TE Vwgh Erkenntnis 1997/3/13 97/18/0105

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Veröffentlicht am 13.03.1997
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Index

E2A Assoziierung Türkei;
E2A E02401013;
E2A E11401020;
E2D Assoziierung Türkei;
E2D E02401013;
E2D E05204000;
E2D E11401020;
20/02 Familienrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

21964A1229(01) AssAbk Türkei ;
ARB1/80 Art6 Abs1;
AuslBG §15 Abs1 Z2;
EheG §23;
FrG 1993 §18 Abs2 Z6;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):97/18/0119 E 13. März 1997

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 24. Jänner 1997, Zl. SD 1361/96, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der nach der Aktenlage am 21. April 1992 in das Bundesgebiet eingereiste Beschwerdeführer habe zunächst aufgrund einer Verpflichtungserklärung einen bis 31. Oktober 1992 gültigen Sichtvermerk erhalten. Am 12. August 1992 habe er eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet. Aufgrund der Ehe und des ihm erteilten Befreiungsscheines habe der Beschwerdeführer einen Sichtvermerk bis 29. Oktober 1994 und danach eine Aufenthaltsbewilligung bis 30. April 1995 erhalten.

Mittlerweile sei die Ehe gemäß § 23 Ehegesetz für nichtig erklärt worden. Aus den Entscheidungsgründen des in Rechtskraft erwachsenen Urteiles des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 23. August 1995 ergebe sich, daß die Ehe nur deshalb geschlossen worden sei, um dem Beschwerdeführer eine Arbeits- und eine Aufenthaltsbewilligung zu verschaffen. Angesichts dieses Sachverhaltes seien entsprechend der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 FrG gegeben. Das im Grunde dieser Gesetzesstelle relevante Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers sei in der rechtsmißbräuchlichen Eingehung einer Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin - daß diese vom Gericht rechtskräftig für nichtig erklärt worden sei, bleibe vom Beschwerdeführer unbestritten - zwecks Beschaffung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen (Beschäftigungsbewilligung, Aufenthaltsbewilligung) zu erblicken. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers handle es sich bei diesem Rechtsmißbrauch um ein die öffentliche Ordnung erheblich beeinträchtigendes, seinem Gehalt nach dem Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG gleichzusetzendes Verhalten, das eine bestimmte Tatsache i.S. des § 18 Abs. 1 leg. cit. darstelle, welche die dort umschriebene Annahme in Ansehung der öffentlichen Ordnung (konkret: des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen) rechtfertigte. In einem solchen Fall sei gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn dem nicht die Bestimmungen der §§ 19 und 20 FrG entgegenstünden.

Diesbezüglich sei festzuhalten, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers ebenso wie seine Beschäftigung hinsichtlich deren jeweiliger Berechtigung letztlich auf der rechtsmißbräuchlich eingegangenen Ehe basierten. Selbst wenn man unbeschadet dessen einen im Grunde des § 19 FrG relevanten Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers annehmen wollte, wäre damit für ihn nichts gewonnen. Denn diesfalls wäre die Erlassung des Aufenthaltsverbotes aufgrund des Dringend-geboten-seins dieser Maßnahme nach der vorgenannten Bestimmung zulässig. Wer, wie der Beschwerdeführer, grob rechtsmißbräuchlich (ausschließlich) zu dem Zweck vorgehe, um sich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes wesentliche Berechtigungen zu verschaffen, verstoße gegen gewichtige öffentliche Interessen, die ein Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) notwendig erscheinen ließen.

Bei Annahme eines Eingriffes in das Privatleben des Beschwerdeführers und der demnach - neben der Prüfung, ob das Aufenthaltsverbot dringend geboten sei - auch erforderlichen Interessenabwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG wäre die Zulässigkeit dieser Maßnahme auch nach dieser Bestimmung zu bejahen. Da weder familiäre noch sonstige Bindungen des Beschwerdeführers hätten festgestellt werden können und auch das Ausmaß seiner Integration im Hinblick darauf, daß Aufenthalt und Beschäftigung auf das besagte rechtsmißbräuchliche Verhalten zurückzuführen seien, nicht wesentlich zu seinen Gunsten zu veranschlagen sei, würden die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wiegen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme. Sohin sei das Aufenthaltsverbot zu Recht erlassen worden.

Was die Gültigkeitsdauer dieser Maßnahme betreffe, so erscheine die nunmehr vorgenommene Befristung nach Ansicht der belangten Behörde gerechtfertigt. In Anbetracht des aufgezeigten Fehlverhaltens des Beschwerdeführers könne ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich die Gefährdung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, nicht vor Ablauf der festgesetzten Frist angenommen werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Beschwerde rügt, die belangte Behörde habe übersehen, daß die besagte Eheschließung bereits vor fünf Jahren stattgefunden habe, weshalb der Beschwerdeführer zum derzeitigen Zeitpunkt keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit darstellen könne. Weiters habe die Behörde außer acht gelassen, daß der Beschwerdeführer bereits vor Eingehen der Ehe über einen Sichtvermerk verfügt habe, weshalb die Ehe nicht zu diesem Zweck hätte geschlossen werden können. Im übrigen lägen im Fall des Beschwerdeführers die "Voraussetzungen des EU-Assoziationratsbeschlusses Nr. 1/80 vor", weshalb er über ein Aufenthaltsrecht verfüge, er daher eine Eheschließung zur Erlangung einer Aufenthaltsberechtigung gar nicht benötigt habe, und daher gegen ihn kein Aufenthaltsverbot hätte verhängt werden dürfen.

1.2.1. In der Beschwerde bleibt die Feststellung der belangten Behörde, daß die Ehe des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsbürgerin mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 23. August 1995 gemäß § 23 Ehegesetz mit der Begründung für nichtig erklärt worden sei, die Ehe sei nur zum Zweck der Beschaffung einer Beschäftigungsbewilligung und einer Aufenthaltsbewilligung für den Beschwerdeführer geschlossen worden, unbestritten.

Auf dem Boden dieser Feststellung und unter Bedachtnahme auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stößt die rechtliche Schlußfolgerung der belangten Behörde, es handle sich bei dieser Eheschließung auf Seiten des Beschwerdeführers um einen Rechtsmißbrauch, der als gravierende Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung (auf dem Gebiet des Femdenwesens) anzusehen sei und solcherart die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertige, auf keine Bedenken. Gleiches gilt für die von der belangten Behörde - unter der Voraussetzung der Bejahung eines i.S. des § 19 FrG relevanten Eingriffes in das Privatleben des Beschwerdeführers durch diese Maßnahme - vertretene Ansicht, daß die Verhängung des Aufenthaltsverbotes mit Rücksicht auf den Schutz der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) dringend geboten und demnach gemäß § 19 FrG zulässig sei. (Vgl. zum Ganzen etwa die Erkenntnisse vom 28. November 1996, Zl. 96/18/0511, und vom 30. Jänner 1997, Zl. 95/18/0854, jeweils mwN.)

1.2.2. Daß die Eheschließung ca. viereinhalb Jahre zurück liegt, vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern, ist doch diese Zeitspanne im vorliegenden Zusammenhang noch nicht so lang, um die durch das rechtsmißbräuchliche Verhalten des Beschwerdeführers herbeigeführte Ordnungsgefährdung als nicht mehr gegeben ansehen zu können. Warum deshalb, weil der Beschwerdeführer vor der Eheschließung über einen - aufgrund einer Verpflichtungserklärung erteilten - Sichtvermerk (bis 30. Oktober 1992) verfügt hat, die Ehe nicht "zu diesem Zweck", also zur Erlangung einer Aufenthaltsberechtigung hätte geschlossen werden können, ist für den Gerichtshof nicht nachvollziehbar; abgesehen davon ist die Beschwerde dazu auf die oben wiedergegebene Feststellung im angefochtenen Bescheid betreffend die rechtskräftige Nichtigerklärung der Ehe zu verweisen.

1.2.3. Auch die Beschwerdebehauptung, es lägen im Fall des Beschwerdeführers die "Voraussetzungen des EU-Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 vor", weshalb ein Aufenthaltsverbot nicht hätte erlassen werden dürfen, ist nicht zielführend. Für den Fall, daß mit diesem - völlig unsubstantiierten - Vorbringen zum Ausdruck gebracht werden sollte, der Beschwerdeführer gehe im Bundesgebiet einer "ordnungsgemäßen" Beschäftigung i.S. des Art. 6 Abs. 1 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 nach - dieser Beschluß ist in Österreich seit dessen Beitritt zur Europäischen Union am 1. Jänner 1995 unmittelbar anwendbar (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Juni 1996, Zl. 96/09/0088) -, wäre der Beschwerde entgegenzuhalten, daß unter einer solchen Beschäftigung nur eine zu verstehen ist, die in Einklang mit den arbeitserlaubnisrechtlichen UND den aufenthaltsrechtlichen Vorschriften des jeweiligen Mitgliedstaates steht (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 8. Februar 1996, Zl. 95/18/1215, vom 19. September 1996, Zl. 96/18/0372, und vom 24. Oktober 1996, Zl. 96/18/0418). Da der Beschwerdeführer der unbestrittenen Feststellung der belangten Behörde zufolge die ihm erteilte Aufenthaltsbewilligung aufgrund der rechtsmißbräuchlich eingegangenen Ehe erhalten hat, kann insoweit nicht von einem in Einklang mit den aufenthaltsrechtlichen Vorschriften stehenden Aufenthalt, sohin auch nicht von einer "ordnungsgemäßen" Beschäftigung gesprochen werden (vgl. das vorzitierte hg. Erkenntnis Zl. 96/18/0418). Art. 6 Abs. 1 des genannten Beschlusses wäre daher schon deshalb im Beschwerdefall nicht anwendbar.

2.1. Erkennbar unter Bezugnahme auf § 20 Abs. 1 FrG führt die Beschwerde ins Treffen, daß die belangte Behörde auf den mehrjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sowie seine durchgehende Beschäftigung hätte Bedacht nehmen müssen. Der Beschwerdeführer sei hier polizeilich gemeldet, sozial integriert und habe den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in Österreich.

2.2. Die belangte Behörde hat auf die Dauer des Aufenthaltes und die Beschäftigung des Beschwerdeführers - zutreffend - in der Weise Bedacht genommen, daß diese beiden Umstände nicht wesentlich zu seinen Gunsten zu veranschlagen sind, weil der weitaus überwiegende Teil des Aufenthaltes wie auch die Beschäftigung hinsichtlich der jeweiligen Berechtigung auf die rechtsmißbräuchlich eingegangene Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin zurückzuführen sind (vgl. dazu etwa das obzitierte hg. Erkenntnis Zl. 95/18/0854). Auch eine aus der Dauer des Aufenthaltes und der Beschäftigung sich (allenfalls) ergebende Integration des Beschwerdeführers ist demnach ohne erhebliches Gewicht. Da im übrigen die Feststellung der belangten Behörde, daß weder familiäre noch sonstige Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich vorhanden seien, nicht bestritten wird, kann das Ergebnis der behördlichen Interessenabwägung, daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wögen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

3. Der Beschwerdeeinwand, die Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes mit zehn Jahren stelle eine unbillige Härte dar, zumal die Behörde in vergleichbaren Fällen mit einer Dauer von fünf Jahren das Auslangen gefunden habe, geht ins Leere, weil im angefochtenen Bescheid die Gültigkeitsdauer von zehn Jahren (so die Bemessung durch die Erstinstanz) auf fünf Jahre herabgesetzt wurde.

4. Der Verfahrensrüge, daß dem Beschwerdeführer kein Parteiengehör eingeräumt worden sei, und er deshalb nicht habe vorbringen können, "daß ich unter den EU-Assoziationsratsbeschluß Nr. 1/80 falle", ist im Hinblick auf die Ausführungen unter II.1.2.3. der Boden entzogen.

5. Da bereits der Beschwerdeinhalt erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

6. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997180105.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

08.09.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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