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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Verletzung im Gleichheitsrecht durch Erteilung einer eingeschränkten und zeitlich befristeten Deckbewilligung ohne ausreichende BegründungSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Die Landwirtschaftskammer für Vorarlberg ist schuldig, dem Beschwerdeführer, zu Handen seines Rechtsvertreters, die mit S 18.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Körkommission bei der Landwirtschaftskammer für Vorarlberg stellte für den dem Beschwerdeführer gehörenden Hengst "Lucky Boy" folgenden "Körschein" vom 28. April 1994 aus:
"Die Deckerlaubnis vom 29.1.1993 für den Hengst 'Lucky Boy', geb. 24.3.1983 wird bis zum Ende des Zuchtversuches verlängert, spätestens jedoch bis 31.12.1994.
Aufgrund der Bestimmungen des Zuchtversuches vom 27.5.1988, die dem 'Freien Vorarlberger Warmblutzuchtverband' zugegangen sind, darf der Hengst nur zur Belegung von Warmblutstuten verwendet werden, die im Besitz von Mitgliedern des oben genannten Vereines sind.
Nach Ablauf der Deckperiode ist der Körschein unverzüglich an die Körstelle (Tierzuchtabteilung der LWK) gem. TZG. §7 (3) zurückzustellen."
2. Gegen diese Erledigung wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften (als Bescheid qualifizierten) Schreibens beantragt wird.
3. Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der die Abweisung der Beschwerde begehrt wird.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1.a) Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Beschwerde nach Art144 Abs1 B-VG ist unter anderem das Vorliegen eines Bescheides. Für den Bescheidcharakter einer behördlichen Erledigung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfSlg. 13263/1992 und die dort zitierte weitere Judikatur) nicht nur die äußere Form, sondern auch der Inhalt maßgebend; eine Erledigung, die nicht die Form eines Bescheides aufweist, ist dann ein Bescheid, wenn sie nach ihrem deutlich erkennbaren objektiven Gehalt eine Verwaltungsangelegenheit normativ regelt, also für den Einzelfall Rechte oder Rechtsverhältnisse bindend gestaltet oder feststellt.
Diese Voraussetzungen sind bei der bekämpften Erledigung gegeben (vgl. das eine ähnliche Enuntiation betreffende Erkenntnis VfSlg. 12141/1989).
b) Der administrative Instanzenzug ist ausgeschöpft (s. §6 Abs2 letzter Satz des Vorarlberger Tierzuchtgesetzes, LGBl. 3/1983).
c) Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.
2. In ständiger Rechtsprechung zum Gleichheitsrecht hat der Verfassungsgerichtshof den Standpunkt eingenommen, daß eine in die Verfassungssphäre reichende Mangelhaftigkeit dann vorliegt, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen kein Begründungswert zukommt (VfSlg. 9293/1981, 10057/1984, 12141/1989).
Im gegebenen Fall verstieß die belangte Behörde nicht nur gegen ihre aus §58 Abs2 und §60 AVG erfließende verfahrensrechtliche Verpflichtung, "die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen"; sie unterließ es vielmehr schlechthin, dem Antragsteller gegenüber auch nur anzudeuten, in welchem Umstand das materielle Hindernis liegen könnte, die Deckbewilligung ohne Einschränkung und unbefristet zu erteilen.
Die aufgezeigte krasse Mangelhaftigkeit des Bescheides wird nicht dadurch beseitigt, daß die belangte Behörde ihre Motivation in der Gegenschrift darlegte. Die Begründung des Bescheides muß nämlich aus diesem selbst hervorgehen; sie ist durch die Gegenschrift im Beschwerdeverfahren nicht nachholbar (vgl. zB VfSlg. 10057/1984, 12141/1989, 13166/1992).
3. Der angefochtene Bescheid war sohin wegen der Verletzung des Gleichheitsrechtes aufzuheben (vgl. VfSlg. 12141/1989).
4. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG.
5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Bescheidbegründung, TierzuchtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1995:B1228.1994Dokumentnummer
JFT_10049387_94B01228_00