TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/22 W205 2170847-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.03.2021
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Entscheidungsdatum

22.03.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
AVG §68
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch


W205 2170847-2/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. SCHNIZER-BLASCHKA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Kamerun, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.02.2021, Zl. 1083967505/191110345, wegen § 68 AVG, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Verfahren über den ersten Antrag auf internationalen Schutz:

1.1. Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Kamerun und stellte erstmals am 21.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Bei der am 22.08.2015 stattfindenden Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erklärte sie, Kamerun wegen ihrer sexuellen Orientierung verlassen zu haben. Sie sei zuvor häuslicher Gewalt ausgesetzt gewesen, habe ihren Mann, den Vater ihrer sechsjährigen Tochter, aber im Vorjahr verlassen. Sie habe sich in eine Frau verliebt und sei dann mit ihr zusammen gesehen worden. Sie sei eine Woche inhaftiert gewesen, in der Zwischenzeit habe man im Viertel Zettel aufgehängt, welche sich gegen sie gerichtet hätten. Ihr Vater, ein Pastor, habe gesagt, dass sie Schande über die Familie gebracht habe. Sie habe ihre Tochter bei ihm zurücklassen müssen, sei auf der Straße mit Steinen beworfen und geschlagen worden. Daher sei sie geflohen. Über ihre Freundin wisse sie nichts.

1.3. Die Beschwerdeführerin wurde am 01.08.2017 niederschriftlich durch eine Organwalterin des BFA, im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Französisch einvernommen. Dabei führte sie im Wesentlichen aus:
„(…)

Angaben zur Person und Lebensumständen:

Ich bin in XXXX in XXXX geboren und dort bei meinen Eltern im eigenen Haus aufgewachsen. Mein Vater ist im Ruhestand, er arbeitete als Taxifahrer und in einer Bäckerei. Meine Mutter verkauft Gemüse und rotes Nussöl auf dem Markt. Meine Geschwister leben nicht mehr bei meinen Eltern. Sie sind alle verheiratet und führen einen eigenen Haushalt. Meine Tochter lebt derzeit bei meinen Eltern. Als ich noch in Kamerun war, ging es uns für wirtschaftliche Verhältnisse gut. Ich habe in XXXX die Grundschule, eine Privatschule nach der Grundschule und anschließend ein Gymnasium in Douala, Oyack, bis 2003 besucht. Nach 2003 habe ich bis 2005 eine Friseurausbildung gemacht. Von 2005 bis 2008 war ich in meinem Ausbildungsbetrieb „ XXXX “ in XXXX , als Friseurin tätig. 2010 habe ich meinen eigenen Salon „ XXXX “ in XXXX eröffnet und bis zu meiner Ausreise dort gearbeitet. Ich habe keine Produkte verkauft, nur Haare gemacht. Ich habe an keinen externen Workshops oder Seminaren teilgenommen. Ich habe auch Leute ausgebildet und hatte 2 Lehrlinge. Der Salon befand sich im Wohnviertel XXXX .

Seit meiner Geburt bis ich mit meinem Lebensgefährten zusammengezogen bin lebte ich bei meinen Eltern. Ich glaube, da war ich um die 25 Jahre alt. An das genaue Datum kann ich mich nicht erinnern. Wir wohnten in XXXX in einem Mietshaus. Wir haben uns auf der Straße kennen gelernt. Ich war gerade auf dem Heimweg vom Collège und er kam von der Arbeit. Wir waren viele Jahre zusammen, bevor wir zusammen gezogen sind.

F: Definieren Sie viele Jahre.

A: Während meiner restlichen Schulzeit und der Friseurlehre waren wir immer zusammen.

Als ich ihn kennen lernte arbeitete er in einem Casino. Dann hat er den Job gewechselt und ist mit einem Motortaxi gefahren. Ich weiß nicht, was er aktuell macht. Wir haben seit ich bei ihm ausgezogen bin keinen Kontakt. Nachgefragt gebe ich an, dass ich mich nicht an das genaue Datum erinnern kann, vielleicht war ich 28 oder 29 als ich ausgezogen bin. Mein Lebensgefährte war anfangs total nett und hat sich sehr gut benommen, weshalb ich auch ein Kind mit ihm bekommen habe. Das hat sich jedoch im Laufe der Zeit total geändert. Er kam immer sehr spät abends betrunken nach Hause und hat laut herumgeschrien, sodass wir überhaupt nicht mehr schlafen konnten. Wenn ich ihn bat, leiser zu sein, sagte er nur, dass er tun würde was er will. Er begann dann auch mich und meine Tochter zu schlagen und mich ständig zu missbrauchen. Zuhause machte er überhaupt nichts mehr und ich musste sowohl die Miete als auch das Schulgeld und alle Rechnungen bezahlen. Auch noch nachdem wir zusammen gezogen waren gab es überhaupt keine Probleme. Seine Persönlichkeitsveränderung kam schlagartig und war mir unerklärlich. Meine Tochter war drei oder vier Jahre alt, als er sich so stark veränderte. Ich glaube, dass ich dann noch ca. sechs Monate bei ihm geblieben bin.

Ich habe dann ein Zimmer in einem anderen Teil von Log Baba gemietet. Ich blieb dort fast ein Jahr gemeinsam mit meiner Tochter. Dann bekam ich Probleme und reiste aus. Meine Eltern haben meine Tochter behalten. Ich war damit nicht einverstanden.

Ich hatte mit meiner Mutter nur Kontakt, damit sie mir die Dokumente übermittelt. Sie wusste überhaupt nicht, wo ich bin und dachte, dass ich vielleicht schon tot wäre. Mit meiner Tochter habe ich seit meiner Ausreise keinen Kontakt. Zu Freunden und Bekannten habe ich ebenfalls keinen Kontakt. Tatsache ist, dass meine Familie mich verstoßen hat. Meine ganze Familie will aufgrund meiner sexuellen Orientierung keinen Kontakt mit mir.

Meine Eltern besitzen noch ein anderes Haus. Dieses befindet sich in XXXX Als ich noch im Land war, war es vermietet. Meinen Friseursalon hatte ich gemietet.

F: Was haben Sie im Monat verdient?

A: Das war natürlich unterschiedlich. Ich verdiente monatlich durchschnittlich 100.000 Francs CFA.

Angaben zum Fluchtweg:

F: Wann haben Sie sich entschlossen die Heimat zu verlassen?

A: Das war 2015 als ich von der Bevölkerung geschlagen wurde, habe ich das erste Mal darüber nachgedacht mein Heimatland zu verlassen.

Aufforderung: Konkretisieren Sie den Zeitraum.

A: Das war Ende Juni, Anfang Juli 2015. Die Situation war schon sehr schlimm.

F: Wann haben sie tatsächlich Ihr Heimatland verlassen?

A: Ich kann mich nicht mehr an das genaue Datum erinnern, ich weiß jedoch, dass es im Juli 2015 war.

F: Wie viel Zeit verging zwischen Ihrem Entschluss und Ihrer tatsächlichen Ausreise?

A: Es waren einige Wochen. Nachdem ich die Idee zur Ausreise gehabt hatte, musste ich nämlich jemanden anrufen, der mir helfen konnte. Er meinte, dass er erst sehen muss.

F: Haben Sie sich vor Ihren Problemen schon einmal Gedanken darüber gemacht, das Land zu verlassen oder zu reisen?

A: Nein, niemals.

F: Können Sie sich an Ihre Angaben zum Reiseweg, die Sie in der Erstbefragung gemacht haben, erinnern?

A: Ja.

F: Haben Sie zum Reiseweg noch etwas zu sagen?

A: Ich befand mich im Dorf XXXX und rief einen Freund von mir an, der im Hafen von XXXX arbeitete. Ich fragte ihn, ob er mir helfen kann oder ob er jemanden kennt, der mir zur Ausreise verhelfen kann. Er stellte den Kontakt zu einem Mann her, der am Hafen von XXXX arbeitete. Eines Abends ging ich dort hin, um mit dem Herrn zu sprechen. Er fragte mich, wo ich hinwill. Ich sagte, dass es mir egal ist, Hauptsache weg aus Kamerun. Dann vereinbarten wir den Preis und er sagte, er würde mich anrufen, wenn das Schiff ausläuft. Mit dem Schiff reiste ich dann lange Zeit, bevor er kam und sagte, dass er mich nach dem Aussteigen jemand anderem übergeben würde. Das war auch der Fall und der andere Mann brachte mich zu einem LKW, mit dem ich längere Zeit fuhr. Nach dem Aussteigen verwies mich der Mann an die Polizeistation. Es war nachts und ich wusste überhaupt nicht wo ich war, traf jedoch auf einen Schwarzen, der auf der Straße ging. Er sprach zwar nicht Französisch, rief jedoch jemanden an, der dann Französisch mit mir gesprochen hat. Im Nachhinein erfuhr ich dann, dass ich in Innsbruck war.

F: War der Mann, welcher ihnen befohlen hat, das Schiff zu verlassen, die ganze Zeit mit an Bord?

A: Ja.

F: Was tat der Mann auf dem Schiff?

A: Er hat dort gearbeitet.

F: Wo kam dieses Schiff an?

A: Das weiß ich nicht.

F: Was können Sie zu Ihrem Aufenthaltsort sagen, an dem Sie das Schiff verließen und den LKW bestiegen?

A: Es war Nacht und ich habe niemanden gesehen. Der Mann mit dem LKW, dem ich übergeben wurde, war aber ein Weißer.

F: Wie lange waren Sie mit dem Schiff unterwegs?

A: Das Schiff habe ich im Juli bestiegen. Hier angekommen bin ich im August.

Anmerkung: Frage wird wiederholt.

A: Viele Wochen.

F: Wie lange waren Sie mit dem LKW weg?

A: Viele Stunden.

F: Wann und wie sind Sie das erste Mal mit einem Schlepper in Kontakt getreten?

A: Das war Ende Juni, Anfang Juli, als ich mich mit dem Mann am Hafen getroffen habe.

F: Wie viel mussten Sie für die Schleppung bezahlen?

A: Ich habe 1 Million Francs CFA bezahlt.

F: Woher haben Sie das Geld?

A: Einerseits hatte ich Ersparnisse, andererseits hat mir die Frau, mit der ich ausgegangen bin, viel Geld gegeben.

F: Mit welchem Dokument sind Sie gereist?

A: Ich bin illegal gereist.

F: Haben Sie in einem anderen Land schon einmal einen Asylantrag gestellt?

A: Nein.

F: Warum sind Sie ausgerechnet nach Österreich gereist?

A: Das war der Ort an dem mich der Mann mit dem LKW aussteigen hat lassen. Es war mir egal, wo ich hinkomme.

V: Es ist weder glaubhaft noch nachvollziehbar, dass Sie zu Ihrem Reiseweg keine Angaben machen können und ist offensichtlich, dass Sie versuchen hier Ihren Reiseweg zu verschleiern. Sie werden an dieser Stelle nochmals an die Wahrheits- und Mitwirkungspflicht im Asylverfahren aufmerksam gemacht.

A: Ich wusste selber nicht, wohin die Reise ging.

Anmerkung: Vorhalt wird wiederholt.

A: Ich hatte zu dieser Zeit große Probleme und es war im Juli 2015.

F: Möchten Sie zum Fluchtweg noch etwas angeben, was Ihnen wichtig ist?

A: Auf dem Schiff traf ich auf einen Asiaten. Er sagte, dass er mich verraten würde und man mich dann ins Wasser werfen würde. Ich flehte ihn an, nichts zu sagen. Er wollte das aber nur tun, wenn ich mit ihm schlafe. In der Folge musste ich tagtäglich mit ihm schlafen. Als der Mann, der mich aufs Schiff gebracht hatte und mir immer Essen brachte, kam, erzählte ich ihm davon und dieser meinte nur, dass ich mich ruhig verhalten soll.

Anmerkung: Die Antragstellerin zeigt keine Emotionen.

F: Haben Sie auf dem Schiff um Hilfe ersucht?

A: Nein. Ich blieb einfach dort, wo man mich auf dem Schiff untergebracht hatte.

F: Weshalb haben Sie diesen Vorfall nicht schon bei der Erstbefragung erwähnt?

A: Ich wurde nicht danach gefragt. Die Fragen, die mir gestellt wurden, habe ich beantwortet.

Angaben zum Fluchtgrund:

F: Sind Sie in Ihrer Heimat oder in einem anderen Land vorbestraft bzw. haben Sie im Herkunftsland, oder hier Strafrechtsdelikte begangen?

A: Nein.

F: Werden Sie in der Heimat von der Polizei, einer Staatsanwaltschaft, einem Gericht oder einer sonstigen Behörde gesucht?

A: Ja.

F: Von wem werden Sie gesucht?

A: Von der Polizei.

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat jemals von den Behörden angehalten, festgenommen oder verhaftet?

A: Ja. Ich wurde einmal festgenommen und in eine Zelle gesteckt.

F: Wann war das?

A: Es war an einem Sonntag 2015.

F: Wann genau?

A: Ich kann mich nicht mehr erinnern.

F: Wie lange waren Sie in der Zelle?

A: Eine Nacht. Die Frau, mit der ich zusammen war, ist aufgrund der Übergriffe der Polizisten am nächsten verstorben. Ich wurde ins Krankenhaus gebracht. Zuvor hatte man mir Fußfesseln angelegt, mit denen ich dann im Krankenbett lag.

Anmerkung: Die Antragstellerin zeigt keine Emotionen.

F: Wo war diese Zelle genau, in der Sie untergebracht waren?

A: Auf dem Kommissariat im dritten Arrondissement von XXXX .

F: Wie heißt die Frau, mit der Sie zusammen waren, und wann wurde Sie geboren?

A: Josy, den Familiennamen kenne ich nicht. Sie war 35 Jahre alt.

F: Hatten Sie in Ihrer Heimat Probleme mit den Behörden?

A: Nein.

F: Waren Sie in Ihrer Heimat jemals Mitglied einer politischen Gruppierung oder Partei?

A: Nein.

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer politischen Gesinnung verfolgt?

A: Nein.

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer Rasse verfolgt?

A: Nein.

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer Religion verfolgt?

A: Nein.

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer Nationalität, Volksgruppe oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt?

A: Ja, von der Polizei, weil ich homosexuell bin. Homosexualität ist in Kamerun verboten.

F: Was war der konkrete Grund, warum Sie die Heimat verlassen haben? Erzählen Sie bitte möglichst chronologisch über alle Ereignisse, die Sie zum Verlassen der Heimat veranlasst haben (freie Erzählung)!

A: Ich habe meine Heimat aufgrund meiner sexuellen Orientierung verlassen.

F: Gab es irgendwelche Vorfälle oder Übergriffe?

A: Nachdem ich mit meinem Exfreund so viel durchgemacht hatte und in das Zimmer gezogen war traf ich eines Tages beim Spazierengehen auf Josy, mit der ich mich gleich blendend verstand. Sie fragte mich, warum ich so traurig sei und munterte mich an diesem Tag richtig auf und bestärkte mich, dass es der richtige Entschluss gewesen war, meinen Exfreund zu verlassen. Sie bot mir dann an, mich mit ihrem Auto nach Hause zu bringen, wo wir Telefonnummern austauschten. Im Anschluss haben wir uns regelmäßig angerufen und uns besucht und im Laufe der Zeit festgestellt, dass wir uns zueinander hingezogen fühlten.

Eines Tages besuchte mich Josy wie üblich. Ich hatte vor Beginn des Wochenendes meine Tochter zu meinen Eltern gebracht. Als diese sie wieder zurückbrachten, da sie am Montag zur Schule musste, überraschten meine Eltern uns beim Sex, da ich vergessen hatte, die Tür zu versperren. Meine Eltern waren total aufgebracht, da mein Vater auch Pastor ist und ich aus einer christlichen Familie stamme. Josy hatte sich angezogen und war weggelaufen. Meine Eltern fragten mich, ob ich mich nicht schämen würde, solche Schande über die Familie zu bringen und erklärten mir, dass ich für sie gestorben wäre. Sie sagten, dass ich mich meiner Familie nicht mehr nähern dürfe und auch meine Tochter nicht mehr zurückbekomme, da sie verhindern wollten, dass ich ihr das schlechte Leben beibringe. Das Ganze war sehr schwer für mich, da meine Eltern wieder mitgenommen haben. Auch die Ablehnung seitens meiner Familie war ein schwerer Schlag für mich. Das einzige Familienmitglied, mit dem ich noch Kontakt hatte, war eine jüngere Schwester meiner Mutter, die mir ab und zu Neuigkeiten per Telefon übermittelte, mich jedoch nicht besuchte. Sie respektierte meine sexuelle Orientierung. An einem Samstagabend beschlossen Josy und ich in die Disco zu gehen. Wir verbrachten dort einen fantastischen Abend. Als wir sie Sonntag Früh wieder verließen und zu unserem Auto gingen, konnten wir uns nicht mehr zurückhalten und begannen uns im Auto zu küssen. Die Bevölkerung bekam das mit, zerstörte unser Auto und zog uns aus.

Anmerkung: Die Ast. zieht sich bis auf die Unterwäsche aus und beginnt zu weinen. Sie wird gefragt, ob Sie eine Pause benötigt und gebeten, sich wieder anzuziehen. Dies wir verneint.

Sie haben uns mit Wasser überschüttet und alle schlugen auf uns ein. Einige gingen, um Autoreifen zu holen, auf denen sie uns verbrennen wollten. In diesem Augenblick erschien die Polizei und brachte uns auf die Polizeiwache. Auch dort wurden wir von den Polizisten geschlagen.

Anmerkung: Die Ast. zeigt mehrere Narben auf ihren Beinen und Armen.

Sie fragten uns, ob wir nicht wissen würden, dass Homosexualität in Kamerun verboten ist. Dann warfen sie uns in eine Zelle. Am nächsten Morgen kamen sie wieder, um uns zu schlagen. Bei diesem Anlass stellten sie fest, dass Josy bereits verstorben war. Sie haben Josy sofort in eine Decke gepackt und mit einem Fahrzeug weggebracht. Mich brachten sie ins Krankenhaus, wo sie mich ans Krankenbett fesselten. In Kamerun ist es so, dass jeder Kranke im Krankenhaus einen Betreuer haben muss. Ich gab den Polizisten also die Nummer meiner Tante und sie riefen sie an, um ihr zu sagen, dass sie umgehend ins Krankenhaus kommen soll. Die Tante kam unverzüglich und fand mich in einem mitleiderregenden Zustand vor. Ich blieb also mit meiner Tante einige Tage im Krankenhaus, wobei diese ab und zu nach Hause zurückkehrte, um ihre Kinder zu versorgen. Eines Nachts kam meine Tante mit einem Herrn ins Krankenhaus, der die Fußfesseln löste. So konnten wir aus dem Krankenhaus fliehen. Meine Tante nahm mich mit zu ihr nach Hause. Sie rief dann eine Freundin von ihr an, die Krankenschwester war, und bat sie, zu uns nach Hause zu kommen, da ich nicht zurück ins Krankenhaus konnte. Sie pflegte mich daraufhin bei meiner Tante zu Hause. Nachdem es mir wieder ein wenig besser ging, ging ich eines Tages ein wenig aus dem Haus. Nach meiner Rückkehr erzählten mir die Kinder meiner Tante, dass die Polizei meine Tante geholt hätte. Josy hatte mir immer wieder größere Geldsummen gegeben und ich hatte auch Erspartes. Ich hatte meiner Tante gesagt, wo ich das Geld aufbewahrte, damit sie es holen und meine Pflege bezahlen konnte. Als die Kinder meiner Tante sagten, dass die Polizei sie geholt hatte, war mir klar, dass die Polizei meinetwegen gekommen war. Aus diesem Grund bin ich sofort geflohen und nach Nkonsamba zu einem Onkel mütterlicherseits. Dort blieb ich einige Monate. Meine Tante wusste natürlich nicht, wo ich war. Die Polizei hatte ihr vorgeworfen, dass sie meine Flucht aus dem Krankenhaus organisiert hatte. Sie bedrohten und folterten sie. Aufgrund dieser Übergriffe verstarb meine Tante. Ich überlegte lange Zeit, was zu tun war. Dann fiel mir ein, dass ich einen Freund hatte, der am Hafen in XXXX arbeitete. Diesen kontaktierte ich dann. Schlussendlich verließ ich das Land.

F: Sie werden nochmals auf das Neuerungsverbot im Beschwerdeverfahren aufmerksam gemacht. Ich frage Sie daher jetzt nochmals, ob Sie noch etwas Asylrelevantes angeben möchten oder etwas vorbringen möchten, was Ihnen wichtig erscheint, ich jedoch nicht gefragt habe?

A: Nein, ich habe alles erzählt. Ich habe keine weiteren Gründe mehr vorzubringen. Nkonsamba musste ich auch verlassen. Wenn die Bevölkerung nämlich herausgefunden hätte, dass ich lesbisch bin, hätten sie mich umgebracht. Das ist alles.

F: Gab es jemals bis zu den besagten Vorfällen auf Sie irgendwelche Übergriffe oder ist an Sie persönlich jemals irgendwer herangetreten?

A: Nein.

Anmerkung: Die Einvernahme wird von 12:00 bis 13.00 für eine Pause unterbrochen.

F: Wann und in welcher Situation hatten Sie zum ersten Mal die Vermutung, dass Sie sich nur oder doch stärker zum eignen Geschlecht hingezogen fühlen?

A: Mädchen haben mir immer schon gefallen, da ich jedoch in einer christlichen Familie aufgewachsen bin, hatte ich nie die Möglichkeit, diese Neigung zu entwickeln, ich bin eine Beziehung zu einem Mann eingegangen und habe ein Kind bekommen.

F: Wie haben sich Ihre sexuellen Gedanken und Aktivitäten in der Schulzeit/der Pubertät entwickelt?

A: Ich war immer schon der Ansicht, dass jeder wählen darf mit wem er sexuellen Kontakt hat. Dass mein Vater Pastor war, hat mich jedoch diesbezüglich beeinflusst.

F: Hat Ihre Erfahrung mit Josy eine (innere) Festlegung auf das eigene Geschlecht bewirkt oder weitere bi- oder heterosexuelle Aktivitäten nicht ausgeschlossen?

A: Ich schließe keine heterosexuellen Beziehungen aus.

F: Welche Gedanken hatten Sie sich über die Konsequenzen der staatlichen/gesellschaftlichen Ächtung Ihrer (sich entwickelnden) Identität für das eigene Leben, Ihr Fortkommen in Bildung und Beruf, die Beziehung zur eigenen Familie etc. gemacht?

A: In Kamerun ist das schwierig, aber hier haben wir einen Rechtstaat und es macht keinen Unterschied.

Frage wird wiederholt.

A: Als ich die Beziehung zu Josy begonnen habe, habe ich nicht wirklich über irgendwelche Konsequenzen nachgedacht. Wir wussten ja, dass wir unser Verhältnis immer verstecken würden müssen und aufpassen hätten müssen, dass man uns nicht erwischt.

F: Welche Möglichkeiten gibt es für die Verfolgungsvermeidung/Risikominderung?

A: Man kann überhaupt nichts machen außer man macht es im Geheimen.

F: Gibt es so etwas wie eine homosexuelle Szene in Ihrem Heimatland?

A: Josy hat mir einmal gesagt, dass es einen Ort gibt, an dem sich Homosexuelle treffen. Ich war nie dort und weiß auch nur, dass das alles im Verborgenen abläuft. Spezielle Lokale gibt es glaube ich nicht.

F: Pflegen Sie hier in Österreich homosexuelle Beziehungen/Kontakte?

A: Bei meiner Ankunft hier habe ich festgestellt, dass die Sprache ein Problem ist und ich mich nicht gut unterhalten konnte. Jetzt lerne ich Deutsch und habe auch schon gehört, dass es eine Stelle für Homosexuelle gibt, die immer am Donnerstag geöffnet hat.

F: Welche Stelle?

A: Ich weiß nicht. Mir wurde gesagt, dass sie hier in Innsbruck ist. Ich war aber noch nie dort.

F: Wie haben Sie und Josy ihre Beziehung im Alltag gelebt?

A: Josy und ich hatten getrennte Wohnungen. Wenn wir uns treffen wollten, habe ich meine Tochter zu meinen Eltern gegeben.

F: Welche Gefühle hatten Sie für Josy?

A: Ich habe sie geliebt.

F: Wann haben Sie Josy kennengelernt und wie sind Sie mit ihr in Kontakt getreten?

A: Ich habe sie beim Spazierengehen kennengelernt. Ich kann mich an das Datum nicht mehr erinnern. Ich war mit meiner Tochter unterwegs und Josy hat meine Tochter angesprochen. Sie hat sie gefragt, wie es ihr geht und so weiter.

F: Woran haben Sie bemerkt, dass Josy ebenfalls homosexuell ist?

A: Die Art, wie sie mich angesehen hat, gab mir das zu verstehen. Außerdem rief sie mich manchmal auch spätnachts an und redete über bestimmte Dinge mit mir. Nachdem was ich mit meinem Exfreund erlebt hatte, hatte ich das Interesse an Männern verloren.

F: Wie lange kannten Sie Josy, bevor sie bemerkten, dass Sie sich zu ihr hingezogen fühlten?

A: Wir sind eine ganze Zeit lang nur miteinander spazieren und tanzen gegangen bevor wir gemerkt haben, dass wir voneinander angezogen sind.

F: Was ist eine ganze Zeit lang?

A: Circa ein Monat.

F: Wann genau haben Sie sie kennengelernt?

A: Kennengelernt habe ich Josy im September 2014.

F: Wie lange waren Sie mit Josy in einer Beziehung?

A: Das war kein Jahr.

F: Wann genau waren Sie mit Josy in einer Beziehung?

A: Oktober 2014. Gestorben ist Josy im April oder Mai 2015, aber ich kann mich ehrlich gesagt nicht genau daran erinnern.

F: Was hat Josy beruflich gemacht?

A: Josy hat Kleidung verkauft. Sie hatte ein eigenes Geschäft.

F: Warum hat Josy Ihnen öfters Geld gegeben, obwohl Sie Ihr eigenes Geschäft hatten?

A: Sie sagte, damit ich mich hübsch machen und auch Sachen für meine Tochter kaufen kann.

F: Waren Sie als Sie in Haft waren in einer gemeinsamen Zelle mit Josy?

A: Ja, wir waren in einer gemeinsamen Zelle.

F: Warum haben Sie nicht mitbekommen, dass Josy nicht mehr am Leben ist?

A: Weil ich selbst nach den Schlägen der Polizisten dachte, dass ich kurz davor war zu sterben und mein Herz zu schlagen aufhören wollte.

Anmerkung: Die Antragstellerin zeigt keine Emotionen.

F: Wie lange waren Sie im Krankenhaus?

A: Einige Tage.

F: Welche Verletzungen haben Sie davongetragen?

A: Ich hatte wirklich schlimme Verletzungen.

Frage wird wiederholt.

A: Wir wurden mit Stöcken und Steinen geschlagen.

Die Einvernahme wird für eine Pause von 13.30 bis 13.45 Uhr unterbrochen.

F: Weshalb brachten die Polizisten Sie in das Krankenhaus?

A: Ich weiß nicht. Vielleicht hatten sie Angst, dass ich auch sterben könnte, weil Josy ja gestorben ist.

F: Wie sahen die Fußfesseln aus?

A: Das waren wie Handschellen für die Füße.

F: Aus welchem Material waren sie?

A: Aus Metall.

F: Wie lange waren Sie bei Ihrer Tante untergebracht?

A: Einige Wochen.

F: Von wann bis wann waren Sie bei Ihrer Tante?

A: Das Datum kann ich nicht nennen.

F: In welchem Monat waren Sie bei Ihrer Tante?

A: Das muss im Juni 2015 gewesen sein.

F: Wo wohnt Ihre Tante?

A: XXXX .

Aufforderung: Beschreiben Sie die Zelle, in der Sie eingesperrt waren, unter Angabe sämtlicher Details.

A: Das war ein Raum ohne Fenster, nur mit einer Tür. Darin gab es gar nichts.

F: Wo haben Sie Ihre Notdurft verrichtet?

A: Das musste man in der Zelle machen. Das war ihnen egal.

F: Welche Verletzungen haben Sie vom Angriff der Polizei und der Bevölkerung davongetragen?

A: Am linken Handgelenk hatte ich eine Verletzung. An der Innenseite des linken Unterschenkels, an der Außenseite des rechten Unterschenkels.

F: Wie wurden Sie von der Bevölkerung geschlagen?

A: Einige haben uns mit Stöcken geschlagen, andere haben Steine auf uns geworfen.

F: Wie viele Personen haben Sie geschlagen?

A: Es waren viele. Einige von ihnen hatten auch zuvor die Diskothek besucht. Andere waren Passanten.

F: Wann wurden Sie von Ihren Eltern beim Sex erwischt?

A: Das war als sie gekommen sind, um mir meine Tochter zurück zu bringen.

Frage wird wiederholt.

A: Wann das war weiß ich nicht mehr.

F: Wann ist Josys Todestag?

A: Ich weiß nur, dass es ein Montag war.

F: Wo hat Josy gewohnt?

A: In XXXX .

F: Wie weit ist der Wohnort Ihrer Tante von XXXX entfernt?

A: Das sind zwischen zwei und zweieinhalb Fahrstunden.

F: Wie sind Sie von Ihrer Tante aus zu Ihrem Onkel nach XXXX gekommen?

A: Ich bin mit dem Bus gefahren.

F: Wie viel kostet dieses Busticket?

A: Der Preis ist abhängig von der Zeit. Damals habe ich 2.500 Francs CFA bezahlt.

F: Wie viele Polizisten haben Sie geschlagen?

A: Zwei.

F: Wie haben Sie davon erfahren, dass Ihre Tante von der Polizei bedroht und gefoltert wurde und infolgedessen gestorben ist?

A: Meine Mutter hat mir das am Telefon gesagt, als ich sie das erste Mal angerufen habe, um ihr zu sagen, wo ich mich aufhielt.

F: Wie heißt Josys Firma?

A: Sie hatte ein Geschäft auf dem XXXX . Sie hat einfach „Herren, Kinder, Damen“ darauf geschrieben.

F: Wie lange genau haben Sie sich bei Ihrem Onkel mütterlicherseits aufgehalten?

A: Auch dort blieb ich einige Wochen. Nach meinem Treffen mit dem Mann am Hafen kehrte ich auch wieder nach XXXX zurück. Nach meiner Rückkehr hatte ich aber nicht einmal die Gelegenheit, mich von meinem Onkel zu verabschieden.

F: In welchem Monat hielten Sie sich bei Ihrem Onkel auf?

A: Ich glaube, das war immer noch Juni.

F: Wie sehr haben Sie Josy geliebt?

A: Ich habe sie wirklich sehr geliebt. Die Beziehung mit meinem Ex hatte mich sehr deprimiert und sie hat mich wieder aufgerichtet.

Aufforderung: Beschreiben Sie Josys Aussehen unter Angabe sämtlicher Details.

A: Josy hat ungefähr so ausgesehen wie die Dolmetscherin. Sie hatte nur ganz kurze Haare.

F: Also war Josy weiß?

A: Sie sieht genauso aus wie die Dolmetscherin. Sie hatte helle Augen, genau wie die Dolmetscherin. Der einzige Unterschied ist, dass Josy schwarz war und kurze Haare hatte.

F: Wann fand der Discobesuch statt?

A: Ich weiß nur, dass es ein Samstagabend war. Nachgefragt gebe ich an, dass es vielleicht Mai 2015 sein hätte können.

F: Was meinen Sie mit „die Bevölkerung hat uns geschlagen“?

A: Ich meine die Passanten.

F: Wie ist Ihre Mutter in Besitz der polizeilichen Vorladungen gekommen?

A: Die Polizei hat nach mir gesucht. Die Polizei hat die Vorladungen bei meiner Familie gelassen, weil sie angenommen hat, dass ich vielleicht dort vorbei komme.

F: Wie lautet der Inhalt dieser Vorladungen?

A: Ich wurde aufgefordert, ins Polizeikommissariat zu kommen.

F: Aus welchem Grund?

A: Weil ich aus dem Krankenhaus geflüchtet bin.

F: Steht das so in der Vorladung?

A: Ja, ich denke schon.

F: Gibt es in Kamerun, speziell in XXXX , ein Meldesystem?

A: Nein.

F: Woher wusste die Polizei, wo sie die Vorladungen abgeben musste?

A: Vielleicht hatten sie bereits Nachforschungen angestellt.

F: Wie viele Einwohner hat XXXX ?

A: Vielleicht 4.000 Einwohner. Es ist eine der größten Städte Kameruns.

F: Warum hat die Polizei Sie und Josy festgenommen?

A: Weil Homosexualität in Kamerun strikt verboten ist.

F: Was hätten Sie im Falle einer eventuellen Rückkehr in Ihre Heimat konkret zu befürchten?

A: Ich befürchte, dass man mich im Falle einer Rückkehr sofort umbringt.

F: Hätten Sie Probleme mit der Polizei oder anderen Behörden im Falle Ihrer Rückkehr?

A: Ich hätte Probleme mit der Polizei und der Bevölkerung.

F: Wie hoch ist das Strafmaß für Homosexualität in Kamerun?

A: Auf Homosexualität steht eine Freiheitsstrafe von 15 Jahren. Wird man von der Bevölkerung erwischt verbrennen sie einen. Wird man ins Gefängnis gesteckt, wird man dort auch gefoltert und stirbt möglicherweise.

F: Woher haben Sie diese Informationen?

A: Das hat mit Josy gesagt. Sie hatte zuvor nämlich noch nie Beziehungen mit Männern und wusste Bescheid. Sie meinte, dass wir wirklich aufpassen müssten, da uns sonst hohe Strafen drohen.

F: Warum sind Sie nicht in eine andere Stadt oder in einen anderen Landesteil gezogen?

A: Ich habe es vorgezogen, das Land zu verlassen, da mir klar war, dass mich die Polizei überall suchen würde.

F: Wissen Sie über die aktuelle politische Lage und über die Sicherheitslage in Ihrer Heimat Bescheid?

A: Ja, darüber weiß ich Bescheid.

Anmerkung: Ihnen wird nun die Möglichkeit eingeräumt, in die vom Bundesamt (BFA) zur Beurteilung Ihres Falles herangezogenen allgemeinen Länderfeststellungen des BFA zu Ihrem Heimatland samt den darin enthaltenen Quellen Einsicht und gegebenenfalls schriftlich Stellung zu nehmen. Diese Quellen berufen sich vorwiegend unter anderem auf Berichte von EU-Behörden aber auch Behörden anderer Länder, aber auch Quellen aus Ihrer Heimat wie auch zahlreichen NGOs und auch Botschaftsberichten, die im Einzelnen auch eingesehen werden können.

Sie haben die Möglichkeit dazu im Rahmen des Parteiengehörs schriftlich Stellung zu nehmen. Mit Ihrer Unterschrift unter den Feststellungen bestätigen Sie, dass Ihnen die Feststellungen zur Einsichtnahme vorgelegt wurden. Es bedeutet nicht, dass Sie mit dem Inhalt einverstanden sind. Möchten Sie die Erkenntnisse des BFA Ihr Heimatland betreffend in Kopie mitnehmen und eine schriftliche Stellungnahme innerhalb einer Frist von zwei Wochen dazu abgeben?

A: Ich möchte das und bestätige hiermit die Übernahme der genannten Feststellungen und die mir eingeräumte Frist bis 16.08.2017.

Anmerkung: Dem AW werden die Feststellungen persönlich ausgehändigt.

Erklärung: Ihnen wird zur Wahrung des Parteiengehörs die Staatendokumentationsanfragebeantwortung Frage 1 und Frage 2 vom 07.03.2016 anschließend von der Dolmetscherin rückübersetzt. Nach der Rückübersetzung haben Sie die Möglichkeit, sich dazu zu äußern.

F: Möchten Sie sich dazu äußern?

A: Das Problem besteht darin, dass es Unterschiede gibt zwischen dem was gesagt wird und dem was tatsächlich passiert. Das war alles.

Angaben zum Privat- und Familienleben:

F: Wann sind Sie nach Österreich eingereist?

A: Das war im August 2015. Ich bin illegal in Österreich eingereist.

F: Seit wann sind Sie in Österreich aufhältig?

A: Seit August 2015.

F: Hatten Sie in Österreich oder in der EU jemals einen gültigen Aufenthaltstitel oder Visum zur Begründung eines legalen Aufenthaltes beantragt bzw. besessen?

A: Nein, ich habe noch nie einen/eines beantragt oder besessen.

F: Wie sieht Ihr Alltag in Österreich aus?

A: Ich besuche einen Deutschkurs. In der Unterkunft lese ich, bereite mein Essen zu. Ich verrichte auch Saisonarbeit. Morgen zum Beispiel hole ich die Schlüssel bei der Polizei ab und beginne damit.

F: Was arbeiten Sie dort?

A: Toilettenreinigung.

F: Was verdienen Sie?

A: Ich verdiene drei Euro pro Stunde. Ich arbeite jedoch nur eineinhalb Stunden pro Tag.

F: Sind Sie seit Ihrer Einreise nach Österreich einer legalen Beschäftigung nachgegangen?

A: Im Deutschkurs werde ich manchmal nach meinem Beruf gefragt. Deshalb habe ich schon einer Österreicherin und einer anderen Afrikanerin die Haare gemacht.

F: Wie würden Sie Ihren Lebensunterhalt in Österreich bestreiten, falls Sie hier bleiben könnten?

A: Wenn ich hier bleiben kann, möchte ich eine Ausbildung im Medizinbereich machen.

F: Von welchen finanziellen Mitteln leben Sie hier in Österreich? Welche Unterstützungen beziehen Sie?

A: Derzeit erhalte ich 250 Euro vom Staat. Die andere Arbeit verrichte ich nur jetzt im August als Urlaubsvertretung.

F: Sind Sie gegenüber jemandem unterhaltspflichtig?

A: Natürlich unterstütze ich meine Tochter. Da ich vorher noch keinen Kontakt zu meiner Familie hatte, habe ich auch kein Geld geschickt. Nach dem Kontakt mit meiner Mutter kann ich jetzt auch Geld schicken.

F: In welcher Unterkunft leben Sie, wer kommt für die Miete auf?

A: Ich lebe in einer Flüchtlingsunterkunft in Wörgl. Die Miete bezahlt der Staat.

F: Haben Sie in Österreich einen Deutschkurs besucht und können Sie dafür Beweismittel in Vorlage bringen?

A: Ja.

F: Haben Sie einen abgeschlossenen Deutschkurs mit mindestens dem Niveau A2? Wie schätzen Sie Ihre Deutschkenntnisse ein?

A: Die A2-Prüfung werde ich Ende September ablegen. Die A1-Prüfung habe ich am 29. Juni 2017 gemacht.

F: Haben Sie in Österreich eine Schule, Kurse oder sonstige Ausbildungen absolviert? Wie war das Ergebnis, bzw. was resultierte daraus?

A: Nein.

F: Sind Sie Mitglied in einem Verein oder in einer Organisation?

A: Ich bin Mitglied der Kameruner in Tirol. Da sich der Verein jedoch in Innsbruck befindet, ist das zu weit weg.

F: Bezahlen Sie eine Mitgliedsgebühr?

A: Ich bezahle 30 Euro Mitgliedsgebühr pro Monat. Das ist auch sehr teuer.

F: Können Sie irgendwelche sonstigen Gründe namhaft machen, die für Ihre Integration in Österreich sprechen?

A: Mein vorrangiges Ziel ist es, die Sprache zu erlernen, weil ich mich nur dann mit den Menschen unterhalten kann.

F: Haben Sie Freunde oder Bekannte, die Sie bereits aus Ihrem Heimatland her kennen, in Österreich?

A: Nein.

F: Haben Sie nahe Verwandte oder Familienangehörige in Österreich?

A: Nein.

F: Waren Sie jemals Zeuge oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel?

A: Nein.

F: Wurden Sie in Österreich jemals Opfer von Gewalt und haben Sie sich diesbezüglich an die örtlichen Sicherheitsbehörden bzw. an ein Gericht (§382e EO – Allgemeiner Schutz vor Gewalt) gewandt?

A: Nein.

F: Sind Sie mit eventuellen amtswegigen Erhebungen vor Ort unter Wahrung Ihrer Anonymität, eventuell unter Beiziehung der Österreichischen Botschaft und eines Vertrauensanwaltes einverstanden bzw. damit einverstanden, dass Ihre Daten an die Österreichische Botschaft/Vertrauensanwalt weitergegeben werden?

A: Ja, damit bin ich einverstanden.

Vorhalt: Sie gaben an, dass Sie nie einen Reisepass besessen haben bzw. sich nie einen Reisepass ausstellen ließen. Weiters gaben Sie an, dass Sie nie einen Reisepass von einem Schlepper bekommen haben. Dem Bundesamt ist jedoch bekannt, dass Sie in Italien und Belgien ein Visum beantragt haben und dazu einen gültigen Reisepass vorgelegt haben. Wie erklären Sie sich das?

A: Auf meinen Namen?

Anmerkung: Dies wird bejaht und erklärt, dass ein Foto dabei ist. Vorhalt wird wiederholt und Antragstellerin wird auf die Mitwirkungs- und Wahrheitspflicht aufmerksam gemacht.

A: Das ist jetzt kompliziert. Eine meiner Schwestern wollte ins Ausland reisen, um Waren zu kaufen und sie dann in Kamerun zu verkaufen. Da sie Probleme bekommen hat und mir sehr ähnlich sieht, hat sie mich gefragt, ob ich nicht einen Reisepass auf meinen Namen ausstellen lassen kann, den sie dann verwenden könnte. Deshalb habe ich auch gesagt, dass ich keinen Reisepass habe, weil sie ihn ja verwendet.

Vorhalt: Deswegen ist der Reisepass trotzdem auf Sie ausgestellt.

A: Ja, aber ich hab ihn ja nicht verwendet.

F: Wann haben Sie den Reisepass ausstellen lassen?

A: Ich glaube, das war 2013 oder 2014.

F: Wann haben Sie das Italien-Visum beantragt?

A: Das hat alles meine Schwester gemacht.

F: Sind Sie kriminell?

A: Habe ich jemanden umgebracht?

Anmerkung: Der Antragstellerin wird erklärt, dass auch andere Straftaten als Mord bei uns als „kriminell“ eingestuft werden.

A: Sie wollte, dass ich Ihr helfe und ich hielt das für eine Möglichkeit ihr zu helfen.

Vorhalt: Sie gaben an, dass Sie von Ihrer Familie verstoßen wurden. Wie erklären Sie sich den Umstand, dass sich Ihre Mutter bereit erklärte, Ihnen Unterlagen betreffend Ihr Vorbringen zu besorgen?

A: Ja, das hat meine Mutter getan. Mein Vater weiß nichts davon. Nach all der Zeit dachte ich, dass eine Mutter ja eine Mutter ist und habe sie angerufen, damit sie mir hilft.

Vorhalt: Sie gaben bei Ihrer Erstbefragung an, dass Sie eine Woche bei der Polizei eingesperrt waren. Heute gaben Sie an, Sie wären eine Nacht eingesperrt gewesen. Was sagen Sie dazu?

A: Vielleicht hat die Dame das nicht richtig verstanden.

Vorhalt: Sie gaben bei Ihrer Erstbefragung an, dass Ihr Vermieter Sie hinausgeworfen hätte als Sie freigekommen sind. Hingegen heute behaupteten Sie, dass Sie aus dem Krankenhaus geflüchtet sind. Wie erklären Sie sich das?

A: Welcher Vermieter? Ich hätte gar nicht in mein Zimmer zurückgehen können. Wenn die Bevölkerung mich dort geschnappt hätte, hätten sie mich auch umgebracht.

Vorhalt: Sie gaben an: „Es wurden im gesamten Viertel Zettel aufgehängt, dass sie keine Lesben haben wollen.“ Heute erwähnten Sie davon kein Wort. Wie erklären Sie sich das?

A: Deswegen habe ich Ihnen ja heute auch gesagt, dass meine Tante mein Geld im Zimmer holen musste, weil ich nicht mehr dorthin zurückgehen könnte.

F: Was hat das mit den Zetteln zu tun?

A: Meine Tante hat mir das erzählt, das mit den Zetteln. Auch sie konnte dann nicht mehr ins Viertel zurück.

Vorhalt: Sie gaben bei Ihrer Erstbefragung an, dass Sie nicht wüssten, was mit Ihrer Freundin passiert ist und ob sie überhaupt noch lebt. Heute hingegen geben Sie an, dass Sie beim Ableben Ihrer Freundin anwesend waren.

A: Ich habe damals gemeint, dass sie Josy ja sofort in ein Tuch gewickelt und weggebracht haben. Ich habe jedenfalls angenommen, dass sie tot war.

F: Die Befragung wird hiermit beendet. Wollen Sie zu Ihrem Asylverfahren sonst noch etwas vorbringen, was Ihnen von Bedeutung erscheint?

A: Nein, ich habe alles gesagt.

F: Hatten Sie die Gelegenheit alles zu sagen, was Sie wollten?

A: Ja, das hatte ich. Ich hatte die Gelegenheit alles vorzubringen, was mir wichtig war.

(…)“

1.4. Mit Bescheid des BFA vom 01.09.2017 wurde dieser erste Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, abgewiesen. Gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Kamerun abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihr gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen Sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr 100/2005 (FPG) idgF, erlassen. Es wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Kamerun zulässig ist. Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG wurde die Frist für ihre freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, es hätten sich im Verfahren mangels Glaubwürdigkeit keine Anhaltspunkte in Bezug auf ihre homosexuelle Orientierung ergeben und es habe nicht festgestellt werden können, dass sie in Kamerun wegen ihrer homosexuellen Orientierung verfolgt werde.

1.5. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 18.06.2018, GZ: l403 2170847-1, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung als unbegründet abgewiesen. Zum vorgebrachten Fluchtgrund wurde festtgestellt: „Es haben sich im Verfahren mangels Glaubwürdigkeit keine Anhaltspunkte in Bezug auf eine homosexuelle Orientierung der Beschwerdeführerin ergeben. Es steht fest, dass die Beschwerdeführerin Kamerun nicht verlassen hat, weil sie wegen ihrer homosexuellen Orientierung inhaftiert wurde, aus dem polizeilichen Gewahrsam floh und in weiterer Folge von den Sicherheitsbehörden gesucht wurde. Es besteht keine reale Gefahr, dass die Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr in eine existenzbedrohende Lage geraten würde.“ Das Erkenntnis enthält eine ausführliche Beweiswürdigung zur Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens der Beschwerdeführerin.

Dieses das Erstverfahren rechtskräftig beendende Erkenntnis wurde den Verfahrensparteien am 18.06.2018 zugestellt.

1.6. Mit Beschluss vom 03.09.2018 wies der VwGH die dagegen erhobene Revision zurück.

1.7. Die Beschwerdeführerin stellte am 29.08.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz in Belgien. Am 30.10.2019 wurde sie im Zuge einer Dublin Rückführung aus Belgien nach Österreich rücküberstellt.

2. Verfahren über den vorliegenden Folgeantrag:

2.1. Der verfahrensgegenständliche Antrag auf internationalen Schutz wurde in Österreich am 30.10.2019 eingebracht.

2.2. Am 30.10.2019 wurde die Beschwerdeführerin zu ihrem Folgeantrag erstbefragt. Befragt, was sich seit der Rechtskraft konkret gegenüber ihrem bereits entschiedenen Verfahren – in persönlicher Hinsicht und im Hinblick auf die Gefährdungslage im Herkunftsstaat – verändert habe, gab die Beschwerdeführerin an: „Der alte Fluchtgrund bleibt aufrecht. Jedoch war ich jetzt in Belgien Mitglied einer Gruppierung die gegen die Regierung in Kamerun demonstriert. Alle Aktivisten die gegen die Regierung demonstrieren und nach Kamerun zurückkehren werden inhaftiert, gefoltert und getötet. Die Volksgruppe „Bamileke“ wird in Kamerun diskriminiert, ich gehöre dieser Volksgruppe an. Das sind alle und meine einzigen Fluchtgründe.“

2.3. Am 05.12.2019 wurde die Beschwerdeführerin vor einem Organwalter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Dabei gab sie im Wesentlichen an:

„(…)

F:       Wie ist die Verständigung mit dem Dolmetscher?

A:       Gut.

F:       Haben Sie gegen eine der anwesenden Personen wegen einer möglichen Befangenheit oder aus anderen Gründen Einwände?

A:       Nein.

F:       Sind Sie mit dem Rechtsberater, der Ihnen Für diese Einvernahme zur Seite gestellt wird, einverstanden?

A:       Ja.

F:        Haben Sie sich einer Rechtsberatung unterzogen?

A:       Ja.

F:       Fühlen Sie sich psychisch und physisch in der Lage, die Befragung zu absolvieren?

A:       Ja.

Erklärung: Ihre Angaben sind Grundlage Für die Entscheidung im Asylverfahren und Sie sind verpflichtet, wahrheitsgemäße und vollständige Angaben zu machen. Diesen Angaben kommt in der Erstaufnahmestelle verstärkte Glaubwürdigkeit zu.

Alle persönlichen Daten und Vorbringen in diesem Verfahren unterliegen der österreichischen Gesetzgebung hinsichtlich Amtsverschwiegenheit und Datenschutz.

F:       Haben Sie einen Vertreter beziehungsweise einen Zustellbevollmächtigten in Ihrem Asylverfahren?

A:       Ja, einen Anwalt.

Wurde geladen, erschien aber nicht zur EV.

F:       Haben Sie Beweismittel oder Identitätsbezeugende Dokumente, die Sie vorlegen können und welche Sie bisher noch nicht vorgelegt haben?

A:       Nein.

F:       Haben Sie im Bereich der EU, in Norwegen oder in Island Verwandte, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung besteht?

A:       Nein.

F:       Haben sie in Österreich aufhältige Eltern oder Kinder (Blutverwandtschaft oder durch Adoption begründet).

A:       Nein.

F:       Leben sie mit einer sonstigen Person in einer Familiengemeinschaft oder in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft. Falls dies der Fall ist, beschreiben sie diese Gemeinschaft.

A:       Nein, ich bin hier im Lager untergebracht.

F:       Wie schaut Ihre bisherige Integration in Österreich aus? Haben Sie Deutschkurse besucht, ehrenamtliche Tätigkeiten ausgeübt oder sonstiges?

A:       Ja, habe ich gemacht.

F:       Was haben Sie gemacht?

A:       Ich habe Deutschkurse gemacht und auch unentgeltliche Aktivitäten.

F:       Welche Aktivitäten?

A:       Im Heim war ich Hausarbeiterin und habe Reinigungsarbeiten gemacht. Ich habe auch bei der Polizei gearbeitet. Dort habe ich die Toiletten gereinigt.

F:       Frage wird auf Deutsch gestellt: Wie geht es Ihnen?

A:       Gut, danke. Es geht mir gut.

F:       Können Sie ausreichend Deutsch, verstehen Sie mich?

A:       Ein bisschen.

F:       Nennen Sie mir Ihren Namen und Ihr Geburtsdatum!

A:        XXXX , geb. XXXX .

Angemerkt wird, dass AW durch aus Fragen auf Deutsch versteht und auch beantworten kann.

Weitere EV in Französisch, damit der Sinn des Gesagten nicht verloren geht.

F:       Haben Sie jemals Probleme mit den Behörden, der Polizei oder dem Militär Ihres Heimatlandes gehabt?

A:       Ja, mit der Polizei.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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