TE Bvwg Beschluss 2021/3/18 W282 2229162-2

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Veröffentlicht am 18.03.2021
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Entscheidungsdatum

18.03.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs1a
B-VG Art133 Abs4
FPG §77
FPG §81 Abs4
VwGG §33 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §35

Spruch


W282 2229162-2/25E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Mag. Florian KLICKA, BA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Jamaica, vertreten durch RA Dr. Gregor Klammer, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 2020, Zl. XXXX folgenden Beschluss:

A)

I. Das Beschwerdeverfahren wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG iVm § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG als gegenstandslos geworden eingestellt.

II. Der Antrag auf Kostenersatz des Beschwerdeführers wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen und Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF), ein Staatsangehöriger Jamaicas, reiste im November 2009 erstmals mit einem Schengenvisum in das Bundegebiet ein. Am 02.12.2009 wurde der BF in XXXX festgenommen und über ihn die Untersuchungshaft wegen des Verdachts der Körperverletzung, der gefährlichen Drohung und Nötigung verhängt.

2. Mit Urteil des LG für Strafsachen XXXX vom XXXX 2009 wurde der BF wegen gefährlicher Drohung und Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Aufgrund dieser Verurteilung wurde im Februar 2010 gegen den BF ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen, das nach einer erfolglosen Berufung des BF am 15.04.2010 in Rechtskraft erwuchs. Der BF hat zuvor bereits am 27.01.2010 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, der im September 2010 abgewiesen wurde und diese Abweisung 2011 vom Asylgerichtshof bestätigt wurde.

3. Im Jahr 2011 wurde der BF erneut wegen gefährlicher Drohung zu einer viermonatigen Freiheitsstrafe verurteilt. Während der Haft wurde versucht ein Heimreisezertifikat (HRZ) zu erlagen, der BF verweigerte aber das Ausfüllen der notwendigen Formulare.

4. 2012 brachte der BF einen Folgeantrag auf internationalen Schutz ein, der wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde und gleichzeitig gegen den BF eine Ausweisung erging. Auch diese Entscheidung erwuchs nach erfolgloser Beschwerde 2012 in Rechtskraft. In Folge wurde der BF im Juli 2012 in Schubhaft genommen und erneut versucht ein HRZ für ihn zu erlangen. Der BF erpresste seine Freilassung aus der Schubhaft durch einen längeren Hungerstreik, in Folge war der BF nicht mehr greifbar.

5. Mitte 2013 wurde der BF erneut nach einer Polizeikontrolle festgenommen und über ihn die Schubhaft verhängt, aus der sich der BF erneut durch einen längeren Hungerstreik freipresste. 2013 stellt der BF den zweiten Folgeantrag auf internationalen Schutz und ehelichte im November 2013 eine ungarische Staatsangehörige. Aus letzterem Grund beantragte der BF die Aufhebung des gegen ihn verhängten Aufenthaltsverbots.

6. Im Jahr 2015 wurde dem BF aufgrund seiner Ehe von der Magistratsabteilung 35 der Stadt XXXX eine Aufenthaltskarte ausgestellt.

7. Mit Urteil des LG für Strafsachen XXXX vom September 2017 wurde der BF wegen unerlaubtem Umgang mit Suchtgiften (§ 27 SMG) zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt.

8. Im Februar 2018 zog der BF seinen zweiten Asylfolgeantrag zurück, da er aufgrund seiner Ehe mit einer ungarischen Staatsbürgerin bereits über eine Aufenthaltskarte verfügte. Sein Asylantrag wurde dennoch im Februar 2018 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und gegen ihn ein auf vier Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Diese Entscheidung wurde im Mai 2018 vom Bundesverwaltungsgericht behoben und an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

9. Der BF wurde im fortgesetzten Verfahren vor dem Bundesamt einvernommen und verhielt sich anlässlich der Einvernahme äußerst unkooperativ und wirkte am Verfahren kaum mit.

10. Gegen den BF wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX 2019 ein Aufenthaltsverbot von sieben Jahren verhängt. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.06.2019, GZ G301 1415661-4/7E wurde das Aufenthaltsverbot bestätigt, dessen Dauer aber auf vier Jahre reduziert. Die dagegen erhobene Revision wurde vom VwGH mit Beschluss vom 24.10.2019 zurückgewiesen.

11. Der BF verblieb weiter im Bundesgebiet und wurde mit Ladungsbescheid vom 05.12.2019 für den 10.01.2020 vor das Bundesamt geladen. Der BF leistete der Ladung keine Folge wurde am 13.01.2020 gegen ihn ein Festnahmeauftrag erlassen, der am 20.01.2020 vollzogen wurde. Am XXXX 2020 wurde der BF vor dem Bundesamt einvernommen und zeigte sich erneut unkooperativ, gab keine Antwort und sah während der Einvernahme als Reaktion auf Fragen gelangweilt um sich. Mit Mandatsbescheid vom XXXX 2020 wurde über den BF das gelindere Mittel der periodischen Meldeverpflichtung bei der für seinen Wohnort zuständigen Polizeiinspektion in XXXX XXXX samt angeordneter Unterkunftnahme verhängt, im Anschluss wurde er entlassen.

12. Der BF brachte hiergegen am 03.02.2020 das Rechtsmittel der Vorstellung ein, zu dem er am 14.02.2020 erneut einvernommen wurde. Auch bei dieser Einvernahme zeigte sich der äußerst unkooperativ und verweigerte durch Schweigen die Antwort auf zahlreiche Fragen.

13. Zwischenzeitig erhob der BF gegen seine Festnahme am XXXX 2020 um 20:35 Uhr sowie seine Anhaltung im Rahmen der Festnahme von XXXX 2020, 20:35 Uhr bis XXXX 2020, 16:15 Uhr fristgerecht Beschwerde. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.04.2020 GZ W275 2229162-1/5E wurde dieser Maßnahmenbeschwerde stattgegeben und die Festnahme und Anhaltung für rechtswidrig erklärt.

14. Am 04.02.2020 stellt der BF den dritten Folgeantrag auf internationalen Schutz, der zum Verfahren zugelassen wurde, wenngleich dem BF mitgeteilt wurde, dass in Aussicht genommen werde, seinen Antrag wg. entschiedener Sache zurückzuweisen.

15. Am XXXX 2020 erließ das Bundesamt in Erledigung der Vorstellung des BF gegen den Mandatsbescheid vom Jänner 2020 den angefochtenen Bescheid, mit dem ggü. dem BF aus dem Grund des § 76 Abs. 2 Z 1 FPG ernuet das gelindere Mittel (§ 77 Abs. 1 u 3 FPG) der Unterkunftnahme an seiner Wohnadresse in XXXX XXXX und eine periodische Meldeverpflichtung in Form der Meldung im dreitägigen Rhythmus bei der für seinen Wohnort zuständigen Polizeiinspektion auferlegt wurde. Einer Beschwerde gegen diesen Bescheid erkannte das Bundesamt die aufschiebende Wirkung nach § 13 VwGVG ab. Weitere Aussprüche wurden nicht getroffen. Der Sicherungsbedarf wurde mit dem Vorliegen der Tatbestände des § 76 Abs. Z 1, 3, 5, und 9 FPG 2005 begründet. Zusätzlich führte das Bundesamt aus, dass der BF eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung iSd § 67 FPG darstelle.

16. Der BF erhob gegen diesen Bescheid des Bundesamtes vom XXXX 2020 zur Anordnung von gelinderen Mitteln iSd § 77 FPG fristgerecht am 07.07.2020 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und verband dies mit dem Antrag der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

17. Die Beschwerde wurde am 21.07.2020 dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vom Bundesamt vorgelegt.

18. Mit Erkenntnis vom 23.07.2020 wies das BVwG im ersten Rechtsgang zur GZ W282 2229162-2/3E die Beschwerde als unbegründet ab. Die Revision wurde für nicht zulässig erklärt.

19. Über vom BF erhobene ao. Revision hob der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) nach Gewährung von Verfahrenshilfe mit Erkenntnis vom 22.01.2021, Ra 2020/21/0373 das angefochtene Erkenntnis W282 2229162-2/3E des BVwG auf.

20. Im nunmehr zweiten Rechtsgang teilte das Bundesamt dem BVwG am 22.02.2021 mit, dass das mit dem angefochtenen Bescheid über den BF verhängte gelindere Mittel an diesem Tag formlos aufgehoben wurde. Über Aufforderung legte das Bundesamt die seit Ergehen des ersten Erkenntnisses des BVwG eingelangten Aktenbestandteile vor.

21. Das BVwG forderte die Rechtsvertretung des BF (BFV) mit Schreiben vom 22.02.2021 auf, darzulegen, welches rechtliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Beschwerde noch bestehe, da das über den BF verhängte gelindere Mittel bereits formlos vom Bundesamt aufgehoben worden sei.

22. Mit Schriftsatz vom 23.02.2021 teilte der Rechtsvertreter des BF wie folgt mit, bzw. beantragte wie folgt (Zitierung im Original):

„Leider muss die Beschwerde aufrecht bleiben.

Der Beschwerdeführer wurde fast über ein Jahr in seiner Lebensführung stark beschränkt – dies zu Unrecht. Sollten die zuständigen Stellen tatsächlich keine Entschädigung für das erlittene Unrecht zahlen wollen, so wird eine Amtshaftungsklage beim LG f ZRS angestrengt werden.

Da die Behörde die Maßnahme nun behoben hat, ist auch von keiner Seite ein Rechtsmittel zu erwarten.

In einem stellt der Beschwerdeführer hiermit den Antrag, dass ihm die Kostenersatz f die Beschwerde vom 07.07.2020 vom BVwG sowie die Eingabegebühr in Ausmaß von zumindest EUR 737,60 nach den geltenden Pauschalsätzen zugesprochen werden mögen. Eine Beschwerde aufgrund der Verhängung ist vergleichbar mit einer Verhängung der Schubhaft, weshalb gleichfalls das BVwG einen Pauschalkostenersatz aussprechen dürfte.“

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorliegenden Akt des Bundesamtes und dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes. Einsicht genommen wurde weiters in das Melderegister, in das Strafregister sowie in die Anhaltedatei des BMI.

Der formlose Widerruf des über den BF mit dem angefochtenen Bescheid vom XXXX 2020 verhängten gelinderen Mittels ergibt sich aus der entsprechenden Mitteilung des Bundesamtes vom 22.02.2021; das Bundesamt hat die Aufhebung auch im Verwaltungsakt aktenkundig gemacht. Dass das gelindere Mittel ggü. dem BF tatsächlich aufgehoben wurde, wird von diesem nicht bestritten.

3. rechtliche Beurteilung

Zu A)

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist. Die Entscheidung über die Verfahrenseinstellung war daher in der Rechtsform des Beschlusses zu treffen (vgl. VwGH vom 29.04.2015, Fr 2014/20/0047).

Gemäß § 42 Abs. 3 VwGG tritt das ggst. Beschwerdeverfahren durch die erfolgte Aufhebung des Erkenntnisses des BVwG vom 27.07.2020, GZ W282 2229162-2/3E durch das Erkenntnis des VwGH vom 22.01.2021, Ra 2020/21/0373 in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses befunden hat.

Zu Spruchpunkt I. (Einstellung des Beschwerdeverfahrens):

§ 28 Abs. 1 VwGVG legt nicht fest, wann das Verfahren einzustellen ist, sodass insoweit auf die diese Frage regelnden Vorschriften abzustellen ist. Bezogen auf nach dem AVG geführte Rechtsmittelverfahren ist davon auszugehen, dass - auch ohne diesbezügliche ausdrückliche gesetzliche Anordnung - eine Verfahrenseinstellung dann vorzunehmen ist, wenn eine Klaglosstellung des Beschwerdeführers erfolgt und eine Entscheidung über die Beschwerde somit nicht mehr notwendig ist, insbesondere, weil der intendierte Beschwerdezweck nicht mehr erreicht werden könnte oder bereits zu Gunsten des BF erreicht ist und somit kein Beschwer mehr vorliegt.

„Die Einstellung müsste aber auch sonst bei Wegfall von Prozessvoraussetzungen (erst) während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (vgl auch Rz 33) möglich sein, zumal das VwGVG mit der Einstellung durch Beschluss auch eine andere förmliche Erledigung als die Zurückweisung der Beschwerde vorsieht (vgl hingegen zur Zurückweisung der Berufung bei formeller Klaglosstellung VwGH 14. 5. 1991, 90/05/0242 [siehe AVG § 66 Rz 33]; aA Altmann/Müllner, ÖJZ 2016, 251). Konkret wird im Schrifttum vorgeschlagen, dass eine Verfahrenseinstellung „analog zu § 33 VwGG … auch bei Klaglosstellung des Beschwerdeführers (Wegfall der Beschwer)“ in Betracht kommen kann (Fister/Fuchs/Sachs, VwGVG § 28 Anm 5) [..]

Im Hinblick auf Lehre (Mayer/Muzak5 VwGG § 33 II f; Zeleny, Beschwerdelegitimation 42 ff) und Rsp zu § 33 VwGG (vgl VwGH 29. 3. 2011, 2009/11/0012 und 21. 11. 2013, 2012/01/0127 bzw VwGH 28. 4. 2015, Ra 2014/02/0023, 1. 3. 2016, Ra 2015/18/0197 und 14. 4. 2016, Ra 2015/06/0115 zur Rechtslage vor bzw nach dem VwGer-AusfG; ferner VwGH 25. 5. 2016, 2013/12/0188) kann es sich dabei sowohl um [..]

?        eine Gegenstandslosigkeit der Beschwerde, weil durch Änderung maßgebender Umstände das rechtliche Interesse des Beschwerdeführers an der Entscheidung wegfällt (materielle Klaglosstellung; vgl die Bsp bei Mayer/Muzak5 VwGG § 33 III.1), einer Sachentscheidung durch das VwG also praktisch überhaupt keine Bedeutung mehr zukäme (vgl VwGH 21. 11. 2013, 2012/01/0127; 20. 1. 2016, Ro 2014/04/0045).“

(Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG §28 VwGVG, Rz. 31f)

§ 81 Abs. 4 FPG lautet wie folgt:

„(4) Das gelindere Mittel ist durch formlose Mitteilung aufzuheben, wenn

1. es gemäß §§ 77 iVm 80 nicht länger aufrechterhalten werden darf oder

2. das Bundesverwaltungsgericht festgestellt hat, dass die Voraussetzungen für seine Fortsetzung nicht vorliegen.

Ist das gelindere Mittel formlos aufgehoben worden, gilt der ihr zugrunde liegende Bescheid als widerrufen; das Bundesamt hat dies aktenkundig zu machen.“

Im ggst. Fall im nunmehr zweiten Rechtsgang hat das Bundesamt aus eigenem Antrieb aufgrund der Behebung des Erkenntnisses des BVwG im ersten Rechtsgang durch den VwGH das über den BF verhängte gelindere Mittel nachweislich am 22.02.2021 formlos aufgehoben. Der angefochtene Bescheid vom XXXX 2020 gilt daher gemäß § 81 Abs. 4 lS FPG als widerrufen und gehört somit nicht mehr dem Rechtsbestand an. Der BF ist somit klaglosgestellt, da er im ggst. Administrativbeschwerdeverfahren nach Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG auch mit einer ersatzlosen Behebung zu seinen Gunsten nicht mehr ein für ihn besseres Ergebnis erzielen könnte, als ihm durch die formlose Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch das Bundesamt bereits zu Teil geworden ist.

Die Gegenstandslosigkeit des von Beschwerdeverfahren über Bescheide mit denen gelindere Mittel verhängt wurden, bei deren Aufhebung durch das Bundesamt selbst vor Ergehen einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, ergibt sich aus vorliegender Rsp. des VwGH. So hielt der VwGH in seinem Erkenntnis vom 27.01.2011, 2009/21/0163 zu einem gleichgelagerten Fall wie folgt fest:

„Einer Mitteilung der belangten Behörde vom 27. Oktober 2010 zufolge wurde die genannte Meldeverpflichtung am 28. Juli 2009 aufgehoben; dem Beschwerdeführer wurde auf Grund seiner Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen eine bis zum 21. Juni 2020 gültige Daueraufenthaltskarte ausgestellt.

Nach Einräumung der Gelegenheit durch den Verwaltungsgerichtshof, sich zu den Gründen eines aufrechten rechtlichen Interesses an einer Sachentscheidung zu äußern, brachte der Beschwerdeführer am 23. November 2010 vor, er sei als Bäckereiarbeiter rechtmäßig beschäftigt gewesen. Während seiner Meldeverpflichtung im "gelinderen Mittel" (ab 2. Oktober 2008:

Montag bis Freitag bis 10.00 Uhr, vom 6. Oktober 2008 bis zur Beendigung "am 24.7.2009": Montag bis Freitag bis 11.30 Uhr) habe er die ihm nach § 7 BäckereiarbeiterInnengesetz 1996 zustehende Ruhezeit von 11 Stunden nicht einhalten können. Er habe montags bis freitags sowie sonntags von 18.00 Uhr abends bis 01.00 Uhr morgens gearbeitet und sei erst gegen 02.00 bis 02.30 Uhr früh ins Bett gekommen. Über mehrere Monate habe er daher an Schlafmangel gelitten, sei dauernd müde gewesen und habe eine Störung der Konzentration, erhöhte Reizbarkeit und Depressionen aufgewiesen. In geringem Umfang hielten die Störungen auch noch heute an. Daher habe er den Bund aufgefordert, ihm Schadenersatz bzw. Schmerzensgeld zu leisten, wozu ihm die Finanzprokurator mitgeteilt habe, dass eine Entscheidung über die Ansprüche aus Amtshaftung erst nach endgültiger Entscheidung im Administrativverfahren getroffen werde. Er sei daher an einer Sachentscheidung des Verwaltungsgerichthofes interessiert.

Bei dieser Argumentation übersieht der Beschwerdeführer zunächst, dass im vorliegenden Beschwerdeverfahren eine die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides feststellende Entscheidung nicht vorgesehen ist. Aus einem Interesse an einer solchen Entscheidung ist daher ein (noch aufrechtes) Rechtsschutzbedürfnis nicht ableitbar. Vielmehr wäre es zur Begründung eines solchen erforderlich, dass der Beschwerdeführer durch die für den Fall der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides im VwGG allein vorgesehene Aufhebung rechtlich besser gestellt wäre, sodass Entscheidungen von bloß abstrakttheoretischer Bedeutung vom Verwaltungsgerichtshof nicht zu treffen sind. Ebenso können allfällige Amtshaftungsansprüche gegen den Bund nichts an der fehlenden Möglichkeit für den Beschwerdeführer ändern, durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein. Das Unterbleiben einer Sachentscheidung im vorliegenden Beschwerdefall hindert nämlich das Amtshaftungsgericht nicht, einen Antrag auf Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides iSd § 11 AHG zu stellen. Demnach zählen Rechtspositionen, die im Wege der Amtshaftung geltend gemacht werden können, nicht zu der rechtlich geschützten Interessenssphäre, die den Beschwerdeführer zur Beschwerdeerhebung bzw. zur Beschwerdefortführung im Bescheidbeschwerdeverfahren legitimiert (vgl. zum Ganzen etwa die hg. Beschlüsse vom 29. September 2009, Zl. 2008/21/0646, vom 27. Jänner 2010, Zl. 2009/21/0054, und vom 27. Mai 2010, Zl. 2010/21/0121, jeweils mwN).

Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist eine Beschwerde mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Beschwerdeführer klaglos gestellt wurde. Dies ist nicht auf Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall liegt auch dann vor, wenn der Beschwerdeführer kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung hat (vgl. etwa den zitierten hg. Beschluss vom 27. Jänner 2010, mwN).

Diese Voraussetzung ist im Beschwerdefall gegeben, weil die genannte Meldeverpflichtung des Beschwerdeführers unstrittig noch im Juli 2009 aufgehoben und ihm in der Folge eine sein gemeinschaftliches Aufenthaltsrecht dokumentierende Daueraufenthaltskarte ausgestellt wurde. Die Beschwerde war daher gemäß § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.“

Hieraus geht hervor, dass durch die formlose Aufhebung des gelinderen Mittels durch die belangte Behörde und dem damit bewirkten Widerruf des angefochtenen Bescheides der BF iSd § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG klaglos gestellt wurde. Der angefochtene Bescheid wurde mit dem durch die formlose Aufhebung bewirkten Widerruf iSd § 81 Abs. 4 lS FPG aus dem Rechtsbestand beseitigt, seine Behebung wäre auch im für den BF günstigsten Fall nicht mehr notwendig und eine Entscheidung durch das BVwG wäre nunmehr nur von bloß abstrakttheoretischer Bedeutung, zumal weitere Aussprüche durch das Bundesamt im angefochtenen Bescheid (z.B. über die Kostentragung des gelinderen Mittels) nicht erfolgt sind.

Wie der VwGH weiters festgehalten hat, wird durch eine beabsichtigte Geltendmachung eines Ersatzanspruches nach dem AHG kein rechtliches Interesse des BF begründet, das eine Beschwerdefortführung im Bescheidbeschwerdeverfahren notwendig machen würde. Dem BF steht somit auch nach derzeitiger Rechtslage ein Vorgehen gemäß § 11 AHG offen, wenn er fortgesetzt daran festhält, dass der angefochtene Bescheid ihn in seinen Rechten verletzt hat.

Das Beschwerdeverfahren war daher nunmehr gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG iVm § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG aufgrund eingetretener Gegenstandslosigkeit mit Beschluss einzustellen.

Zu Spruchpunkt II. (Zurückweisung des Kostenersatzantrages):

In der Mitteilung des BFV vom 23.02.2021 stellte dieser folgenden Antrag auf Kostensatz iSd § 35 VwGVG (Zitierung im Original):

„In einem stellt der Beschwerdeführer hiermit den Antrag, dass ihm die Kostenersatz f die Beschwerde vom 07.07.2020 vom BVwG sowie die Eingabegebühr in Ausmaß von zumindest EUR 737,60 nach den geltenden Pauschalsätzen zugesprochen werden mögen. Eine Beschwerde aufgrund der Verhängung ist vergleichbar mit einer Verhängung der Schubhaft, weshalb gleichfalls das BVwG einen Pauschalkostenersatz aussprechen dürfte.“

§ 22a BFA-VG lautet auszugsweise wie folgt:

„§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.“

Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

§ 22a BFA-VG zählt unmissverständlich taxativ jene Beschwerdegegenstände auf, auf die gemäß seines Absatzes 1a die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG anzuwenden sind. Beschwerde über Bescheide, mit denen gemäß § 77 FPG ein gelinderes Mittel verhängt wird, sind in dieser Aufzählung nicht enthalten. Auch sonst spricht nichts für die Qualifizierung einer Beschwerde gegen einen Bescheid mit dem ein gelinderes Mittel verhängt wird als Maßnahmenbeschwerde iSd Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG. Wie der UVS Oberösterreich bereits im Jahr 2008 festhielt (VwSen-720221/2/BP/Se) - ist ein gelinderes Mittel keine Maßnahme der unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt, da es mittels Bescheid verfügt wird und daher die Unmittelbarkeit per se nicht gegeben ist, wohingegen bei Akten der unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt iaR erst nach dem unmittelbaren Befehls- oder Zwangsakt ein Deckungsbescheid erlassen wird. Dies trifft zwar teilweise auch auf die in § 22 Abs. 1 BFA-VG genannten Verwaltungsakte, wie z.B. die Verhängung der Schubhaft, nicht zu, da auch hier iaR ein Mandatsbescheid Ausgangspunkt der Vornahme der Zwangsmaßnahme ist. Jedoch hat der Gesetzgeber entschieden trotz der fehlenden Unmittelbarkeit dieser Akte Beschwerden gegen die dort abschließend aufgezählten Verwaltungsakte als Maßnahmenbeschwerden iSd Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG zu qualifizieren, was im Rahmen dieser Verfahren auch zur Anwendbarkeit des Aufwandsersatzregimes des § 35 VwGVG führt.

Gegenständlich handelt es sich aber zweifelsfrei um ein Administrativbeschwerdeverfahren gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, in dem § 35 VwGVG keine Anwendung findet. Dabei kann der vom BFV am 23.02.2021 gestellte Antrag nur als ein Antrag auf Ersatz von Aufwendungen iSd § 35 Abs. 1 VwGVG verstanden werden, da in diesem insb. auch auf die Betragssummen der Pauschalsätze der VwG-AufwErsV idgF erkennbar Bezug genommen wird. Auch der im V. Teil des AVG angesiedelte § 74 AVG ändert im ggst. Fall nichts, da dessen Abs. 2 ebenfalls darauf verweist, dass für die Frage, ob einem Beteiligten ein Kostenersatzanspruch gegen einen anderen Beteiligten zusteht, die Verwaltungsvorschriften maßgeblich sind. Diese maßgebliche Verwaltungsvorschrift ist jene des § 35 VwGVG, in der für Administrativbeschwerdeverfahren iSd Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG eben kein Kosten- bzw. Aufwandsersatz enthalten ist. Eine „sinngemäße“ Anwendung dieser Bestimmung auf das ggst. Beschwerdeverfahren, weil gelindere Mittel „vergleichbar mit einer Verhängung der Schubhaft“ seien, scheitert am unzweifelhaften gesetzgeberischen Willen ausdrücklich nur die in § 22a Abs. 1 BFA-VG genannten Beschwerdegegenstände jenen Bestimmungen des VwGVG unterstellen zu wollen, die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG zur Anwendung gelangen.

Es fehlt dem Antrag auf Kosten- bzw. Aufwandsersatz des BF somit an einer tauglichen Rechtsgrundlage, weshalb dieser Antrag gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG iVm § 22a Abs. 1 u. 1a BFA-VG u. § 35 VwGVG als unzulässig zurückzuweisen ist.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen (jeweils in der Begründung zitierten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

In der Beschwerde findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Insbesondere aufgrund der zitierten Entscheidung des VwGH vom 27.01.2011, 2009/21/0163 sind die Rechtsfolgen für ein Bescheidbeschwerdeverfahren, wenn ein angefochtenes gelinderes Mittel iSd § 77 FPG vor Ergehen einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung durch das Bundesamt selbst aufgehoben wird, als geklärt anzusehen.

Schlagworte

Aufhebung Gegenstandslosigkeit gelinderes Mittel Klaglosstellung Kostenersatz Meldeverpflichtung rechtliches Interesse Rechtsanschauung des VwGH Straffälligkeit Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Verfahrenseinstellung Widerruf Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W282.2229162.2.00

Im RIS seit

30.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

30.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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