzuheben waren.

Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Der Sachverhalt ist im Gegenstand aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt, weshalb gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG – ungeachtet des diesbezüglichen Parteiantrags – eine mündliche Verhandlung unterbleiben konnte (vgl. auch § 24 Abs. 4 VwGVG).

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. die unter A) zitierte Judikatur); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

Aberkennung des Status des Asylberechtigten Asylaberkennung Behebung der Entscheidung besonders schweres Verbrechen Einreiseverbot aufgehoben ersatzlose Behebung Gefährdungsprognose Rückkehrentscheidung behoben strafrechtliche Verurteilung Suchtgifthandel Wohlverhalten Zukunftsprognose

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W123.1417666.3.00

Im RIS seit

25.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

25.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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