TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/19 W242 2192879-1

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Veröffentlicht am 19.03.2021
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Entscheidungsdatum

19.03.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §55
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch


W242 2192879-1/26E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HEUMAYR als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch XXXX , Rechtsanwalt in XXXX , XXXX , gegen Spruchpunkt VI. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.10.2019 und 20.02.2020, zu Recht:

A)       Die Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger, reiste Anfang 2016 unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und stellte am 11.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran (Spruchpunkt II.) ab und erteilte dem Beschwerdeführer auch keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.). Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung in den Iran zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

Zu Spruchpunkt VI. führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl begründend aus, dass besondere Umstände, die der Beschwerdeführer bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe und die die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt hätten, überwiegen würden, nicht hätten festgestellt werden können, weshalb er binnen 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung zur freiwilligen Ausreise verpflichtet sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde in vollem Umfang.

Am 14.10.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, die auf unbestimmte Zeit vertagt werden musste, weil der bestellte Dolmetscher nicht erschien.

Am 20.02.2020 wurde die am 14.10.2019 begonnene mündliche Beschwerdeverhandlung fortgesetzt und der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen persönlichen Verhältnissen, seinen Fluchtgründen und seiner Integration in Österreich befragt.

Mit Erkenntnis vom XXXX 2020, GZ XXXX , wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des Beschwerdeführers mit der Maßgabe, dass Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides „Die Frist zur freiwilligen Ausreise beträgt 14 Tage ab Möglichkeit zur unterstützten Ausreise.“ zu lauten habe, als unbegründet ab.

Die Behandlung der dagegen eingebrachten Beschwerde des Beschwerdeführers lehnte der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom XXXX 2020, GZ XXXX , ab.

Gegen die im Erkenntnis vom XXXX 2020 vorgenommene Abänderung von Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides (Spruchpunkt über die Frist zur freiwilligen Ausreise) erhob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl außerordentliche Revision.

Mit Erkenntnis vom XXXX 2020, GZ XXXX , hob der Verwaltungsgerichtshof das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX 2020, GZ XXXX , hinsichtlich der Festsetzung der Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Möglichkeit zur unterstützten Ausreise auf.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer heißt XXXX und ist am XXXX in XXXX geboren. Seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer reiste im Jänner 2016 unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und stellte am 11.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid vom XXXX 2018, Zl. XXXX , wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in den Iran zulässig ist und legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

Mit Erkenntnis vom XXXX 2020, GZ XXXX , wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des Beschwerdeführers mit der Maßgabe, dass Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides „Die Frist zur freiwilligen Ausreise beträgt 14 Tage ab Möglichkeit zur unterstützten Ausreise.“ zu lauten hat, als unbegründet ab.

Gegen die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Abänderung von Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides erhob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl außerordentliche Revision.

Mit Erkenntnis vom XXXX 2020, GZ XXXX , hob der Verwaltungsgerichtshof das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX 2020, GZ XXXX , hinsichtlich der Festsetzung der Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Möglichkeit zur unterstützten Ausreise auf.

2. Beweiswürdigung:

Die Identität des Beschwerdeführers ergibt sich aus der vorgelegten Nationalkarte mit der Nummer XXXX in Verbindung mit deren Übersetzung vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am XXXX 2018. Während des Verfahrens sind keinerlei Zweifel an der Echtheit des vorgelegten Dokuments aufgetreten.

Die Feststellungen zur Einreise des Beschwerdeführers und der Asylantragstellung ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt, insbesondere der Erstbefragung vom 12.01.2016.

Die Feststellungen zum bisherigen Verfahren ergeben sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes, dem Akt des Bundesverwaltungsgerichts und dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 59 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl. I 2012/87 idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt.

Zu A)

Ausreisefrist § 55 Abs 1 bis 3 FPG (Spruchpunkt VI.):

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen. Gemäß § 55 Abs. 3 FPG kann die Frist bei Überwiegen besonderer Umstände für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben.

Voraussetzung der Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise ist zunächst, dass der Fremde bereit ist, bei Wegfall des die Fristverlängerung rechtfertigenden Hindernisses zu einem von ihm zu benennenden Termin von sich aus - allenfalls unter Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe - freiwillig auszureisen. „Besondere Umstände“ im Sinn von § 55 Abs. 2 und 3 FPG können nur solche sein, die bei der Regelung der persönlichen Verhältnisse des Fremden im Zusammenhang mit der Vorbereitung und Organisation der freiwilligen Ausreise zu berücksichtigen sind. Dabei ist - insbesondere vor dem Hintergrund des Art. 7 Abs. 2 Rückführungsrichtlinie - ein weites Verständnis anzulegen. Es bedarf einer Beurteilung im Einzelfall, wobei eine Interessenabwägung vorzunehmen ist. Weiters ist zu beachten, dass es sich bei den Gründen, die eine Verlängerung der Ausreisefrist rechtfertigen können, schon definitionsgemäß um vorübergehende Umstände handeln muss; ihre Beseitigung bzw. ihr Wegfall muss absehbar sein (vgl. VwGH 25.11.2020, Ra 2020/19/0251, Rn. 10).

Der Spruch, wonach die 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise „ab Möglichkeit zur unterstützten Ausreise“ zu laufen beginne, lässt nicht erkennen, welche Ereignisse eintreten müssen, um den Beginn des Fristenlaufs auszulösen. Auch die Ausführungen in der Begründung, mit denen auf durch die COVID-19-Pandemie bestehende „Ausreisebeschränkungen“ Bezug genommen wird, geben dazu keinen Aufschluss. Sollten insoweit rechtliche Hindernisse für das Verlassen Österreichs gemeint gewesen sein, ist darauf hinzuweisen, dass mit Verordnungen des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz im Zuge der COVID-19-Pandemie die Einreise nach Österreich Beschränkungen unterworfen worden ist (vgl. zum insoweit maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt des BVwG die Verordnungen BGBl. II Nr. 80/2020, BGBl. II Nr. 87/2020 und BGBl. II Nr. 105/2020), allgemeine „Ausreisebeschränkungen“ aber nicht erlassen worden sind (vgl. VwGH 25.11.2020, Ra 2020/19/0251, Rn. 13).

Durch die Behebung des mit außerordentlicher Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl angefochtenen Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX 2020 hinsichtlich der Festlegung der Frist für die freiwillige Ausreise stellte der Verwaltungsgerichtshof klar, dass der Inhalt des Spruchs, wonach die Frist für die freiwillige Ausreise mit Möglichkeit zur unterstützten Ausreise beginne, nicht ausreichend bestimmt ist.

Auch ergaben sich weder aus der Aktenlage noch aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers während des Verfahrens Anhaltspunkte dafür, dass besondere Umstände vorliegen würden, die bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse im Zusammenhang mit der Vorbereitung und Organisation der freiwilligen Ausreise zu berücksichtigen wären und wurde dies vom Beschwerdeführer auch nicht behauptet.

Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde daher zu Recht mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt, sodass die Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen ist.

Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass über die Beschwerde gegen die übrigen Spruchpunkt I. bis V. des angefochtenen Bescheides mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX 2020, GZ XXXX , rechtskräftig abgesprochen wurde.

Entfall der mündlichen Verhandlung:

§ 21 Abs 7 BFA-VG erlaubt das Unterbleiben einer Verhandlung auch dann, wenn deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, der Sachverhalt jedoch aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC.

Im vorliegenden Fall ergibt sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt schon aus dem vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakt und wurde in der Beschwerde kein Vorbringen erstattet, das dem entgegenstehen würde. Von der Durchführung einer weiteren Beschwerdeverhandlung zur Klärung der Rechtssache war daher abzusehen.

Zu B)

Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten im Spruchteil A des angefochtenen Bescheides wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Ausreise besondere Umstände Frist Pandemie

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W242.2192879.1.00

Im RIS seit

25.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

25.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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