TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/31 I422 2240937-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.03.2021
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Entscheidungsdatum

31.03.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §18 Abs1 Z4
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §19
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §27
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I422 2240937-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas BURGSCHWAIGER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Algerien, vertreten durch die BBU GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.02.2021, Zl. 1275012002/210261445, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte II. bis VII. wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VIII. wird stattgegeben und das Einreiseverbot ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgegenstand:

Verfahrensgegenstand ist die fristgerecht erhobene Beschwerde eines algerischen Staatsangehörigen (in Folge: Beschwerdeführer) gegen Spruchpunkt II. bis VIII. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: belangte Behörde) vom 26.02.2021, Zl. 1275012002/210261445. Mit diesem wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 23.02.2021 auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Algerien (Spruchpunkt II.) ab. Einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilte sie dem Beschwerdeführer nicht (Spruchpunkt III.), erließ über ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und erklärte seine Abschiebung nach Algerien für zulässig (Spruchpunkt V.). Die belangte Behörde erkannte einer Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VI.) und räumte ihm keine Frist für seine freiwillige Ausreise ein (Spruchpunkt VII.). Zudem verhängte die belangte Behörde über den Beschwerdeführer ein Einreiseverbot in der Dauer von einem Jahr (Spruchpunkt VIII.)

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist algerischer Staatsangehöriger. Er gehört der arabischen Volksgruppe an, spricht muttersprachlich arabisch und bekennt sich zum islamischen Glauben. Seine Identität steht nicht fest.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Sein Familienstand ist ledig und kinderlos.

Der Beschwerdeführer wurde in XXXX , Algerien geboren. Er wohnt bis zu seiner Ausreise in seinem Geburtsort in einem gemeinsamen Haushalt mit seinen Eltern und seinen Geschwistern. Der Beschwerdeführer besuchte in seinem Herkunftsstaat fünf Jahre lang die Grund-, vier Jahre lang Mittelschule und danach drei Jahre lang eine höherbildende Schule mit Matura, wobei er diese jedoch nicht beendete. Anschließend absolvierte der Beschwerdeführer in einem Privatinsitut in der Türkei eine Ausbildung als Schneider. Als solcher war er vier Jahre lang tätig und verdiente er sich dadurch seinen Lebensunterhalt. Im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers leben noch seine Eltern und vier seiner fünf Geschwister (insgesamt zwei Brüder und drei Schwestern). Sein Vater ist dort als Sicherheitsmann tätig. Ein weiterer Bruder des Beschwerdeführers lebt in Frankreich, dieser ist aber nicht im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung für Frankreich. Zu seinen Familienangehörigen steht der Beschwerdeführer in aufrechtem und gutem Kontakt.

Vor rund vier Jahren fasste der Beschwerdeführer den Entschluss zur Ausreise und verließ er in weiterer Folge kurz darauf seinen Herkunftsstaat. Er reiste legal aus und flog von Algerien aus in die Türkei. In der Türkei hielt sich der Beschwerdeführer rund zwei Jahre lang auf und arbeitete dort als Schneider. Von der Türkei aus reiste der Beschwerdeführer schleppergestützt über Griechenland – wo er sich ebenfalls rund ein Jahr lang aufhielt – nach Albanien und über Kosovo, Serbien und Ungarn kommend in das Bundesgebiet ein. Im Bundesgebiet stellte er am 23.02.2021 vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz. Er hält sich seither durchgehend im Bundesgebiet auf.

In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über keine familiären Anknüpfungspunkte. Eine private Anbindung des Beschwerdeführers zu Österreich ist ebenfalls nicht gegeben und liegt auch keinerlei integrative Verfestigung in sprachlicher, beruflicher oder sozialer Hinsicht vor.

Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zum Fluchtmotiv des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer unterliegt in seinem Herkunftsstaat keiner Verfolgung aufgrund seiner Rasse, Religion, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, Staatsangehörigkeit oder politischen Gesinnung. Der Beschwerdeführer machte keinerlei Verfolgungsgründe geltend.

Seine Ausreise aus seinem Herkunftsstaat begründete der Beschwerdeführer ausschließlich mit wirtschaftlichen Überlegungen und der Perspektive nach einer besseren beruflichen Zukunft.

Das Ausreisemotiv des Beschwerdeführers und der darauf aufbauende Spruchpunkt I. des Bescheides werden im Beschwerdeschriftsatz nicht angefochten, weshalb der Spruchpunkt I. unangefochten in Rechtskraft erwachsen ist.

1.3. Zur Rückkehrsituation:

Eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach Algerien ist möglich und zumutbar und führt nicht dazu, dass er dort in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation geraten würde. Es ist ihm zumutbar wieder in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren, sich dort eine Unterkunft zu nehmen, am Erwerbsleben teilzunehmen und sich daraus sein Einkommen zu sichern und sein Leben in seinem Herkunftsstaat wieder fortzuführen.

Der Beschwerdeführer hat zudem die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form einer Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen.

1.4. Zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

Algerien gilt als sicherer Herkunftsstaat im Sinne der Herkunftsstaaten-Verordnung.

Hinsichtlich der aktuellen Lage in Algerien sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 26.02.2021 getroffenen Feststellungen keine Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Algerien (Stand 26.06.2020) zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens sind auch keine Änderungen der Lage bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.

Im Hinblick auf das Fluchtvorbringen stellt sich die Situation in Algerien im Wesentlichen wie folgt dar:

Sicherheitslage:

Demonstrationen fanden von Mitte Februar 2019 bis Ende März 2020 fast täglich in allen größeren Städten statt. Auch wenn diese weitgehend friedlich verliefen, konnten vereinzelte gewaltsame Auseinandersetzungen nicht ausgeschlossen werden (AA 5.5.2020; vgl. Standard 12.12.2019, Guardian 13.12.2019, IPB 12.6.2020). Die Sicherheitslage in gewissen Teilen Algeriens ist weiterhin gespannt. Es gibt immer noch terroristische Strukturen, wenn auch reduziert (ÖB 11.2019; vgl. BS 29.4.2020). Es gibt nach wie vor bewaffnete Splittergruppen, und es herrscht nach wie vor eine Sicherheitswarnung, insbesondere für die Süd- und Ostgrenze, für den Süden und die Berberregionen des Landes. Seit 2014 hat es keine Entführungen mehr gegeben (BS 29.4.2020; vgl. BMEIA 8.5.2020, AA 5.5.2020), In den vergangenen zwei Jahren gab es keine größeren terroristischen Vorfälle (BS 29.4.2020).

Der djihadistische Terrorismus in Algerien ist stark zurückgedrängt worden; Terroristen wurden Großteils entweder ausgeschaltet, festgenommen oder haben oft das Land verlassen, was zur Verlagerung von Problemen in die Nachbarstaaten, z.B. Mali, führte. Gewisse Restbestände oder Rückzugsgebiete sind jedoch v.a. in der südlichen Sahara (so z.B. angeblich Iyad ag Ghali) vorhanden. Gruppen, wie die groupe salafiste pour la prédication et le combat (GSPC), die den 1997 geschlossenen Waffenstillstand zwischen dem algerischen Militär und der AIS nicht anerkannte, sich in die Saharagebiete zurückzog und 2005 mit Al Qaida zur AQIM verband, sind auf kleine Reste reduziert und in Algerien praktisch handlungsunfähig. Inzwischen hat sich diese Gruppe wieder mehrmals geteilt, 2013 u.a. in die Mouvement d’unité pour je jihad en Afrique occidentale (MUJAO). Ableger dieser Gruppen haben den Terroranschlag in Amenas/Tigentourine im Jänner 2013 zu verantworten. 2014 haben sich mit dem Aufkommen des „Islamischen Staates“ (IS) Veränderungen in der algerischen Terrorismusszene ergeben. AQIM hat sich aufgespalten und mindestens eine Teilgruppe, Jund al-Khilafa, hat sich zum IS bekannt. Diese Gruppe hat die Verantwortung für die Entführung und Enthauptung des französischen Bergführers Hervé Gourdel am 24.9.2014 übernommen. Dies war 2014 der einzige Anschlag, der auf einen Nicht-Algerier zielte. Ansonsten richteten sich die terroristischen Aktivitäten ausschließlich auf militärische Ziele (ÖB 11.2019).

Der interkommunale Konflikt in der Region Ghardaia mit gewalttätigen Zusammenstößen zwischen 2013 und 2015 wurde durch eine starke Militärpräsenz unter Kontrolle gebracht. Islamistische Extremisten, die eine echte Bedrohung für die staatliche Identität darstellen, sind nach wie vor eine sehr kleine Minderheit. Sie werden von der Bevölkerung kaum oder gar nicht unterstützt (BS 29.4.2020).

Die Sicherheitssituation betreffend terroristische Vorfälle hat sich inzwischen weiter verbessert, die Sicherheitskräfte haben auch bislang unsichere Regionen wie die Kabylei oder den Süden besser unter Kontrolle, am relativ exponiertesten ist in dieser Hinsicht noch das unmittelbare Grenzgebiet zu Tunesien, Libyen und zu Mali. Es kommt mehrmals wöchentlich zu Razzien und Aktionen gegen Terroristen oder deren Unterstützer (ÖB 11.2019).

Nach Angaben der offiziellen Armeepublikation „El Djeich“ (andere Quellen sind nicht öffentlich zugänglich) wurden 2018 32 Terroristen getötet, 25 festgenommen, 132 ergaben sich, weiters wurden 170 „Terrorismusunterstützer“ festgenommen (MDN 1.2019; vgl. ÖB 12.2019). Dieselbe Quelle gibt für das Jahr 2019 an, dass 15 Terroristen getötet und 25 festgenommen wurden, 44 ergaben sich; weiters wurden 245 „Terrorismusunterstützer“ festgenommen (MDN 1.2020). Wie in den Vorjahren kam es auch 2019 zu bewaffneten Vorfällen zwischen Sicherheitskräften und Terroristen, bei denen inoffiziellen Angaben zufolge auch aufseiten der Armee Tote verzeichnet wurden, was jedoch nicht öffentlich gemacht wird (ÖB 11.2019).

Spezifische regionale Risiken:

Von Terroranschlägen und Entführungen besonders betroffen ist die algerische Sahararegion, aber auch der Norden und Nordosten des Landes (v.a. Kabylei). Die Gefahr durch den Terrorismus, der sich in erster Linie gegen die staatlichen Sicherheitskräfte richtet, besteht fort (AA 5.5.2020). 2017 gab es (mindestens) vier Anschläge mit eindeutig islamistischem Hintergrund, und zwar in Blida, Constantine, Oued Djemaa (Wilaya Blida), Ferkane (Wilaya Tebessa) und Tiaret (ÖB 11.2019).

Vor Reisen in die Grenzgebiete zu Libyen, Niger, Mali, Mauretanien, Tunesien und Marokko sowie in die sonstigen Saharagebiete, in ländliche Gebiete, Bergregionen (insbesondere Kabylei) und Gebirgsausläufer (Nord-Westen von Algier und Wilaya de Batna) wird gewarnt (BMEIA 8.5.2020; vgl. AA 5.5.2020, FD 20.5.2020). Ausgenommen davon sind nur die Städte Algier, Annaba, Constantine, Tlemcen und Oran (BMEIA 8.5.2020). Im Rest des Landes besteht weiterhin hohes Sicherheitsrisiko (BMEIA 8.5.2020). Praktisch nicht mehr existent sind die früher häufigen Entführungen, besonders in der Region Kabylei von wohlhabenden Einheimischen mit kriminellem Hintergrund (Lösegeldforderung). In den südlichen Grenzregionen zu Niger und Mali und jenseits der Grenzen gehen terroristische Aktivitäten, Schmuggel und Drogenhandel ineinander über. Es wird angenommen, dass AQIM in Nordmali, aber auch andernorts vereinzelt mit der lokalen Bevölkerung für Schmuggel aller Art zusammenarbeitet (ÖB 11.2019).

Grundversorgung und Wirtschaft:

Nahezu die gesamten Staatseinkünfte des Landes stammen aus dem Export von Erdöl und Erdgas. Rund 90 Prozent der Grundnahrungsmittel und fast die Gesamtheit der Pharmazeutika und Gebrauchsgüter werden importiert. Eine an den Bedürfnissen der Bevölkerung orientierte oder auf Autarkie zielende Industrialisierung hat nicht stattgefunden. Die Staatseinnahmen – und damit die Fähigkeit zur Subventionierung von Grundbedürfnissen (Grundnahrungsmittel, Wohnungsbau, Infrastruktur) – sind seit 2014 aufgrund des sinkenden Öl- und Gaspreises drastisch zurückgegangen (RLS 17.12.2019; vgl. BS 29.4.2020).

Algerien leistet sich aus Gründen der sozialen und politischen Stabilität ein für die Möglichkeiten des Landes aufwendiges Sozialsystem, das aus den Öl- und Gasexporten finanziert wird. Algerien ist eines der wenigen Länder, die in den letzten 20 Jahren eine Reduktion der Armutsquote von 25% auf 5% erreicht hat. Schulbesuch und Gesundheitsfürsorge sind kostenlos. Energie, Wasser und Grundnahrungsmittel werden stark subventioniert. Ein Menschenrecht auf Wohnraum wird anerkannt. Für Bedürftige wird Wohnraum kostenlos zur Verfügung gestellt. Missbräuchliche Verwendung ist häufig (ÖB 11.2019).

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist bislang durch umfassende Importe gewährleistet. Insbesondere im Vorfeld religiöser Feste, wie auch im gesamten Monat Ramadan, kommt es allerdings immer wieder zu substanziellen Preissteigerungen bei Grundnahrungsmitteln. Für Grundnahrungsmittel wie Weizenmehl, Zucker und Speiseöl gelten Preisdeckelungen und Steuersenkungen. Im Bereich der Sozialfürsorge kommt, neben geringfügigen staatlichen Transferleistungen, vornehmlich der Familien-, im Süden des Landes auch der Stammesverband, für die Versorgung alter Menschen, Behinderter oder chronisch Kranker auf. In den Großstädten des Nordens existieren „Selbsthilfegruppen“ in Form von Vereinen, die sich um spezielle Einzelfälle (etwa die Einschulung behinderter Kinder) kümmern. Teilweise fördert das Solidaritätsministerium solche Initiativen mit Grundbeträgen (AA 25.6.2019).

Die Arbeitslosigkeit liegt bei 12 bis 17%, die Jugendarbeitslosigkeit (15-24-jährige) bei 30 bis 50% (WKO 10.2019 [jeweils niedrigerer Wert], RLS 17.12.2019 [jeweils höherer Wert]). Das staatliche Arbeitsamt Agence national d’emploi / ANEM (http://www.anem.dz/) bietet Dienste an, es existieren auch private Jobvermittlungsagenturen (z.B. http://www.tancib.com/index.php?page=apropos). Seit Februar 2011 stehen jungen Menschen Starthilfekredite offen, wobei keine Daten darüber vorliegen, ob diese Mittel ausgeschöpft wurden. Die Regierung anerkennt die Problematik der hohen Akademikerarbeitslosigkeit. Grundsätzlich ist anzumerken, dass allen staatlichen Genehmigungen/Unterstützungen eine (nicht immer deklarierte) sicherheitspolitische Überprüfung vorausgeht, und dass Arbeitsplätze oft aufgrund von Interventionen besetzt werden. Der offiziell erfasste Wirtschaftssektor ist von staatlichen Betrieben dominiert (ÖB 11.2019).

Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie werden an vulnerable Familien in isolierten und vom Lockdown besonders betroffenen Gebieten Lebensmittel und Hygieneprodukte verteilt (Gentilini et al 12.6.2020: 29f).

Zur Situation von Rückkehrern:

Die illegale Ausreise, d.h. die Ausreise ohne gültige Papiere bzw. ohne eine Registrierung der Ausreise per Stempel und Ausreisekarte am Grenzposten, ist gesetzlich verboten (Art. 175 bis 1. algerisches Strafgesetzbuch, Gesetz 09-01 vom 25.2.2009, kundgemacht am 8.3.2009) (ÖB 11.2019; vgl. AA 25.6.2019). Das Gesetz sieht ein Strafmaß von zwei bis sechs Monaten und / oder eine Strafe zwischen 20.000 DA bis 60.000 DA vor (ÖB 11.2019)

Rückkehrer, die ohne gültige Papiere das Land verlassen haben, werden mitunter zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Für illegale Bootsflüchtlinge („harraga“) sieht das Gesetz Haftstrafen von drei bis zu fünf Jahren und zusätzliche Geldstrafen vor. In der Praxis werden zumeist Bewährungsstrafen verhängt (AA 25.6.2019).

Eine behördliche Rückkehrhilfe ist ho. nicht bekannt. Ebenso sind der Botschaft keine NGOs bekannt, die Unterstützung leisten. Bekannt ist, dass Familien zurückkehrende Familienmitglieder wieder aufnehmen und unterstützen. Viel bekannter hingegen sind Fälle, in denen Familien Mitglieder mit beträchtlichen Geldmitteln bei der illegalen Ausreise unterstützen. Sollten Rückkehrer auf familiäre Netze zurückgreifen können, würde man annehmen, dass sie diese insbesondere für eine Unterkunft nützen. Die Botschaft kennt auch Fälle von finanzieller Rückkehrhilfe (EUR 1.000-2.000) durch Frankreich, für Personen, die freiwillig aus Frankreich ausgereist sind. Algerien erklärt sich bei Treffen mit div. EU-Staatenvertretern immer wieder dazu bereit, Rückkehrer aufzunehmen, sofern zweifelsfrei feststehe, dass es sich um algerische Staatsangehörige handle. Nachfragen bei EU-Botschaften und Pressemeldungen bestätigen, dass Algerien bei Rückübernahmen kooperiert. Zwischen Algerien und einzelnen EU-Mitgliedsstaaten bestehen bilaterale Rückübernahmeabkommen (ÖB 11.2019).

Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie wurden am 17.3.2020 alle Luft-, See- und Landgrenzübergänge geschlossen. Über eine mögliche Aufhebung der Sperren soll im Juli 2020 entschieden werden (National 14.6.2020; vgl. USEMB 16.6.2020, IATA 17.4.2020/17.6.2020, Garda 13.6.2020).

1.5. Zur COVID-19-Situation:

Mit Stand 30.03.2021 verzeichnete Algerien laut WHO 116.946 bestätigte COVID-19 Fälle, 110 Neuerkrankungen sowie 3.084 Todesfälle. Mit der Impfung der Bevölkerung wurde bereits begonnen, allerdings stehen der WHO diesbezüglich noch keine Daten zur Verfügung.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes vom 24.02.2021 und vor der belangten Behörde vom 24.02.2021 sowie vom 26.02.2021, in den bekämpften Bescheid und der Angaben im Beschwerdeschriftsatz. Ergänzend wurden Auszüge des Zentralen Melderegisters (ZMR), des Informationsverbundsystems Zentrales Fremdenregister (IZR), des Betreuungsinformationssystems über die Grundversorgung (GVS) und des Strafregisters eingeholt. Zudem wurde Einsicht in die Homepage der WHO genommen.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, im Besonderen seiner Volljährigkeit, seiner Staatsangehörigkeit und seiner Volksgruppen-, Sprach- und Glaubenszugehörigkeit ergeben sich aus seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der belangten Behörde. Mangels Vorlage eines identitätsbezeugenden Dokumentes konnte seine Identität nicht abschließend geklärt werden.

Glaubhaft und im gesamten Administrativverfahren gleichbleibend lauten die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Gesundheitszustand. So bestätigte er sowohl in der Erstbefragung als auch der weiteren niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde, dass er körperlich und geistig in der Lage sei den jeweiligen Einvernahmen zu folgen. Die Inanspruchnahme ärztlicher Behandlung oder die Einnahme von Medikamenten verneinte der Beschwerdeführer. Auch aus dem Beschwerdeschriftsatz ergab sich kein Vorbringen, dass zu anderslautenden Feststellungen geführt hätte. Aus der Zusammenschau seines Alters, seines Gesundheitszustandes und seiner bisherigen beruflichen Tätigkeiten resultiert die Feststellung seiner Arbeitsfähigkeit. Ebenfalls glaubhaft erachtet das erkennende Gericht die Angaben des Beschwerdeführers im Zuge seiner Erstbefragung zu seinem Familienstand.

Die Feststellungen zu seiner Geburt und zu seinen Lebens-, Berufs- und Wohnumständen in seinem Herkunftsstaat und seiner Schulschulbildung basieren auf seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben seiner Erstbefragung vom 24.02.2021 und vor der belangten Behörde ebenfalls vom 24.02.2021. Ebenso fußen die Feststellungen zu seinen in Algerien aufhältigen Familienangehörigen auf seinen diesbezüglich gleichbleibenden und glaubhaften Ausführungen.

Auf den glaubhaften Ausführungen des Beschwerdeführers im Erstbefragungsprotokoll vom 24.02.2021 gründen die Feststellungen zum Entschluss seiner Ausreise vor rund vier Jahren und bestätigte er später selbst, dass er im Jahr 2017 ausgereist sei. Aus seinen glaubhaften Ausführungen in der Erstbefragung ergeben sich ebenso die Feststellungen zu seiner Reiseroute. Aus dem sich im Verwaltungsakt befindlichen Erstbefragungsprotokoll und aus einem aktuellen Auszug des zentralen Melderegisters resultiert die Feststellung zu seiner Antragsstellung im Bundesgebiet und seinem seither bestehenden durchgehenden Aufenthalt im Bundesgebiet.

Bei seinen Ausführungen vor der belangten Behörde vom 24.02.2021 verneinte der Beschwerdeführer die Fragen nach in Österreich aufhältigen Familienangehörigen und ob er sich in Österreich in einer aufrechten Familiengemeinschaft oder einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft befinde. Ebenso gab er an, dass er nicht gut Deutsch spreche. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Österreich über keinerlei private Anbindungen verfügt und auch keine integrative Verfestigung in sprachlicher, beruflicher oder sozialer Hinsicht vorliegt, ergibt sich zunächst aus seinem äußerst kurzen Aufenthalt im Bundesgebiet von lediglich rund einem Monat. Auch lässt sein äußerst kurzer Aufenthalt im Bundesgebiet darauf schließen, dass er in Österreich niemals berufstätig und in keinem Verein oder einer Organisation Mitglied war und er in Österreich auch niemals Kurse oder eine Ausbildung absolviert hatte. Dahingehend wurde im Beschwerdeschriftsatz kein Vorbringen erstatten, sodass keine anderslautenden Feststellungen zu treffen waren.

Aus der Einsichtnahme in das Strafregister ist die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers belegt.

2.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Dass der Beschwerdeführer in Bezug auf seine Person keinerlei Verfolgungsgründe vorgebracht und er seinen Herkunftsstaat ausschließlich aus wirtschaftlichen Überlegungen bzw. der Perspektive nach einer besseren beruflichen Zukunft verlassen hat, ergibt sich zweifelsfrei aus den diesbezüglich gleichlautenden Angaben im Rahmen seines Administrativverfahrens. Demzufolge brachte er auf die Frage, weshalb er einen Asylantrag gestellt habe, dass es in seiner Heimat keine Arbeit und keine Zukunft gäbe. Er sei lediglich der Arbeit wegen nach Europa gekommen. Er wolle nur ein schönes Land um Geld zu verdienen. Im Falle seiner Rückkehr befürchte er, dass er keine Zukunft habe. Auf diesen Angaben des Beschwerdeführers gründet sich ebenso die Feststellung, dass er weder aufgrund seiner Rasse, Religion, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, Staatsangehörigkeit oder politischen Gesinnung in seinem Heimatstaat verfolgt wird.

Dass das wirtschaftliche Fluchtmotiv und Spruchpunkt I. des Bescheides nicht angefochten werden, leitet sich aus dem Beschwerdeschriftsatz ab.

2.4. Zur Rückkehrsituation des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist gesund, jung und erwerbsfähig. Er war bislang imstande sich seinen Lebensunterhalt durch seine berufliche Tätigkeit als Schneider zu sichern und lebte er bis zu seiner Ausreise in einem gemeinsamen Haushalt mit seiner Familie. Auch wenn der Beschwerdeführer seinen Herkunftsstaat bereits 2017 verlassen hat, ist zudem nicht von einer vollkommenen Entwurzelung des Beschwerdeführers auszugehen. Er wuchs in seinem Herkunftsstaat auf, wurde dort hauptsozialisiert, spricht muttersprachlich arabisch und steht nach wie in Kontakt zu seiner dort aufhältigen Familie. Es ist somit davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer an sein bisheriges Leben in seinem Herkunftsstaat anknüpfen kann. Aus den vorgenannten Überlegungen leitet sich somit die Feststellung zur Sicherung seiner Existenz und Grundversorgung im Falle seiner Rückkehr nach Algerien ab.

Die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Rückkehrhilfe sind der offiziellen Webseite der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (https://returnfromaustria.at/) entnommen.

2.5. Zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

Algerien ist gemäß § 1 Z 10 der Herkunftsstaaten-Verordnung BGBl II Nr. 177/2009, in der Fassung BGBl II Nr. 145/2019, ein sicherer Herkunftsstaat.

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation für Algerien und den dort zitierten Quellen. Dieser Bericht fußt sowohl auf Berichten verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen, wie zum Beispiel der Schweizerischen Flüchtlingshilfe.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche dargestellt wird, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Aufgrund der Kürze der verstrichenen Zeit zwischen der Erlassung des bekämpften Bescheides und der vorliegenden Entscheidung von weniger als einem Monat haben sich keine Änderungen zu den im bekämpften Bescheid getroffenen Länderfeststellungen ergeben. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich daher diesen Feststellungen vollinhaltlich an.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln (vgl. VwGH 15.09.2020, Ra 2020/18/0145).

Auch wenn die angespannte wirtschaftliche Lage in Algerien durchaus nicht verkannt wird, steht für das Bundesverwaltungsgericht nach Würdigung sämtlicher Umstände fest, dass Algerien ein Staat ist, der hinsichtlich seiner Bürger schutzfähig und schutzwillig ist und dass dem jungen, gesunden und arbeitsfähigen Beschwerdeführer daher aufgrund der Lage im Herkunftsstaat mit höchster Wahrscheinlichkeit keine Gefahr an Leib und Leben oder einer unmenschlichen Strafe droht, wenn er nach Algerien zurückkehrt. Ebensowenig vermag das bloße Aufzeigen von spezifischen Problemlagen im Herkunftsstaat die Glaubwürdigkeit der Länderfeststellungen zu erschüttern.

Der Beschwerdeführer trat den Quellen und deren Kernaussagen weder im Administrativ- noch im Beschwerdeverfahren substantiiert entgegen, sodass die der Entscheidung zugrunde gelegten Länderberichte nicht in Zweifel zu ziehen waren.

2.6. Zur COVID-19-Situation:

Die COVID-19-Daten zu Algerien entstammen dem Dashboard der Website der WHO ( https://covid19.who.int/region/afro/country/dz, [Stand 31.03.2021]). In Zusammenhang mit der COVID-19-Situation gilt es anzumerken, dass es sich um eine weltweite Pandemie handelt, somit sowohl Österreich als auch Algerien davon betroffen ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

I. Abweisung der Beschwerde:

3.1. Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Das Ausreisemotiv des Beschwerdeführers und der darauf aufbauende Spruchpunkt I. des Bescheides wurden im Beschwerdeschriftsatz nicht angefochten, weshalb dieser Spruchpunkt bereits in Rechtskraft erwachsen ist.

3.2. Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Wie bereits im Zuge der Prüfung des Status des Asylberechtigten festgestellt wurde, machte der Beschwerdeführer im Hinblick auf seinen Herkunftsstaat Algerien keinerlei gegen seine Person gerichteten Bedrohungs- oder Verfolgungshandlungen geltend.

Ebenso gilt Algerien gemäß § 1 Z 10 der Herkunftsstaaten-Verordnung (BGBl. II Nr. 177/2009 idF BGBl. II Nr. 145/2019) als sicherer Herkunftsstaat.

Hinweise auf eine allgemeine existenzbedrohende Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen für Algerien nicht vor, sodass aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 und/oder 3 EMRK abgeleitet werden kann. In diesem Zusammenhang ist der Vollständigkeit halber aufgrund der aktuellen Situation festzuhalten, dass auch die COVID-19-Pandemie einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat nicht entgegensteht. So ist der Beschwerdeführer jung, gesund und leidet an keinen Atemwegserkrankungen oder anderen chronischen Krankheiten. Er gehört somit nicht zur Risikogruppe im Sinne der COVID-19-Risikogruppe-Verordnung. Auch die offiziellen Zahlen der an COVID-19 Erkrankten in Algerien zeigen aktuell kein für eine Schutzgewährung hinreichend signifikantes Risiko für den Beschwerdeführer auf.

Nach der ständigen Judikatur des VwGH reicht eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Art. 3 MRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können oder um die Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative zu verneinen (vgl. VwGH 01.10.2020, Ra 2020/19/0196).

Nach ständiger Rechtsprechung des EGMR obliegt es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (Beschluss des VwGH vom 26.04.2017, Ra 2017/19/0016 mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, I gegen Schweden Nr. 61204/09).

Das Vorliegen eines derartigen Risikos wurde vom Beschwerdeführer nicht substantiiert dargelegt. Ohne die wirtschaftliche Situation für die Masse der Bevölkerung in Algerien beschönigen zu wollen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich ein volljähriger, junger und gesunder Mann, der über eine mehrjährige Schulausbildung und eine Berufsausbildung als Schneider verfügt, im Falle einer Rückkehr nach Algerien dort nicht seine existentiellen Grundbedürfnisse befriedigen könnte. Für eine derartige Existenzgefährdung ergaben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers auch keinerlei Anhaltspunkte, zumal er selbst bestätigte, er vor seiner Ausreise mehrere Jahre als Schneiderarbeitete. Er vermochte er sich aus seiner bisherigen Tätigkeit seinen Lebensunterhalt sichern. Zudem lebte er bis zu seiner Ausreise in einem gemeinsamen Haushalt mit seinen Eltern und seinen Geschwistern und weist er somit ein familiäres Netzwerk auf. Somit geht auch sein Vorbringen, dass sich der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat nicht versorgen könne und in eine finanzielle Notlage geraten könne ins Leere.

Es ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat seine dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht in eine dauerhaft aussichtslose Lage gerät.

Es ergibt sich insgesamt kein reales Risiko, dass es durch die Rückführung des Beschwerdeführers nach Algerien zu einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe kommen würde.

Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.

3.3. Zur Nichtgewährung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):

Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemäß § 57 AsylG wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet und auch aus dem Verwaltungsakt ergeben sich keinerlei Hinweise, die nahe legen würden, dass die Erteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung in Betracht kommt.

Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG nicht ergeben sind, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

3.4. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig auf Dauer unzulässig erklärt wurde. Es ist daher zu prüfen, ob eine Rückkehrentscheidung auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für unzulässig zu erklären ist.

Gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs. 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Die Zulässigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, insbesondere einer Rückkehrentscheidung, setzt nach § 9 Abs. 1 BFA-VG 2014 unter dem dort genannten Gesichtspunkt eines Eingriffs in das Privat- und/oder Familienleben voraus, dass ihre Erlassung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. Im Zuge dieser Beurteilung ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG 2014 genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG 2014 ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. VwGH 30.04.2020, Ra 2019/21/0362; 06.05.2020; Ra 2020/20/0093).

Der Beschwerdeführer hält sich seit rund einem Monat im Bundesgebiet auf und fußt die Rechtmäßigkeit seines Aufenthaltes auf der Grundlage seines gegenständlichen Asylverfahrens. Im gegenständlichen Fall ergaben sich keine Anhaltspunkte für ein schützenswertes Privat- und Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK in Österreich und machte er ein solches auch nicht geltend. Angesichts seiner kurzen Aufenthaltsdauer ist ebensowenig von einer integrativen Verfestigung auszugehen bzw. wurde derartiges ebenfalls nicht behauptet. Berücksichtigt wird auch die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers, welche wertneutral zu berücksichtigen ist.

Dem allenfalls bestehenden Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich (bzw. Europa) stehen öffentliche Interessen gegenüber. Dieses beinhaltet das öffentliche Interesse an einem geordneten Asyl- und Fremdenwesen und dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel aufhältig sind – gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz – auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden (vgl. VwGH 15.03.2018, Ra 2018/21/0034; 05.11.2019, Ro 2019/01/0008).

Anhand der vorangegangenen Ausführungen und der diesbezüglichen Judikatur kann nicht davon ausgegangen werden, dass seine privaten Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung überwiegen.

Es sind - unter der Schwelle des Art. 2 und 3 EMRK - aber auch die Verhältnisse im Herkunftsstaat unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens zu berücksichtigen, so sind etwa Schwierigkeiten beim Beschäftigungszugang oder auch Behandlungsmöglichkeiten bei medizinischen Problemen bzw. eine etwaigen wegen der dort herrschenden Verhältnisse bewirkte maßgebliche Verschlechterung psychischer Probleme auch in die bei der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorzunehmende Interessensabwägung nach § 9 BFA-VG miteinzubeziehen (vgl. dazu VwGH, 16.12.2015, Ra 2015/21/0119). Eine diesbezüglich besonders zu berücksichtigende Situation liegt – wie umseits unter Punkt 3.2. ausgeführt – aber nicht vor; beim Beschwerdeführer sind keine besonderen Vulnerabilitäten gegeben.

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich daher, dass die im angefochtenen Bescheid angeordnete Rückkehrentscheidung keinen ungerechtfertigten Eingriff in das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Privat- und Familienleben darstellt.

Die Beschwerde war daher somit auch hinsichtlich des Spruchpunktes IV. gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.

3.5. Zur Zulässigkeit der Abschiebung nach Algerien (Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei. Für die gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt der Maßstab des § 50 FPG.

Ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach § 8 Abs. 1 AsylG (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach § 52 Abs. 9 FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ist ausgeschlossen. Damit ist es unmöglich, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen (vgl. VwGH, 16.12.2015, Ra 2015/21/0119; 25.09.2019, Ra 2019/19/0399; u.a.).

Da – wie umseits unter Punkt 3.2. ausgeführt – keine Gründe für die Zuerkennung von internationalem Schutz hinsichtlich des Status eines subsidiär Schutzberechtigten vorliegen, ist im Sinne der zuvor zitierten, auch nach dem Erkenntnis VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106, weiterhin beachtlichen Judikatur eine neuerliche Prüfung eines Abschiebehindernisses aus Gründen der ernsthaften Gefahr der Todesstrafe, unmenschlichen Strafe oder Behandlung und der Gefahr durch einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt persönlich zu Schaden zu kommen, nicht mehr neu zu prüfen.

Die Abschiebung ist somit nicht unzulässig, da dem Beschwerdeführer keine Flüchtlingseigenschaft zukommt und auch keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte der Abschiebung entgegensteht.

Die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Algerien erfolgte daher zu Recht.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes V. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 52 Abs. 9 FPG abzuweisen war.

3.6. Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung und Nichtgewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI. und VII. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG kann vom BFA einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkannt werden, wenn der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19 BFA-VG) stammt (Ziffer 1) bzw. der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat (Ziffer 4).

Nach § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom BFA aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 55 Abs. 1a FPG besteht ua. eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht, wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird. Hierunter fallen neben Verfahren, in denen einer Beschwerde ex lege keine aufschiebende Wirkung zukam, auch die Verfahren, in denen das BFA die aufschiebende Wirkung aberkannt hat und in denen jeweils keine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG erfolgt ist.

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde einer Beschwerde gegen den bekämpften Bescheid vom 26.02.2021 die aufschiebende Wirkung zu Recht aberkannt.

Nach § 1 Z 10 der Herkunftsstaaten-Verordnung gilt Algerien als sicherer Herkunftsstaat und liegen die Fluchtmotive des Beschwerdeführers ausschließlich in wirtschaftlichen und familiären Überlegungen, weswegen die belangte Behörde die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung auf Grundlage des § 18 Abs. 1 Z 1 und Z 4 BFA-VG somit zu Recht zur Anwendung brachte.

Wie bereits umseits erörtert, besteht bei der Rückkehr des Beschwerdeführers nach Algerien keine Gefahr, dass diesem die Todesstrafe, die Folter, eine unmenschliche Behandlung oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes drohen. Ein von Art 8 EMRK geschützter Eingriff in sein Privat- und Familienleben ist ebenfalls mangels Bestehens eines schützenswerten Privat- und Familienlebens in Österreich nicht zu befürchten. Die nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes durchzuführende Interessensabwägung zwischen den Interessen des Beschwerdeführers und jenen Österreichs ergibt – wie umseits ebenfalls bereits ausgeführt – einen Überhang der Interessen Österreichs an der unverzüglichen Vollstreckung des bekämpften Bescheides. Damit waren keine Gründe für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG gegeben.

Zu Recht hat daher die belangte Behörde § 55 Abs. 1a FPG sowie jedenfalls § 18 Abs. 1 Z 1 und Z 4 BFA-VG zur Anwendung gebracht und erweist sich die Beschwerde daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich der Spruchpunkte VI. und VII. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen war.

II. Behebung des Einreiseverbotes:

Gemäß § 53 Abs. 1 und 2 FPG kann das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot, also die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der EU (außer Irlands und des Vereinigten Königreichs), Islands, Norwegens, der Schweiz und Liechtensteins einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten, erlassen, wenn der Drittstaatsangehörige die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet. Die Dauer des Einreiseverbots ist abhängig von seinem bisherigen Verhalten. Dabei ist zu berücksichtigen, inwieweit sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. § 53 Abs. 2 FPG enthält eine demonstrative Aufzählung von Tatbeständen, deren Vorliegen eine Gefährdung öffentlicher Interessen indiziert. Dies ist unter anderem – soweit gegenständlich relevant – dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag (Z 6 leg. cit.). In diesem Fall kann ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens fünf Jahren erlassen werden.

Ein Einreiseverbot ist nicht zwingend mit jeder Rückkehrentscheidung zu verbinden, sondern steht im Ermessen der Behörde. Es soll bestimmte, mit dem Aufenthalt des betroffenen Fremden potentiell verbundene Gefährdungen öffentlicher Interessen hintanhalten. Dabei ist im Rahmen einer Interessensabwägung zu prüfen, inwiefern private und familiäre Interessen des Fremden der Verhängung des Einreiseverbots in der konkreten Dauer allenfalls entgegenstehen. Ein Einreiseverbot ist dann zu verhängen, wenn die Gefährdungsprognose eine zukünftige Gefährdung relevanter öffentlicher Interessen ergibt und eine Interessensabwägung nach Art 8 EMRK zu Lasten des betroffenen Drittstaatsangehörigen ausgeht (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 53 FPG K 10 ff).

Der bloße unrechtmäßige Aufenthalt stellt nach dem System der Rückführungsrichtlinie noch keine derartige Störung der öffentlichen Ordnung dar, dass dies immer die Erlassung eines Einreiseverbotes gebieten würde (VwGH 24.05.2018, Ra 2018/19/0125).

Der Verwaltungsgerichtshof hielt dazu in seiner Entscheidung vom 04.08.2016, Ra 2016/21/0207, fest: „Mit dem FNG-Anpassungsgesetz 2014 wurde die Anordnung, dass mit einer Rückkehrentscheidung stets ein Einreiseverbot einherzugehen hat, eliminiert; außerdem wurde die 18-monatige Mindestdauer eines Einreiseverbotes beseitigt. Ausschlaggebend dafür waren gemäß den ErläutRV (2144 BlgNR 24. GP 23 f) die Überlegungen in den E vom 15. Dezember 2011, 2011/21/0237, und vom 15. Mai 2012, 2012/18/0029. Nach dieser Judikatur stellt jedenfalls der bloße unrechtmäßige Aufenthalt nach dem System der Rückführungs-RL noch keine derartige Störung der öffentlichen Ordnung dar, dass dies immer die Erlassung eines Einreiseverbotes gebieten würde. Zwar kann eine Rückkehrentscheidung dessen ungeachtet mit einem Einreiseverbot einhergehen, eine zwingende Mindestdauer von 18 Monaten – mag sie auch häufig gerechtfertigt sein – in jedem Fall wird der Anordnung, wonach die Festsetzung der Dauer des Einreiseverbotes in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu erfolgen hat, jedoch nicht gerecht. Letztere – zweifellos unmittelbar anwendbare – Richtlinienbestimmung steht daher § 53 Abs. 2 FrPolG 2005 insoweit entgegen, als dort – ohne Ausnahme – die Festsetzung eines Einreiseverbotes für die Dauer von 18 Monaten vorgesehen ist. Umgekehrt kennt das FrPolG 2005 keine kürzere Frist für das Einreiseverbot. Es ist daher davon auszugehen, dass gegebenenfalls, wenn sich das Fehlverhalten des Drittstaatsangehörigen auf den unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet beschränkt und fallbezogen ausnahmsweise (etwa auf Grund seiner kurzen Dauer oder der dafür maßgebenden Gründe) nur eine geringfügige Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens darstellt, überhaupt kein Einreiseverbot zu verhängen ist. Immer dann, wenn auf Grund des die öffentliche Ordnung (oder Sicherheit) bloß geringfügig beeinträchtigenden Fehlverhaltens des Drittstaatsangehörigen die Erlassung eines Einreiseverbotes für die Dauer von 18 Monaten nicht gerechtfertigt ist, ist überhaupt kein Einreiseverbot zu verhängen.“

Zwar hat sich die belangte Behörde zutreffend auf die Mittellosigkeit des Beschwerdeführers gestützt, diese stellt jedoch ob des äußerst kurzen Aufenthaltes von rund einem Monat lediglich eine geringfügige Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens dar. Der Beschwerdeführer ist während seines Aufenthaltes weder strafgerichtlich in Erscheinung getreten, noch wurde er wegen Verwaltungsübertretungen bestraft.

Im Ergebnis zeigt sich daher, dass vor dem Hintergrund der vom Verwaltungsgerichtshof entwickelten Judikatur ein Einreiseverbot im gegenständlichen Fall nicht gerechtfertigt ist.

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VIII. war sohin stattzugeben und dieser Spruchpunkt ersatzlos zu beheben.

4. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Eine Beschwerdeverhandlung kann gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG entfallen, weil der Sachverhalt aus der Aktenlage – den darin aufscheinenden insgesamt drei Einvernahmen des Beschwerdeführers und den darin getätigten gleichbleibenden Angaben – in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, die Entscheidung in zeitlicher Nähe liegt und die mündliche Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lässt. Selbst bei Berücksichtigung aller zugunsten des Beschwerdeführers sprechenden Fakten kann für ihn kein günstigeres Ergebnis erzielt werden und vermag daran auch eine mündliche Verhandlung durch das Bundesverwaltungsgericht und ein dabei gewonnener (positiver) persönlicher Eindruck nichts zu ändern (vgl. VwGH 19.09.2019, Ra 2019/21/0180; 06.04.2020, Ra 2019/01/0430).

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Wie die umseitigen Ausführungen zeigen, brachte der Beschwerdeführer keinerlei Verfolgungsgründe gegen seine Person vor und verließ er seinen Herkunftsstaat ausschließlich auf der Grundlage wirtschaftlicher Überlegungen und der Perspektive auf eine bessere berufliche Zukunft. In Anbetracht der kurzen Aufenthaltsdauer und der sich daraus ergebenden fehlenden privaten und familiären Anbindung sowie der nicht vorhandenen integrativen Verfestigung vermochte auch eine Rückkehrentscheidung nicht zu seinen Gunsten ausfallen. Wie die der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegte Judikatur zeigt, diese weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Abschiebung Angemessenheit Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltstitel aufschiebende Wirkung - Entfall berücksichtigungswürdige Gründe Einreiseverbot Einreiseverbot aufgehoben ersatzlose Teilbehebung freiwillige Ausreise Frist Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose Interessenabwägung Kassation Mittellosigkeit öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben private Interessen real risk reale Gefahr Rückkehrentscheidung sicherer Herkunftsstaat Spruchpunktbehebung subsidiärer Schutz Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I422.2240937.1.00

Im RIS seit

30.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

30.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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