TE Vwgh Erkenntnis 1997/3/13 97/18/0090

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Veröffentlicht am 13.03.1997
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §54 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, über die Beschwerde des A in L, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 23. Dezember 1996, Zl. St 581/96, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 23. Dezember 1996 wurde gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß der Beschwerdeführer in der Bundesrepublik Jugoslawien gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei; die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Bundesrepublik Jugoslawien sei somit zulässig.

Hinsichtlich der Begründung seines Antrages nach § 54 Abs. 1 FrG habe der Beschwerdeführer auf seine Angaben vor dem Bundesasylamt verwiesen; andere Gründe habe er nicht nennen können. In der Berufung habe er im wesentlichen seine bisherigen Angaben wiederholt. Danach wäre er Staatsangehöriger der Jugoslawischen Föderation, gehörte der albanischen Volksgruppe an und stammte aus dem Kosovo, wäre nicht vorbestraft und hätte keine strafbaren Handlungen begangen. Anfang März 1996 hätte er eine Ladung erhalten, derzufolge er sich am 4. März 1996 bei der Polizei hätte melden sollen; Zweck der Ladung wäre die Durchführung eines Informationsgespräches gewesen. Er hätte nicht gewagt, sich bei der Polizei zu melden, weil er befürchtet hätte, mißhandelt oder ins Gefängnis gebracht zu werden. Auf die Frage, warum dies der Fall sein sollte, habe der Beschwerdeführer angegeben: "Wahrscheinlich, weil ich LDK-Mitglied bin". Überdies würde jeder, der wegen Waffen oder zu einem Informationsgespräch vorgeladen werde, mißhandelt werden. Auf Befragung habe er dazu ergänzend angegeben, seit 1990 einfaches LDK-Mitglied zu sein. Am 4. März 1996 hätte er sich zu seinem Onkel begeben, wo er bis 7. März 1996 geblieben wäre. Am 4. März 1996 wären uniformierte Polizisten zu ihm nach Hause gekommen, um nach ihm zu suchen. Diese hätten seinen Vater mitgenommen, ihn einen Tag festgehalten, geschlagen und nach ihm (dem Beschwerdeführer) befragt. Dies hätte ihm sein Bruder erzählt. Vor seiner Vorladung hätte er nie Probleme mit den Behörden gehabt; er hätte seine Heimat auch nicht verlassen, wenn er die Ladung nicht erhalten hätte. Am 7. März 1996 wäre er illegal nach Mazedonien ausgereist und hätte sich dort bis 11. März 1996 bei seinem Onkel aufgehalten.

In rechtlicher Hinsicht verwies die belangte Behörde auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach in einem Verfahren nach § 54 FrG der Fremde mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung i.S. des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen habe. Die nicht näher konkretisierte Behauptung, bei einer Rückkehr in den Heimatstaat mit einer unmenschlichen Strafe oder Behandlung oder der Todesstrafe (bzw. mit allgemeiner Verfolgung) rechnen zu müssen, sei zu wenig. Auch aus bloßen Vermutungen (mögen sie auch auf - andere Personen betreffende - Vorfälle Bezug nehmen) könne keine Gefährdung/Bedrohung i.S. des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG abgeleitet werden. In diesem Lichte seien auch die Ereignisse bezügliche des Vaters des Beschwerdeführers zu sehen, sollten diese unbelegten Angaben tatsächlich der Wahrheit entsprechen. Eine solche Glaubhaftmachung gelinge auch weder durch allgemein gehaltene Hinweise auf die Brisanz der derzeitigen politischen Situation bzw. die Situation der Volksgruppe des Beschwerdeführers in seiner Heimat noch durch den Verweis auf Berichte verschiedener, wenn auch kompetenter, Organisationen.

Der Bundesminister für Inneres habe mit Bescheid vom 23. Mai 1996 rechtskräftig festgestellt, daß dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht zukomme und er in seinem Heimatland vor Verfolgung i.S. der Genfer Flüchtlingskonvention sicher sei. Der Begriff des Flüchtlings decke sich mit den Verfolgungsgründen nach § 37 Abs. 2 FrG. Es könne daher davon ausgegangen werden, daß diese Verfolgungsgründe nicht vorliegen, da der Beschwerdeführer im darauf folgenden fremdenpolizeilichen Verfahren keine neuen Tatsachen vorgebracht habe und, was die Fluchtgründe anlange, auf sein Vorbringen im Asylverfahren verwiesen bzw. diese wiederholt habe. Im Hinblick auf den Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel (§ 46 AVG) sei es der Behörde nicht verwehrt, die Ergebnisse des Asylverfahrens zu berücksichtigen; dies sei in Anbetracht der vorstehenden Ausführungen vielmehr naheliegend.

Auf der Grundlage der Angaben des Beschwerdeführers, nicht vorbestraft zu sein, keine strafbaren Handlungen begangen und überdies mit den Behörden seines Heimatstaates nie Probleme gehabt zu haben, sei es mehr als kühn, aus einer bloßen Vorladung einen "Mißhandlungstermin" zu konstruieren. Auch seien die Angaben, daß alle vorgeladenen Personen in der Heimat des Beschwerdeführers mißhandelt würden, nicht belegbar und unglaubwürdig.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Beschwerde erblickt zunächst darin, daß die belangte Behörde über die Berufung des Beschwerdeführers entgegen der Vorschrift des § 54 Abs. 3 FrG nicht binnen Wochenfrist, sondern erst nach etwa fünf Wochen entschieden habe, eine Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

1.2. Selbst wenn vorliegend die für die Verpflichtung der Berufungsbehörde nach § 54 Abs. 3 FrG, über Berufungen gegen Bescheide, mit denen die Zulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat festgestellt wurde, "binnen Wochenfrist zu entscheiden", wesentliche Voraussetzung, daß der Fremde in Schubhaft angehalten wird, zugetroffen haben sollte (was in der Beschwerde nicht vorgebracht wird), so wäre dennoch mit der Nichteinhaltung der besagten einwöchigen Frist durch die belangte Behörde keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers gegeben. Denn mit einer Aufhebung dieses Bescheides wäre keine Besserstellung, im Gegenteil eine Schlechterstellung des Beschwerdeführers verbunden, würde doch die durch die Bescheidaufhebung bewirkte Notwendigkeit einer neuerlichen Berufungsentscheidung zur Folge haben, daß die belangte Behörde die einwöchige Entscheidungsfrist noch beträchtlich mehr überschritten hätte.

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfaßten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung i.S. des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 18. Dezember 1996, Zl. 95/18/1295, mwN).

3.1. Die Beschwerde bringt dazu vor, der Beschwerdeführer habe im Verwaltungsverfahren dargelegt, daß er "aufgrund seiner politischen Gesinnung in seinem Heimatland der polizeilichen Verfolgung ausgesetzt" sei, und weiters, warum er habe befürchten müssen, von der Polizei mißhandelt oder ins Gefängnis gebracht zu werden. Er habe darauf hingewiesen, daß er Mitglied der LDK sei, sowie darauf, wie es seinem Vater ergangen sei, der nach einem Tag Haft zurückgekehrt sei und erzählt hätte, daß er mit dem Gummiknüppel geschlagen worden wäre und die Polizei nach dem Beschwerdeführer gesucht hätte. Soweit es dem Beschwerdeführer möglich gewesen sei - so die Beschwerde - habe er "alle der Behörde zur Verfügung zu stellenden Beweismittel beigebracht". Der Argumentation der belangten Behörde, der Beschwerdeführer hätte nicht näher konkretisierte Behauptungen hinsichtlich der Gefahr der Verfolgung aufgestellt, sei entgegenzuhalten, daß eine andere Möglichkeit, als entsprechende Aussagen zu machen, nicht gegeben sei, zumal es dem Beschwerdeführer nicht möglich sei, Zeugen aus seinem Heimatland nach Österreich zu bringen, die seine Angaben bestätigen würden.

3.2. Mit der belangten Behörde vertritt der Gerichtshof die Auffassung, daß es damit dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine Gefährdung nach § 37 Abs. 1 FrG oder eine Bedrohung nach § 37 Abs. 2 leg. cit. i.S. der ständigen

hg. Rechtsprechung (s. oben II.2.) glaubhaft zu machen.

Das von der Beschwerde angesprochene, zur Begründung des Antrages gemäß § 54 Abs. 1 FrG im Verwaltungsverfahren erstattete Vorbringen des Beschwerdeführers ging den unbestritten gebliebenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid zufolge über die von ihm im Asylverfahren gemachten Angaben zur Stützung des Asylantrages nicht hinaus. Diesen von der belangten Behörde in der Bescheidbegründung wiedergegebenen Angaben (s. oben I.1.) - eine unrichtige oder unvollständige Darstellung derselben wird in der Beschwerde nicht behauptet - wurde zutreffend keine Relevanz dahingehend zuerkannt, daß sie eine aktuelle Gefährdung des Beschwerdeführers in der Bundesrepublik Jugoslawien i.S. des § 37 Abs. 1 FrG als wahrscheinlich erkennen ließen. Denn die behördliche Vorladung des Beschwerdeführers zu einem Informationsgespräch, die kurzfristige Anhaltung seines Vaters (während deren dieser geschlagen worden und nach dem Beschwerdeführer befragt worden sei), die im übrigen vom Beschwerdeführer nicht (ausdrücklich) in ursächlichem Zusammenhang mit seiner Vorladung gebracht worden ist, die Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zu einer nach der unbestrittenen Feststellung der Asylbehörde erlaubten Partei (vgl. die diesbezüglichen Beschwerdeausführungen) als einfaches Mitglied sind Tatsachen, die vor dem Hintergrund, daß der Beschwerdeführer nach eigener Aussage vor seiner Ladung "nie Probleme mit den Behörden" gehabt hat, in keiner Weise glaubhaft machen, daß er im Fall einer Rückkehr in seine Heimat Gefahr liefe, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden. Was die mit Bezug auf § 37 Abs. 2 FrG geltend gemachte Bedrohung des Beschwerdeführers in seiner Heimat aufgrund seiner politischen Gesinnung anlangt, so läßt sich eine solche Annahme mit der bloßen Mitgliedschaft zu einer erlaubten politischen Partei nicht hinreichend begründen, ganz abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer sich insoweit auf eine Vermutung beschränkt hat. Darüber hinaus lassen die vom Beschwerdeführer zur Stützung seines Feststellungsantrages nach § 54 Abs. 1 FrG vorgebrachten Argumente auch nicht ansatzweise erkennen, weshalb - wie in der Beschwerde völlig unsubstantiiert behauptet - sein Leben und seine Freiheit auch aufgrund "seiner Nationalität bzw. Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe" im Fall seiner Rückkehr in die Bundesrepublik Jugoslawien bedroht sein sollte. Im übrigen hat die belangte Behörde bei ihrer für den Beschwerdeführer negativen Feststellung im Umfang der Gründe nach § 37 Abs. 2 FrG in unbedenklicher Weise auf den den Asylantrag des Beschwerdeführers abweisenden Bescheid des Bundesministers für Inneres Bedacht genommen (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 8. September 1994, Zl. 94/18/0442, und vom 15. Dezember 1994, Zl. 94/18/0794).

4. Das unter Bezugnahme auf § 37 Abs. 4 FrG erstattete Beschwerdevorbringen, es sei im Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen, daß der Beschwerdeführer eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstelle, insbesondere, daß er in Österreich rechtskräftig wegen eines Verbrechens, das mit mehr als fünfjähriger Freiheitsstrafe bedroht sei, verurteilt worden sei, ist verfehlt. Die zitierte Bestimmung handelt nämlich nach ihrem klaren Wortlaut von der (ausnahmsweisen) Zulässigkeit der Abschiebung eines Fremden in einen Staat, in dem er i.S. des § 37 Abs. 2 FrG bedroht ist. Das Vorliegen dieses Tatbestandes wurde aber von der belangten Behörde - wie dargetan: zutreffend - verneint.

5. Die Verfahrensrüge, die von der belangten Behörde vertretene Meinung, daß ein weiterer Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet dem Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung widerspräche, stelle eine Scheinbegründung dar, geht ins Leere, weil sich eine derartige Aussage im hier angefochtenen Bescheid nicht findet.

6. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Beschwerdeinhalt erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

7. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997180090.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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