Index
24/01 Strafgesetzbuch;Norm
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, über die Beschwerde des M in K, vertreten durch Mag. O, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 13. Februar 1995, Zl. SD 1167/94, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 13. Februar 1995 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der Jugoslawischen Föderation, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von zehn Jahren erlassen.
Der Beschwerdeführer sei mit Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 3. März 1994 (rechtskräftig seit 21. März 1994) wegen §§ 83 Abs. 1 StGB, 12 Abs. 2 und Abs. 3 Z. 3 sowie 16 Abs. 1 des Suchtgiftgesetzes zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten, bedingt auf drei Jahre, verurteilt worden. Es könne daher kein Zweifel bestehen, daß die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG vorlägen. Das der Verurteilung zugrunde liegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers und die dadurch bewirkte Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung rechtfertigten aber auch die in § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme. In einem solchen Fall sei gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn dem nicht die Bestimmungen der §§ 19 und 20 FrG entgegenstünden.
Von einem bedeutenden Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers im Sinn des § 19 FrG sei auszugehen gewesen, weil der in Wien geborene Beschwerdeführer nach einer Unterbrechung von fünf Jahren wieder nach Österreich zurückgekehrt sei und nun wiederum seit acht Jahren in Österreich lebe und sich auch seine Familie (mit Ausnahme seines Bruders) in Österreich aufhalte. Dessen ungeachtet sei im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität die gegen ihn gesetzte fremdenpolizeiliche Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele (hier: zur Verhinderung strafbarer Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und des Lebens Dritter) dringend geboten und daher zulässig.
Auf dem Boden der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seien weiters im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG angesichts der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Straftaten die für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes maßgeblichen öffentlichen Interessen ungleich höher zu veranschlagen als die im Hinblick auf seine Lebenssituation und die seiner Familie zweifellos beträchtlichen privaten und familiären Interessen, zumal bei Suchtgiftdelikten, selbst bei sonst völliger sozialer Integration eines Fremden, die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht rechtswidrig ist.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. In der Beschwerde bleibt die Subsumtion des - nicht bestrittenen - maßgeblichen Sachverhaltes unter den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG unbekämpft. Der Gerichtshof hegt gegen diese rechtliche Beurteilung der belangten Behörde keine Bedenken.
2. Der Beschwerdeführer kann weiters die - gleichfalls zutreffende - Auffassung der belangten Behörde, es sei im Hinblick auf das seiner gerichtlichen Verurteilung zugrundeliegende Fehlverhalten auch die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, mit seinem Vorbringen nicht entkräften. Entgegen der Beschwerdemeinung rechtfertigt die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme in einem Fall wie dem vorliegenden mit Rücksicht auf die im Art. 8 Abs. 2 MRK umschriebenen öffentlichen Interessen "Verhinderung von strafbaren Handlungen", "Schutz der Gesundheit" und "Schutz der Rechte anderer". Entgegen der Beschwerdeansicht haben die für die Vollziehung des Fremdengesetzes zuständigen Behörden die Frage des Gerechtfertigtseins der im § 18 Abs. 1 FrG umschriebenen Annahme (ebenso wie die Frage, ob die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes ungeachtet eines damit verbundenen relevanten Eingriffes in das Privat- und Familienleben des Fremden nach § 19 FrG zulässig ist) ohne Bindung an die für Gewährung der bedingten Strafnachsicht maßgeblichen Erwägungen des Strafgerichtes und ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des Fremdenrechts zu beurteilen, ist doch die "Sache", über die einerseits das Strafgericht und andererseits die Fremdenbehörde zu befinden hat, eine gänzlich verschiedene (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Jänner 1997, Zl. 96/18/0488, mwH).
Daß - laut Beschwerde - ein Gesinnungswandel des Beschwerdeführers vor dem "Tätigwerden der Fremdenpolizei" eingetreten sei, vermag an der im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme nichts zu ändern, ist doch der seit der dem Zeitpunkt der Begehung der Straftaten des Beschwerdeführers verstrichene Zeitraum zu kurz, um einen Wandel zum Positiven hinsichtlich der Haltung des Beschwerdeführers zur österreichischen Rechtsordnung verläßlich annehmen zu können.
3. Die Beschwerde hält das Aufenthaltsverbot nicht für gemäß § 19 FrG dringend geboten. Der Beschwerdeführer habe bereits im Zuge des gerichtlichen Strafverfahrens seinen Gesinnungswandel zu erkennen gegeben, es sei ihm durch das Gericht Bewährungshilfe bestellt worden und er habe nach seiner Verurteilung bis zu seiner Abschiebung "die Arbeit aufgenommen" und "ein geregeltes Leben" geführt. Weiters habe sich im Fall des Beschwerdeführers für das "Jugendschöffengericht eine qualifiziert günstige Zukunftsprognose ergeben", die Gefahr der Begehung strafbarer Handlungen durch den Beschwerdeführer selbst oder durch andere werde dadurch ausgeschlossen, daß dem Beschwerdeführer "im Falle neuerlicher Delinquenz" der Vollzug der 11-monatigen Freiheitsstrafe drohe.
Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, daß die Auffassung der belangten Behörde, es sei im vorliegenden Fall - ungeachtet des als "bedeutsam" zu wertenden Eingriffs in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers durch diese Maßnahme - die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Hinblick auf § 8 Abs. 2 MRK dringend geboten und daher gemäß § 19 FrG zulässig, der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgt. Dieser hat in zahlreichen Entscheidungen zum Ausdruck gebracht, daß die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes in Fällen wie dem vorliegenden mit Rücksicht auf die in Art. 8 Abs. 2 MRK umschriebenen öffentlichen Interessen "Verhinderung von strafbaren Handlungen", "Schutz der Gesundheit" und "Schutz der Rechte anderer" notwendig macht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 30. Jänner 1997, Zl. 97/18/0013 und Zl. 97/18/0024). Das öffentliche Interesse an der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes wird noch verstärkt durch den Verstoß des Beschwerdeführers gegen § 12 Abs. 3 Z. 3 des Suchtgiftgesetzes (Handel mit Suchtgift in einer Menge, die zumindest das 25-fache der im Abs. 1 umschriebenen großen Menge ausmacht). Dem Vorbringen, daß sich der Beschwerdeführer laut Beschwerde nach seiner Verurteilung wohlverhalten habe, ist schon dieselbe Erwägung entgegenzuhalten, die am Schluß des Punktes II.2. ausgeführt wurde. Weiters hat der Beschwerdeführer durch Art und Schwere der ihm zur Last liegenden strafbaren Handlungen seine Neigung zum Ausdruck gebracht, sich über die Rechtsordnung hinwegzusetzen.
Was die von der Beschwerde ins Treffen geführten Argumente im Hinblick auf die gerichtliche Verurteilung betrifft, ist auf die Ausführungen unter Punkt II.2. hinzuweisen, wonach die belangte Behörde den Fall des Beschwerdeführers eigenständig unter dem Gesichtspunkt des Fremdenrechtes zu beurteilen hatte.
4. Die Beschwerde vertritt schließlich die Auffassung, daß die belangte Behörde die nach § 20 Abs. 1 FrG gebotene Interessenabwägung unrichtig vorgenommen habe. Die belangte Behörde gebe nicht an, welche nachteiligen Folgen die Unterlassung des Aufenthaltsverbotes haben könnte. Nach Auffassung der Beschwerde seien die nachteiligen Folgen des Aufenthaltsverbotes für die "Lebenssituation des Fremden und seiner Familie" wesentlich schwerer zu werten als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung; der Beschwerdeführer habe den weitaus überwiegenden Teil seines Lebens in Österreich verbracht, seine engsten Verwandten einschließlich seiner Eltern und seiner Schwester lebten in Wien; weiters habe er in Wien seine Schul- und seine Berufsausbildung absolviert, hier gearbeitet und auch seinen Freundeskreis.
Auch dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Die belangte Behörde berücksichtigte die private und familiäre Situation des Beschwerdeführers - von ihr zutreffend als "beträchtlich" gewertet - ohnehin zu seinen Gunsten. Wenn die belangte Behörde die beachtlichen privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleiben in Österreich geringer veranschlagt hat als die für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes maßgeblichen öffentlichen Interessen, so ist dies nicht als rechtswidrig zu erkennen, steht doch nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes selbst eine völlige soziale Integration bei Suchtgiftdelikten im Hinblick auf deren große Sozialschädlichkeit der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes aus der Sicht des § 20 Abs. 1 FrG nicht entgegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1997, Zl. 97/18/0024). Im vorliegenden Fall kommt der Integration des Beschwerdeführers aber ohnehin kein großes Ausmaß zu, da sein Aufenthalt in Österreich nach den unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde durch einen langjährigen Aufenthalt im Ausland unterbrochen war und die für die Integration wesentliche soziale Komponente durch die vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten deutlich beeinträchtigt wird.
5. Vor dem Hintergrund des Gesagten ist der Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe sich mit dem Berufungsvorbringen und mit den mit der Berufung vorgelegten Urkunden (Bericht der zuständigen Bewährungshelferin, Lohn- und Arbeitsbestätigung des Dienstgebers) nicht auseinandergesetzt, der Boden entzogen.
6. Da nach den obigen Ausführungen dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995181258.X00Im RIS seit
20.11.2000