Entscheidungsdatum
26.03.2021Norm
BFA-VG §21 Abs7Spruch
I403 2240324-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. 19.05.1944, StA. Deutschland, vertreten durch die "BBU-GmbH", Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.02.2021, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Deutschland, meldete am 14.08.2020 ihren Hauptwohnsitz in einem Gasthof im Bundesgebiet an.
Mit Schreiben einer Bezirkshauptmannschaft an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA / belangte Behörde) vom 08.01.2021 wurde mitgeteilt, dass die Beschwerdeführerin am 04.01.2021 einen Antrag auf Erteilung einer Anmeldebescheinigung eingebracht habe, wobei bereits am 13.10.2020 bei der Bezirkshauptmannschaft ein Schreiben der Pensionsversicherungsanstalt eingelangt sei, in welchem mitgeteilt wurde, dass die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Ausgleichszulage gestellt habe. Da die Voraussetzungen für ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) daher nicht vorliegen würden, werde die belangte Behörde – unter Anschluss einer Aktenkopie - ersucht, eine mögliche Aufenthaltsbeendigung zu prüfen.
Mit Schreiben der belangten Behörde vom 12.01.2021 ("Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme") wurde der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht, dass ein Verfahren zur Erlassung einer gegen sie gerichteten aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet worden sei und ihr die Möglichkeit eingeräumt, diesbezüglich sowie zu einem umfassenden Fragenkatalog hinsichtlich ihrer persönlichen Verhältnisse innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung schriftlich Stellung zu beziehen.
Mit Schreiben vom 19.01.2021 brachte die Beschwerdeführerin eine schriftliche Stellungnahme bei der belangten Behörde ein. Inhaltlich führte sie im Wesentlichen aus, sie sei am 14.08.2020 mit ihrem privaten PKW nach Österreich eingereist, um hier zu leben und zu arbeiten, da ihre einzigen Verwandten in der Slowakei leben würden und durch die Grenznähe Besuche möglich seien. Ansonsten habe sie noch einen Sohn, welcher vermutlich in Deutschland lebe, zu welchem jedoch kein Kontakt bestehe. Vor ihrer Einreise habe sie in Deutschland gelebt und zuletzt auf Messen an verschiedenen Standorten in unterschiedlichen Ländern Europas gearbeitet. Im Dezember 2020 sei sie tageweise als Betreuerin eines Messestands für eine XXXX Firma tätig gewesen. In Deutschland könne sie aufgrund der Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie derzeit keiner Beschäftigung nachgehen. Sie beziehe eine Gesamtpension in der Höhe von etwa 400 Euro aus Österreich, der Slowakei und Deutschland und besitze etwa 250 Euro an Bargeld, ansonsten habe sie keine Ersparnisse. Sie sei gesund und nehme lediglich seit Jahrzehnten eine Tablette gegen Bluthochdruck ein.
Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 10.02.2021 wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 70 Abs. 3 FPG wurde ihr ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung erteilt (Spruchpunkt II.).
Gegen den gegenständlich angefochtenen Bescheid wurde fristgerecht mit Schriftsatz vom 05.03.2021 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben. Inhaltlich wurde im Wesentlichen vorgebracht, die Voraussetzungen für eine Ausweisung würden nicht vorliegen, da die Beschwerdeführerin krankenversichert sei, nachweisen könne, dass sie eine Arbeit suche und auch die begründete Aussicht habe, eingestellt zu werden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die volljährige Beschwerdeführerin ist deutsche Staatsangehörige und somit EWR-Bürgerin. Ihre Identität steht fest.
Sie nimmt seit Jahrzehnten ein Medikament gegen Bluthochdruck ein. Ansonsten ist sie gesund, zudem ist sie geschieden und hat keine Sorgepflichten.
Seit dem 14.08.2020 ist sie durchgehend in einem Gasthof in Österreich hauptgemeldet. Zuvor hat sie sich in ihrem Herkunftsstaat Deutschland aufgehalten.
Die Beschwerdeführerin hat einen Sohn, dessen Aufenthaltsort nicht bekannt ist und zu welchem sie keinen Kontakt hat. In Österreich verfügt sie über keine nahen Angehörigen, zu welchen ein finanzielles oder anderweitig geartetes Abhängigkeitsverhältnis oder ein Naheverhältnis von maßgeblicher Intensität besteht.
Die Beschwerdeführerin bezieht von der "Deutschen Rentenversicherung" eine Pension in Höhe von 275, 82 Euro monatlich, von der slowakischen "Sociálna pois?ov?a" eine Pension in Höhe von 98,60 Euro monatlich sowie von der österreichischen "Pensionsversicherungsanstalt" eine Pension in Höhe von 44,44 Euro monatlich. Ihr gesamter Pensionsbezug beläuft sich somit auf 418,86 Euro monatlich.
Aufgrund ihres Pensionsbezuges verfügt sie in Österreich über einen Krankenversicherungsschutz.
Im Oktober 2020 stellte sie bei der "Pensionsversicherungsanstalt" einen Antrag auf Ausgleichszulage.
Vom 07.12.2020 bis zum 12.12.2020, vom 14.12.2020 bis zum 19.12.2020 sowie vom 21.12.2020 bis zum 24.12.2020 arbeitete sie für die Firma " XXXX " aus XXXX als freie Dienstnehmerin auf einem Verkaufsstand in einem Einkaufszentrum und sicherte die Firma zu, der Beschwerdeführerin wieder die Gelegenheit zu geben, auf ihrem Verkaufsstand zu arbeiten, „sobald es die Pandemie im Jahr 2021 zulässt“. Im Hauptverband österreichischer Sozialversicherungsträger scheint die Beschwerdeführerin zu keinem Zeitpunkt mit einer selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit auf.
Die Beschwerdeführerin ist strafgerichtlich unbescholten.
2. Beweiswürdigung:
Der unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Die Identität der Beschwerdeführerin steht aufgrund ihres vor den österreichischen Behörden in Vorlage gebrachten – sowie sich in Kopie im Akt befindlichen - deutschen Personalausweises fest.
Die Feststellungen zu ihren Lebensumständen, ihren Familienverhältnissen und ihrem Gesundheitszustand ergeben sich aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben der Beschwerdeführerin im Verfahren sowie aus dem unbestrittenen Akteninhalt.
Dass die Beschwerdeführerin seit 14.08.2020 durchgehend in einem Gasthof in Österreich hauptgemeldet ist, ergibt sich aus einer Abfrage im zentralen Melderegister der Republik, ebenso wie die Feststellung, dass sie geschieden ist.
Die Pensionsbezüge der Beschwerdeführerin von der deutschen "Deutsche Rentenversicherung", der slowakischen "Sociálna pois?ov?a" sowie der österreichischen "Pensionsversicherungsanstalt" in einer Gesamthöhe von 418,86 Euro monatlich ergeben sich aus den betreffenden, im Akt enthaltenen Pensionsbescheiden in Zusammenschau mit einer Abfrage im Hauptverband österreichischer Sozialversicherungsträger, woraus sich überdies ergibt, dass die Beschwerdeführerin aufgrund ihres Pensionsbezuges über einen Krankenversicherungsschutz in Österreich verfügt und hier zu keinem Zeitpunkt mit einer selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit in Erscheinung getreten ist.
Dass die Beschwerdeführerin im Oktober 2020 bei der "Pensionsversicherungsanstalt" einen Antrag auf Ausgleichszulage gestellt hat, ergibt sich aus dem unbestrittenen Akteninhalt, insbesondere aus einem betreffenden Schreiben der "Pensionsversicherungsanstalt" an eine Bezirkshauptmannschaft vom 07.10.2020. Dies wurde von der Beschwerdeführerin auch zu keinem Zeitpunkt bestritten.
Die tageweise Tätigkeit der Beschwerdeführerin im Dezember 2020 als freie Dienstnehmerin auf Verkaufsständen für die Firma " XXXX " aus XXXX ergibt sich aus ihren diesbezüglich glaubhaften Angaben im Verfahren sowie einem dem Beschwerdeschriftsatz angeschlossenen Bestätigungsschreiben der Firma, in welchem überdies ausgeführt wird, dass man der Beschwerdeführerin wieder die Gelegenheit geben würde, auf einem Verkaufsstand zu arbeiten, „sobald es die Pandemie im Jahr 2021 zulässt“.
Die strafgerichtliche Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zur Ausweisung (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
3.1.1. Zu den Rechtsgrundlagen:
Der mit "Ausweisung" betitelte § 66 FPG idgF BGBl. I Nr. 146/2020 lautet:
„(1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.
(2) Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden, hat das Bundesamt insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.
(3) Die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, die Ausweisung wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.“
Der mit "Unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von EWR-Bürgern für mehr als drei Monate" betitelte § 51 NAG idgF BGBl. I Nr. 146/2020 lautet:
„(1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie
1. in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;
2. für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen, oder
3. als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen.
(2) Die Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer oder Selbständiger gemäß Abs. 1 Z 1 bleibt dem EWR-Bürger, der diese Erwerbstätigkeit nicht mehr ausübt, erhalten, wenn er
1. wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig ist;
2. sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt;
3. sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrages oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt, wobei in diesem Fall die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten erhalten bleibt, oder
4. eine Berufsausbildung beginnt, wobei die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft voraussetzt, dass zwischen dieser Ausbildung und der früheren beruflichen Tätigkeit ein Zusammenhang besteht, es sei denn, der Betroffene hat zuvor seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren.
(3) Der EWR-Bürger hat diese Umstände, wie auch den Wegfall der in Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen der Behörde unverzüglich, bekannt zu geben. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, die näheren Bestimmungen zur Bestätigung gemäß Abs. 2 Z 2 und 3 mit Verordnung festzulegen.“
Der mit "Anmeldebescheinigung" betitelte § 53 NAG idgF BGBl. I Nr. 146/2020 lautet:
„(1) EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), haben, wenn sie sich länger als drei Monate im Bundesgebiet aufhalten, dies binnen vier Monaten ab Einreise der Behörde anzuzeigen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen (§§ 51 oder 52) ist von der Behörde auf Antrag eine Anmeldebescheinigung auszustellen.
(2) Zum Nachweis des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts sind ein gültiger Personalausweis oder Reisepass sowie folgende Nachweise vorzulegen:
1. nach § 51 Abs. 1 Z 1: eine Bestätigung des Arbeitgebers oder ein Nachweis der Selbständigkeit;
2. nach § 51 Abs. 1 Z 2: Nachweise über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz;
3. nach § 51 Abs. 1 Z 3: Nachweise über die Zulassung zu einer Schule oder Bildungseinrichtung und über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz sowie eine Erklärung oder sonstige Nachweise über ausreichende Existenzmittel;
4. nach § 52 Abs. 1 Z 1: ein urkundlicher Nachweis des Bestehens der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft;
5. nach § 52 Abs. 1 Z 2 und 3: ein urkundlicher Nachweis über das Bestehen einer familiären Beziehung sowie bei Kindern ab Vollendung des 21. Lebensjahres und Verwandten des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie ein Nachweis über die tatsächliche Unterhaltsgewährung;
6. nach § 52 Abs. 1 Z 4: ein Nachweis des Bestehens einer dauerhaften Beziehung mit dem EWR-Bürger;
7. nach § 52 Abs. 1 Z 5: ein urkundlicher Nachweis einer zuständigen Behörde des Herkunftsstaates der Unterhaltsleistung des EWR-Bürgers oder des Lebens in häuslicher Gemeinschaft oder der Nachweis der schwerwiegenden gesundheitlichen Gründe, die die persönliche Pflege durch den EWR-Bürger zwingend erforderlich machen.“
Abs. 1 bis 3 des mit "Bescheinigung des Daueraufenthalts von EWR-Bürgern" betitelten § 53a NAG idgF BGBl. I Nr. 146/2020 lautet:
„(1) EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), erwerben unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen gemäß §§ 51 oder 52 nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Recht auf Daueraufenthalt. Ihnen ist auf Antrag nach Überprüfung der Aufenthaltsdauer unverzüglich eine Bescheinigung ihres Daueraufenthaltes auszustellen.
(2) Die Kontinuität des Aufenthalts im Bundesgebiet wird nicht unterbrochen von
1. Abwesenheiten von bis zu insgesamt sechs Monaten im Jahr;
2. Abwesenheiten zur Erfüllung militärischer Pflichten oder
3. durch eine einmalige Abwesenheit von höchstens zwölf aufeinander folgenden Monaten aus wichtigen Gründen wie Schwangerschaft und Entbindung, schwerer Krankheit, eines Studiums, einer Berufsausbildung oder einer beruflichen Entsendung.
(3) Abweichend von Abs. 1 erwerben EWR-Bürger gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 vor Ablauf der Fünfjahresfrist das Recht auf Daueraufenthalt, wenn sie
1. zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben das Regelpensionsalter erreicht haben, oder Arbeitnehmer sind, die ihre Erwerbstätigkeit im Rahmen einer Vorruhestandsregelung beenden, sofern sie diese Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet mindestens während der letzten zwölf Monate ausgeübt und sich seit mindestens drei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben;
2. sich seit mindestens zwei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben und ihre Erwerbstätigkeit infolge einer dauernden Arbeitsunfähigkeit aufgeben, wobei die Voraussetzung der Aufenthaltsdauer entfällt, wenn die Arbeitsunfähigkeit durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit eingetreten ist, auf Grund derer ein Anspruch auf Pension besteht, die ganz oder teilweise zu Lasten eines österreichischen Pensionsversicherungsträgers geht, oder
3. drei Jahre ununterbrochen im Bundesgebiet erwerbstätig und aufhältig waren und anschließend in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwerbstätig sind, ihren Wohnsitz im Bundesgebiet beibehalten und in der Regel mindestens einmal in der Woche dorthin zurückkehren;
Für den Erwerb des Rechts nach den Z 1 und 2 gelten die Zeiten der Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als Zeiten der Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet. Zeiten gemäß § 51 Abs. 2 sind bei der Berechnung der Fristen zu berücksichtigen. Soweit der Ehegatte oder eingetragene Partner des EWR-Bürgers die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt oder diese nach Eheschließung oder Begründung der eingetragenen Partnerschaft mit dem EWR-Bürger verloren hat, entfallen die Voraussetzungen der Aufenthaltsdauer und der Dauer der Erwerbstätigkeit in Z 1 und 2.“
Der mit "Nichtbestehen, Fortbestand und Überprüfung des Aufenthaltsrechts für mehr als drei Monate" betitelte § 55 NAG idgF BGBl. I Nr. 146/2020 lautet:
„(1) EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.
(2) Der Fortbestand der Voraussetzungen kann bei einer Meldung gemäß §§ 51 Abs. 3 und 54 Abs. 6 oder aus besonderem Anlass wie insbesondere Kenntnis der Behörde vom Tod des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers oder einer Scheidung überprüft werden.
(3) Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder § 54 Abs. 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs. 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.
(4) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung (§ 9 BFA-VG), hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dies der Behörde mitzuteilen. Sofern der Betroffene nicht bereits über eine gültige Dokumentation verfügt, hat die Behörde in diesem Fall die Dokumentation des Aufenthaltsrechts unverzüglich vorzunehmen oder dem Betroffenen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn dies nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist.
(5) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung von Drittstaatsangehörigen, die Angehörige sind, aber die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, ist diesen Angehörigen ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" quotenfrei zu erteilen.
(6) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist ein nach diesem Bundesgesetz anhängiges Verfahren einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird.“
3.1.2. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war aus folgenden Gründen abzuweisen:
Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Deutschland und damit EWR-Bürgerin iSd § 2 Abs. 4 Z 8 FPG bzw. des § 2 Abs. 1 Z 4 NAG.
Sie hält sich seit dem 14.08.2020 im Bundesgebiet auf, wobei sie im Verfahren vorbrachte, an jenem Tag mit ihrem privaten PKW nach Österreich eingereist zu sein „um hier zu leben und zu arbeiten“. Vor ihrer Einreise habe sie in ihrem Herkunftsstaat Deutschland gelebt und zuletzt auf Messen an verschiedenen Standorten in unterschiedlichen Ländern Europas gearbeitet.
Wie sich aus den Feststellungen und der Beweiswürdigung ergibt, ist der Hauptzweck des Aufenthaltes der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet unstreitig keine Ausbildung iSd § 51 Abs. 1 Z 3 NAG und ist sie zum Entscheidungszeitpunkt des Bundesverwaltungsgerichtes in Österreich weder Arbeitnehmerin oder Selbständige (§ 51 Abs. 1 Z 1 NAG). Im Hauptverband österreichischer Sozialversicherungsträger scheint sie zu keinem Zeitpunkt mit einer selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit auf, sondern lediglich aufgrund ihres laufenden Pensionsbezuges. Um als "Arbeitnehmer" iSd § 51 Abs. 1 Z 1 NAG zu gelten, ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Tätigkeit erforderlich, die keinen so geringen Umfang hat, dass es sich um eine "völlig untergeordnete und unwesentliche Tätigkeit" handelt (vgl. VwGH 30.08.2018, Ra 2018/21/0049, mwN). Ausgehend von den Angaben der Beschwerdeführerin im Verfahren, wonach sie seit ihrer Einreise im August 2020 lediglich vom 07.12.2020 bis zum 12.12.2020, vom 14.12.2020 bis zum 19.12.2020 sowie vom 21.12.2020 bis zum 24.12.2020 als freie Dienstnehmerin für die Firma " XXXX " aus XXXX auf einem Verkaufsstand in einem Einkaufszentrum gearbeitet habe – und seitdem nicht mehr – wurde aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes nicht aufgezeigt, dass sie mit dieser Tätigkeit, deren etwaige Fortsetzung ohnedies ungewiss ist, jemals die nach der höchstgerichtlichen Judikatur geforderte Geringfügigkeitsschwelle für eine Tätigkeit als Arbeitnehmerin iSd § 51 Abs. 1 Z 1 NAG überschritten hat.
Vor dem Hintergrund des § 66 Abs. 1 FPG vermochte die Beschwerdeführerin auch nicht den Nachweis zu erbringen, dass sie ernsthaft auf der Suche nach einer Arbeit sei bzw. eine begründete Aussicht habe, tatsächlich eingestellt zu werden. Wie dargelegt, liegen ihre tageweisen Engagements im Dezember 2020, etwa vier Monate nach ihrer Einreise, zum Entscheidungszeitpunkt bereits wieder über drei Monate zurück. Angesichts ihres Lebensalters, wobei sie im Mai 2021 ihr 77. Lebensjahr vollendet, und des Umstandes, dass auch die Firma " XXXX " in ihrem dem Beschwerdeschriftsatz angeschlossenen Schreiben etwaige weitere Engagements der Beschwerdeführerin auf Verkaufsständen einerseits von der Entwicklung der Covid-19-Pandemie abhängig machte und andererseits eine Aussicht auf eine dauerhafte oder nachhaltige, die nach der höchstgerichtlichen Judikatur geforderte Geringfügigkeitsschwelle auch tatsächlich überschreitende „Einstellung“ als Arbeitnehmerin damit nicht dargelegt wurde, kann bei lebensnaher Betrachtung nicht davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin eine begründete Aussicht hat, tatsächlich eingestellt zu werden.
Im Rahmen der Prüfung des Tatbestandes des § 51 Abs. 1 Z 2 NAG ist zu beurteilen, ob ein Unionsbürger für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel im Aufnahmemitgliedstaat verfügt und ein umfassender Krankenversicherungsschutz besteht, sodass während des Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedsstaats in Anspruch genommen werden müssen. Für das Vorliegen ausreichender Existenzmittel genügt, wenn dem Unionsbürger die notwendigen Mittel zur Verfügung stehen; hingegen stellt die Bestimmung keine Anforderungen an die Herkunft der Mittel (vgl. VwGH vom 12.12.2017, Ra 2015/22/0149, mit Verweis auf EuGH vom 19.10.2004, Zhu und Chen, C-200/02; EuGH vom 16.07.2015, Singh u., C-218/14).
Bei der Beurteilung, ob ein Unionsbürger über ausreichende Existenzmittel verfügt, um ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Abs. 1 lit. b der Freizügigkeitsrichtlinie - in Österreich umgesetzt durch § 51 Abs. 1 Z 2 NAG - in Anspruch nehmen zu können, ist eine konkrete Prüfung der wirtschaftlichen Situation des Betroffenen vorzunehmen, ohne die beantragten Sozialleistungen zu berücksichtigen, was notwendigerweise impliziert, dass die Beantragung von Sozialleistungen und allenfalls ein Bezug derselben nicht schon per se bedeutet, dass keine ausreichenden Existenzmittel vorliegen (vgl. VwGH vom 21.12.2017, Ra 2017/21/0132, mit Verweis auf EuGH vom 11.11.2014, Dano, C-333/13; EuGH vom 19.09.2013, Brey, C-140/12).
Zwar verfügt die Beschwerdeführerin in Österreich aufgrund ihres Pensionsbezuges über einen Krankenversicherungsschutz, jedoch ist gegenständlich im gesamten Verfahren nicht hervorgekommen, dass sie über erspartes Vermögen verfügt oder von im Bundesgebiet lebenden Angehörigen finanziell derart unterstützt wird, dass sie über ausreichende Existenzmittel verfügt. So gab sie in ihrer Stellungnahme an die belangte Behörde vom 19.01.2021 ausdrücklich an, lediglich über etwa 250 Euro an Bargeld und über keine weiteren Ersparnisse zu verfügen. Im Beschwerdeschriftsatz brachte sie (entgegen ihrer Angaben im Administrativverfahren, wonach ihre „einzigen Verwandten in der Slowakei“ leben würden) lediglich vor, dass „eine Tante und ihre Familie“ in Österreich leben würden, ohne allerdings wechselseitige finanzielle Abhängigkeiten oder Unterstützungsleistungen zu behaupten. Unbestritten ist, dass die Beschwerdeführerin aus einer deutschen, einer slowakischen und einer österreichischen Rentenversicherung eine Gesamtpension von 418,86 Euro monatlich bezieht, was jedoch bei lebensnaher Betrachtung - ohne Immobilieneigentum oder kostenlos zur Verfügung gestellten Wohnraum – kaum für die Deckung der Bedürfnisse des täglichen Lebens ausreichen kann. Diese Annahme wird zusätzlich durch den Umstand, dass die Beschwerdeführerin – welche seit ihrer Einreise nach Österreich in einem Gasthof gemeldet ist – im Oktober 2020 einen Antrag auf Ausgleichszulage bei der "Pensionsversicherungsanstalt" eingebracht hat, untermauert.
Der EuGH hat in seinem Urteil vom 29.4.2004, Skalka, C-160/02, Rn. 26, festgehalten, dass die österreichische Ausgleichszulage Sozialhilfecharakter hat, soweit sie dem Empfänger im Fall einer unzureichenden Rente ein Existenzminimum gewährleisten soll. Im Urteil vom 19.9.2013, Brey, C-140/12, Rn. 60 ff, hat der EuGH dargelegt, dass die Ausgleichszulage als "Sozialhilfeleistung" (im Sinn des Art. 7 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2004/38/EG) angesehen werden kann. Der Umstand, dass ein EWR-Bürger zum Bezug dieser Leistung berechtigt ist, könne einen Anhaltspunkt dafür darstellen, dass er nicht über ausreichende Existenzmittel verfügt (VwGH, 04.10.2018, Ra 2017/22/0218).
Nach Ansicht des erkennenden Gerichtes konnte die Beschwerdeführerin gegenständlich nicht nachweisen, dass sie die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 2 NAG erfüllt.
Zum Entscheidungszeitpunkt liegen hinsichtlich der Beschwerdeführerin somit weder die Voraussetzungen für ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht für mehr als drei Monate iSd § 51 NAG noch für ein Aufenthaltsrecht für Angehörige von EWR-Bürgern iSd § 52 NAG vor und fehlt es insoweit auch an den Voraussetzungen für eine Anmeldebescheinigung gemäß § 53 NAG. Auch hat sie mangels eines über fünf Jahre rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts im Bundesgebiet kein Daueraufenthaltsrecht iSd § 53a Abs. 1 NAG erworben.
Gemäß § 53a Abs. 3 Z 1 NAG erwerben EWR-Bürger, die in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind, zudem abweichend von § 53a Abs. 1 leg cit vor Ablauf der Fünfjahresfrist das Recht zum Daueraufenthalt, wenn sie zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben das Regelpensionsalter erreicht haben, oder Arbeitnehmer sind, die ihre Erwerbstätigkeit im Rahmen einer Vorruhestandsregelung beenden, sofern sie diese Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet mindestens während der letzten zwölf Monate ausgeübt und sich seit mindestens drei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben. Im gegenständlichen Fall sind jedoch auch diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Zwar hat die Beschwerdeführerin ihr Regelpensionsalter erreicht, doch hat sie weder mindestens während der letzten zwölf Monate im Bundesgebiet eine Erwerbstätigkeit ausgeübt, noch hält sie sich seit drei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet auf.
Auch die Voraussetzungen für das Recht auf einen Daueraufenthalt nach § 53a Abs. 3 Z 2 und Z 3 NAG sind im Falle der Beschwerdeführerin unstreitig nicht erfüllt, da sie weder ihre Erwerbstätigkeit infolge einer dauernden Arbeitsunfähigkeit aufgeben musste (Z 2), noch drei Jahre ununterbrochen im Bundesgebiet erwerbstätig und aufhältig war und anschließend in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwerbstätig wurde (Z 3).
Auch ergibt sich für die Beschwerdeführerin kein Aufenthaltsrecht aus anderweitigen niederlassungs- und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften oder unmittelbar auf Grund des Unionsrechts, welches einer Ausweisung entgegenstehen würde (derartige Vorschriften hätte die Behörde bzw. das Gericht nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes „in die Prüfung der Ausweisungsentscheidung“ mit einzubeziehen, vgl. VfSlg 18.985/2010; VfGH 30.11.2010, U 833/10; 18.06.2012, U 1553/11; 05.06.2014, U 2238/2013).
Die Ausweisung der Beschwerdeführerin nach § 66 Abs. 1 FPG in Verbindung mit § 55 Abs. 3 NAG erfolgte im gegenständlichen Beschwerdefall somit dem Grunde nach zu Recht.
Wird durch eine Ausweisung überdies in das Privat- oder Familienleben eines Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei Beurteilung dieser Frage ist eine gewichtende Gegenüberstellung der öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung mit dem persönlichen Interesse des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich vorzunehmen. Dieses Interesse nimmt grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden zu. Die bloße Aufenthaltsdauer ist jedoch nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalls vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung der besagten persönlichen Interessen ist aber auch auf die Auswirkungen, die eine Ausweisung auf die familiären oder sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 15.12.2011, 2010/18/0248).
Gemäß § 66 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt, wenn ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden soll, insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.
Fallgegenständlich hält sich die Beschwerdeführerin seit August 2020 und sohin erst seit etwa sieben Monaten im Bundesgebiet auf, während sie zuvor in ihrem Herkunftsstaat Deutschland gelebt hat. Auch kam ihr während ihres nunmehrigen Aufenthaltes (wie zuvor dargelegt) kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zu und war sie als EWR-Bürgerin auf Basis von Art. 6 der Richtlinie 2004/38/EG ("Freizügigkeitsrichtlinie") lediglich zu einem Aufenthalt, welcher 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, berechtigt. Zudem geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass selbst ein Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren jedenfalls nicht als so lange zu bewerten ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte (vgl. VwGH 26.06.2007, 2007/10/0479).
Sofern die Beschwerdeführerin im Beschwerdeschriftsatz – entgegen ihrer Angaben im Administrativverfahren, wonach ihre „einzigen Verwandten in der Slowakei“ leben würden – vorbrachte, dass „eine Tante und ihre Familie“ in Österreich leben würden, so wird dies seitens des Bundesverwaltungsgerichtes zur Kenntnis genommen, dadurch jedoch kein schützenswertes Familienleben iSd Art. 8 EMRK aufgezeigt, wofür es nach der ständigen Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte eines tatsächlichen und hinreichend intensiven Familienlebens, welches etwa durch das Zusammenleben der betreffenden Personen und/oder das Bestehen einer finanziellen oder sonstigen Abhängigkeit gekennzeichnet ist, bedarf (vgl. etwa EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 454; 18.12.1986, Johnston u.a., EuGRZ 1987, 313; 26.05.1994, Keegan, EuGRZ 1995, 113; 12.07.2001 [GK], K. u. T., Zl. 25702/94; 20.01.2009, Serife Yigit, Zl. 03976/05). Ein iSd Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben der Beschwerdeführerin in Österreich kann somit – nachdem weder ein finanzielles oder anderweitig geartetes Abhängigkeitsverhältnis noch ein Naheverhältnis von maßgeblicher Intensität auch nur ansatzweise behauptet wurde – ausgeschlossen werden.
Wie dargelegt, ist die Beschwerdeführerin nicht am österreichischen Arbeitsmarkt integriert und ist insbesondere angesichts ihres Lebensalters auch nicht davon auszugehen, dass sich dieser Umstand in absehbarer Zeit ändern würde. Dessen ungeachtet befindet sie sich – insbesondere in Anbetracht ihres Lebensalters – in einem guten Gesundheitszustand und hat auch in ihrem Herkunftsland Deutschland, wo sie ebenfalls pensionsanspruchsberechtigt ist und in Anbetracht ihrer Pensionshöhe von der "Deutschen Rentenversicherung" wohl den überwiegenden Teil ihrer Versicherungszeiten erworben hat, sowohl Zugang zu medizinischer Versorgung als auch – bei bestehendem Bedarf und Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen - zu Sozialleistungen.
Bei einer gewichtenden Gegenüberstellung des öffentlichen Interesses an einer Ausreise der Beschwerdeführerin mit ihren gegenläufigen privaten Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet hat sich bei einer Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalls ein Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung ergeben, sodass die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen war.
Der Vollständigkeit halber ist im gegebenen Zusammenhang überdies zu betonen, dass ihr eine Rückkehr in das Bundesgebiet auch nicht dauerhaft verunmöglicht wird, da gegen sie auch kein Aufenthaltsverbot iSd § 67 FPG verhängt wurde. Bei Erfüllung der entsprechenden Voraussetzungen steht ihr ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht offen bzw. ist sie als EWR-Bürgerin auch weiterhin zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet, welcher 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, berechtigt.
3.2. Zum Durchsetzungsaufschub (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.
Nachdem die Beschwerdeführerin strafgerichtlich unbescholten blieb, war fallgegenständlich keine derartige Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit erkennbar, die ihre sofortige Ausreise erfordert hätte. Ihr war daher ein Durchsetzungsaufschub in der Dauer von einem Monat zu gewähren.
Insofern war die Beschwerde auch hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.
4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.
Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (vgl. VwGH 28.05.2014, 2014/20/0017).
Die vorgenannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist angesichts des Umstandes, dass zwischen der behördlichen Entscheidung und jener des Bundesverwaltungsgerichtes lediglich etwa eineinhalb Monate liegen, die gebotene Aktualität auf. Der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde hat sich das Bundesverwaltungsgericht zur Gänze angeschlossen. Das Beschwerdevorbringen erwies sich letztlich als unsubstantiiert. Es lagen keine strittigen Sachverhalts- oder Rechtsfragen vor und es waren auch keine Beweise aufzunehmen. Daher konnte aufgrund der Aktenlage entschieden werden.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.
Schlagworte
Aufenthaltsdauer Aufenthaltsrecht Ausgleichszulage Ausweisung Ausweisung rechtmäßig Ausweisungsverfahren Durchsetzungsaufschub Erwerbstätigkeit EU-Bürger EWR-Bürger Gefährdung der Sicherheit Geringfügigkeitsgrenze Integration Interessenabwägung öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Pension Pensionshöhe Privat- und Familienleben private Interessen UnionsbürgerEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:I403.2240324.1.00Im RIS seit
24.06.2021Zuletzt aktualisiert am
24.06.2021