TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/24 I403 2238418-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.03.2021
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Entscheidungsdatum

24.03.2021

Norm

BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §66 Abs1
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §67 Abs4
FPG §70 Abs3
StGB §127
StGB §128 Abs1
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
WaffG §50 Abs1

Spruch


I403 2238418-1/25E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Doppelstaatsbürger von Kroatien sowie Bosnien und Herzegowina, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Peter Lechenauer und Dr. Margrit Swozil, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.12.2020, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.03.2021 zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Österreich ein und ist seit 16.04.1992 im Bundesgebiet hauptgemeldet.

2. Am 19.12.2013 wurde ihm seitens des Magistrats der Landeshauptstadt XXXX zur Zl. XXXX ein Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt – EU" erteilt.

3. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 28.04.2016, rechtskräftig mit 21.09.2016, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 5 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten, bedingt nachgesehen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt.

4. Am 28.02.2017 wurde dem Beschwerdeführer seitens des Magistrats der Landeshauptstadt XXXX zur Zl. XXXX eine "Bescheinigung des Daueraufenthaltes von EWR-Bürgern" ausgestellt.

5. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 25.09.2020, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 erster und zweiter Fall SMG, des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall und Abs. 4 Z 3 SMG, eines Vergehens nach § 50 Abs. 1 Z 1 WaffG, sowie zweier Vergehen nach § 50 Abs. 1 Z 5 WaffG rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren verurteilt.

6. Mit Schriftsatz des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA / belangte Behörde) vom 30.10.2020 ("Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme") wurde dem Beschwerdeführer während seiner Anhaltung in Strafhaft zur Kenntnis gebracht, dass die Erlassung einer gegen ihn gerichteten aufenthaltsbeendenden Maßnahme, in eventu die Verhängung der Schubhaft, geprüft werde und ihm die Möglichkeit eingeräumt, diesbezüglich sowie zu einem umfassenden Fragenkatalog hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse innerhalb von zehn Tagen ab Zustellung schriftlich Stellung zu beziehen.

7. Mit Schriftsatz vom 11.11.2020 brachte der Beschwerdeführer eine schriftliche Stellungnahme bei der belangten Behörde ein. Inhaltlich führte er darin im Wesentlichen aus, er sei im Jahr 1992 aufgrund des Jugoslawienkrieges nach Österreich gekommen und befinde sich seitdem dauerhaft hier. Er sei gelernter Maschinenbautechniker und habe einen betreffenden Abschluss in Bosnien erlangt. Seine Ehefrau, eine bosnische Staatsangehörige, sowie ein volljähriger Sohn und eine minderjährige Tochter, beide Staatsangehörige von Serbien, würden ebenso in Österreich leben. Überdies halte sich noch eine Schwester von ihm in Dänemark auf. Zuletzt sei der Beschwerdeführer selbstständig gewesen und habe von 2014 bis 2018 als Hauptgesellschafter eine GmbH betrieben, ehe ihm mit Mai 2019 eine Berufsunfähigkeitspension zuerkannt worden sei. Zudem sei er Eigentümer der Wohnung, welche er gemeinsam mit seiner Ehefrau und den beiden Kindern bewohne, sei durchgehend sozial- und krankenversichert gewesen und verfüge über ausreichend finanzielle Mittel. Er sei in Österreich „voll integriert“ und habe seine Familie hier, sodass seine „Abschiebung“ jedenfalls gegen Art. 8 EMRK verstoße. Darüber hinaus sei er in den letzten Jahren als Informant für die österreichische Polizei tätig gewesen und habe als solcher maßgeblich zur Aufklärung zahlreicher Straftaten beigetragen. Der Stellungnahme angeschlossen waren ein aktueller Meldezettel des Beschwerdeführers; die Kopie eines auf ihn lautenden Sparbuchs, welches Einlagen in der Höhe von 80.000 Euro ausweist; ein Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom 19.05.2020, wonach dem Beschwerdeführer der Anspruch auf eine Berufsunfähigkeitspension ab 01.09.2019 für die weitere Dauer der Berufsunfähigkeit anerkannt werde; ein weiteres Schreiben der Pensionsversicherungsanstalt, wonach die monatliche Anweisung im Juni 2020 1.106,22 Euro betrage; die Meldebestätigung einer Gemeinde vom 24.08.1992, wonach er seit 16.04.1992 im hiesigen Melderegister gemeldet sei; eine Kopie der ihm ausgestellten "Bescheinigung des Daueraufenthalts für EWR-Bürger" des Magistrats der Landeshauptstadt XXXX vom 28.02.2017; überdies ein Abschlusszeugnis der Republik Jugoslawien aus dem Jahr 1984/85 mit beglaubigter Übersetzung.

8. Am 30.11.2020 wurde die Ehefrau des Beschwerdeführers als Zeugin im Beisein ihres Sohnes als „Übersetzungshilfe“ niederschriftlich vor der belangten Behörde einvernommen. Dabei gab sie im Wesentlichen an, sie sei serbisch-bosnische Doppelstaatsbürgerin, während der Beschwerdeführer kroatisch-bosnischer Doppelstaatsbürger sei. Sie habe nichts von den Drogengeschäften ihres Ehemannes gewusst, jedoch konsumiere dieser selbst viele Drogen. Im Jahr 2017 habe er eine Entziehungskur in Serbien absolviert, welche jedoch nicht erfolgreich gewesen sei. Sie habe den Beschwerdeführer bislang „zwei oder drei Mal“ in der Haft besucht, auch der Sohn und die Tochter wären dabei gewesen, solange dies „coronabedingt“ möglich gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe als Selbstständiger Gebäude saniert und weiter verkauft, seit 2018 sei er im Krankenstand gewesen. Auch die Zeugin selbst sei berufstätig, überdies habe die Familie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in der Höhe von ca. 950 Euro monatlich. Der Beschwerdeführer verdiene in etwa 1.200 Euro monatlich aus seiner Pension, die Zeugin selbst etwa 700 Euro monatlich. Der erhebliche Einlagenstand auf dem in Vorlage gebrachten Sparbuch gründe auf einem Immobilienverkauf. Die Wohnung der Familie gehöre sowohl dem Beschwerdeführer als auch seiner Ehefrau gemeinsam, wobei noch ein Kredit offen sei, für welchen monatlich eine Rate in Höhe von etwa 400 Euro zu begleichen sei. Das Ehepaar habe einen gemeinsamen Freundeskreis, es seien jedoch keine Österreicher darunter. Die Kinder seien beide serbische Staatsangehörige und hätten ein enges Verhältnis zum Beschwerdeführer. Eine Ausweisung des Beschwerdeführers wäre für die Familie „eine Katastrophe“.

9. Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 09.12.2020 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß „§ 67 Abs. 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF“ ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß „§ 70 Abs. 3 FPG“ wurde ihm kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.). Einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot wurde gemäß „§ 18 Abs. 3 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF“ die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).

10. Gegen den gegenständlich angefochtenen Bescheid wurde fristgerecht mit Schriftsatz vom 22.12.2020 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben. Inhaltlich wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe seine Drogensucht mittlerweile durch eine Therapie überwunden und stelle daher keine konkrete Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit mehr dar. Überdies habe er die letzten 28 Jahre in Österreich gelebt, sei hier verheiratet und habe seine gesamten sozialen Kontakte hier. Er spreche „ausreichend Deutsch“ und sei zudem die letzten Jahre als Vertrauensperson und Informant für die Polizei tätig gewesen. Auch sei dem Bescheid nicht zu entnehmen, warum seine Aufenthaltsbeendigung sofort und unabhängig vom Ausgang des Beschwerdeverfahrens zu erfolgen habe. Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Verhandlung durchführen; den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben; einen Durchsetzungsaufschub erteilen und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkennen; in eventu die Dauer des Aufenthaltsverbotes „auf eine angemessene Dauer“ herabsetzen.

11. Mit Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.01.2021, Zl. I403 2238418-1/8Z wurde der verfahrensgegenständlichen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

12. Mit Schriftsatz vom 01.03.2021 ("Vorbereitender Schriftsatz") brachte der Beschwerdeführer im Vorfeld der für den 11.03.2021 anberaumten Beschwerdeverhandlung eine schriftliche Stellungnahme beim Bundesverwaltungsgericht ein. Darin wurde beantragt, die Ehefrau des Beschwerdeführers bezüglich seines bestehenden Familienlebens in Österreich als Zeugin einzuvernehmen. Der Beschwerdeführer habe das Recht zum Daueraufenthalt im Bundesgebiet erworben, sei seit über zwanzig Jahren hier aufhältig und habe „für die LPD als Informant gearbeitet“. Sein Aufenthalt in Österreich sei verfestigt und würde ein Aufenthaltsverbot einen unangemessenen Eingriff in sein Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens darstellen. Überdies wären vor dem Hintergrund des langjährigen, rechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Aufenthaltsverfestigungstatbestände der durch das FrÄG 2018 mittlerweile aufgehobenen Bestimmung des § 9 Abs. 4 BFA-VG weiterhin beachtlich und eine Aufenthaltsbeendigung bereits mangels einer hierfür erforderlichen „gravierenden Straffälligkeit“ des Beschwerdeführers unzulässig. Dem Schriftsatz angeschlossen waren insgesamt fünf als „Ehrenerklärungen“ betitelte Unterstützungsschreiben vom Sohn sowie von vier „Freunden“ des Beschwerdeführers; abermals sein Abschlusszeugnis aus dem Schuljahr 1984/85; ein Dienstzeugnis eines Sicherheitsunternehmens, aus welchem er im Jahr 2015 ausgeschieden sei; überdies ein „Bericht“ und ein „Aktenvermerk“ der LPD XXXX , in welchen von Sachbearbeitern des Landeskriminalamtes ausgeführt wird, dass der Beschwerdeführer ab dem Jahr 2007 immer wieder als Vertrauensmann für die österreichischen Sicherheitsbehörden gearbeitet habe und mit seiner Unterstützung mehrere kriminelle Gruppierungen im In- und Ausland zerschlagen hätten werden können.

13. Am 11.03.2021 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung in Anwesenheit des Beschwerdeführers, seiner Rechtsvertretung sowie seiner Ehefrau als Zeugin abgehalten und hierbei die gegenständliche Beschwerdesache erörtert. Der Beschwerdeführer gab hierbei im Wesentlichen an, am 19.02.2021 mit einer Fußfessel in den elektronisch überwachten Hausarrest entlassen worden zu sein. Er sei seit etwa sechzehn Monaten „clean“, habe mit einer Therapie zur Drogenberatung begonnen und arbeite für dreißig Wochenstunden in einer Firma. Seine Straftaten bereue er zutiefst. Seine Ehe sei intakt und habe er ein enges Verhältnis zu seinen Kindern. Auch habe er einen gemeinsamen Bankkredit mit seiner Frau zu bedienen. Eine Schwester von ihm würde in Dänemark und seine 83-jährige Mutter in Serbien leben, in Kroatien oder Bosnien habe er keinerlei Angehörige. Die Zeugin gab an, das Familienleben mit dem Beschwerdeführer sei intakt, die Familie würde ihn unterstützen und wäre für sie gar nicht vorstellbar, wenn er Österreich verlassen müsse. Auch eine Fortführung des Familienlebens in Kroatien sei für sie nicht denkbar, da die Familie dort niemanden mehr hätte und der Sohn in Österreich geboren und zur Schule gegangen sei. Ergänzend brachte der Beschwerdeführer im Rahmen der Verhandlung noch eine „Ehrenerklärung“ seiner Tochter sowie ein Schreiben eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie in Vorlage.

14. Mit Schriftsatz vom 11.03.2021 ("I. Stellungnahme, II. Urkundenvorlage") brachte der Beschwerdeführer eine weitere schriftliche Stellungnahme beim Bundesverwaltungsgericht ein. Darin wurde ausgeführt, er befinde sich seit 1992 durchgehend und rechtmäßig in Österreich, wobei er bereits im Jahr 2002 die Voraussetzungen für die österreichische Staatsbürgerschaft erfüllt habe. Auch sei das Kindeswohl seiner beiden in Österreich lebenden Kinder zu berücksichtigen und würde „im Hinblick auf die Straftaten des Beschwerdeführers (gerade noch) keine gravierende bzw. schwere Straffälligkeit iSd der gesetzgeberischen Erläuterungen zur Aufhebung des § 9 Abs. 4 BFA-VG durch das FrÄG 2018“ vorliegen, sodass im Lichte der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kein Spielraum für die Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes bestehen bleibe. Dem Schriftsatz angeschlossen waren Kopien von Reisepässen des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau mit Vermerken über ihr Aufenthaltsrecht in Österreich aus dem Jahr 1992; ein Arbeitszeugnis des Beschwerdeführers eines Maschinenbauunternehmens vom 28.04.2004, in welchem bestätigt wird, dass er dort vom 11.10.1993 bis zum 30.04.2004 beschäftigt war; ein Versicherungsdatenauszug, in welchem der Beschwerdeführer ab Oktober 1993 als Arbeiter aufscheint; sowie ein Bestätigungsschreiben eines weiteren Maschinenbauunternehmens vom 06.12.2005, in welchem ausgeführt wird, dass der Beschwerdeführer „seit dem 2. Dezember 2005 als Ganztagsarbeitskraft im Betrieb tätig“ sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt.

Der volljährige Beschwerdeführer ist kroatisch-bosnischer Doppelstaatsbürger und somit EWR-Bürger. Seine Identität steht fest.

Er ist gesund und erwerbsfähig. Seine Drogensucht konnte er durch einen Entzug während seiner Anhaltung in Strafhaft überwinden.

Der Beschwerdeführer stammt aus dem ehemaligen Jugoslawien. Seine Mutter lebt in Serbien, eine Schwester in Dänemark. In Kroatien sowie in Bosnien hat er keine nahen Angehörigen.

Seit 16.04.1992 ist er durchgehend im Bundesgebiet hauptgemeldet. Seit seiner elektronischen Erfassung im zentralen Melderegister der Republik (mit 31.01.2000) ist er in einem gemeinsamen Haushalt mit seiner in Österreich lebenden Ehefrau XXXX K. gemeldet.

Am 19.12.2013 wurde ihm seitens des Magistrats der Landeshauptstadt XXXX ein Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt – EU" erteilt. Am 28.02.2017 wurde ihm seitens des Magistrats der Landeshauptstadt XXXX eine "Bescheinigung des Daueraufenthaltes für EWR-Bürger" ausgestellt. Er hält sich rechtmäßig auf Grundlage dieses Aufenthaltstitels im Bundesgebiet auf.

Seine Ehefrau XXXX K. (IFA-Zl. XXXX ), eine bosnisch-serbische Doppelstaatsbürgerin, mit welcher er seit etwa dreißig Jahren verheiratet ist, sowie der gemeinsame volljährige Sohn XXXX K. (geb. Juni 2002; IFA-Zl. XXXX ), ein Staatsangehöriger Serbiens, halten sich beide auf Grundlage von Aufenthaltstiteln "Daueraufenthalt – EU" rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Die gemeinsame minderjährige Tochter XXXX K. (geb. April 2008; IFA-Zl. XXXX ), ebenfalls serbische Staatsangehörige, hält sich auf Grundlage einer "Aufenthaltskarte (Angehörige eines EWR-Bürgers)" rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Der Beschwerdeführer hat bis zu seiner Inhaftierung im November 2019 mit seiner Frau und den beiden Kindern in einem gemeinsamen Haushalt gelebt. Am 19.02.2021 wurde er mit einer Fußfessel in den elektronisch überwachten Hausarrest entlassen und lebt seitdem abermals bei seiner Frau und seinen Kindern.

Der Beschwerdeführer ging in Österreich erstmalig durchgehend von 11.10.1993 bis 30.04.2004, sowie in weiterer Folge von 11.10.2004 bis 06.11.2004, von 02.11.2004 bis 04.02.2005, von 05.12.2005 bis 24.03.2006, von 27.03.2006 bis 30.04.2006, sowie von 01.05.2006 bis 13.02.2009 jeweils angemeldeten Erwerbstätigkeiten als Arbeiter nach, wiederholt unterbrochen durch den Bezug von Arbeitslosengeld. Vom 02.06.2009 bis zum 12.05.2015 ging er einer angemeldeten Erwerbstätigkeit als Angestellter in einem Sicherheitsunternehmen nach. Vom 14.07.2014 bis zum 31.01.2018 war er überdies in der Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen versichert. Vom 08.02.2018 bis zum 31.08.2019 bezog er im Wesentlichen durchgehend – mit wenigen Tagen Unterbrechung – Arbeitslosengeld. Von 01.09.2019 bis 18.11.2019 bezog er einen Pensionsvorschuss. Zum Entscheidungszeitpunkt ist er seit 22.02.2021 wiederum laufend als Angestellter in einem Unternehmen gemeldet.

XXXX K. ist aufgrund ihrer Angehörigeneigenschaft zum Beschwerdeführer krankenversichert. Sie ging zuletzt vom 08.07.2020 bis zum 30.09.2020 einer angemeldeten Erwerbstätigkeit als geringfügig beschäftigte Arbeiterin in einem Hotelbetrieb nach und bezog überschneidend von März bis Oktober 2020 Arbeitslosengeld. Seit 15.10.2020 bezieht sie laufend Krankengeld.

Der volljährige Sohn XXXX K. ist ebenfalls aufgrund der Angehörigeneigenschaft zu seinen Eltern krankenversichert. Er ging zuletzt vom 08.11.2018 bis zum 30.11.2019 einer angemeldeten Erwerbstätigkeit als geringfügig beschäftigter Arbeiter nach und besucht eine HTL.

Die Tochter XXXX K. ist ebenfalls aufgrund der Angehörigeneigenschaft zu ihren Eltern krankenversichert und besucht ein Gymnasium.

Der Beschwerdeführer wurde in Österreich zweimal rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt:

1. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 28.04.2016, rechtskräftig mit 21.09.2016, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 5 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten, bedingt nachgesehen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt. Die Probezeit wurde in weiterer Folge auf fünf Jahre verlängert. Dieser Verurteilung lag zu Grunde, dass der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Tätigkeit als Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma gemeinsam mit weiteren Mittätern eine Palette mit Gläsern im Wert von 9.713,80 Euro gestohlen hatte und zum Diebstahl einer weiteren Palette von Gläsern beigetragen hatte, indem er einen der unmittelbaren Täter für einen Teil des Diebesgutes bezahlte. Als mildernd wurde die bisherige Unbescholtenheit des Beschwerdeführers gewertet. Erschwerende Umstände kamen keine hervor.

2. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 25.09.2020, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 erster und zweiter Fall SMG, des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall und Abs. 4 Z 3 SMG, eines Vergehens nach § 50 Abs. 1 Z 1 WaffG, sowie zweier Vergehen nach § 50 Abs. 1 Z 5 WaffG rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren verurteilt. Dieser Verurteilung lag zu Grunde, dass der Beschwerdeführer in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit einer Mittäterin Kokain in einer insgesamt die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz, dass es in Verkehr gesetzt wird, erwarb, besaß, aufbewahrte und im Kellerabteil zur Wohnung seiner Mittäterin bunkerte, streckte und dort für den anschließenden Verkauf vorbereitete. Zudem überließ er Kokain mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 24 % Cocain in einer insgesamt das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen im Rahmen von insgesamt über zwanzig Angriffen von Jänner 2017 bis November 2019. Darüber hinaus besaß er – wenn auch nur fahrlässig – von Februar 2017 bis Sommer 2019 unbefugter Weise eine Faustfeuerwaffe der Kategorie B, eine Pistole CZ 99 Kaliber 9 mm, und überließ diese zudem einer anderen Person, welche zu deren Besitz nicht befugt war. Weiters war er in Besitz von zwei verbotenen Waffen, welche als Gegenstand des täglichen Gebrauchs verkleidet waren, in Gestalt eines Schlüsselanhängers mit einem versteckten Messer und eines Rings mit einem versteckten Messer. Aus dem Urteil geht hervor, dass der Beschwerdeführer sich – unbeeindruckt von seiner vorangegangenen Verurteilung aus dem Jahr 2016 – dazu entschlossen hatte, sich durch den gewinnbringenden Verkauf von Kokain eine zusätzliche Einkommensquelle zu schaffen, durch die er seinen aufwändigen Lebensstil, insbesondere die Anschaffung zahlreicher Luxusartikel (hochwertige Markenkleidung, Schmuck, Uhren, Urlaube), den seine Familie und er trotz eines nur geringen finanziellen Einkommens pflegten, finanzieren konnte. So hatte er monatliche Ausgaben für sich und seine Familie von bis zu 27.000 Euro. Während seiner Arbeitstätigkeit in einem Sicherheitsunternehmen – wobei er im Rahmen dieser Tätigkeit jene Straftaten, welche seiner ersten Verurteilung zu Grunde lagen, verübt hatte – hatte er einen Mann kennengelernt, von welchem er in zumindest drei Tranchen eine größere Menge Kokain bezog. Als mildernd wurde im Rahmen der Strafbemessung das Teilgeständnis des Beschwerdeführers gewertet, erschwerend hingegen seine Vorstrafe sowie der Umstand, dass mehrere strafbare Handlungen über längere Zeit fortgesetzt verübt wurden. Überdies führte das Strafgericht aus, dass der Beschwerdeführer wohl über Jahre hinweg ein „Doppelleben“ geführt haben muss, was sich nunmehr auch auf seine Familie auswirke, was mit ein Grund dafür gewesen sei, dass die gegen ihn verhängte Freiheitsstrafe nicht bedingt oder teilbedingt nachzusehen, sondern zur Gänze unbedingt zu verhängen war.

Ab dem 21.11.2019 befand sich der Beschwerdeführer in Haft, wobei ihn seine Ehefrau, teilweise in Begleitung des Sohnes oder der Tochter, bis zum 12.01.2021 insgesamt neunmal besucht hatte (am 10.02.2020, 12.02.2020, 07.10.2020, 24.10.2020, 30.10.2020, 06.11.2020, 09.11.2020, 19.12.2020, 23.12.2020). Am 19.02.2021 wurde der Beschwerdeführer mit einer Fußfessel in den elektronisch überwachten Hausarrest entlassen.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts.

Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund seines im Original in Vorlage gebrachten – und sich in Kopie im Akt befindlichen – kroatischen Reisepasses Nr. XXXX fest.

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen und seinen Familienverhältnissen ergeben sich aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers und der Zeugin XXXX K. im Verfahren.

Zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ist festzuhalten, dass er zuletzt in der Beschwerdeverhandlung angab, „ein bisschen depressiv nach dem Gefängnis“ zu sein, jedoch keine Medikamente zu benötigen und seine Drogensucht durch einen Entzug während seiner Anhaltung in Strafhaft überwunden zu haben. Einem im Rahmen der Beschwerdeverhandlung in Vorlage gebrachten Schreiben eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie vom 08.03.2021 ("Fachärztliche Stellungnahme") ist im Wesentlichen zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer von einer Bewährungshilfe betreut werde, einmal wöchentlich eine Psychotherapie in Anspruch nehme und sich „in einem dichten Betreuungsarrangement bei der Polizei melden“ müsse. Zudem gehe er von 9 Uhr bis 15 Uhr einer beruflichen Tätigkeit in einer Firma nach. Eine konkrete Gesundheitsbeeinträchtigung oder medizinische Behandlungsbedürftigkeit war zuletzt weder den Angaben des Beschwerdeführers noch dieser fachärztlichen Stellungnahme zu entnehmen, sodass die Feststellung zu treffen war, dass er gesund ist. Auch ist angesichts seiner nunmehrigen Berufsausübung seit 22.02.2021 keinerlei Minderung seiner Erwerbsfähigkeit ersichtlich und wurde eine solche nicht vorgebracht.

Die durchgehende Hauptmeldung des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit 16.04.1992 ergibt sich aus einer in Vorlage gebrachten Meldebestätigung einer Gemeinde vom 24.08.1992 in Zusammenschau mit einer Abfrage im zentralen Melderegister der Republik, wo er elektronisch erstmalig mit 31.01.2000 aufscheint.

Die gemeinsame behördliche Meldung des Beschwerdeführers mit seiner Ehefrau seit 31.01.2000 und sein gemeinsamer Wohnsitz mit dieser und den beiden Kindern bis zu seiner Inhaftierung im November 2019 ergibt sich aus einer Abfrage im zentralen Melderegister der Republik, ebenso wie der Umstand, dass er sich ab 21.11.2019 in einer Justizanstalt befand. Dass der Beschwerdeführer während seiner Inhaftierung bis zum 12.01.2021 insgesamt neunmal von seiner Ehefrau, teilweise in Begleitung des Sohnes oder der Tochter, besucht wurde, ergibt sich aus einer seitens des Bundesverwaltungsgerichts angeforderten Besucherliste der Justizanstalt vom 12.01.2021.

Dass er am 19.02.2021 mit einer Fußfessel in den elektronisch überwachten Hausarrest entlassen wurde, ergibt sich aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau in der Beschwerdeverhandlung, in Zusammenschau mit dem Umstand, dass er seit 22.02.2021 wiederum als Angestellter im Hauptverband österreichischer Sozialversicherungsträger aufscheint.

Die Feststellungen zum Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers, seiner Ehefrau und seiner beiden Kinder in Österreich auf Grundlage einer "Bescheinigung des Daueraufenthaltes für EWR-Bürger", Aufenthaltstiteln "Daueraufenthalt – EU" bzw. einer "Aufenthaltskarte (Angehörige eines EWR-Bürgers)" ergeben sich aus einer Abfrage im Informationsverbund zentrales Fremdenregister, ergänzend aus der seitens des Beschwerdeführers im Verfahren in Vorlage gebrachten Kopie seiner "Bescheinigung des Daueraufenthaltes für EWR-Bürger", ausgestellt durch den Magistrat der Landeshauptstadt XXXX am 28.02.2017.

Die Versicherungszeiten des Beschwerdeführers in Österreich als Arbeiter, Angestellter und Selbstständiger, als auch die Feststellungen zu seinem Bezug von Arbeitslosengeld und einem Pensionsvorschuss, ergeben sich aus einer Abfrage im Hauptverband österreichischer Sozialversicherungsträger in Zusammenschau mit den seitens des Beschwerdeführers im gegebenen Zusammenhang im Verfahren in Vorlage gebrachten Bescheinigungen.

Der Versicherungsschutz von XXXX K., XXXX K. und XXXX K. aufgrund ihrer Angehörigeneigenschaft zum Beschwerdeführer (bzw. im Falle der Kinder zu beiden Elternteilen) ergibt sich aus einer Abfrage im Hauptverband österreichischer Sozialversicherungsträger, ebenso wie die Versicherungszeiten von XXXX K. und XXXX K. sowie der seit 15.10.2020 laufende Bezug von Krankengeld seitens XXXX K.

Die rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers ergeben sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.

Die Feststellungen bezüglich den seinen Verurteilungen zu Grunde liegenden strafbaren Handlungen sowie den Erwägungen der Strafgerichte hinsichtlich der Strafbemessung ergeben sich aus der im Akt enthaltenen Urteilsausfertigung des Landesgerichts XXXX zur Zl. XXXX , sowie den nachträglich seitens des Bundesverwaltungsgerichts angeforderten Urteilsausfertigungen des Landesgerichts XXXX zur Zl. XXXX sowie des Oberlandesgerichts XXXX zur Zl. XXXX .

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zum Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1. Zu den Rechtsgrundlagen:

Der mit "Aufenthaltsverbot" betitelte § 67 FPG idgF BGBl. I Nr. 146/2020 lautet:

„§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.

(Anm.: Abs. 5 aufgehoben durch BGBl. I. Nr. 87/2012).“

§ 67 FPG setzt Art. 28 der Freizügigkeitsrichtlinie (RL 2004/38/EG; vgl. § 2 Abs. 4 Z 18 FPG) um. Diese mit "Schutz vor Ausweisung" betitelte Bestimmung lautet:

„(1) Bevor der Aufnahmemitgliedstaat eine Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügt, berücksichtigt er insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Betroffenen im Hoheitsgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Aufnahmemitgliedstaat und das Ausmaß seiner Bindungen zum Herkunftsstaat.

(2) Der Aufnahmemitgliedstaat darf gegen Unionsbürger oder ihre Familienangehörigen, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, die das Recht auf Daueraufenthalt in seinem Hoheitsgebiet genießen, eine Ausweisung nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügen.

(3) Gegen Unionsbürger darf eine Ausweisung nicht verfügt werden, es sei denn, die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden, wenn sie

a) ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat gehabt haben oder

b) minderjährig sind, es sei denn, die Ausweisung ist zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.“

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG idgF BGBl. I Nr. 146/2020 lautet:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.“

3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den vorliegenden Fall:

Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Abs. 4 Z 8 leg. cit. als EWR-Bürger jener Fremde, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ist. Der Beschwerdeführer als kroatisch-bosnischer Doppelstaatsbürger ist sohin EWR-Bürger iSd § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.

Bei Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose zu erstellen, bei der das Gesamtverhalten des Betroffenen in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen ist, ob und im Hinblick auf welche Umstände die maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache einer Verurteilung oder Bestrafung, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. VwGH 19.02.2014, 2013/22/0309).

Da der Beschwerdeführer als kroatisch-bosnischer Doppelstaatsbürger in den persönlichen Anwendungsbereich des § 67 FPG fällt und überdies seit seiner erstmaligen Hauptmeldung ab 16.04.1992 bereits mehr als zehn Jahre seinen Aufenthalt im Bundesgebiet hat, gelangt gegenständlich der Prüfungsmaßstab des § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG zur Anwendung, wonach die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen ihn nur dann zulässig wäre, wenn aufgrund seines persönlichen Verhaltens davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.

Mit der Bestimmung des § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG soll Art. 28 Abs. 3 lit. a der Freizügigkeitsrichtlinie (§ 2 Abs. 4 Z 18 FPG) umgesetzt werden. Demnach darf gegen Unionsbürger, die ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat hatten, eine Ausweisung nicht verfügt werden, es sei denn, die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden. Nach dem Erwägungsgrund 24 dieser Richtlinie sollte gegen Unionsbürger, die sich viele Jahre im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaates aufgehalten haben, nur unter außergewöhnlichen Umständen aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit eine Ausweisung verfügt werden. Der EuGH hat bereits judiziert, dass hierauf gestützte Maßnahmen auf "außergewöhnliche Umstände" begrenzt sein sollen; es sei vorausgesetzt, dass die vom Betroffenen ausgehende Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit einen "besonders hohen Schweregrad" aufweise, was etwa bei bandenmäßigem Handeln mit Betäubungsmitteln der Fall sein könne (vgl. VwGH 24.01.2019, Ra 2018/21/0248, Rn 6, mit dem Hinweis auf EuGH (Große Kammer) 23.11.2010, Tsakouridis, C-145/09, insbesondere Rn. 40, 41 und 49 ff, und daran anknüpfend EuGH (Große Kammer) 22.5.2012, P.I., C-348/09, Rn. 19 und 20 sowie Rn. 28, wo überdies - im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch eines Kindes, der zu einer siebeneinhalbjährigen Freiheitsstrafe geführt hatte - darauf hingewiesen wurde, dass es "besonders schwerwiegender Merkmale" bedarf).

Die belangte Behörde stützte das gegenständlich angefochtene Aufenthaltsverbot auf das strafrechtswidrige Fehlverhalten des Beschwerdeführers, welches seinen beiden rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen innerhalb eines Zeitraumes von etwa dreieinhalb Jahren zu Grunde lag, wobei in diesem Zusammenhang zu betonen ist, dass er insbesondere mit seiner zweiten Verurteilung vom September 2020 wegen des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel, des Verbrechens des Suchtgifthandels sowie mehrerer Vergehen nach dem Waffengesetz teils besonders schwerwiegende Straftaten zu verantworten hatte. So hatte er u.a. in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit einer Mittäterin Kokain in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz, dass es in Verkehr gesetzt wird, erworben, besessen, aufbewahrt und im Kellerabteil zur Wohnung seiner Mittäterin gebunkert, dort gestreckt und für den anschließenden Verkauf vorbereitet. Zudem überließ er Kokain in einer insgesamt das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen im Rahmen von insgesamt über zwanzig Angriffen von Jänner 2017 bis November 2019, um sich – unbeeindruckt von seiner vorangegangenen Verurteilung aus dem Jahr 2016 – durch den gewinnbringenden Handel mit Suchtgiften eine zusätzliche Einkommensquelle zu schaffen und dadurch den aufwändigen Lebensstil, den seine Familie und er trotz eines nur geringen finanziellen Einkommens pflegten, zu finanzieren.

Im Hinblick auf die seitens des Beschwerdeführers verübten Straftaten ist insbesondere herauszustreichen, dass Suchtgiftdelinquenz ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist (vgl. VwGH 22.11.2012, 2011/23/0556, mwN). Auch der EGMR vertritt die Auffassung, dass „angesichts der verheerenden Auswirkungen der Suchtgiftkriminalität die Staaten berechtigt sind, insofern besonders rigoros vorzugehen“ (vgl. EGMR Salem v Denmark, 01.12.2016, 77036/11). Die gewerbsmäßige Tatbegehung über einen Zeitraum von annährend drei Jahren, welche dem Beschwerdeführer zur Last gelegt wurde, indiziert überdies, dass er zu chronischer Kriminalität neigt und stellt auch sein neuerliches strafrechtswidriges Verhalten, trotz einer bestehenden Vorverurteilung, einen Beleg für seine hohe Rückfallneigung dar.

Ebenso sind nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes strafgerichtliche Milderungs- und Erschwerungsgründe im Rahmen einer Entscheidung bezüglich der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes zu berücksichtigen (vgl. VwGH 12.11.2019, Ra 2019/21/0305). Als mildernd wurde seitens des Strafgerichts im Rahmen der zweiten Verurteilung das Teilgeständnis des Beschwerdeführers gewertet, erschwerend hingegen seine Vorstrafe sowie der Umstand, dass mehrere strafbare Handlungen über längere Zeit fortgesetzt verübt wurden. Überdies führte das Strafgericht aus, dass der Beschwerdeführer wohl über Jahre hinweg ein „Doppelleben“ geführt haben muss, was sich nunmehr auch auf seine Familie auswirke und mit ein Grund dafür gewesen sei, dass die gegen ihn verhängte Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren nicht bedingt oder teilbedingt nachzusehen, sondern zur Gänze unbedingt zu verhängen war. Hinweise auf das etwaige Vorliegen von Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgründen ergaben sich aus keinem der Gerichtsurteile. Auch wenn sich der Beschwerdeführer teils geständig zeigte, darf nicht außer Acht gelassen werden, dass er nach seiner rechtskräftigen Vorverurteilung wieder rückfällig wurde, was unstreitig sein fehlendes Unrechtsbewusstsein zum Ausdruck bringt und verdeutlicht, dass der durch ein Strafurteil bewirkte Zweck einer negativen Spezialprävention - nämlich einen Täter von der Begehung (weiterer) strafbarer Handlungen abzuhalten - im Fall des Beschwerdeführers offenkundig keine Wirkung zeigte.

Den Beteuerungen des Beschwerdeführers im Beschwerdeverfahren, wonach er sein strafrechtswidriges Fehlverhalten zutiefst bereue und dieses primär seiner eigenen Drogensucht geschuldet gewesen sei, welche er nunmehr überwunden habe, ist entgegenzuhalten, dass der Gesinnungswandel eines Straftäters nach höchstgerichtlicher Judikatur grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat (vgl. zuletzt VwGH 30.04.2020, Ra 2019/20/0399, mwN), wobei der Beobachtungszeitraum umso länger anzusetzen ist, je nachdrücklicher sich die Gefährlichkeit des Fremden in der Vergangenheit manifestiert hat (vgl. VwGH 26.06.2019, Ra 2019/21/0118, mwN). Da sich der Beschwerdeführer nach wie vor in Strafhaft befindet – er wurde am 19.02.2021 lediglich mit einer Fußfessel in den elektronisch überwachten Hausarrest entlassen - ist gegenständlich auch noch keine längere Phase des Wohlverhaltens gegeben, welche nahelegen würde, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet fortan keine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit mehr darstellen würde.

Aufgrund des Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers und insbesondere angesichts seiner gewerbsmäßigen Suchtgiftdelinquenz über einen Zeitraum von annähernd drei Jahren, welche u.a. seiner zweiten rechtskräftigen Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren zu Grunde lag, kann der belangten Behörde in ihrer Einschätzung, wonach davon auszugehen sei, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde, nicht entgegengetreten werden. Der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG ist daher erfüllt.

Bei der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes kann jedoch ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens eines Fremden iSd Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss anhand der Kriterien des § 9 BFA-VG überprüft werden, ob im vorliegenden Fall ein Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Beschwerdeführers gegeben ist.

Bis zum Inkrafttreten des Fremdenrechtsänderungsgesetz 2018 (FrÄG 2018) mit BGBl. I Nr. 56/2018 verhinderte § 9 Abs. 4 Z 1 BFA-VG die Erlassung von Rückehrentscheidungen gegenüber Drittstaatsangehörigen, welchen vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (BGBl. Nr. 311) verliehen hätte werden können, es sei denn, es lag eine der Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbotes von mehr als fünf Jahren gemäß § 53 Abs. 3 Z 6, 7 oder 8 FPG vor. § 9 Abs. 4 leg. cit. wurde mit dieser Novelle aufgehoben und trat am 31.08.2018 außer Kraft. Die Verwirklichung des maßgeblich die Straffälligkeit des Beschwerdeführers betreffenden Sachverhalts fand teilweise vor und teilweise nach diesem Zeitpunkt statt.

Die Gesetzesmaterialien zum FrÄG 2018 halten hierzu wie folgt fest:

„Auch die Bestimmung des Abs. 4 Z 1, wonach eine Rückehrentscheidung gegen die in Abs. 4 Z 1 genannten Drittstaatsangehörigen nur erlassen werden darf, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbots gemäß § 53 Abs. 3 Z 6, 7 oder 8 FPG vorliegen, erweist sich vor diesem Hintergrund lediglich als Konkretisierung bzw. Klarstellung dessen, was sich unter Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Judikatur ohnehin bereits aus Abs. 1 iVm Abs. 2 ergibt. Aus den vorgenannten Gründen wird daher vorgeschlagen, § 9 Abs. 4 ersatzlos entfallen zu lassen. An der gemäß Abs. 1 iVm Abs. 2 erforderlichen umfassenden Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK, bei der ua. die Art und Dauer des Aufenthaltes, die Bindungen zum Heimatstaat und die Schutzwürdigkeit des Privatlebens zu beachten sind, ändert ein Entfall des Abs. 4 selbstverständlich nichts. Der Entfall eines vom Einzelfall losgelösten, absolut wirkenden Rückkehrentscheidungsverbots bzw. der Vorwegnahme des Ergebnisses einer Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK führt vielmehr dazu, dass den tatsächlichen Umständen des Einzelfalles in gebührender Weise Rechnung getragen werden kann.“

Gemäß ihrem Einleitungssatz bezog sich die Bestimmung des § 9 Abs 4 BFA-VG lediglich auf Drittstaatsangehörige, also auf Fremde, die nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind und gegen die eine Rückkehrentscheidung (und kein Aufenthaltsverbot) als aufenthaltsbeendende Maßnahme erlassen wird. Dessen ungeachtet hat der Verwaltungsgerichtshof sowohl vor als auch nach dem Außerkrafttreten der Bestimmung festgehalten, dass es zur Vermeidung von ansonsten "nicht auflösbaren Wertungswidersprüchen" nicht zweifelhaft sein kann, dass § 9 Abs. 4 BFA-VG über seinen Wortlaut hinaus - entsprechend modifiziert verstanden - auch jenen Personenkreis umfasste, gegen den eine Ausweisung nach § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot nach § 67 FPG in Betracht käme (also EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige). § 9 Abs. 4 BFA-VG normierte demnach allgemein, wann trotz einer von einem Fremden ausgehenden Gefährdung eine aufenthaltsbeendende Maßnahme keinesfalls erlassen werden durfte (vgl. VwGH 04.04.2019, Ra 2019/21/0009; 30.06.2016, Ra 2016/21/0050).

Auf Basis der nach der Aufhebung dieser Bestimmung resultierenden Rechtslage, in Bezug auf Fälle, in denen vor 31.08.2018 eine Aufenthaltsbeendigung unzulässig gewesen wäre, hielt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.12.2019, Zl. Ra 2019/21/0238 fest:

„Zur Aufhebung des § 9 Abs. 4 BFA-VG 2014 durch das FrÄG 2018 hielt der Gesetzgeber in den Gesetzesmaterialien (RV 189 BlgNR 26. GP 27 f) ausdrücklich fest, dass sich § 9 Abs. 4 Z 1 BFA-VG 2014 "lediglich als Konkretisierung bzw. Klarstellung dessen, was sich unter Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Judikatur ohnehin bereits aus Abs. 1 iVm Abs. 2 ergibt", erweist. Ungeachtet des Außerkrafttretens des § 9 Abs. 4 BFA-VG 2014 sind die Wertungen dieser ehemaligen Aufenthaltsverfestigungstatbestände im Rahmen der Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG 2014 weiter beachtlich (vgl. VwGH 16.5.2019, Ra 2019/21/0121; VwGH 25.9.2018, Ra 2018/21/0152), ohne dass es aber einer ins Detail gehenden Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Anwendung des ehemaligen § 9 Abs. 4 BFA-VG 2014 bedarf (siehe VwGH 25.9.2018, Ra 2018/21/0152). Es ist also weiterhin darauf Bedacht zu nehmen, dass für die Fälle des bisherigen § 9 Abs. 4 BFA-VG 2014 allgemein unterstellt wurde, dass die Interessenabwägung - trotz einer vom Fremden ausgehenden Gefährdung - regelmäßig zu seinen Gunsten auszugehen hat und eine aufenthaltsbeendende Maßnahme in diesen Konstellationen grundsätzlich nicht erlassen werden darf. Durch die Aufhebung dieser Bestimmung wollte der Gesetzgeber erkennbar nur bei Begehung besonders verwerflicher Straftaten und einer daraus abzuleitenden spezifischen Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen einen fallbezogenen Spielraum einräumen (vgl. RV 189 BlgNR 26. GP 27, wo von "gravierender Straffälligkeit" bzw. "schwerer Straffälligkeit" gesprochen wird). Dazu zählen jedenfalls die schon bisher in § 9 Abs. 4 Z 1 BFA-VG 2014 normierten Ausnahmen bei Erfüllung der Einreiseverbotstatbestände nach § 53 Abs. 3 Z 6, 7 und 8 FrPolG 2005, aber auch andere Formen gravierender Straffälligkeit (siehe VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0232, betreffend Vergewaltigung; VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0207, betreffend grenzüberschreitenden Kokainschmuggel).“

Die Beachtlichkeit der Wertungen dieser ehemaligen Aufenthaltsverfestigungstatbestände des § 9 Abs. 4 BFA-VG – ungeachtet dessen Außerkrafttretens - im Rahmen der Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG bestätigte der Verwaltungsgerichtshof bis zuletzt (vgl. jüngst VwGH 15.02.2021, Ra 2020/21/0246, mwN).

Es ist daher zunächst festzustellen, ob der Beschwerdeführer bis zum 31.08.2018 durch § 9 Abs. 4 BFA-VG idF vor dem FrÄG 2018 geschützt war und ob seine vorliegende Straffälligkeit iSd vorzitierten, höchstgerichtlichen Judikatur als "gravierend" bzw. "schwer" zu qualifizieren ist.

Dass der Beschwerdeführer in den Anwendungsbereich des ehemaligen § 9 Abs. 4 Z 1 BFA-VG fällt, kann im gegenständlichen Fall nicht zweifelhaft sein. So hätte ihm (ausgehend von seiner ersten angemeldeten Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet ab Oktober 1993 bis April 2004) spätestens im Jahr 2003 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen werden können, da er sich zum gegebenen Zeitpunkt unstreitig bereits seit mindestens zehn Jahren rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten hat und davon zumindest fünf Jahre niedergelassen war, überdies strafrechtlich unbescholten war und seinen Lebensunterhalt aus eigenem bestritt, sodass er die Tatbestandsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 zur Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft erfüllte. Auch lagen (und liegen) in seinem Fall die Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbotes von mehr als fünf Jahren gemäß § 53 Abs. 3 Z 6, 7 oder 8 FPG offenkundig nicht vor, welche sich im Wesentlichen ident mit den Voraussetzungen für die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes nach § 67 Abs. 3 Z 2, 3 und 4 leg. cit. gestalten. Weder ist aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt, dass der Beschwerdeführer einen wie auch immer gearteten Bezug zu Terrorismus oder zu einer terroristischen Vereinigung aufweist (Z 6), noch hat er durch öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen die nationale Sicherheit gefährdet (Z 7) oder öffentlich ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht gebilligt oder dafür geworben (Z 8). Auf den Beschwerdeführer wäre daher der ehemalige § 9 Abs. 4 Z 1 BFA-VG anzuwenden gewesen und hätte er sich grundsätzlich auf diesen Verfestigungstatbestand berufen können.

In einem zweiten Schritt ist somit zu prüfen, ob die seitens des Beschwerdeführers begangenen Straftaten ihrer Art nach oder aufgrund der Tatumstände eine "schwere" bzw. "gravierende" Straffälligkeit begründen. Wie dargelegt, hat der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nicht nur die bis zu dessen Aufhebung in § 9 Abs. 4 Z 1 BFA-VG ausdrücklich genannten, den Einreiseverbotstatbeständen des § 53 Abs. 3 Z 6 bis 8 FPG zu Grunde liegenden Delikte, sondern auch andere Formen gravierender Straffälligkeit jenen besonders verwerflichen Straftaten zurechenbar sein können, aus denen eine spezifische Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen abgeleitet werden kann, um fallbezogenen einen Spielraum zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme - ungeachtet der Erfüllung der Voraussetzungen für die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft – gewährleisten zu können (vgl. VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0238).

Hierzu ist ausdrücklich festzuhalten, dass die Straftaten des Beschwerdeführers keineswegs in irgendeiner Weis zu relativieren, zu beschönigen oder zu verharmlosen sind und wiegen insbesondere seine zuletzt begangenen Delikte in Zusammenhang mit Suchtgifthandel sowie der Vorbereitung von Suchtgifthandel zweifelsfrei schwer. In Bezug auf seine Suchtgiftdelinquenz ist jedoch zu berücksichtigen, dass er nicht ausschließlich aus rein gewinnsüchtigen Motiven, sondern auch aus Gründen der Mittelbeschaffung für seinen eigenen Drogenkonsum gehandelt hat, wobei er von seiner Drogensucht zwischenzeitlich – nach einem Entzug während seiner Inhaftierung – loskommen konnte. Auch weist er lediglich eine weitere Vorstrafe aus dem Jahr 2016 aufgrund eines Eigentumsdeliktes auf, wobei die Freiheitsstrafe in diesem Fall noch zur Gänze bedingt nachgesehen worden war.

Es steht damit zwar fest, dass der Beschwerdeführer in erheblichem Umfang straffällig geworden ist, dennoch bleibt diese erhebliche Straffälligkeit aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts in Ansehung seines Gesamtfehlverhaltens während seines nunmehr annähernd dreißigjährigen Aufenthaltes in Österreich noch knapp hinter dem Begriff der geforderten "gravierenden" bzw. "schweren" Straffälligkeit zurück. Sofern der Verwaltungsgerichtshof etwa in seinem Beschluss vom 24.10.2019 zur Zl. Ra 2019/21/0207 die Verhängung eines unbefristeten Einreiseverbotes gegen einen seit 1990 in Österreich aufhältigen, serbischen Staatsangehörigen (in Besitz eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EU") aufgrund einer einzigen Verurteilung wegen grenzüberschreitenden Kokainhandels bestätigte, ist festzuhalten, dass dessen Straftaten einerseits eine grenzüberschreitende Dimension immanent war und er andererseits zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren verurteilt worden war, was bereits für sich betrachtet die Erlassung eines unbefristeten Einreiseverbotes gemäß § 53 Abs. 3 Z 5 FPG rechtfertigt. Die beiden letztgenannten Elemente unterscheiden den in Rede stehenden Fall durchaus noch von jenem des Beschwerdeführers und stellen ein weiteres Indiz dafür dar, dass dessen Straffälligkeit wohl noch nicht der höchstmöglichen Kategorie an "Schwere" zuzurechnen ist, ebenso wie der Umstand, dass ein unbefristetes Aufenthaltsverbot gemäß § 67 Abs. 3 Z 1 FPG – ungeachtet der Voraussetzungen des vormaligen § 9 Abs. 4 BFA-VG – überhaupt erst bei einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren verhängt werden kann. Sollte der Beschwerdeführer, welcher zum Entscheidungszeitpunkt in einem weiteren staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren als "Beschuldigter" geführt wird, neuerlich verurteilt werden, wird diese Einschätzung jedoch womöglich neu und anders zu bewerten sein.

Somit ist festzuhalten, dass aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts im Hinblick auf die Straftaten des Beschwerdeführers (gerade noch) keine "gravierende" bzw. "schwere" Straffälligkeit iSd gesetzgeberischen Erläuterungen zur Aufhebung des § 9 Abs. 4 BFA-VG durch das FrÄG 2018 vorliegt. Entsprechend der vorzitierten, höchstgerichtlichen Judikatur bleibt daher fallbezogen im Hinblick auf den mittlerweile annähernd dreißigjährigen rechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers, welchem überdies bereits spätestens im Jahr 2003 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen hätte werden können, kein Spielraum bezüglich der Zulässigkeit der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes bestehen. Auf den schwerwiegenden Eingriff, welcher damit überdies unstreitig in das schützenswerte Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich mit seiner Ehefrau und seinen beiden Kindern einhergehen würde, muss an dieser Stelle demgemäß gar nicht eingegangen werden.

Das mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides verhängte Aufenthaltsverbot erfolgte somit nicht zu Recht, was zugleich auch die Gegenstandslosigkeit des Ausspruchs hinsichtlich der Nicht-Gewährung eines Durchsetzungsaufschubes (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides) bedingt. Über Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides (bezüglich der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung) war bereits mit Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.01.2021 abgesprochen worden.

In Stattgabe der Beschwerde war der angefochtene Bescheid daher ersatzlos aufzuheben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Angemessenheit Aufenthalt im Bundesgebiet Aufenthaltsverbot Aufenthaltsverbot aufgehoben Behebung der Entscheidung Diebstahl Drogenabhängigkeit Drogenkonsum Durchsetzungsaufschub ersatzlose Behebung EU-Bürger EWR-Bürger Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose Gesamtverhalten AntragstellerIn Haft Haftstrafe Interessenabwägung Kassation mündliche Verhandlung öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben private Interessen schwere Straftat Spezialprävention Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Straftat Suchtgifthandel Suchtmitteldelikt Unionsbürger Verbrechen Vergehen Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I403.2238418.1.01

Im RIS seit

30.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

30.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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