TE Vwgh Beschluss 1997/3/13 97/18/0107

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Veröffentlicht am 13.03.1997
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13 Abs3;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, über den Antrag des D in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der Beschwerde gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 4. Juni 1996, Zl. SD 678/96, betreffend Ausweisung, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 46 Abs. 1 VwGG nicht stattgegeben.

Begründung

1. Mit hg. Beschluß vom 30. Jänner 1997, Zl. 96/18/0518, wurde das Verfahren über die Beschwerde des Antragstellers gegen den oben bezeichneten Bescheid gemäß § 34 Abs. 2 und § 33 Abs. 1 VwGG eingestellt, weil der Antragsteller dem Mängelbehebungsauftrag vom 11. Dezember 1996, mit dem ihm die Behebung mehrer näher bezeichneter Mängel der zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichteten und von diesem dem Verwaltungsgerichtshof abgetretenen Beschwerde aufgetragen worden war, nicht nachgekommen ist. Dies deshalb, weil die von ihm fristgerecht vorgelegte Kopie der (ursprünglich eingebrachten) Beschwerde nicht mit der Unterschrift eines Rechtsanwaltes versehen war und somit keine (weitere) Ausfertigung der nach diesem Mängelbehebungsauftrag im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorzulegenden Beschwerde darstellte; weiters hat der Beschwerdeführer seinen ergänzenden Schriftsatz nicht - wie aufgetragen - in dreifacher, sondern lediglich in zweifacher Ausfertigung vorgelegt.

2. In dem nunmehr gestellten Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird ausgeführt, es sei auf "ein bedauerliches Versehen" einer Kanzleikraft der Rechtsvertreter des Antragstellers zurückzuführen, daß dieser dem besagten Mängelbehebungsauftrag nicht nachgekommen sei. Die "sonst zuverlässige" Kanzleikraft habe zwar die Frist für die Mängelbehebung "notiert", aber ("durch Verwendung der Computervorlage der Verfassungsgerichtshofbeschwerde") nicht vorgemerkt, daß der ergänzende Schriftsatz nicht nur zweifach

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wie die ursprünglich beim Verfassungsgerichtshof eingebrachte Beschwerde - sondern in dreifacher Ausfertigung vorzulegen gewesen wäre. Dieses Versehen stelle aber im Hinblick darauf, daß diese Kanzleikraft bereits seit mehreren Jahren in der Kanzlei der Vertreter des Antragstellers beschäftigt und ihr bisher kein solcher Fehler unterlaufen sei, einen minderen Grad des Versehens dar. § 34 Abs. 2 VwGG sei auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden, da die Vertreter des Antragstellers grundsätzlich dem Mängelbehebungsauftrag nachgekommen seien und die Beschwerde ergänzt hätten. Es wäre auch noch innerhalb der offenen Frist zur Mängelbehebung möglich gewesen, einer allfälligen weiteren Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes

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wenn eine solche ergangen wäre - zur Behebung des Mangels der Beschwerdeergänzung nachzukommen; nach Auffassung des Antragstellers wäre "die Fiktion des § 34 Abs. 2 VwGG" nur dann als erfüllt anzusehen gewesen, wenn der Antragsteller einer solchen weiteren Aufforderung nicht nachgekommen wäre.

3. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. e VwGG gebildeten Senat erwogen:

3.1. Vorauszuschicken ist, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Beschluß des verstärkten Senates vom 21. Juni 1988, Zl. 87/07/0049) die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch gegen die unvollständige Erfüllung eines verwaltungsgerichtlichen Verbesserungsauftrages zulässig ist.

3.2. Nach § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ... eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei (siehe den hg. Beschluß vom 23. Februar 1995, Zl. 95/18/0176, mwH). Dabei stellt ein einem Rechtsanwalt widerfahrendes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Rechtsanwalt selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt. Ein Verschulden des Rechtsanwaltes, das über den minderen Grad des Versehens hinausgeht, schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes den Beschluß vom 8. August 1996, Zl. 96/14/0072, 0078). Zu beurteilen ist somit das Verhalten des Rechtsanwaltes selbst (vgl. den hg. Beschluß vom 19. Jänner 1990, Zl. 89/18/0202, 0203). Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen haben. Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige, bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa die schon zitierten hg. Beschlüsse vom 23. Februar 1995 sowie vom 8. August 1996, mwH). (Vgl. zu dem Ganzen auch den hg. Beschluß vom 30. Jänner 1997, Zl. 97/8/0003.)

3.3. Auf dem Boden dieser Rechtslage ist das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag nicht geeignet, einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund darzutun. Bei Anwendung des bei beruflichen rechtskundigen Parteienvertretern gebotenen strengeren Maßstabes hätte es die dem Rechtsanwalt obliegende Sorgfaltspflicht erfordert, sich bei der Unterfertigung des Schriftsatzes zur Mängelbehebung von der ordnungsgemäßen Erfüllung des Mängelbehebungsauftrages zu vergewissern. Dabei hätte es dem Rechtsanwalt auffallen müssen, daß eine Übermittlung des ergänzenden Schriftsatzes an den Verwaltungsgerichtshof lediglich in zweifacher Ausfertigung in Aussicht genommen wurde und weiters - worauf der vorliegende Antrag im übrigen in keiner Weise eingeht - die zur Vorlage an den Verwaltungsgerichtshof vorbereitete Ablichtung des ursprünglich beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten Beschwerdeschriftsatzes nicht von ihm unterfertigt war. Da es der Rechtsanwalt im vorliegenden Fall - wie es schon aus Gründen der Selbstkontrolle geboten gewesen wäre - unterließ, die Vorlage des Schriftsatzes in der aufgetragenen Anzahl von Ausfertigungen sowie die Unterfertigung der nachzubringenden Beschwerdeausfertigung selbst zu kontrollieren, unterlief ihm hiemit ein Versehen, das nicht minderen Grades ist; diesbezüglich kann auch auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hingewiesen werden, wonach ein Rechtsanwalt sich bei der Unterfertigung von Schriftsätzen zu vergewissern hat, was er unterschreibt und ob er damit einem Verbesserungsauftrag auch vollständig nachkommt (vgl. den schon zitierten hg. Beschluß vom 30. Jänner 1997). Im übrigen ist der für die Einstellung des Beschwerdeverfahrens maßgebliche Grund für das Wiedereinsetzungsverfahren ohne rechtliche Bedeutung.

Dem Wiedereinsetzungsantrag war daher nicht stattzugeben.

3.4. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den weiteren Antrag, dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Schlagworte

Verbesserungsauftrag Nichtentsprechung Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997180107.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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