TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/25 W159 2239898-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.03.2021
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Entscheidungsdatum

25.03.2021

Norm

BFA-VG §18 Abs2
B-VG Art133 Abs4
FPG §52 Abs5
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z5
FPG §55 Abs4

Spruch


W159 2239898-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehöriger von Serbien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.01.2021 Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I., II. IV. und V. gemäß §§ 52 Abs. 5 und 9 sowie 55 Abs. 4 FPG und 18 Abs. 2 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des bekämpften Bescheides wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass die Dauer des Einreiseverbotes gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG auf acht Jahre herabgesetzt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, wurde am XXXX im Bundesgebiet geboren und ist durchgängig in Österreich aufhältig, wobei ihm bereits am 05.06.2000 eine unbefristete Niederlassungsbewilligung nach dem Fremdengesetz als Familienangehöriger erteilt wurde.

Bereits mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 14.11.2014, Zahl XXXX wurde der damals jugendliche Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren rechtskräftig verurteilt.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 27.08.2018, XXXX wurde der Beschwerdeführer rechtskräftig wegen des Vergehens der Sachbeschädigung, des Vergehens der fahrlässigen Herbeiführung einer Feuersbrunst und des Vergehens der Gefährdung der körperlichen Sicherheit gemäß §§ 125, 170 Abs. 1 und 89 StGB zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten (bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren) verurteilt.

Mit Ermahnung vom 06.02.2019 wurde der Beschwerdeführer durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl darüber in Kenntnis gesetzt, dass er im Falle eines weiteren Fehlverhaltens damit zu rechnen hätte, dass gegen ihn ein Verfahren wegen Aufenthaltsbeendigung geführt wurde.

Mit Urteil des LG für Strafsachen Wien vom 05.06.2020, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach § 142 Abs. 1 und 143 Abs. StGB sowie wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28 a Abs. 1 SMG zu einer Freiheitsstrafe von siebeneinhalb Jahren rechtskräftig verurteilt.

Mit Schreiben vom 13.08.2020 räumte die belangte Behörde schriftlich das Parteiengehör betreffend Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot sowie Abschiebung ein.

Am 06.10.2020 erfolgte eine Videoeinvernahme mit dem in der XXXX einsitzenden Beschwerdeführer. Eingangs der Einvernahme gab er an, dass er gesund sei. Er nehme nur Schlaftabletten und Tabletten gegen Panikattacken, die er jedoch nunmehr gerade absetze. Er besitze die serbische Staatsangehörigkeit, spreche wohl Deutsch besser als Serbisch, aber auch Serbisch sei okay. Seine beiden Eltern lebten in Österreich, seien aber serbische Staatsangehörige. Er habe einen aufrechten Wohnsitz in XXXX , er habe aber auch einen Wohnsitz in Serbien. Dies sei ein Sommerhaus, das seinen Eltern gehöre. Sie würden dort im Sommer immer auf Urlaub fahren, die genaue Adresse wisse er nicht, aber die Stadt heiße XXXX . Zu dem Urteil des LG für Strafsachen wegen Rauschgifthandels und Raubes führte er aus, dass es nur ein Denkzettel hätte werden sollen und nicht so ausarten sollen. Seine Frau sei von ihrem Bruder vergewaltigt worden, ihr Vater habe davon gewusst.

Hinsichtlich des beabsichtigten Einreiseverbotes führte er aus, dass er keine Familie in Serbien habe. Seine Familie sei hier in Österreich. Er möchte eine Koch-/Kellner-Lehre machen. Er habe auch eine Studienberechtigungsprüfung bestanden und möchte Botanik studieren. In Österreich verfüge er über einen unbefristeten Aufenthaltstitel. Er sei ein Jahr lang als Koch tätig gewesen. Er habe dann eine Lehre als Hotel- und Gastgewerbeassistent begonnen, diese aber nicht abgeschlossen. Dann habe er wieder in diversen Lokalen als Kellner legal gearbeitet. Sein Bankkonto sei aufgelöst worden, eine Kreditkarte besitze er nicht. Alle seine Familienangehörigen, wie Eltern, Geschwister, Onkel, Cousinen, würden in Österreich leben. In einem Verein sei er nicht. Er habe hier in Österreich Freunde. Außerdem sei er mit XXXX verlobt. Sie habe die österreichische Staatsbürgerschaft und sei derzeit in der JA Schwarzau. Er habe den Hauptschulabschluss. Er möchte eine Koch-/Kellner-Lehre oder eine Schlosserlehre machen. In Serbien könne er deswegen keine Beschäftigung annehmen, da sein Serbisch nicht so gut sei. Er wisse auch nicht, wie er das Haus in Serbien erhalten könnte. Im Moment habe er keine finanziellen Mittel. Er werde von seinen Eltern unterstützt. Er habe zwei Millionen Euro Schulden. Im Jahre 2018 habe er mit seiner Verlobten eine Geisterbeschwörung in der XXXX machen wollen. Es sei dann ein Feuer ausgebrochen. Er habe versucht, dieses zu löschen. Dieses sei nicht gelungen. So hätte er dann die Feuerwehr gerufen. Er werde von diesen Schulden monatlich so viel abbezahlen, wie er könne. In eine Abschiebung nach Serbien würde er keinesfalls einwilligen und würde er sich einer solchen widersetzen.

Der Beschwerdeführer erteilte an Frau XXXX Vollmacht, welche über Auftrag der Behörde eine schriftliche Stellungnahme erstattete. Darin wurde nochmals festgehalten, dass der Beschwerdeführer seit seiner Geburt in Österreich lebe, perfekt Deutsch spreche und einen unbefristeten Daueraufenthaltstitel habe, seine gesamte Familie sowie die Familie seiner Lebensgefährtin sich in Österreich legal aufhalten würden. Er habe in Österreich die Volksschule, die Sportmittelschule und ein Jahr die Tourismusschule und ein Jahr den Polytechnischen Lehrgang absolviert und anschließend eine Hotel- und Gastgewerbeassistentenlehre begonnen, aber nicht abgeschlossen und in der Folge als Kellner gearbeitet. Er habe zuletzt bei seinen Eltern in XXXX gelebt. Mit seiner Lebensgefährtin sei er seit der Berufsschule zusammen. Zehn Jahre lang habe er beim XXXX und bei XXXX Fußball gespielt und zahlreiche Pokale erhalten. Weiters sei er seit 2017 Mitglied bei XXXX . Die gesamte Verwandtschaft befinde sich in Österreich. Er bedauere die Straftaten und möchte sein Leben wieder in Griff bekommen. Er befindet sich wegen Panikattacken in medizinischer Betreuung und leide überdies an Asthma und benötige diesbezügliche Medikamente. Aus dem Länderinformationsblatt ergebe sich, dass die medizinische Versorgung in Serbien nicht landesweit gewährleistet sei und auch die Haftbedingungen äußerst schlecht wären. Der Beschwerdeführer habe keinen Bezug zu Serbien und sei in Österreich sehr gut integriert.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.01.2021, Zahl XXXX wurde unter Spruchteil I. eine Rückkehrentscheidung erlassen, unter Spruchteil II. die Abschiebung nach Serbien für zulässig erklärt, unter Spruchpunkt III. ein auf zehn Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen, unter Spruchpunkt IV. eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt und unter Spruchpunkt V. die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde aberkannt.

In der Begründung des Bescheides wurde nach Darlegung des bisherigen Verfahrensganges und der oben im wesentlichen Inhalt wiedergegebenen Einvernahme die Beweismittel aufgelistet und Feststellungen zur Personen und zum Herkunftsland getroffen. In der Folge wurde ausgiebig aus dem letzten Urteil vom 05.06.2020 zitiert. In der rechtlichen Begründung wurde nach Darlegung der Bezug habenden Rechtslage festgehalten, dass sich der Beschwerdeführer seit Geburt, somit seit 22 Jahren, in Österreich befinde und eine gravierende Straffälligkeit vorliege, da er bereits als Jugendlicher einen Raub begangen habe und später als junger Erwachsener straffällig geworden sei und die Kriminalität, vor allem die Brutalität stark gesteigert habe und eine hohe kriminelle Energie angewendet habe und dass er eine hohe Gefährdung der öffentlichen Sicherheit darstelle. Weiter komme noch eine massive Verschuldung und der Umstand, dass er über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfüge hinzu, welche zur Vermutung führe, dass er auch in Zukunft weiter kriminelle Machenschaften begehen würde und dass letztlich die Verhängung einer Rückkehrentscheidung verhältnismäßig sei. Er sei ledig, lediglich inoffiziell verlobt und habe keine Sorgepflichten. Er habe im Zusammenwirken mit seiner Lebensgefährtin nicht davor zurückgeschreckt brutale Gewalt gegenüber dem Vater seiner Verlobten anzuwenden. Er sei erwachsen und würden im vorliegenden Fall keine zusätzlichen Merkmale der Abhängigkeit zu seinen Eltern hinzutreten. Der Beschwerdeführer sei ein junger, gesunder und arbeitsfähiger Mann. Seine Eltern würden in Serbien ein Haus besitzen, wo er seine Urlaube verbracht habe, was auf ein gewisses soziales Netzwerk schließen lasse, und sei auch eine Unterstützung durch die in Österreich lebenden Familienangehörigen und eine Kommunikation über moderne Medien möglich. Auch könne er sich im Hinblick auf seine Serbisch-Kenntnisse dort verständigen. Eine berufliche Integration sei kaum existent, da er die Lehre als Hotel- und Gastgewerbeassistent nicht abgeschlossen habe und sonstige Ausbildungen (über die Pflichtschule hinaus) nicht aktenkundig seien. Auch sonst liege keine nennenswerte Integration vor. Der Beschwerdeführer habe lediglich als Kind bzw. Jugendlicher bei zwei XXXX Vereinen Fußball gespielt. In Anbetracht der schwerwiegenden Straffälligkeit seien die mit der Übersiedlung nach Serbien verbundenen Schwierigkeiten im öffentlichen Interesse hinzunehmen. Es sei nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in Serbien in eine ausweglose Situation geraten würde. Aufgrund der gravierenden Straffälligkeit sei von einer schwerwiegenden Gefährdung öffentlicher Interessen auszugehen und würden diese bei der Interessensabwägung wesentlich schwerer wiegen als das private Interesse am Verbleib in Österreich, sodass eine Rückkehrentscheidung zulässig sei.

Zu Spruchteil II. wurde darauf hingewiesen, dass dem Beschwerdeführer nicht die Flüchtlingseigenschaft zukomme und er einen derartigen Antrag auch niemals gestellt habe und weiters auch der Abschiebung nach Serbien keine Empfehlung des EGMR entgegenstehe, sodass diese als zulässig zu bezeichnen sei. Zu Spruchteil III. (Einreiseverbot) wurde zunächst darauf hingewiesen, dass der § 53 Abs. 3 Z 5 im vorliegenden Fall erfüllt sei, da der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels und wegen des Verbrechens des schweren Raubes zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von siebeneinhalb Jahren verurteilt worden sei und er bereits zuvor wegen Raubes und fahrlässiger Herbeiführung einer Feuersbrunst und weiterer strafbaren Handlungen zwei Vorverurteilungen aufweise. Es sei dabei zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer wegen der gleichen schädlichen Neigung (Raub) rückfällig geworden sei und schon als Jugendlicher straffällig gewesen sei. Ein Ende der von ihm ausgehenden Gefährdung sei aktuell nicht zu prognostizieren. Der Beschwerdeführer sei mittellos, verfüge über kein Einkommen und keine Ersparnisse. Dem würden Schulden in der Höhe von 2 Millionen Euro gegenüberstehen. Aufgrund der Tatsache, dass er auch über keine fundierte Berufsausbildung verfüge, sei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass er wieder strafbare Handlungen begehen würde, um sein finanzielles Auslangen zu finden. Es könne daher von keiner positiven Zukunftsprognose ausgegangen werden. Weiters wurde auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität, die ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstelle und mit einem hohen Wiederholungsrisiko verbunden sei, hingewiesen. Die Verurteilungen würden auf eine hohe kriminelle Energie schließen lassen, sodass die Verhängung eines Einreiseverbotes von zehn Jahren als geboten erscheint, wobei es sich nicht um einen einmaligen „Fehltritt“, sondern ein beharrliches, erhebliches kriminelles Verhalten beim Beschwerdeführer handle. Es hätten ihn auch seine familiären Beziehungen im Bundesgebiet nicht von der Straffälligkeit abgehalten lassen können. Das Einreiseverbot beziehe sich auf das Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten und beginne mit dem Ablauf des Tages der Ausreise zu laufen.

Da der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt worden sei, sei gemäß § 55 Abs. 4 FPG auch von der Einräumung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen gewesen (Spruchpunkt IV.). Aufgrund der drei rechtskräftigen Verurteilungen sei hohes öffentliches Interesse an der sofortigen Ausreise des Beschwerdeführers gegeben und würde in Serbien keine reale Gefahr einer Menschenrechtsverletzung gegeben sein (Spruchpunkt IV.)

Gegen diesen Bescheid erhob der Bescheidadressat fristgerecht gegen alle Spruchteile, vertreten durch XXXX Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Nach Wiederholung des Verfahrensganges und der persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer durchgehend bei seinen Eltern gelebt habe, die seit fünfzig Jahren legal in Österreich leben und arbeiten würden und dass sich der Beschwerdeführer von seiner bisherigen Lebensgefährtin getrennt habe und einen neuen Lebensabschnitt beginnen möchte. Die belangte Behörde sei der Verpflichtung zur umfassenden Ermittlung des Sachverhaltes nicht nachgekommen und hätte nicht sämtliche entscheidungsrelevanten Umstände ermittelt. Überdies seien die von der Behörde herangezogenen Länderinformationen weder aktuell noch vollständig und sei insbesondere auf das mangelhafte Gesundheitssystem in Serbien hinzuweisen. Während der Beschwerdeführer in Österreich über intensive soziale und familiäre Anknüpfungspunkte verfügen würde, würden ihm solche in Serbien gänzlich fehlen. Er habe keine Kenntnisse der Umstände vor Ort in Serbien, da er nie im Herkunftsland gelebt habe und könne die serbische Sprache weder schreiben noch lesen. Er habe auch einen engen Kontakt zu sämtlichen Familienangehörigen in Österreich, die ihn auch regelmäßig in der Justizanstalt besuchen oder telefonisch oder über Video Kontakt halten würden. Eine Übersiedlung des Beschwerdeführers würde daher dem Art. 8 EMRK widersprechen. Die Behörde habe für die Dauer des Einreiseverbotes auch keine ausreichende Interessensabwägung, Verhältnismäßigkeitsprüfung und Gefährdungsprognose vorgenommen und nicht berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer seine Tathandlungen zutiefst bereue, in der Haft Therapien und Kurse absolviere und sich bemühe, eine Ausbildung abzuschließen und einen großen Willen habe, mit familiärer Unterstützung sein Leben wieder in den Griff zu bekommen. Bei einer Rückkehr nach Serbien würde er dort ohne Perspektive in eine existentiell bedrohende Notlage geraten. Es wurde schließlich auch die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Vorgelegt wurde eine Therapiebestätigung der XXXX .

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt festgestellt und erwogen:

1. Feststellungen:

Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist serbischer Staatsangehöriger und wurde am XXXX in Österreich geboren. Bereits am 05.06.2000 wurde ihm eine unbefristete Niederlassungsbewilligung nach dem Fremdengesetz wegen Familieneigenschaft erteilt. Er hat in Österreich die Volksschule, die Hauptschule und ein Jahr lang eine Tourismus-Schule besucht und in der Folge eine Lehre als Hotel- und Gastgewerbe-Assistent begonnen, aber nicht abgeschlossen. Dann war er im Gastgewerbe tätig, unterbrochen durch Zeiten der Arbeitslosigkeit. Seine Eltern XXXX und XXXX sind ebenfalls serbische Staatsbürger, welche über eine unbefristete Niederlassungsbewilligung in Österreich verfügen. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Sorgepflichten. Eine früher bestehende Lebensgemeinschaft bzw. Verlobung wurde zwischenzeitig aufgelöst. Er spricht Deutsch und Serbisch. Seine Eltern verfügen über ein Sommerhaus in der Gemeinde XXXX in Serbien, wo er regelmäßig den Urlaub verbracht hat. Der Beschwerdeführer war als Kind und Jugendlicher Fußballer, verfügt jetzt über keine Vereinsmitgliedschaften, hat aber in Österreich Freunde und Verwandte. Der Beschwerdeführer leidet unter keinen schwerwiegenden Erkrankungen, Schlaftabletten und Tabletten gegen Panikattacken hat er zwischenzeitig abgesetzt.

Er wurde in Österreich wie folgt rechtskräftig verurteilt:

1.) Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 14.11.2014, Zl. XXXX wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten (bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren), wobei er gemeinsam mit mehreren Mittätern ein Mobiltelefon raubte.

2.) Mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom 27.08.2018, Zl. XXXX wurde er wegen des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB, des Vergehens der fahrlässigen Herbeiführung einer Feuersbrunst nach § 170 Abs. 1 StGB sowie des Vergehens der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 StGB zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten (bedingt) auf eine Probezeit von drei Jahren verurteilt. Der Verurteilung lag eine versuchte „Geisterbeschwörung“ gemeinsam mit seiner damaligen Verlobten in der XXXX , zugrunde, wobei Fackeln angezündet wurde und der Vorhang in der XXXX zerschnitten wurde und ein Brand entstand, der außer Kontrolle geriet und letztlich zu einem Sachschaden von ungefähr 2 Millionen Euro führte, wobei auch der in der Nähe im Wohnwagen schlafende Unterstandslose in seiner körperlichen Sicherheit gefährdet wurde. Als erschwerend wurde die bereits einschlägige Vorstrafe, mildernd das Geständnis, das Alter unter 21 Jahren sowie das Bemühen um Schadensminderung durch Brandmeldung angeführt.

3. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 05.06.2020, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach § 142 Abs. 1 und 143 Abs. 2 StGB sowie Überlassung von Suchtgift (7 bis 8 kg Marihuana) wegen § 28 a SMG zu einer Freiheitsstrafe von siebeneinhalb Jahren verurteilt. Der Verurteilung lag ein Überfall auf den Vater seiner damaligen Verlobten zu Grunde, den er mit einer Eisenstange niederschlug und ihm gemeinsam mit seiner damaligen Verlobten und seinem Cousin XXXX einen Geldbetrag von 28.350 Euro raubte. Beim Erstangeklagten wurde als erschwerend das Zusammentreffen zweier Verbrechen, die mehrfache Qualifikation des Raubes, die einschlägigen Vorstrafen, das mehrfache Überschreiten der Grenzmenge des § 28 b SMG, die Weitergabe des Suchtgiftes mit Gewinnstreben gewertet, als mildernd hingegen das reumütige Geständnis und der Beitrag zur Wahrheitsfindung sowie die überwiegende Schadensgutmachung.

Der Beschwerdeführer befindet sich in der XXXX in Strafhaft und nimmt dort an der Suchtgruppe teil.

Zu Serbien wird verfahrensbezogen Folgendes festgestellt:

Politische Lage

Letzte Änderung: 1.7.2020

Am 21. Juni 2020 fanden in Serbien die Parlamentswahlen statt. Dies waren die ersten Wahlen, die in Europa in Zeiten der Covid-19 Pandemie abgehalten wurden. Die serbische Fortschrittspartei des Präsidenten Vu?i? gewann rund 62% der Stimmen und erhielt 191 der 250 Sitze im Parlament. Eine so große Mehrheit eröffnet Präsident Vu?i? und der SNS die Möglichkeit, die Verfassung zu ändern. Der bisherige Regierungspartner der SNS, die Sozialisten unter Führung von Außenminister Ivica Dacic, erreichten etwa elf Prozent der Wählerstimmen und sicherte sich damit 32 Mandate. Die neue Partei „Spas“ (Rettung) des ehemaligen Wasserballers Aleksandar Šapi? kommt auf etwa vier Prozent der Stimmen und zwölf Mandate (oiip 30.6.2020).

Wenig überraschend bescherten die Parlamentswahlen am 21. Juni 2020 der regierenden Serbischen Fortschrittspartei (Srpska Napredna Stranka, SNS) einen klaren Wahlsieg. Genau genommen hatte sich die SNS hierfür einen anderen Namen gegeben. Sie trat als Liste "Aleksandar Vu?i? - für unsere Kinder" auf. So erschien Präsident Vu?i? zwar nicht als Kandidat, dominierte aber dennoch den Wahlkampf mit seiner medialen Omnipräsenz. Dass es sich hier um keine freien, geheimen und demokratischen Wahlen handelt, wurde schnell klar. Als um 14 Uhr Ortszeit die Wahlbeteiligung noch bei mageren 22% lag, berichteten Einwohner von Novi Sad und Belgrad, dass Aktivisten der SNS, in Einzelfällen sogar ortsbekannte Hooligans, die sich schon in der Vergangenheit als mietbare Helfer der Regierungspartei hervorgetan hatten, von Haus zu Haus gingen, um Bewohner dazu zu nötigen, zur Wahl zu gehen und für "die richtige Partei" zu stimmen. Tatsächlich verdoppelte sich bis 19 Uhr die Wahlbeteiligung (DS 29.6.2020).

Die zehnte Sitzung der Beitrittskonferenz mit Serbien auf Ministerebene fand am 27.6.2019 in Brüssel statt, um Verhandlungen über Kapitel 9 - Finanzdienstleistungen - aufzunehmen. Mit dieser Konferenz wurden von insgesamt 35 Verhandlungskapiteln 17 für die Verhandlungen geöffnet, von denen zwei bereits vorläufig abgeschlossen wurden. Weitere Beitrittskonferenzen werden gegebenenfalls geplant, um den Prozess in der zweiten Jahreshälfte 2019 voranzutreiben (Der Europäische Rat 27.6.2019).

Serbien führt bereits seit 2014 Beitrittsverhandlungen mit der EU. Die Aussöhnung mit dem Kosovo gilt aber als zentrale Bedingung dafür, dass die Gespräche irgendwann einmal erfolgreich abgeschlossen werden können (Handelsblatt 26.4.2019).

Quellen:

-        Der Europäische Rat, Der Rat der Europäischen Union (27.6.2019): Pressemitteilung, Tenth meeting of the Accession Conference with Serbia at Ministerial level, Brussels, 27 June 2019 https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2019/06/27/tenth-meeting-of-the-accession-conferencewith-serbia-at-ministerial-level-brussels-27-june-2019/, Zugriff 20.9.2019

-        DS - der Standard (29.6.2020): Eastblog, Die serbischen Parlamentswahlen 2020 als Dystopie, https://www.derstandard.at/story/2000118311811/die-serbischen-parlamentswahlen-2020-als-dystopie, Zugriff 1.7.2020

-        Handelsblatt (26.4.2019): EU-Beitritt, Balkanstaaten können auf Start von EU-Beitrittsverhandlungen hoffen, https://www.handelsblatt.com/politik/international/eu-beitritt-balkanstaa-ten-koennen-auf-start-von-eubeitrittsverhandlungen-hoffen/24261104.html?ticket=ST-4670786-2vsL5m wajJEBcdLU5dAX-ap2, Zugriff 20.9.2019

-        oiip - Österreichisches Institut für Internationale Politik (30.6.2020): Serbien und die ersten Wahlen in Europa im Zeitalter von Covid-19. Eine Kurzanalyse in drei Akten, https://www.oiip.ac.at/publikation/serbien-und-die-ersten-wahlen-ineuropa-im-zeitalter-von-covid-19-eine-kurzanalyse-in-drei-akten/, Zugriff 1.7.2020

Bewegungsfreiheit

Covid-19 Pandemie

Letzte Änderung: 5.6.2020

Die Bewegungsfreiheit der Menschen in Serbien (Staatsbürger als auch Fremde) wurde mit Beendigung des Ausnahmezustandes am 7.5.2020 nach fast 2 Monaten wiederhergestellt. Der Ausnahmezustand war aufgrund der festgestellten COVID-19 Entwicklung am 15.3.2020 durch den Präsidenten verfügt worden (VB 11.5.2020).

Seit dem 22. Mai 2020 ist eine Ein- und Durchreise nach und durch Serbien wieder ohne jede Einschränkung möglich. Reisende erhalten an der Grenze ein zweisprachiges Informationsblatt über die zu beachtenden Maßnahmen (AA 3.6.2020).

Keine Einreisebeschränkungen mehr seit 22. Mai 2020 (IOM AVRR 26.5.2020).

Die Verfassung garantiert das Recht auf Reisefreiheit innerhalb des Landes, Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung, und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 11.3.2020). Die Bewegungsfreiheit wird aber nicht immer angemessen geschützt (BTI 29.4.2020).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (3.6.2020): Serbien: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertigesamt.de/de/aussenpolitik/laender/serbien-node/serbiensicherheit/207502, Zugriff 3.6.2020

-         - BTI - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report Serbia, 29. April 2020 https://www.ecoi.net/en/file/local/2029446/country_report_2020_SRB.pdf, Zugriff 12.5.2020

-        IOM - Internationale Organisation für Migration (26.5.2020): AVRR (Assisted Voluntary Return and Reintegration) Information, Flugeinschränkungen und COVID-19 spezifische Einreisebestimmungen (Stand: 26.5.2020), Auskunft von IOM, per E-Mail

-        USDOS - US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Serbia, 11. März 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026363.html, Zugriff 13.5.2020

-        - VB des BM. I für Serbien (11.5.2020): Auskunft des VB, per E-Mail

Letzte Änderung: 5.6.2020

Negative Journalistenberichte über unzureichende Gesundheitssicherheitsmaßnahmen für das eingesetzte medizinische Personal als auch die Sicherheitskräfte wurden von der Regierung umgehend zurückgewiesen. Es gab anfängliche logistische Probleme im ganzen Land die entsprechende Schutzausrüstung bereitzustellen. Zugleich hat Serbien enorme Anstrengungen mithilfe der EU, Chinas und Russlands unternommen, im medizinischen Bereich nachzurüsten, so beim Ankauf zahlreicher Beatmungsgeräte. Eine flächendeckende Versorgung mit der notwendigen medizinischen Ausrüstung scheint nach zwei Monaten COVID-19 Bekämpfung landesweit gegeben zu sein. Serbien hatte den ersten festgestellten COVID-19 Fall am 6.3.2020 im Land bestätigt und nachfolgend eine täglich ansteigende Fallzahl. Gesundheitspolitisch darf der Ausnahmezustand, welcher über 53 Tage (15.3. bis 7.5.2020) Gültigkeit hatte, als erfolgreich bezeichnet werden. Mit Stand 9.5.2020 hatte Serbien 10.032 Erkrankungsfälle und damit verbunden 213 Todesfälle (VB 11.5.2020).

Das Gesundheitsministerium der Republik Serbien hat eine Homepage bezüglich des möglichen Auftretens des Coronavirus (COVID-19) mit Informationen und Verhaltensregeln auf Englisch online gestellt, welche laufend aktualisiert wird (BMEIA 12.5.2020).

Auf dem Portal www.covid19.rs werden täglich Informationen zur Ausbreitung des Coronavirus aktualisiert und Empfehlungen zum Umgang mit der Situation sowie eine Hotline-Nummer sind dort veröffentlicht. Lockerungen seit 6.5.2020:

•        Alle Exportverbote, die während der Covid-19 Krise eingeführt wurden, sind wieder aufgehoben

•        Keine Ausgangssperren

•        Kein Einsatz von Militär für zivile Zwecke

•        Öffentliche Verkehrsmittel werden wieder den Betrieb aufnehmen

•        Handschuhe- und Schutzmaskenpflicht in öffentl. Verkehrsmitteln sowie Gaststätten

•        Kindergärten öffnen wieder, aber Schulen bleiben geschlossen (Unterricht online)

•        Kinos und Theater bleiben geschlossen

•        Abstandspflicht von 2 Metern und weiterhin Social Distancing

•        Größere Zusammentreffen (Feiern) erst ab 15. Juni erlaubt, derzeit sind Versammlungen im

Innen- sowie Außenbereich bis 50 Personen unter Befolgung der Schutz- und Desinfektionsmaßnahmen zugelassen (WKO 8.5.2020).

Die Vorschriften im Zusammenhang mit dem neuen Coronavirus (COVID-19) ändern sich laufend (EDA 3.6.2020).

Die Modernisierung der Labore in Serbien wird von der EU mit 7,5 Millionen Euro unterstützt. Die EU hat insgesamt 38 Millionen Euro Soforthilfe an die sechs Nicht-EU-Staaten auf dem Balkan - etwa für Beatmungsgeräte - zur Verfügung gestellt. Das weitaus meiste Geld davon (nämlich 15 Millionen) bekam Serbien, um die fünf Flugtransporte mit den Hilfsgütern zu bezahlen. In Serbien wurden bisher etwa 26.000 Personen getestet, davon waren über 4.800 positiv, das sind etwa 5,4 %. Problematisch ist zurzeit vor allem, dass das Virus sich auch in zwölf Heimen verbreitet hat - darunter zwei Heime für Behinderte. Der serbische Präsident selbst hatte angegeben, dass Serbien von China einige Beatmungsgeräte geschenkt bekommen habe und einige von China eingekauft habe (DS 16.4.2020).

Quellen:

-        BMEIA - Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten (11.5.2020): Republik Serbien, Aktuelle Hinweise, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/serbien/, Zugriff 11.5.2020

-        DS - der Standard (16.4.2020): International, Europa, Serbien, Covid-19, Serbien wirft sich China an die Brust, https://www.oslobodjenje.ba/vijesti/region/postignut-dogovor-gradani-srbije-izlaze-na-izbore-21-juna-553995, Zugriff 5.5.2020

-        EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (3.6.2020): Serbien, Reisehinweise für Serbien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/serbien/reisehinweise -fuerserbien.html, Zugriff 3.6.2020

-        VB des BM. I in Serbien (11.5.2020): Auskunft des VB, per E-Mail

-        WKO - Wirtschaftskammer Österreich (8.5.2020): Coronavirus: Situation in Serbien, Aktuelle Lage und Info-Updates, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-situation-in-serbien.html#heading Einreise-und_Reisebestimmungen, Zugriff 11.5.2020

Grundversorgung / Wirtschaft

Letzte Änderung: 5.6.2020

Die Stärkung der serbischen Wirtschaft ist seit Jahren eines der innenpolitischen Hauptthemen. Als EU-Beitrittskandidat strebt Serbien nach Anpassung an die EU-Standards. Die Wirtschaftszahlen zeigen große Erfolge bei der Haushaltskonsolidierung sowie eine leichte Besserung mit Blick auf die allgemeine Wirtschaftsentwicklung (AA 2.5.2019c).

Trotz erheblicher Reformanstrengungen und dem grundsätzlichen Umbau einer verstaatlichten, reglementierten und von starken Einbrüchen geprägten zu einer modernen Marktwirtschaft sieht sich Serbien auch nach einem Jahrzehnt grundlegenden Strukturproblemen gegenüber, welche die wirtschaftliche und Haushaltsstabilität bedrohen (LIPortal Wirtschaft & Entwicklung 9.2019). Im Jahr 2019 lag die Arbeitslosenquote in Serbien bei rund 10,9%. Für das Jahr 2021 wird die Arbeitslosenquote in Serbien auf rund 13% prognostiziert. Die Jugendarbeitslosenquote (bei 14 bis 24-jährigen) wird bei rund 32,05% geschätzt. Im Jahr 2018 betrug das Bruttoinlandsprodukt in Serbien rund 50,5 Milliarden US-Dollar. Für das Jahr 2024 wird das BIP Serbiens auf rund 75,2 Milliarden US-Dollar prognostiziert. Im Jahr 2018 betrug das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Serbien rund 7.223 US-Dollar. Im Jahr 2019 belief sich die durchschnittliche Inflationsrate in Serbien auf rund 2% gegenüber dem Vorjahr (Statista 24.4.2020).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (2.5.2019c): Serbien: Wirtschaft,  https://www.auswaertiges-

-        amt.de/de/aussenpolitik/laender/serbien-node/wirtschaft/207504, Zugriff 3.10.2019

-        LIPortal - Das Länder-Informations-Portal (9.2019): Serbien, Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/serbien/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 3.10.2019

-        Statista - deutsches Online-Portal für Statistik (24.4.2020): Serbien, Arbeitslosenquote in Serbien bis 2018, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/368629/umfrage/bruttoinlandsprodukt-bip-pro-kopf-in-serbien/, Zugriff 5.6.2020

Sozialbeihilfen

Letzte Änderung: 5.6.2020

Armut in Serbien ist v.a. ein ländliches Phänomen und betrifft außerdem sozial benachteiligte Gruppe überproportional, unter anderem Roma. Zugleich ist das bisher gültige System der Sozialhilfe nicht angepasst an die Bedürfnisse der Bedürftigsten, es kommt bisher nur ein kleinerer Teil der Transferzahlungen bei Ihnen an. Mit Unterstützung der Weltbank hat die serbische Regierung in den letzten Jahren erste Schritte zu einer Reform des Sozialhilfesystems unternommen (LIPortal Wirtschaft & Entwicklung 9.2019).

Ein Sozialamt ist in allen Gemeinden Serbiens zu finden. Der Umfang der Aktivitäten, der seitens der Sozialämter angeboten wird, beinhaltet Unterstützung für folgende Personengruppen: Individuen oder Familien ohne Einkommen, Menschen mit Behinderungen oder ältere Menschen, die nicht in der Lage sind, für sich selber zu sorgen, Waisen, Drogen- oder Alkoholabhängige, Verurteilte, die sich im Gefängnis aufhalten, minderjährige Eltern, Familien mit drei oder mehr Kindern. Zusätzlich gibt es spezielle Unterstützung um Familiengewalt vorzubeugen. Sozialhilfe ist in Serbien kostenfrei. Das Sozialsystem ist für jeden serbischen Staatsbürger zugänglich (IOM Country Fact Sheet 2018).

Anspruch auf Sozialhilfe haben in Serbien Bürger, die arbeitsunfähig sind und auch sonst keine Mittel zum Unterhalt haben. Außerdem sind Bürger sozialhilfeberechtigt, die ihren Unterhalt durch ihre Arbeit allein, durch Unterhaltspflichten von Verwandten, durch ihr Vermögen oder auf andere Art und Weise nicht sichern können. Neben der Sozialhilfe wird als weitere staatliche Unterstützungsmaßnahme an Bedürftige monatlich Kindergeld in Höhe von umgerechnet ca. 25 Euro ausbezahlt (AA 3.11.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (3.11.2019): Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Serbien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG (Stand: August 2019), https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/684671/10074631/10075491/10075545/21601316 /Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_ der_Republik_Serbien_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylVfG_%28Stand_
August_2019%29%2C_03%2E11.2019.pdf?nodei d=21601317&vernum=-2, Zugriff 13.5.2020

-        LIPortal - Das Länder-Informations-Portal (9.2019): Serbien, Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/serbien/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 3.10.2019

-        IOM - Internationale Organisation für Migration (geändert 1.4.2019): Länderinformationsblatt Serbien 2018, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/772192/ 18363839/Serbien_%2D_Country_Fact_Sheet_2018%2C_deutsch.pdf?nodeid=20101616&vernum=-2, Zugriff 19.9.2019

Rückkehr

Letzte Änderung: 5.6.2020

Seit dem 22. Mai 2020 ist eine Ein- und Durchreise nach und durch Serbien wieder ohne jede Einschränkung möglich. Reisende erhalten an der Grenze ein zweisprachiges Informationsblatt über die zu beachtenden Maßnahmen (AA 3.6.2020).

Keine Einreisebeschränkungen mehr seit 22. Mai 2020 (IOM AVRR 26.5.2020).

(Für nähere Informationen zum Ausnahmezustand und zur Bewegungsfreiheit, siehe Abschnitt „Bewegungsfreiheit“.)

Durch das StarthilfePlus - Level D Programm, bietet IOM Serbien konkrete Unterstützung bei der Reintegration von Rückkehrenden an. Außerdem stellt das DIMAK Beratungszentrum (Deutsches Informationszentrum für Migration, Ausbildung und Karriere in Serbien) durch sein “Build Your Future”-Programm immaterielle Unterstützung bei der Reintegration zur Verfügung. Das Programm klärt darüber auf, welche Möglichkeiten es für die Betroffenen in Serbien gibt (inklusive Weiterbildungsmöglichkeiten) und unterstützt bei der Jobbewerbung. Zusätzlich organisiert DIMAK in Zusammenarbeit mit Firmen, die neues Personal suchen, regelmäßig Berufsmessen in Serbien. Nach der Rückkehr sollte die rückkehrende Person sich bei relevanten Behörden und Stellen (wieder) anmelden; dazu ist unbedingt der Personalausweis erforderlich - dieser kann, falls nötig, bei einer lokalen Polizeistelle beantragt werden; sich für die (staatliche) Krankenversicherung/Rentenversicherung anmelden; Sozialhilfe beantragen; Stellen kontaktieren, die bei der Arbeits- und Wohnungssuche unterstützen; die Anmeldung bei Kinderbetreuung, Schule und weitere Bildungsinstitutionen in die Wege leiten (IOM 2019).

Serbische Staatsangehörige, die zurückgeführt wurden, können nach ihrer Ankunft unbehelligt in ihre Heimatstädte fahren. Eine Befragung durch die Polizei u.ä. findet nicht statt, sofern nicht in Serbien aus anderen Gründen Strafverfahren anhängig sind. Sanktionen wegen der Stellung eines Asylantrags im Ausland gibt es weder de iure noch de facto. Als erste Anlaufstelle für Rückkehrer dient ein Wiederaufnahmezentrum für Rückgeführte am Flughafen Belgrad, das eine Informationsbroschüre auf Deutsch, Serbisch und Romanes bereithält, die u.a. Fragen zur Registrierung und den dafür erforderlichen Unterlagen sowie Kontakttelefonnummern enthält (AA 3.11.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (3.6.2020): Serbien: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertigesamt.de/de/aussenpolitik/laender/serbien-node/serbiensicherheit/207502, Zugriff 3.6.2020

-        AA - Auswärtiges Amt (3.11.2019): Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Serbien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG (Stand: August 2019), https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/684671/10074631/10075491/10075545/21601316/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Serbien_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylVfG_%28Stand_August_2019%29%2C_03%2E11.2019.pdf?nodei d=21601317&vernum=-2, Zugriff 13.5.2020

-        IOM - Internationale Organisation für Migration (26.5.2020): AVRR (Assisted Voluntary Return and Reintegration) Information, Flugeinschränkungen und COVID-19 spezifische Einreisebestimmungen (Stand: 26.5.2020), Auskunft von IOM, per E-Mail

-        IOM - Internationale Organisation für Migration (2019 - geändert 19.3.2020): Länderinformationsblatt Serbien 2019, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/ 698578/704870/772192/18363839/Serbien_%2D_Country_Fact_Sheet_2019%2C_deutsch.pdf?nodeid=21859810&vernum=-2, Zugriff 13.5.2020

Beweis wurde erhoben durch Durchführung des schriftlichen Parteiengehörs durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, mit Schreiben vom 13.08.2020, durch niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich am 06.10.2020, durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der belangten Behörde zur Zahl XXXX , beinhaltend insbesondere das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 05.06.2020, Zl. XXXX , durch Einsichtnahme in den den Beschwerdeführer betreffenden Strafregisterauszug sowie Einsichtnahme in die vom Bundesverwaltungsgericht angeforderten Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 14.11.2014, Zl. XXXX sowie des Bezirksgerichtes XXXX vom 20.03.2018 zur Zahl XXXX .

2. Beweiswürdigung:

Die länderspezifischen Feststellungen sind dem nach wie vor aktuellen Länderinformationsblatt der Staatenddokumentation vom 05.06.2020 (aktualisiert am 01.07.2020) entnommen und wurden bereits im angefochtenen Bescheid wiedergegeben, sodass sie dem Beschwerdeführer als bekannt vorauszusetzen sind. Die Behauptung, dass die herangezogenen Länderinformationen nicht aktuell sind, kann nicht nachvollzogen werden, zumal es sich um das nach wie vor aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation handelt und der Beschwerdeführer auch nicht genau darlegt, warum diese nicht mehr aktuell wären. Die Ausführungen zu der Situation im Strafvollzug in Serbien sind nicht verfahrensrelevant, zumal die Durchführung des weiteren Strafvollzuges in Serbien nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer unter keinen schwerwiegenden Erkrankungen leidet, sondern vielmehr gesund ist, ergibt sich eindeutig aus seiner diesbezüglichen Aussage vor der belangten Behörde („Ich bin gesund.“) und der weiteren Aussage, dass er die bisher eingenommenen Schlaftabletten und Medikamente gegen Panikattacken absetze sowie weiters aus der Nichtvorlage gegenteiliger medizinischer Befunde. Es gehen daher auch die Ausführungen in der Beschwerde zum Gesundheitssystem in Serbien ins Leere.

Die Feststellungen, zu den persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem Verfahrensakt, insbesondere den Aussagen des Beschwerdeführers in der bereits erwähnten Einvernahme vom 06.10.2020.

Die Feststellungen über die Verurteilungen des Beschwerdeführers sind den Bezug habenden Strafurteilen (einschließlich des eingeholten Strafregisterauszuges) entnommen, wobei auch die Erschwernis- und Milderungsgründe und Beschreibung der Tathandlungen aufgrund dieser Urteile entsprechend der jüngsten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes in die obigen personenbezogenen Feststellungen aufgenommen wurden (VwGH vom 10.02.2021, Ra 2020/18/0205).

Die Behauptung des Beschwerdeführers, dass er bei der der letzten Verurteilung zugrundeliegenden Tathandlungen seinem damaligen angehenden Schwiegervater lediglich einen Denkzettel verpassen wollte, weil dieser seiner Tochter nicht geglaubt haben soll, dass sie von ihrem Bruder vergewaltigt worden sei, widerspricht eindeutig dem in dem bezughabenden Strafurteil vom 05.06.2020 angeführten Tathergang und der Qualifizierung der Tat als schweren Raub und nicht als Körperverletzung. Außerdem wurde in dem Urteil nachvollziehbar festgestellt, dass aufgrund der tristen Vermögenssituation des Beschwerdeführers und seiner damaligen Verlobten (insbesondere Schulden von rund 2 Millionen Euro wegen einer von ihnen zu verantwortender Brandstiftung) die Angeklagten den Plan geschmiedet hätten, Geld bei XXXX , dem Vater der Drittangeklagten zu besorgen, indem sie ihm Bargeld wegnehmen wollten, was sie schließlich auch getan haben, wobei der Bargeldbetrag die nicht unbeträchtliche Höhe von 28.835,-- Euro umfasste. Das Vorbringen des Beschwerdeführers über eine aus dem Rahmen gelaufene Verpassung eines „Denkzettels“ wird daher als unglaubwürdige Schutzbehauptung qualifiziert. Vielmehr ist aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes über die im Urteil angeführten Erschwernisgründe noch erschwerend zu vermerken, dass der Beschwerdeführer eine ihm (damals) nahestehende Person, nämlich seinen „Schwiegervater in spe“, mit hoher Brutalität attackierte, wobei er ihm mit einer Eisenstange auf den Kopf schlug.

In dem Strafurteil vom 05.06.2020 ist auch vermerkt, dass der Beschwerdeführer – zumindest eine Zeitlang – gemeinsam mit seiner damaligen Lebensgefährtin in einer Gemeindewohnung in Wien 3 und nicht in der Wohnung seiner Eltern in XXXX gelebt hat.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu I.)

Gemäß § 52 Abs 5 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt EU“ verfügt, eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs 3 FPG die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1.         die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2.         das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3.         die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4.         der Grad der Integration,
5.         die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6.         die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7.         Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8.         die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9.         die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechtes ist gemäß Abs. 2 leg. cit. nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu (VfSlg. 17.516 und VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

Der Beschwerdeführer ist volljährig und gesund. Er hat auch nicht ununterbrochen seit der Zeit vor seiner Volljährigkeit immer im Familienverband im gemeinsamen Haushalt gelebt, sondern zeitweilig (wenn auch offenbar unangemeldet) gemeinsam mit seiner damaligen Verlobten und sind besondere Abhängigkeiten oder Hilfsbedürftigkeiten des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Eltern und Geschwister nicht zutage getreten. Darüber hinaus ist ein allfälliges Familienleben auch durch die lange Haftstrafe eingeschränkt und (mag es auch regelmäßige Kontakte zu den Familienangehörigen geben).

Der Begriff des Privatlebens iSd Art. 8 EMRK ist weit zu verstehen und umfasst das persönliche und berufliche Umfeld eines Menschen, in dem er mit anderen interagiert. Nach ständiger Rechtsprechung des EGMR ist die Gesamtheit der sozialen Beziehungen zwischen einem ansässigen Migranten und der Gemeinschaft, in der er lebt, integraler Bestandteil des Begriffs des Privatlebens (EGMR 13.10.2011, 41548/06, Trabelsi/DE; EGMR [GK] 23.06.2008, 1638/03, Maslov/AT). Dazu zählen auch berufliche und geschäftliche Beziehungen. Wie stark das Privatleben ausgeprägt ist, hängt in erster Linie von der Dauer des Aufenthalts ab. Für die Annahme eines in den Schutzbereich von Art. 8 EMRK fallenden Privatlebens ist keine konkrete Mindestaufenthaltsdauer erforderlich. Die bereits in Österreich verbrachte Zeit und die dabei erfolgte Integration ist erst bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu beachten (vgl. Peyerl/Czech in Abermann ua. (Hrsg), NAG § 11 Rz 38).

Der Beschwerdeführer ist wohl schon sehr lange, nämlich seit seiner Geburt vor rund 22 Jahren in Österreich aufhältig und sind auch seine Eltern, Geschwister und weitere Verwandte hier in Österreich legal niedergelassen, die Bindungen zu seinem Herkunftsstaat Serbien sind jedoch nicht zur Gänze abgerissen, zumal der Beschwerdeführer selbst angegeben hat, die Urlaube regelmäßig im Sommerhaus der Familie in Serbien verbracht zu haben und ist daher davon auszugehen, dass er nach wie vor auch über soziale Kontakte und allenfalls auch Kontakte zu weiteren Verwandten in Serbien verfügt. Der Beschwerdeführer spricht auch nach wie vor die serbische Sprache, mag er auch besser Deutsch als Serbisch sprechen.

Jedenfalls verfügt er in Serbien auch über eine Wohnmöglichkeit. Mit Sicherheit anzunehmen ist, dass der Beschwerdeführer, der zuletzt in der Wohnung seiner Eltern in Wien lebte, auch im Sommerhaus der Familie in der Gemeinde XXXX leben kann.

Aufgrund seiner Serbisch-Kenntnisse und seiner mehrjährigen Praxis im Gastgewerbe ist dem Beschwerdeführer auch zuzumuten - mag die Arbeitsplatzsituation in Serbien auch schwierig sein – in Serbien beispielsweise als Kellner zu arbeiten. Es ist dem Beschwerdeführer als jungen Mann mit Schulbildung durchaus auch zuzumuten, die cyrillische Schrift zu lernen.

Es gibt jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer als junger gesunder und arbeitsfähiger Mann mit Schulausbildung und Berufspraxis, insbesondere im Gastgewerbe, nicht in der Lage wäre, auch in Serbien durch Erwerbsarbeit seine Existenz zu sichern. Außerdem ist es nicht ausgeschlossen, dass ihn seine Familienangehörigen und Verwandten von Österreich in Serbien unterstützen könnten.

Der zentrale Grund für die Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung ist die mehrfache und zuletzt äußerst schwere Straffälligkeit des Beschwerdeführers und das damit verbundene große öffentliche Interesse an der Außerlandesbringung des Beschwerdeführers:

Weitgehende Unbescholtenheit gilt als wichtiges Element für die Annahme sozialer Integration (vgl. VwGH 05.07.2005, 2004/21/0124 u.a.; sowie Marx, Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG wegen Verwurzelung, ZAR, 2006, 261 ff).

Der VwGH geht wohl davon aus, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält, als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält. Zu Lasten eines Fremden ins Gewicht fallen jedoch sehr wohl rechtskräftige Verurteilungen durch ein inländisches Gericht (vgl. Erk. d. VwGH vom 27.2.2007, 2006/21/0164, mwN, wo dieser zum wiederholten Male klarstellt, dass das Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung den öffentlichen Interessen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK eine besondere Gewichtung zukommen lässt).

Typischerweise besonders schwere Verbrechen sind etwa Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub und dergleichen (z.B. VwGH vom 04.05.2018, Ra 2017/19/50531 mit weiteren Hinweisen, VwGH vom 25.10.2018, Ra 2018/20/0360).

Auch bei einem mehr als zehnjährigen Aufenthalt und dem Vorliegen gewisser integrationsbegründender Aspekte ist nicht zwingend von einem Überwiegen des persönlichen Interesses (am weiteren Aufenthalt in Österreich) auszugehen, insbesondere, wenn eine mehrfache Straffälligkeit vorliegt (zB VwGH vom 17.10.2016 Ra 2016/22/005, VwGH vom 23.01.2020 Ra 2019/21/0378, VwGH vom 28.05.2020 Ra 2020/21/0073 ua.). In diesem Zusammenhang ist nochmals darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer ein besonders schweres Verbrechen begangen hat, überdies weitere Verbrechen und zudem eine Suchtgiftdelinquenz vorliegt, das als ein besonders verpöntes Fehlverhalten, an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht, anzusehen ist (VwGH vom 12.09.2019 Ra 2019/20/0322, Ra 2020/14/0108).

Bei schwerwiegenden, kriminellen Handlungen etwa nach dem SMG, können diese die Erlassung einer Rückkehrentscheidung daher auch dann tragen, wenn diese zur Trennung von Familienangehörigen führt (VwGH vom 28.11.2019 Ra 2019/19/0359, VwGH vom 08.04.2020 Ra 2020/14/0108 sowie jüngst VwGH vom 10.02.2021, Ra 2020/18/0205). Dies muss umso mehr für den Bereich des Privatlebens gelten. Die Aufrechterhaltung des Kontakts zu seinen Familienangehörigen und Verwandten in Österreich ist daher auch über elektronische Medien oder Briefkontakte (wie er auch jetzt während der Strafhaft des Beschwerdeführers weitgehend erfolgt), möglich, zumal es sich um erwachsene Personen und keine Kleinkinder handelt.

In einer solchen Konstellation wiegt zudem das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung besonders schwer. Angesichts dessen sind auch Schwierigkeiten bei der Gestaltung der Lebensverhältnisse im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen (vgl. VwGH vom 15.03.2016, Zl. Ra 2015/21/0180).

Aufgrund der gravierenden Straffälligkeit des Beschwerdeführers ist daher ein Überwiegen des öffentlichen Interesses, insbesondere der Wahrung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gegenüber den privaten Interessen an einem weiteren Verbleib des Beschwerdeführers in Österreich festzustellen.

Die Verhängung der Rückkehrentscheidung war daher nicht zu beanstanden und erscheint auch nicht unverhältnismäßig.

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

Es ist festzuhalten, dass im vorliegenden Fall kein Bedrohungsszenario iSd § 50 FPG vorliegt.

Die Abschiebung ist schließlich nach § 50 Abs. 3 FPG zulässig, solange ihr keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine derartige Empfehlung besteht für Serbien nicht. Vielmehr handelt es sich bei Serbien um einen sicheren Herku

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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