Entscheidungsdatum
25.03.2021Norm
BFA-VG §34 Abs3 Z1Spruch
W154 2231675-6/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. KRACHER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die Deserteurs- und Flüchtlingsberatung, gegen die Festnahme vom 4.12.2020 zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 iVm § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.
II. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG abgewiesen.
Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Ersatz der Eingabengebühr wird zurückgewiesen
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 2.12.2015 im Bundesgebiet den ersten Antrag auf internationalen Schutz. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.2.2019, GZ W271 2170813-1, wurde dieser Antrag rechtskräftig abgewiesen und die zuvor durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt oder belangte Behörde) erlassene Rückkehrentscheidung bestätigt. Der Beschwerdeführer erhob dagegen Verfassungsgerichtshofbeschwerde, welche mit Beschluss des VfGH vom 12.6.2019, E1260/2019-7 abgelehnt wurde. Weiters erhob der Beschwerdeführer Revision, welche mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes am 2.12.2019, Ra2019/14/0408-13, zurückgewiesen wurde.
Nachdem der Beschwerdeführer am 16.2.2020 erstmals in Schubhaft genommen worden war, brachte er im Stande der Schubhaft am 26.2.2020 einen Folgeantrag auf internationalen Schutz ein. Mit mündlich verkündetem Bescheid des Bundesamtes vom 20.3.2020 wurde der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.3.2020, GZ W144 2170813-2/3E, wurde festgestellt, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes rechtmäßig sei.
Am 14.9.2020 wurde der Beschwerdeführer aus der (ersten) Schubhaft entlassen.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 30.9.2020 wurde der zweite Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und die dagegen rechtzeitig erhobene Beschwerde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.10.2020 unter GZ W123 2170813-3/3E als unbegründet abgewiesen.
Am 4.12.2020 verließ der Beschwerdeführer seine Betreuungsstelle und gab beim Bundesamt im Rahmen einer ab 12:10 durchgeführten niederschriftlichen Einvernahme bekannt, dass er nach Wien ziehen werde, er habe da schon Termine auf der Uni. Er wolle nicht in Villach bleiben, sondern nach Wien oder Niederösterreich übersiedeln und jedenfalls nicht nach Afghanistan zurückkehren, sondern alles tun, um dies zu verhindern.
Auf Grund der Aussagen des Beschwerdeführers wurde ein Festnahmeauftrag nach § 34 Abs. 3 Z 1 BFA-VG - Vorliegen der Voraussetzungen für Sicherungsmaßnahmen erlassen und im Wesentlichen folgendermaßen begründet:
„Die Voraussetzungen zur Verhängung der Schubhaft nach § 76 FPG oder zur Anordnung gelinderer Mittel gemäß § 77 Abs. 1 FPG liegen vor und die Vorführung vor das Bundesamt
erfolgt nicht aus anderen Gründen.
Kommt in den Parteienverkehr und will jedenfalls verziehen und die BS Villach verlassen.“
Der Beschwerdeführer wurde daraufhin am 4.12.2020 um 12:40 Uhr im Bundesamt, Regionaldirektion Kärnten, festgenommen und ins PAZ Villach verbracht, wo ihm am 4.12.2020 um 12:50 Uhr nachweislich die Information über die bevorstehende Abschiebung am 16.12.2020 ausgefolgt wurde, wobei er die Unterschrift verweigerte.
Nach Durchführung der Einvernahme am 4.12.2020 ordnete das Bundesamt am selben Tag unter der Zahl 1097594409-201218872 gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm. § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung an. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 4.12.2020 um 16:50 Uhr ausgefolgt und damit erlassen.
Am 6.12.2020 stellte der Beschwerdeführer einen weiteren Folgeantrag im Stande der Schubhaft. Mit Aktenvermerk des Bundesamtes vom 7.12.2020 wurde aus den darin näher dargelegten Gründen gemäß § 76 Abs. 6 FPG die Aufrechterhaltung der Schubhaft wegen Verzögerungsabsicht angeordnet. Dieser Aktenvermerk wurde dem Beschwerdeführer am selben Tag um 18:40 Uhr persönlich ausgefolgt.
Die gegen den Bescheid vom 4.12.2020, Zahl 1097594409-201218872, sowie die Anhaltung in Schubhaft erhobene fristgerechte Beschwerde wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichtes mit im Anschluss an eine mündliche Verhandlung am 10.12.2020 mündlich verkündetem Erkenntnis als unbegründet abgewiesen. Die schriftliche Ausfertigung dieses Erkenntnisses erfolgte am 23.12.2020 unter der GZ G301 2231675-5/12E.
Am 16.12.2020 wurde der Beschwerdeführer nach Afghanistan abgeschoben.
Am 14.1.2021 langte beim Bundesverwaltungsgericht die gegenständliche Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 1 BFA-VG gegen die Festnahme am 4.12.2020 ein.
Begründet wurde diese im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer nach seiner Entlassung aus der ersten Schubhaft in der Bundesbetreuung in Villach untergebracht und aufrecht gemeldet gewesen sei. Wegen einer Covid 19 Erkrankung hätte er sich zwischenzeitlich in Quarantäne befunden und der Kontakt zur ausgewiesenen Vertretung habe in diesem Zeitraum ausschließlich via E-Mail und Telefon stattgefunden. Nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über den Folgeantrag habe er eine ausführliche Perspektivenbesprechung sowie eine Aufklärung darüber, ob und unter welchen Umständen er mit einer Abschiebung zu rechnen habe, gewünscht. Die Rechtsberaterin der ausgewiesenen Vertretung habe ihm telefonisch mitgeteilt, dass eine derartige Beratung nicht fernmündlich durchgeführt werden könne, sondern sich der Beschwerdeführer zu diesem Zweck zu einem Beratungsgespräch nach Wien begeben müsse. Alternativ habe sie auf Betreuungseinrichtungen vor Ort und zudem auf diverse bestehende Beschränkungen, wie zum Beispiel die Gebietsbeschränkung gemäß § 12 Abs. 2 AsylG und die zum damaligen Zeitpunkt geltende Ausgangsbeschränkung im Zusammenhang mit der Pandemie und die verhängte Quarantäne, verwiesen. Aus Sicht der Rechtsberaterin sei eine kurzfristige Anreise zum Zweck einer notwendigen Rechtsberatung aber erlaubt gewesen. Dementsprechend hätten sie vereinbart, dass der Beschwerdeführer in der Betreuungsstelle Villach Informationen einholen wolle. Der Beschwerdeführer hätte daraufhin eine Mitarbeiterin der Betreuungsstation gefragt, ob er zum Zweck einer Rechtsberatung nach Wien anreisen dürfe. Diese Mitarbeiterin habe ihm empfohlen, diesbezüglich bei der belangten Behörde vorzusprechen. Am 4.12.2020 sei der Beschwerdeführer freiwillig persönlich bei der belangten Behörde erschienen und hätte sich erkundigt, ob eine Reise nach Wien für einen Rechtsberatungstermin erlaubt wäre. Daraufhin sei ihm eröffnet worden, dass er am 16.12.2020 abgeschoben werde, man habe ihn festgenommen und in weiterer Folge über ihn gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG Schubhaft verhängt. Bis zu seiner Abschiebung habe sich der Beschwerdeführer in Schubhaft befunden.
Beantragt wurde die zeugenschaftliche Einvernahme der Rechtsberaterin.
Zudem wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge
? eine mündliche Verhandlung anberaumen
? feststellen, dass die Festnahme des Beschwerdeführers am 4.12.2020 rechtswidrig gewesen sei
? der belangten Behörde die Kosten des Verfahrens gemäß der anzuwendenden Verordnung einschließlich der Eingabengebühr auferlegen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist somit Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG.
Er stellte am 2.12.2015 im Bundesgebiet den ersten Antrag auf internationalen Schutz. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.2.2019, GZ W271 2170813-1, wurde dieser Antrag rechtskräftig abgewiesen und die zuvor durch die belangte Behörde erlassene Rückkehrentscheidung bestätigt. Der Beschwerdeführer erhob dagegen Verfassungsgerichtshofbeschwerde, welche mit Beschluss des VfGH vom 12.6.2019, E1260/2019-7 abgelehnt wurde. Weiters erhob der Beschwerdeführer Revision, welche mit Beschluss des VwGH am 2.12.2019, Ra2019/14/0408-13 zurückgewiesen wurde.
In weiterer Folge kam der Beschwerdeführer seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach.
Am 26.2.2020 brachte er im Stande der Schubhaft einen Folgeantrag auf internationalen Schutz ein. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 30.9.2020 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und die dagegen rechtzeitig erhobene Beschwerde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.10.2020 unter GZ W123 2170813-3/3E als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer gab nach Verlassen seiner Betreuungsstelle beim Bundesamt im Rahmen einer am 4.12.2020 ab 12:10 durchgeführten niederschriftlichen Einvernahme eindeutig und ausdrücklich bekannt, dass er nach Wien ziehen werde, er habe da schon Termine auf der Uni. Er wolle nicht in Villach bleiben, sondern auf seine Kurse, nach Wien oder Niederösterreich übersiedeln und jedenfalls nicht nach Afghanistan zurückkehren, sondern alles tun, um dies zu verhindern. Im Gegensatz zum Beschwerdevorbringen erkundigte er sich dort nicht, ob er lediglich zum Zweck der Rechtsberatung nach Wien fahren könne und erwähnte einen Rechtsberatungstermin als Grund für seine geplante Fahrt nicht ansatzweise.
Auf Grund der Aussagen des Beschwerdeführers wurde ein Festnahmeauftrag nach § 34 Abs. 3 Z 1 BFA-VG - Vorliegen der Voraussetzungen für Sicherungsmaßnahmen erlassen und im Wesentlichen folgendermaßen begründet:
„Die Voraussetzungen zur Verhängung der Schubhaft nach § 76 FPG oder zur Anordnung gelinderer Mittel gemäß § 77 Abs. 1 FPG liegen vor und die Vorführung vor das Bundesamt
erfolgt nicht aus anderen Gründen.
Kommt in den Parteienverkehr und will jedenfalls verziehen und die BS Villach verlassen.“
Der Beschwerdeführer wurde daraufhin am 4.12.2020 um 12:40 Uhr im Bundesamt festgenommen und ins PAZ Villach verbracht.
Am selben Tag ordnete das Bundesamt unter der Zahl 1097594409-201218872 gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm. § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung an. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 4.12.2020 um 16:50 Uhr ausgefolgt und damit erlassen. Die gegen den Bescheid vom 4.12.2020, Zahl 1097594409-201218872, sowie die Anhaltung in Schubhaft erhobene fristgerechte Beschwerde wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichtes mit im Anschluss an eine mündliche Verhandlung am 10.12.2020 mündlich verkündetem Erkenntnis als unbegründet abgewiesen. Die schriftliche Ausfertigung dieses Erkenntnisses erfolgte am 23.12.2020 unter der GZ G301 2231675-5/12E.
Am 6.12.2020 stellte der Beschwerdeführer einen weiteren Folgeantrag im Stande der Schubhaft.
Am 16.12.2020 wurde der Beschwerdeführer nach Afghanistan abgeschoben.
2. Beweiswürdigung:
Der oben angeführte Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes und der vorliegenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes, sowie der Einsichtnahme in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung.
Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht mehr aufzunehmen. Von der Durchführung einer Verhandlung konnte daher abgesehen werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit
Gemäß Artikel 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) idgF erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden
1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit;
2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;
3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde;
4. gegen Weisungen gemäß Art. 81a Abs. 4.
Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
§ 7 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr 87/2012 idgF, lautet:
(1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über
1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes,
2. Beschwerden gegen Bescheide der Vertretungsbehörden gemäß dem 11. Hauptstück des FPG,
3. Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG,
4. Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes und
5. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesministers für Inneres in Verfahren gemäß §§ 3 Abs. 2 Z 1 bis 6 und 4 Abs. 1 Z 1 und 2
Gemäß § 7 Abs. 2 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision oder der Verfassungsgerichtshof einer Beschwerde gegen ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes gemäß Abs. 1 stattgegeben hat.
Für das gegenständliche Verfahren ist sohin das Bundesverwaltungsgericht zuständig.
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A)
Zu Spruchpunkt I. Beschwerde gegen die Festnahme
1. Gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG hat der Fremde das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist (Z 1), er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde (Z 2), oder gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde (Z 3). Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten gemäß Abs. 1a leg.cit. die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.
Behörde im Inland nach diesem Bundesgesetz ist gemäß § 3 Abs. 1 BFA-VG das Bundesamt mit bundesweiter Zuständigkeit. Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben das Bundesamt gemäß § 6 BFA-VG bei der Erfüllung seiner Aufgaben, insbesondere durch Wahrnehmung der ihnen gemäß §§ 36 bis 47 leg.cit. eingeräumten Aufgaben und Befugnisse, zu unterstützen.
Das Bundesamt ist daher betreffend die Festnahme und Anhaltung gemäß § 40 BFA-VG die belangte Behörde (vgl. VwGH 18.01.2017, Ra 2016/18/0335).
2. Gemäß § 40 Abs. 1 BFA-VG sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, einen Fremden zum Zweck der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen, gegen den ein Festnahmeauftrag gemäß § 34 besteht (Z 1), wenn dieser Auflagen gemäß § 56 Abs. 2 oder 71 Abs. 2 FPG verletzt (Z 2) oder der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des sechsten Hauptstückes des FPG fällt (Z 3).
Gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 BFA-VG kann ein Festnahmeauftrag gegen einen Fremden auch dann erlassen werden, wenn die Voraussetzungen zur Verhängung der Schubhaft nach § 76 FPG oder zur Anordnung gelinderer Mittel gemäß § 77 Abs. 1 FPG vorliegen und nicht aus anderen Gründen die Vorführung vor das Bundesamt erfolgt. Gemäß Abs. 5 leg cit. ergeht ein Festnahmeauftrag in Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt; er ist aktenkundig zu machen. Die Anhaltung aufgrund eines Festnahmeauftrages darf 72 Stunden nicht übersteigen und ist nach Durchführung der erforderlichen Verfahrenshandlungen zu beenden.
4. Der Beschwerdeführer hatte am 2.12.2015 im Bundesgebiet den ersten Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.2.2019, GZ W271 2170813-1, war dieser Antrag rechtskräftig abgewiesen und die zuvor durch die belangte Behörde erlassene Rückkehrentscheidung bestätigt worden. Der Beschwerdeführer hatte dagegen Verfassungsgerichtshofbeschwerde erhoben, welche mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 12.6.2019, E 1260/2019-7, abgelehnt worden war. Weiters hatte der Beschwerdeführer Revision erhoben, welche mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes am 2.12.2019, Ra 2019/14/0408-13, zurückgewiesen worden war.
In weiterer Folge ist der Beschwerdeführer seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen.
Am 26.2.2020 brachte er im Stande der Schubhaft einen Folgeantrag auf internationalen Schutz ein. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 30.9.2020 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und die dagegen rechtzeitig erhobene Beschwerde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.10.2020 unter GZ W123 2170813-3/3E als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer gab nach Verlassen seiner Betreuungsstelle beim Bundesamt im Rahmen einer am 4.12.2020 ab 12:10 durchgeführten niederschriftlichen Einvernahme eindeutig und ausdrücklich bekannt, dass er nach Wien ziehen werde, er habe da schon Termine auf der Uni. Er wolle nicht in Villach bleiben, sondern nach Wien oder Niederösterreich übersiedeln und jedenfalls nicht nach Afghanistan zurückkehren, sondern alles tun, um dies zu verhindern. Im Gegensatz zum Beschwerdevorbringen erkundigte er sich bei der Behörde nicht, ob er lediglich zum Zweck der Rechtsberatung nach Wien fahren könne und erwähnte einen Rechtsberatungstermin als Grund für seine geplante Fahrt nicht ansatzweise.
5. Wegen dieser Aussagen des Beschwerdeführers wurde ein Festnahmeauftrag nach § 34 Abs. 3 Z 1 BFA-VG - Vorliegen der Voraussetzungen für Sicherungsmaßnahmen erlassen und im Wesentlichen folgendermaßen begründet:
„Die Voraussetzungen zur Verhängung der Schubhaft nach § 76 FPG oder zur Anordnung gelinderer Mittel gemäß § 77 Abs. 1 FPG liegen vor und die Vorführung vor das Bundesamt
erfolgt nicht aus anderen Gründen.
Kommt in den Parteienverkehr und will jedenfalls verziehen und die BS Villach verlassen.“
Der Beschwerdeführer wurde daraufhin am 4.12.2020 um 12:40 Uhr im Bundesamt festgenommen und ins PAZ Villach verbracht.
Am selben Tag ordnete das Bundesamt unter der Zahl 1097594409-201218872 gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm. § 57 Abs. 1 AVG dementsprechend die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung an. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 4.12.2020 um 16:50 Uhr ausgefolgt und damit erlassen. Die gegen den Bescheid vom 4.12.2020, Zahl 1097594409-201218872, sowie die Anhaltung in Schubhaft erhobene fristgerechte Beschwerde wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichtes mit im Anschluss an eine mündliche Verhandlung am 10.12.2020 mündlich verkündetem Erkenntnis als unbegründet abgewiesen. Die schriftliche Ausfertigung dieses Erkenntnisses erfolgte am 23.12.2020 unter der GZ G301 2231675-5/12E.
Insgesamt waren somit die Voraussetzungen des § 34 Abs. 3 Z 1 BFA-VG und für die gegenständlich bekämpfte Festnahme gegeben.
5. Der Beschwerdeführer wurde auf Basis des Festnahmeauftrages gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 am 4.12.2020 um 12:40 Uhr festgenommen und bis zur Verhängung der Schubhaft um 16:50 Uhr des selben Tages in Verwaltungsverwahrungshaft angehalten, sodass auch die Dauer der Anhaltung rechtmäßig ist und keinen Bedenken begegnet.
Insgesamt war somit die Beschwerde gegen die Festnahme abzuweisen.
Zu Spruchpunkt II. (Kostenbegehren):
Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).
Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.
Gemäß Abs. 4 leg. cit. gelten als Aufwendungen gemäß Abs. 1:
1. die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat,
2. die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie
3. die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.
Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat gemäß Abs. 5 leg. cit. den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht.
Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.
Gemäß Abs. 7 leg. cit. ist Aufwandersatz auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.
Die Höhe der im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes – B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, und Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge ist in § 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013, wie folgt festgesetzt:
1. Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 737,60 Euro
2. Ersatz des Verhandlungsaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 922,00 Euro
3. Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 57,40 Euro
4. Ersatz des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 368,80 Euro
5. Ersatz des Verhandlungsaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 461,00 Euro
6. Ersatz des Aufwands, der für den Beschwerdeführer mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 553,20 Euro
7. Ersatz des Aufwands, der für die belangte Behörde mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 276,60 Euro.
Der Beschwerdeführer beantragte Aufwandsersatz gemäß § 35 VwGVG. Da er im konkreten Fall unterlegene Partei ist, war sein Antrag gemäß § 35 VwGVG abzuweisen.
Der Beschwerdeführer stellte zudem den Antrag auf Ersatz der Eingabegebühr.
Ein solcher Antrag ist jedoch gesetzlich nicht vorgesehen – es gibt dementsprechend keine rechtliche Grundlage für eine solche Befreiung bzw. einen solchen Zuspruch. Die Eingabegebühr ist zudem in § 35 Abs. 4 VwGVG nicht als Aufwendung definiert und insofern auch nicht ersatzfähig. Im Übrigen kann eine finanzielle Belastung iHv 30 Euro auch nicht als unüberwindliche oder unverhältnismäßige Hürde zur Wahrnehmung eines Rechtsmittels angesehen werden.
Der Antrag auf Ersatz der Eingabegebühr war daher zurückzuweisen.
Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
Wie der oben dargelegten rechtlichen Beurteilung zu Spruchpunkt I. zu entnehmen ist, warf die Tatsachenlastigkeit des gegenständlichen Falles keine Auslegungsprobleme der anzuwendenden Normen auf, schon gar nicht waren - vor dem Hintergrund der bereits bestehenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher nicht zuzulassen.
Schlagworte
Ausreiseverpflichtung Befehls- und Zwangsgewalt Eingabengebühr Festnahme Festnahmeauftrag Folgeantrag Kostentragung Maßnahmenbeschwerde Rechtsgrundlage sichernde Maßnahme Voraussetzungen ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W154.2231675.6.00Im RIS seit
25.06.2021Zuletzt aktualisiert am
25.06.2021