TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/24 I412 2240407-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.03.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

24.03.2021

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AVG §68 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
FPG §59 Abs5
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I412 2240407-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER über die Beschwerde des XXXX alias XXXX alias XXXX XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX alias XXXX , StA. MAROKKO, vertreten durch BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des BFA, XXXX vom 24.02.2021, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde gegen Spruchpunkte I. und II. wird als unbegründet abgewiesen.

Spruchpunkt III. wird ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte erstmals am 29.11.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, den er mit wirtschaftlichen Motiven begründete. Nach rechtskräftiger Abweisung durch die belangte Behörde samt Rückkehrentscheidung verbunden mit einem zweijährigen Einreiseverbot hielt er sich in Italien auf und kehrte im Dezember 2020 wieder nach Österreich zurück, wo er gegenständlichen Folgeantrag am 09.12.2020 stellte. An seinen bisherigen Fluchtgründen habe sich nichts geändert. Neu hinzugekommen sei, dass er in Italien zum Christentum konvertiert sei und bei einer Rückkehr nach Marokko Probleme mit seiner Familie und radikalen islamischen Gruppen haben würde.

Nach niederschriftlicher Einvernahme am 27.01.2021 wies die belangte Behörde wies den Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurück und erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus Gründen des § 57 AsylG 2005.

Dagegen wurde Beschwerde durch die Rechtsberatung erhoben und moniert, dass das neue Fluchtvorbringen der Konversion einen geänderten Sachverhalt darstelle. Der Beschwerdeführer habe auch ohne theologisches Spezialwissen glaubhaft eine innere Überzeugung zum Christentum dargelegt. Aus dem Länderinformationsblatt ergebe sich, dass er deshalb in Marokko konkret gefährdet sei.

Die Beschwerde samt Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 15.03.2021 zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist ledig, niemanden gegenüber unterhaltspflichtig, in keiner Lebensgemeinschaft oder familienähnlichen Beziehung und seit 19.01.2021 nicht mehr im Bundesgebiet mit Wohnsitz gemeldet.

Sein erster Asylantrag wurde am 30.05.2020 rechtskräftig in erster Instanz abgewiesen und besteht seither eine aufrechte und durchsetzbare Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot. Den Ausgang des Asylverfahrens wartete der Beschwerdeführer aber nicht ab, sondern hielt sich bereits seit November 2019 in Italien auf. Das Gebiet der Schengenstaaten hat er nicht verlassen.

Bereits am 24.10.2015 stellte er in Schweden einen Antrag auf internationalen Schutz, am 04.07.2016 auch in Deutschland. Er trat in den bisherigen Verfahren unter diversen Aliasidentitäten auf und steht seine tatsächliche Identität nicht fest. Von deutschen Behörden wurde er 2018 nach Marokko abgeschoben und kehrte er neuerlich nach Europa zurück.

Beim Beschwerdeführer können keinerlei integrative Bemühungen erkannt werden. Er spricht etwas Deutsch, ging aber weder einer Erwerbstätigkeit nach, noch ist er Mitglied in einem Verein oder einer Organisation. Außer durch Streitigkeiten in den Flüchtlingsunterkünften, illegaler Einreise und das Stellen von mehreren Asylanträgen trat er nicht in Erscheinung. Der Beschwerdeführer ist seiner Ausreiseverpflichtung in den Herkunftsstaat nicht nachgekommen und hat sich seither in Italien aufgehalten und sich einer möglichen Abschiebung entzogen. Er verfügt auch sonst über kein Aufenthaltsrecht. Aufgrund der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat unter maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner existenziellen Bedrohung ausgesetzt sein wird.

1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat:

Marokko ist gemäß § 1 Z 9 der Herkunftsstaaten-Verordnung ein sicherer Herkunftsstaat im Sinne des § 19 BFA-VG. Betreffend die aktuelle Lage sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen keine entscheidungsrelevanten Änderungen eingetreten. Der Beschwerdeführer hat gegenüber dem vorangegangenen Verfahren eine Konversion zum Christentum vorgebracht und wird in gegebenem Zusammenhang festgestellt:

Politische Lage

Letzte Änderung: 09.04.2020

Marokko ist ein zentralistisch geprägter Staat. Das Land ist eine Monarchie mit dem König als weltlichem und geistigem Staatsoberhaupt, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und "Anführer der Gläubigen" (AA 6.5.2019a; vgl. USDOS 11.3.2020). Laut der Verfassung vom 1.7.2011 ist Marokko eine konstitutionelle, demokratische und soziale Erbmonarchie, mit direkter männlicher Erbfolge und dem Islam als Staatsreligion. Abweichend vom demokratischen Grundprinzip der Gewaltenteilung kontrolliert der König in letzter Instanz die Exekutive, die Judikative und teilweise die Legislative (GIZ 8.2019a; vgl. ÖB 5.2019). Im Zusammenhang mit den Protestbewegungen in Nordafrika im Frühjahr 2011 leitete der König im Jahr 2011 eine Verfassungsreform und vorgezogene Neuwahlen ein. Proteste im Norden des Landes sind vor allem Ausdruck der Unzufriedenheit mit der Umsetzung sozio-ökonomischer Reformen, die schleppend verläuft (AA 6.5.2019a). Die Verfassung vom 1.7.2011 brachte im Grundrechtsbereich einen deutlichen Fortschritt für das Land; in Bezug auf die Königsmacht jedoch nur eine Abschwächung der absolutistischen Stellung. Das Parlament wurde als Gesetzgebungsorgan durch die neue Verfassung aufgewertet und es ist eine spürbare Verlagerung des politischen Diskurses in die Volksvertretung hinein erkennbar. Die Judikative wird als unabhängige Staatsgewalt gleichberechtigt neben Legislative und Exekutive gestellt. Das System der checks und balances als Ergänzung zur Gewaltenteilung ist jedoch in der Verfassung vergleichsweise wenig ausgebildet (ÖB 5.2019).

Einige Schlüsselministerien sind in Marokko der Kontrolle des Parlamentes und des Premierministers entzogen. Dies betrifft folgenden vier Ressorts: Inneres, Äußeres, Verteidigung, Religiöse Angelegenheiten und Stiftungen. Soziale Reformen während der Regentschaft Mohamed VI sollten mehr Wohlstand für alle bringen - doch faktisch nahm die ohnehin starke Kontrolle der Königsfamilie und ihrer Entourage über die Reichtümer und Ressourcen des Landes weiter zu (GIZ 8.2019a). Hauptakteure der Exekutive sind die Minister, der Regierungschef und der König, der über einen Kreis hochrangiger Fachberater verfügt. Der König ist Vorsitzender des Ministerrates, hat Richtlinienkompetenz und ernennt nach Art. 47 der Verfassung von 2011 den Regierungschef aus der Partei, die bei den Wahlen als Sieger hervorgeht. Marokko verfügt seit der Unabhängigkeit über ein Mehrparteiensystem. Das Wahlrecht macht es schwierig für eine Partei, eine absolute Mehrheit zu erringen; Mehrparteienkoalitionen sind deshalb die Regel (AA 6.5.2019a).

Das marokkanische Parlament besteht aus zwei Kammern, dem Unterhaus (Chambre des Représentants, Madschliss an-Nuwwab) und dem Oberhaus (Chambre des conseillers, Madschliss al-Mustascharin). Die Abgeordneten des Unterhauses werden alle fünf Jahre in direkten allgemeinen Wahlen neu gewählt. Das Unterhaus besteht aus 395 Abgeordneten. Entsprechend einer gesetzlich festgelegten Quote sind mindestens 12% der Abgeordneten Frauen. Das Oberhaus (Chambre des Conseillers) besteht aus mindestens 90 und maximal 120 Abgeordneten, die in indirekten Wahlen für einen Zeitraum von sechs Jahren bestimmt werden (GIZ 8.2019a).

In Marokko haben am 7.10.2016 Wahlen zum Repräsentantenhaus stattgefunden. Als stärkste Kraft ging die seit 2011 an der Spitze der Regierung stehende Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung („Parti de la Justice et du Développement“) hervor. Am 5.4.2017 ernannte König Mohammed VI Saad-Eddine El Othmani zum Premier-Minister. Größte Oppositionspartei ist die Partei für Authentizität und Modernität (PAM) (AA 6.5.2019a). Sie rangiert an zweiter Stelle mit 102 Sitzen und konnte ihre Stimmengewinne mehr als verdoppeln und gilt daher als heimliche Siegerin. Dahinter gereiht ist mit 46 Sitzen die traditionsreiche Unabhängigkeitspartei (PI – Parti de l'Istiqlal), dahinter andere Parteien (GIZ 8.2019a).

Seit Anfang 2017 ist Marokko wieder offiziell Mitglied der Afrikanischen Union (GIZ 8.2019a).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (6.5.2019a): Marokko - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/-/224120, Zugriff 21.1.2020

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2019a), LIPortal - Marokko - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/marokko/geschichte-staat/, Zugriff 21.1.2020

ÖB - Österreichische Botschaft in Rabat (5.2019): Asylländerbericht Marokko

USDOS - United States Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/MOROCCO-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 2.4.2020

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 09.04.2020

Marokko kann grundsätzlich als stabiles Land betrachtet werden (EDA 21.1.2020). Das französische Außenministerium rät bis auf einige Regionen zu normaler Aufmerksamkeit im Land, dem einzigen in Nordafrika, das auf diese Weise bewertet wird (FD 21.1.2020). In den Grenzregionen zu Algerien wird zu erhöhter Aufmerksamkeit geraten (FD 21.1.2020), bzw. wird von Reisen abgeraten (AA 21.1.2020).

Die Westsahara darf nur nach Genehmigung durch die marokkanischen Behörden und nur auf genehmigten Strecken bereist werden (FD 21.1.2020). Zusätzlich besteht für die Grenzregionen zu Mauretanien in der Westsahara eine Reisewarnung (AA 21.1.2020 ; vgl. FD 21.1.2020, BMEIA 21.1.2020 ).

Im Jahr 2018 konnte Marokko das Terrorismusrisiko weitgehend eindämmen, obwohl das Land weiterhin sporadischen Bedrohungen ausgesetzt war, vor allem von kleinen, unabhängigen Terrorzellen, von denen die Mehrheit behauptete, vom sogenannten Islamischen Staat (IS) inspiriert oder mit dem IS verbunden zu sein. Marokko erlebte mit der Ermordung zweier skandinavischer Touristen im Dezember 2018 den ersten terroristischen Zwischenfall seit 2011. Im Jahr 2018 wurden gemäß Berichten der marokkanischen Strafverfolgungsbehörden 71 Personen verhaftet und mehr als 20 Terroristenzellen, die Angriffe planten, zerschlagen (USDOS 1.11.2019; vgl. AT 28.11.2019).

Demonstrationen und Protestaktionen sind jederzeit im ganzen Land möglich (EDA 21.1.2020; vgl. IT-MAE 11.3.2020). Auch nicht genehmigte Demonstrationen verlaufen meist friedlich, es kommt jedoch vereinzelt zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften. Die Proteste entzünden sich meist an wirtschaftlichen und sozialen Missständen (IT-MAE 11.3.2020; vgl. AA 21.1.2020, BMEIA 21.1.2020, EDA 21.1.2020). In der Region Rif kann es zu Übergriffen durch Kriminelle kommen, die in Drogenproduktion und -handel involviert sind (FD 21.1.2020; vgl. EDA 21.1.2020).

In großen Teilen der Sahara sind bewaffnete Banden und islamistische Terroristen aktiv, die vom Schmuggel und von Entführungen leben. Das Entführungsrisiko ist in einigen Gebieten der Sahara und der Sahelzone hoch und nimmt noch zu. Die Grenze zu Algerien ist geschlossen (AA 21.1.2020; vgl. EDA 21.1.2020; BMEIA 21.1.2020).

Das völkerrechtlich umstrittene Gebiet der Westsahara erstreckt sich südlich der marokkanischen Stadt Tarfaya bis zur mauretanischen Grenze. Es wird sowohl von Marokko als auch von der Unabhängigkeitsbewegung Frente Polisario beansprucht. Die United Nations Mission for the Referendum in Western Sahara MINURSO überwacht den Waffenstillstand zwischen den beiden Parteien. Auf beiden Seiten der Demarkationslinie (Sandwall) sind diverse Minenfelder vorhanden (EDA 21.1.2020).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (21.1.2020): Marokko - Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/marokkosicherheit/224080, Zugriff 21.1.2020

AT - Africa Times (28.10.2019): Morocco’s latest terror arrests renew a focus on chemical weapons, https://africatimes.com/2019/10/28/moroccos-latest-terror-arrests-renew-a-focus-on-chemical-weapons/, Zugriff 2.4.2020

BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (21.1.2020): Reiseinformation Marokko, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/marokko/, Zugriff 21.1.2020

EDA - Eidgenössisches Departemenet für auswärtige Angelegenheiten (21.1.2020): Reisehinweise für Marokko, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/marokko/reisehinweise-marokko.html, Zugriff 21.1.2020

FD - France Diplomatie (21.1.2020): Conseils aux Voyageurs - Maroc - Sécurité, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/maroc/#derniere_nopush, Zugriff 21.1.2020

IT-MAE - Ministero degli Affari Esteri e della Cooperazione Internazionale (11.3.2020) : Viaggiare Sicuri – Marocco, http://www.viaggiaresicuri.it/country/MAR, Zugriff 2.4.2020

USDOS - United States Department of State (1.11.2019): Country Reports on Terrorism 2018 – Morocco, S 143-145, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2019/11/Country-Reports-on-Terrorism-2018-FINAL.pdf, Zugriff 2.4.2020

Religionsfreiheit

Letzte Änderung: 09.04.2020

Mehr als 99% der Bevölkerung sind sunnitische Muslime. Die restlichen religiösen Gruppen (Christen, Juden, schiitische Moslems und Baha’i) machen weniger als 1% der Bevölkerung aus (AA 14.2.2018; vgl. GIZ 12.2019b; USDOS 21.6.2019).

In Marokko sind Staat und Religion nicht getrennt (GIZ 10.2019b). Der sunnitische Islam malikitischer Rechtsschule ist die Staatsreligion in Marokko. Die verfassungsmäßige Stellung des Königs als Führer der Gläubigen und Vorsitzender des Ulema Rats (Möglichkeit des Erlassens religiös verbindlicher „fatwas“) ist weithin akzeptiert (AA 14.2.2018; vgl. GIZ 10.2019b; USDOS 21.6.2019). Das Religionsministerium kontrolliert strikt alle religiösen Einrichtungen und Aktivitäten und gibt das wöchentliche Freitagsgebet vor (AA 14.2.2018; vgl. USDOS 21.6.2019). Zur Prävention von Radikalisierung überwachen die Sicherheitsorgane islamistische Aktivitäten in Moscheen und Schulen (AA 14.2.2018).

Art. 3 der Verfassung garantiert Religionsfreiheit (AA 14.2.2018; vgl. USDOS 21.6.2019). Der Artikel zielt auf die Ausübung der Staatsreligion ab, schützt aber auch die Ausübung anderer anerkannter traditioneller Schriftreligionen wie Judentum und Christentum. Neuere Religionsgemeinschaften wie etwa die Baha'i werden ebenso wenig staatlich anerkannt wie abweichende islamische Konfessionen wie zum Beispiel die Schia. Fälle staatlicher Verfolgung aufgrund der Ausübung einer anderen als den anerkannten Religionen sind nicht bekannt (AA 14.2.2018).

Missionierung ist in Marokko nur Muslimen (de facto ausschließlich den Sunniten der malikitischen Rechtsschule) erlaubt (AA 14.2.2018; vgl. USDOS 21.6.2019). Mit Strafe bedroht ist es, Gottesdienste jeder Art zu behindern, den Glauben eines (sunnitischen) Muslim „zu erschüttern“ und zu missionieren (Art 220 Abs. 2 des marokkanischen Strafgesetzbuches). Dies schließt das Verteilen nicht-islamischer religiöser Schriften ein. Bibeln sind frei verkäuflich, werden jedoch bei Verdacht auf Missionarstätigkeit beschlagnahmt. Ausländische Missionare können unverzüglich des Landes verwiesen werden, wovon die marokkanischen Behörden in Einzelfällen Gebrauch machen (AA 14.2.2018).

Laizismus und Säkularismus sind gesellschaftlich negativ besetzt, der Abfall vom Islam (Apostasie) gilt als eine Art Todsünde, ist aber nicht strafbewehrt. Es gibt einen starken sozialen Druck, die islamischen Glaubensregeln zumindest im öffentlichen Raum zu befolgen. Grundsätzlich ist der freiwillige Religionswechsel Marokkanern nicht verboten, aber in allen Gesellschaftsschichten stark geächtet. Status rechtlich ist eine Konversion zum Christentum für Marokkaner nicht möglich. Staatliche Stellen behandeln Konvertiten insbesondere familienrechtlich weiter als Muslime (AA 14.2.2018).

Nicht-Muslime müssten zum Islam konvertieren, um die Pflegschaft für ein muslimisches Kind übernehmen zu können. Ein muslimischer Mann darf nach marokkanischem muslimischem Recht eine nicht-muslimische Frau heiraten, eine muslimische Frau kann dagegen in keinem Fall einen nicht-muslimischen Mann heiraten (AA 14.2.2018; vgl. USDOS 21.6.2019).

Die Behörden inhaftierten marokkanische Christen und befragten diese über ihren Kontakt zu anderen Christen. Passanten sollen während des Ramadan mindestens eine Person angegriffen haben, weil sie während des Ramadans in der Öffentlichkeit gegessen hatten (USDOS 21.6.2019).

Es gibt Berichte von gesellschaftlicher Diskriminierung basierend auf Religionszugehörigkeit, Glauben oder Religionsausübung. Christen berichten über sozialen Druck seitens nicht-christlicher Familienangehöriger und Freunde, zum Islam zu konvertieren. Juden leben vorwiegend unbehelligt im Land und können Gottesdienste in Synagogen feiern, es gibt jedoch vereinzelte Fälle von Antisemitismus. Baha’i bekennen sich nicht öffentlich zu ihrem Glauben, da ihre Glaubensrichtung als häretisch gilt (USDOS 21.6.2019; vgl. FH 1.4.2020). Marokkanische Christen und andere Religionsgemeinschaften üben ihren Glauben in der Regel nur im privaten Bereich aus. Marokkaner werden von staatlichen Organen gehindert, Gottesdienste in „ausländischen“ Kirchen zu besuchen, und riskieren bei jeder öffentlichen Glaubenspraxis den Vorwurf des Missionierens (AA 14.2.2018).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf, Zugriff 10.10.2019

FH - Freedom House (1.4.2020): Freedom in the World 2020 – Morocco, https://freedomhouse.org/country/morocco/freedom-world/2020, Zugriff 2.4.2020

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2019b): LIPortal - Marokko - Gesellschaft, https://www.liportal.de/marokko/gesellschaft/, Zugriff 21.1.2020

USDOS - U.S. Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom - Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2011110.html, Zugriff 10.10.2019

Grundversorgung

Letzte Änderung: 09.04.2020

Die Grundversorgung der Bevölkerung ist gewährleistet, Brot, Zucker und Gas werden subventioniert. Staatliche soziale Unterstützung ist kaum vorhanden, vielfach sind religiös-karitative Organisationen tätig. Die entscheidende Rolle bei der Betreuung Bedürftiger spielt nach wie vor die Familie. Staatliche und sonstige Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer gibt es nicht (AA 14.2.2018).

König Mohammed VI. und die bisherige Regierung streben eine durchgreifende Modernisierung und Diversifizierung des Landes an, das seine Chancen neben dem Hauptpartner EU verstärkt in Afrika sucht. Gebergemeinschaft, OECD und IWF unterstützen diesen Modernisierungskurs (AA 6.5.2019c). Formal ist Marokko eine freie Marktwirtschaft. Bedingt durch die starke Stellung der Königsfamilie und alteingesessener Eliten ist der Wettbewerb jedoch verzerrt. Seit dem Machtantritt von König Mohammed VI. hat die Vormachtstellung der Königsfamilie in Schlüsselsektoren wie Landwirtschaft, Bergbau, Einzelhandel, Transport, Telekommunikation und erneuerbaren Energien weiter zugenommen. Gleichzeitig sind immer mehr Marokkaner auf Überweisungen aus dem Ausland angewiesen, um zu überleben (GIZ 12.2019c).

Ein gravierendes Problem bildet nach wie vor die Arbeitslosigkeit 2018 (laut IMF bei 9,8%, Dunkelziffer liegt wesentlich höher), vor allem unter der Jugend (ÖB 5.2019). Der Bevölkerungszuwachs in den aktiven Altersgruppen liegt deutlich höher als die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Die reale Arbeitslosenquote, insbesondere bei Jugendlichen, liegt deutlich über den offiziell angegebenen ca. 10% (AA 6.5.2019c).

Laut Informationen der Weltbank steht Marokko in der MENA-Region bei der Höhe der Auslandsüberweisungen von Migranten (Remittances) an dritter Stelle. Zur Sicherung des sozialen und politischen Friedens verteilt der Staat Subventionen: Diese wurden in den letzten Jahren allerdings gekürzt, von 5 Mrd. Euro auf voraussichtlich umgerechnet 1,2 Mrd. Euro in 2018. Für das Jahr 2019 wurde eine Erhöhung um 30% auf 1,6 Mrd. Euro angekündigt. Trotz Subventionskürzungen und Privatisierungen hat die Staatsverschuldung in den vergangenen Jahren zugenommen (GIZ 12.2019c).

Der informelle Bereich der Wirtschaft wird statistisch nicht erfasst, entfaltet aber erhebliche Absorptionskraft für den Arbeitsmarkt. Fremdsprachenkenntnisse - wie sie z.B. Heimkehrer aufweisen - sind insbesondere in der Tourismusbranche und deren Umfeld nützlich. Arbeitssuchenden steht die Internet-Plattform des nationalen Arbeitsmarktservices ANAPEC zur Verfügung (www.anapec.org), die neben aktueller Beschäftigungssuche auch Zugang zu Fortbildungsmöglichkeiten vermittelt. Unter 30-Jährige, die bestimmte Bildungsebenen erreicht haben, können mit Hilfe des OFPPT (www.ofppt.ma/) eine weiterführende Berufsausbildung einschlagen. Die marokkanische Regierung führt Programme der Armutsbekämpfung (INDH) und des sozialen Wohnbaus. Eine staatlich garantierte Grundversorgung/arbeitsloses Basiseinkommen existiert allerdings nicht. Der Mindestlohn (SMIG) liegt bei 2.570 Dirham (ca. EUR 234). Ein Monatslohn von etwa dem Doppelten dieses Betrags gilt als durchaus bürgerliches Einkommen. Statistisch beträgt der durchschnittliche Monatslohn eines Gehaltsempfängers 4.711 Dirham, wobei allerdings die Hälfte der - zur Sozialversicherung angemeldeten - Lohnempfänger nur den Mindestlohn empfängt. Ein ungelernter Hilfsarbeiter erhält für einen Arbeitstag (10 Std.) ca. 100 Dirham, Illegale aus der Subsahara erhalten weniger (ÖB 5.2019).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf, Zugriff 14.10.2019

AA - Auswärtiges Amt (6.5.2019c): Marokko - Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/wirtschaft/224082, Zugriff 5.9.2019

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2019c): LIPortal - Marokko – Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/marokko/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 21.1.2020

ÖB - Österreichische Botschaft in Rabat (5.2019): Asylländerbericht Marokko

1.3. Feststellungen zum Fluchtvorbringen:

Im ersten Asylverfahren, das am 30.05.2020 rechtskräftig abgeschlossen wurde, gab der Beschwerdeführer an, Marokko wegen der Armut und Arbeitslosigkeit verlassen zu haben. Im nunmehrigen Folgeantrag hielt er diese Gründe weiterhin aufrecht und nannte außerdem eine zwischenzeitliche Konversion zum Christentum als Fluchtgrund. Bereits 2018 habe er Probleme mit radikalen Muslimen in Marokko gehabt und fürchte er, dass er bei einer Rückkehr umgebracht werde. Ein Religionswechsel aus innerer Überzeugung wurde nicht glaubhaft gemacht und ist ein Bekenntnis zum Christentum in Bezug auf den Herkunftsstaat Marokko zudem nicht asylrelevant. Ein geänderter oder neuer Sachverhalt wurde nicht vorgebracht.

2. Beweiswürdigung:

Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Verwaltungsakt der belangten Behörde sowie aus dem vorliegenden Gerichtsakt, für den Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Zentralen Fremdenregister (IZR) und dem Register der Grundversorgung (GVS) ergänzend eingeholt wurden.

Die belangte Behörde hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Das Bundesverwaltungsgericht verweist daher auch auf die schlüssigen und nachvollziehbaren beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid.

2.1. Zur Person und zu den bisherigen Aufenthalten und Asylanträgen:

Der Beschwerdeführer konnte bislang nur Kopien eines in Italien ausgestellten marokkanischen Reisedokumentes vorlegen (AS 187ff) und war eine Überprüfung daher nicht möglich. Aus dem IZR ergeben sich die im Spruch im angeführten Aliasidentitäten und konnte die tatsächliche Identität nicht ermittelt werden.

Die weiteren Feststellungen zu seiner Person, zu seinen Lebensumständen und zu seinem Privatleben inkl. fehlender Integrationsschritte beruhen auf seinen eigenen diesbezüglichen Angaben in der niederschriftlichen Einvernahme und den unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid.

Die Reisebewegungen und Asylantragstellungen in Schweden, Deutschland und Österreich ergeben sich zum einen aus den EURODAC-Treffern im IZR und zum anderen beschreibt der Beschwerdeführer vor dem BFA selbst, wann er welches Land verlassen hat und wohin er gereist ist (Protokoll vom 27.01.2021, AS 173ff).

2.2. Zum Fluchtvorbringen:

Schon aus seinen eigenen Angaben, wonach er bereits 2018 in Marokko bei seiner erstmalige Rückkehr Probleme mit radikalen muslimischen Gruppierungen gehabt habe, ergibt sich, dass seine Fluchtgründe nicht neu sind.

Seinen ersten Asylantrag stellte er am 29.11.2019 und wurde rechtskräftig am 30.05.2020 darüber abgesprochen. In diesem Verfahren nannte er wirtschaftliche Gründe als Rückkehrhindernisse, religiöse Verfolgung brachte er nicht vor.

Auch der vorgebrachte Umstand, dass er sich mit dem Christentum beschäftigt habe und letztlich in Italien konvertiert wäre, lag bereits vor der ersten rechtskräftigen Asylentscheidung vor. Der Beschwerdeführer gab nämlich an, durch seine Freundin in Deutschland mit dem christlichen Glauben in Berührung gekommen zu sein und mit ihr Gottesdienste besucht zu haben (AS 177). Seinen eigenen Angaben nach wurde er 2018 von deutschen Behörden nach Marokko abgeschoben, danach kam er über die Türkei im November 2019 wieder nach Österreich und stellte hier seinen ersten Asylantrag. Wie erwähnt, nannte er den Wechsel zum Christentum im ersten Asylverfahren nicht, sondern gab an, sunnitischer Moslem zu sein (AS 172).

Von November 2019 bis Dezember 2020 hielt er sich in Italien auf und wartete das laufende Asylverfahren nicht in Österreich ab. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung am 30.05.2020 brachte er jedenfalls nie konkret vor, konvertiert zu sein. Ein Glaubenswechsel ist nur nicht vom ersten Asylverfahren mitumfasst, wenn dieser in der Zeit nach Rechtskraft der BFA-Entscheidung erfolgte, also im Zeitraum von Juni 2020 bis zur Folgeantragstellung.

Eine Konversion ist aber schon aufgrund der knappen und oberflächlichen Angaben des Beschwerdeführers nicht glaubhaft. Der VwGH nennt als „maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel […] beispielsweise das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiert, eine mit dem Religionswechsel einhergegangene Verhaltens- bzw. Einstellungsänderung des Konvertiten sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation bzw. des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel (vgl. VwGH 20.10.2020, Ra 2020/18/0357, mwN).

Der Beschwerdeführer hat keinerlei Bestätigungen der Glaubensgemeinschaft, eines Pfarrers oder einer Kirche in Vorlage gebracht und behauptete er bloß die Teilnahme an Gottesdiensten. Es ist den Ausführungen in der Beschwerde beizupflichten, dass von einem Konvertiten kein „theologisches Spezialwissen“ gefordert wird, aber sollte ein aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertierter Gläubiger zumindest Geburt und Sterben Christi benennen können und einige der christlichen Feste wie Weihnachten, Ostern oder Pfingsten kennen. Der Beschwerdeführer konnte nicht eine dieser Fragen beantworten (AS 178) und ist dies doch einigermaßen verwunderlich, zumal er behauptete, die Bibel zu kennen (AS 179) und von Jesus fasziniert zu sein (AS 177).

Zuletzt ist darauf zu verweisen, dass selbst bei tatsächlichem Übergang zum Christentum dem Vorbringen keine Asylrelevanz zukommt. Aus dem Länderinformationsblatt ergibt sich eindeutig, dass Religionsfreit in der Verfassung garantiert ist und neben der Ausübung der Staatsreligion auch die Ausübung anderer anerkannter traditioneller Schriftreligionen wie Juden- und Christentum verfassungsmäßig geschützt ist.

Es ist verboten, Gottesdienste jeder Art zu behindern und wird der Beschwerdeführer daher auch in Marokko ungehindert seinen Glauben ausüben können. Missionierung ist allerdings nur Muslimen vorbehalten und ist das Verteilen und Verbreiten nicht-islamischer Schriften und Gedanken unter Strafe gestellt. Der Beschwerdeführer brachte zu keinem Zeitpunkt vor, Missionarstätigkeiten in Marokko durchführen zu wollen.
Zu den bisherigen wirtschaftlichen Gründen erstattete er im gegenständlichen Verfahren kein Vorbringen und wurden diese Motive ebenso bereits im ersten Asylverfahren rechtskräftig berücksichtigt.

Daher konnte festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer keine neuen Fluchtgründe glaubhaft machen konnte bzw. seinem Vorbringen keinerlei Asylrelevanz zukommt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1. Das schon in den vorangegangenen Verfahren erstattete Fluchtvorbringen und die dort geltend gemachten Gründe sind bereits abschließend beurteilt und in den diesbezüglichen, rechtskräftigen Erledigungen berücksichtigt worden. Insofern ist Sache des aktuellen Folgeverfahrens eine Prüfung der darüber hinaus geltend gemachten neuen Tatsachen.

Da die belangte Behörde den Folgeantrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen hat, ist Beschwerdegegenstand der vorliegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nur die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung dieses Antrages, nicht aber der Antrag selbst.

3.2. Zur Zurückweisung wegen entschiedener Sache:

Nach § 68 Abs 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs 2 bis 4 AVG findet. Letzteres betrifft die amtswegige oder aufsichtsbehördliche Bescheidänderung oder -aufhebung. Die §§ 69 und 71 AVG bezeichnen die Rechtsinstitute der Wiederaufnahme des Verfahrens und der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, die beide hier nicht anwendbar sind.

Die Anordnung, dass Anbringen unter den Voraussetzungen des § 68 Abs 1 AVG nicht inhaltlich behandelt, sondern zurückgewiesen werden, soll die wiederholte Befassung der Behörde mit einer bereits entschiedenen Sache vermeiden, wobei es auf die unveränderte Sach- und Rechtslage ankommt.

Dies gilt fallbezogen sowohl für die Zurückweisung des Antrags in Bezug auf den Status eines Asylberechtigten wie für die Zurückweisung bezogen auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten.

Entscheidend ist somit, ob vor der belangten Behörde neue, mit einem glaubwürdigen Kern versehene Tatsachen vorgebracht wurden, die eine andere Entscheidung im Hinblick auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder auch des subsidiär Schutzberechtigten indizieren können. Wie festgestellt, hat der Beschwerdeführer mit der Aufrechthaltung der bisherigen (wirtschaftlichen) Motive kein neues Vorbringen erstattet und kommt den Angaben, zum Christentum konvertiert zu sein, kein glaubhafter Kern zu bzw. ist das Vorbringen nicht asylrelevant. Weder in Bezug auf seine Person noch auf die bestehenden und zu erwartenden Verhältnisse im Herkunftsstaat sind gegenüber den Feststellungen in der vorigen Entscheidung der belangten Behörde, die nur knappe zehn Monate zurückliegt, Verschlechterungen aufgetreten, die eine Gefährdung im Sinne der Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK weniger unwahrscheinlich erscheinen ließen.

Der belangten Behörde ist also auch darin beizupflichten, dass sich die Lage im Herkunftsstaat seit der Rechtskraft der Entscheidung im vorangegangenen Asylverfahren nicht entscheidungswesentlich geändert hat.

Demnach ergab sich weder aus dem Vorbringen noch aus dem Amtswissen der belangten Behörde oder des Gerichts ein Hinweis darauf, dass betreffend den Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers eine Änderung der Sach- oder der Rechtslage eingetreten wäre.

Es liegt damit eine entschiedene Sache vor, was einer neuen inhaltlichen Entscheidung entgegensteht Die Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz aus diesem Grund war also rechtmäßig, weshalb die Beschwerde im Hinblick auf die ersten beiden Spruchpunkte des bekämpften Bescheides abzuweisen war.

3.3. Behebung des Spruchpunkt III.:

Die belangte Behörde hat unter Hinweis auf eine rechtskräftige aufrechte Rückkehrentscheidung, die mit einem Einreiseverbot verbunden ist, von der neuerlichen Erlassung einer Rückkehrentscheidung abgesehen. Damit folgt es § 59 Abs. 5 FPG iVm der höchstgerichtlichen Judikatur (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0082), womit der VwGH klarstellt, dass sich leg. cit. nur auf solche Rückkehrentscheidungen bezieht, die mit einem Einreiseverbot verbunden sind.

Trotzdem hat die belangte Behörde aber amtswegig die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 geprüft.

Eine amtswegige Prüfung, ob dem Fremden ein Aufenthaltstitel nach § 55 bzw. 57 AsylG 2005 zu erteilen wäre, über deren „Ergebnis“ gemäß § 58 Abs. 3 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen ist, ist nur für den Fall vorgesehen, dass eine Rückkehrentscheidung im Grunde des § 9 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird (siehe dazu VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

Spruchpunkt III. war daher ersatzlos zu beheben.

4. Zum Unterbleiben einer Verhandlung:

Im gegenständlichen Fall wurde der Sachverhalt nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet (siehe VwGH 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9).

Es konnte daher gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG – trotz eines entsprechenden Antrages in der Beschwerde – eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint.

Das Gericht musste sich auch keinen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer verschaffen, da es sich um einen eindeutigen Fall in dem Sinne handelt, dass auch bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn der persönliche Eindruck ein positiver ist (vgl. VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0422 mwH).

Da der Beschwerdeführer bereits seit Ende Jänner über keinen aufrechten Wohnsitz mehr im Bundesgebiet verfügt, der aktuelle Aufenthaltsort dem BVwG auch nicht bekannt ist und er bereits im ersten Asylverfahren den Ausgang nicht abwartete, ist nicht damit zu rechnen, dass eine weitere Mitwirkung am Verfahren zu einem anderen Ergebnis führen würde. Er gab stets an, dass sein eigentliches Ziel Deutschland war und bekräftigte er damit neuerlich, kein tiefgreifendes Interesse an einem Verfahren vor österreichischen Behörden zu haben.

Die Abhaltung einer Verhandlung konnte demnach unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zu übereinstimmenden Fluchtvorbringen im Folgeantrag und zu den Voraussetzungen der Zurückweisung nach § 68 Abs 1 AVG.

Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage(n) kamen nicht hervor.

Schlagworte

Asylverfahren Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltstitel aufrechte Rückkehrentscheidung entschiedene Sache ersatzlose Teilbehebung Folgeantrag Identität der Sache Kassation Rechtskraft der Entscheidung Rechtskraftwirkung res iudicata Spruchpunktbehebung subsidiärer Schutz Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I412.2240407.1.00

Im RIS seit

24.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten