Entscheidungsdatum
06.04.2021Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W195 2202670-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX StA. Bangladesch, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.06.2018, XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 06.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen einer am 07.08.2015 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erfolgten niederschriftlichen Erstbefragung gab der BF zu seinen Fluchtgründen an, Mitglied der Bangladesh Nationalist Party (im Folgenden: BNP) gewesen zu sein. Die Regierungspartei habe gewünscht, dass der BF zu ihr wechsle. Das habe der BF nicht gewollt und er sei, wenn er auf den Straßen angetroffen worden sei, bedroht und misshandelt worden. Das sei der Grund, warum seine Eltern entschieden hätten, dass der BF das Land verlassen solle. Über seine Fluchtgründe habe er noch viel mehr zu erzählen.
I.2. Da das zuständige Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) Zweifel am vom BF angegebenen Alter hegte, holte das BFA ein medizinisches Sachverständigengutachten zur Altersfeststellung ein, welches mit Schreiben vom 24.11.2015 erstattet wurde. Dieses kommt zu dem Ergebnis, dass der BF im Untersuchungszeitpunkt ein Mindestalter von XXXX hatte und das spätestmögliche „fiktive“ Geburtsdatum der XXXX ist. Mit Verfahrensanordnung vom 16.12.2015 setzte das BFA XXXX als Geburtsdatum für das Mindestalter fest.
I.3. Am 14.12.2016 wurde der BF vor dem BFA niederschriftlich einvernommen. Zu den Gründen seiner Antragstellung befragt, gab der BF dabei an, sein Vater sei in Bangladesch bei der BNP tätig. Er sei Organisationssekretär des Distrikts gewesen. Der BF fühle sich zu Männern hingezogen. Er habe eine Liebesbeziehung mit einem Schulkollegen namens XXXX gehabt. Die Eltern des BF hätten sie gemeinsam gesehen. Der BF sei bei einem Arzt gewesen, damit dieser ihn zu einem „guten Mann“ mache. Seine Familie habe Probleme gemacht, weil sich der BF zu Männern hingezogen fühle. Und sie hätten ihn daher weggeschickt. In Libyen habe der BF einen Freund namens XXXX gehabt. Auch in Libyen habe er deshalb Probleme gehabt. Als der BF nach Österreich gekommen sei, habe er in Traiskirchen seinen Freund namens XXXX , kennengelernt. Dieser lebe in Linz. Sie sähen sich ab und zu. Dieser sei heute hier und warte im Warteraum. Der BF habe Angst davor, verurteilt und verfolgt zu werden, weil er schwul sei. Er wolle nicht, dass es jemand erfahre, sonst bekomme er Probleme.
I.4. Mit Schreiben vom 11.01.2017 nahm der BF durch die XXXX Stellung und legte Urkunden vor. Soweit wesentlich wird darin vorgebracht, homosexuelle Handlungen seien in Bangladesch nach § 377 Bangladesh Penal Code strafbar und es komme tatsächlich zu einer Strafverfolgung. Homosexuelle seien in Bangladesch gezwungen, unsichtbar zu leben. Es komme auch zur Tötung von homosexuellen durch Islamisten. Nach der Rechtsprechung des EuGH seien Homosexuelle als soziale Gruppe anzusehen. Es sei vom BF nicht zu erwarten, dass er seine Homosexualität in seinem Heimatland geheim halten würde.
I.5. Am 26.04.2018 wurde der BF vor dem BFA neuerlich niederschriftlich einvernommen. Hiebei gab er in freier Erzählung zu seinen Fluchtgründen zu Protokoll, es habe mit ihm begonnen, als er ca. zwölf Jahre alt gewesen sei. Seine Freunde hätten in der siebenten Klasse Mobiltelefone und Internet gehabt. Bei Pausen oder Unterbrechungen seien sie zum nahegelegenen Garten gegangen, es habe ein Maisfeld und noch andere Felde gegeben. Sie seien waren drei bis vier Freunde gewesen. Sie hätten dort heimlich Internet geschaut. Sie hätten gemeinsam Sexvideos geschaut. Sie hätten dann die Hose ausgezogen und masturbiert. Der BF habe zugeschaut und es versucht. Sie hätten Spaß gehabt. Der BF habe es nicht so streng geschafft wie die anderen. Die anderen hätten gelacht. Zuhause habe der BF ein eigenes Nokia Mobiltelefon gehabt. Er habe für 30 Taka Guthaben auf das Telefon geladen und in dem Zimmer, in dem er gewesen sei, das sei das Zimmer der Großmutter gewesen und sein Bett. Jeder sei draußen gewesen. Der BF habe sich ins Bett gelegt und habe einen Lungi (traditionelle Kleidung für Männer) angehabt und seine Kopfhörer benutzt. Dann habe er sich ein Sexvideo angeschaut. Er habe eingegeben „Men plus Men“ (Pornovideos). Im Garten habe ihm der Porno zwischen Mann und Frau nicht gefallen. Der BF habe mit der Hand masturbiert. Ihm habe es gefallen. Anscheinend seien die Geräusche vom Sexvideo zu laut gewesen. Die Grußmutter des BF väterlicherseits sei hereingekommen. Sie habe sich hinlegen wollen, der BF habe nicht mitbekommen, dass sie das Zimmer betreten habe. Der BF habe das Video am Telefonbildschirm vergrößert. Seine Großmutter hat laut geschrien. Dann seien seine Eltern und ein Hausjunge, der für die Familie gearbeitet habe, in das Zimmer gekommen. Die Großmutter des BF habe gesagt: „Schau der Bub ist kaputt gegangen.“ Der BF habe sich schlafend gestellt. Sein Vater habe in einem „schlechten Ton“ zum BF gesagt: „steh auf.“ Dann habe er dem BF eine Ohrfeige gegeben und mit ihm geschimpft. Der Hausjunge habe alles gesehen und alles mitbekommen. Sein Vater habe zum BF gesagt, dass er zu Gott um Verzeihung beten solle. Der sollte beten und er habe es getan. Der Hausjunge names XXXX habe alles mitbekommen gehabt. Sein Vater hatte Angst, dass der Hausjunge alles weitererzählen würde. Sein Vater sei eine Respektsperson gewesen, der in Moscheen als Imam predigen gehalten habe. Der Hausjunge sei vom Vater des BF gerufen worden und dieser habe ihm gesagt, dass er nichts weitererzählen solle. Er habe ihm auch ein wenig Geld gegeben. Dies habe der BF mitbekommen. Der BF sei dann ungefähr ein bis eineinhalb Monate unter strenger Aufsicht seines Vaters gestanden und habe seine sexuellen Gefühle unterdrückt. Sein Vater habe dem BF sein Mobiltelefon weggenommen. Als der BF einmal in die Schule gegangen sei, habe er einen Freund gebeten, dass er dem BF sein Mobiltelefon über die Nacht borge. Er habe es ihm gegeben. Der BF habe wieder ein Guthaben für 30 Taka auf das Gerät geladen. Der BF habe keinen Mut gehabt, zu Hause ein Sexvideo anzuschauen. Der BF sei in den Garten mit großen Bäumen gegangen. Dort habe er sich Sexvideos aus dem Internet angesehen. Ihm sei nicht aufgefallen, dass ihn der Hausjunge verfolgt habe. Plötzlich sei der Hausjunge vor dem BF aufgetaucht und habe ihm das Mobiltelefon weggenommen. Er habe gesagt, dass er das Mobiltelefon seinem Vater übergeben würde. Der BF habe ihn angefleht, dies nicht zu machen, weil ihn sein Vater umbringen würde. Der Hausjunge sei damit einverstanden gewesen, aber habe gefordert, dass der BF ihm gehorchen solle. Er sei ca. vier oder fünf Jahre älter als der BF, ca. 18 Jahre, gewesen. Er habe gesagt, er wollte sich diese Sachen mit dem BF ansehen und er habe bereits früher schon geahnt, dass der BF „so“ sei. Der Hausjunge habe gemeint, dass sie sich den Sex ansehen könnten. Sie hätten sich die Videos angesehen und der Hausjunge habe zum BF gesagt, dass er das schon gemacht hätte, er würde sich auskennen. Sie hätten beide einen Lungi angehabt. Der Hausjunge habe eine Flasche Speiseöl mitgebracht und sie seien an einen abgelegenen Ort gegangen. Er habe das Öl auf seinen Penis geschmiert und den BF aufgefordert, dies ebenfalls zu machen. Sie hätten beide jeweils einen Kopfhörer am Ohr gehabt und hätten sitzend ein Sexvideo angesehen. Der Hausjunge habe dem BF an diesen Tag das beigebracht, er hat den Penis des BF geschmiert und gemeint, so, wie die es im Video machten, so könnten der Hausjunge und der BF das auch machen. Es seien vier Tage vergangen. Nachdem sie wieder ein Guthaben gehabt hätten, habe der Hausjunge gemeint, dass sie das vom Video nachstellen könnten. Der BF habe gesagt: „ok, lass uns heute etwas anderes machen.“ Der Hausjunge habe dann wieder Öl auf seinen Penis geschmiert und er habe dann gemeint, dass sich der BF an einen Baum anlehnen sollte und habe auch etwas Öl auf den Hintern des BF geschmiert. Dann habe der Hausjunge den BF „stark genommen.“ Es habe am Anfang wehgetan, der Hausjunge habe angegeben, dass der BF nicht schreien sollte, sonst würde es noch sein Vater erfahren. Sie seien dann wieder nachhause gegangen. Der Hausjunge habe sich immer erkundigt, der BF habe angegeben, dass er Schmerzen hätte. Er sagte, dass sei am Anfang immer so. Nach zwei Tagen sei der BF wieder mit dem Hausjungen gegangen. Der Hausjunge gemeint, dass der BF „ihn diesmal nehmen soll.“ Nachdem sie fertig gewesen seien, sei der BF nach Hause gegangen. Am nächsten Tag habe sein Vater plötzlich begonnen, „streng zu sein.“ Er habe den Hausjungen aus dem Haus vertrieben. Er habe gemeint, er sollte nie wieder das Haus betreten. Sein Vater sei dann sehr streng zum BF gewesen und habe ihn geschlagen. Nach einer Woche habe sein Vater den BF zu der Person gebracht, welche ihn im Alter von sechs bis sieben Jahren beschnitten gehabt habe. Der BF habe einen Lungi angehabt. Zwei Personen hätten ihn von der Seite gehalten. Jeweils einen Arm und ein Bein, so wie beim Schlachten von Tieren. Sein Vater habe von hinten die Augen des BF zugehalten. Der Dorfarzt habe sich vor den BF gesetzt und habe seinen Penis gehalten und etwas daran gemacht. Der BF habe sehr geblutet. Dann sei er nachhause gegangen. Als es trocken geworden sei, sei ein Freund seines Vaters von Libyen nach Bangladesch gekommen, der Name sei XXXX Dieser habe zwei Kinder. Der Vater habe gegenüber XXXX angegeben, dass sich mein Vater von den Leuten beschimpfen lassen müsste und keinen Respekt mehr erhalte. Er habe angegeben, dass der BF nicht so sei, wie sein älterer Bruder. XXXX habe angegeben, dass er sich um den BF kümmern werde, er benötige aber Geld. Der Vater habe gemeint, dass er in einem moslemischen Land möglicherweise ein anderer Mensch werde. Der BF sei ca. zwei Monate unterwegs gewesen.
Was an seinem Penis gemacht worden sei, wisse der BF nicht. Seine Augen seien zugehalten worden. Sein Geschlechtsteil sehe jetzt anders aus als vorher. Er sei deshalb beim Arzt gewesen, dieser habe gesagt, dass alles normal sei.
Als die Leute im Dorf mit dem Vater des BF gestritten hätten, hätten sie es der Polizei bekannt gegeben. Die Polizei hätte den Vater des BF erpresst. Der BF denke, dass sein Vater gezahlt habe.
I.6. Das BFA holte eine Anfragebeantwortung bei der Staatendokumentation ein, welche mit Schreiben vom 15.06.2018 erstattet wurde. Diese kommt im auszugsweise zu folgendem Ergebnis:
„Dem Bericht des Vertrauensanwalts ist zu entnehmen, dass die Geburtsurkunde als authentisch angesehen wird. Die Schwester des Antragstellers gibt sein Alter zwischen 20 und 25 Jahren an.
Bezüglich einer politischen Betätigung bei der Bangladesh Nationalist Party (BNP) gibt es widersprüchliche Informationen. Während befragte Ortsansässige angeben, dass der Antragsteller weder mit der BNP zu tun hatte, noch Mitglied war, gab seine Schwester an, dass er BNP Mitglied und politisch involviert war.
Weitere Details befinden sich im Originalbericht in der Beilage.
Einzelquellen:
Bei der durch den Vertrauensanwalt durchgeführten Recherche in der Online-Datenbank der Regierung wurde festgestellt, dass die Geburtsurkunde als authentisch angesehen werden kann. XXXX , die Schwester des Antragstellers gab an, dass ihr Bruder, Herr XXXX zwischen 20 und 25 Jahre alt sei.
In Befragungen von Ortsansässigen und der Schwester von Herrn XXXX wurde bestätigt, dass, es sich beim Antragsteller um Herrn XXXX handelt.
Im Zuge der lokalen Befragung wurde festgestellt, dass der Antragsteller nichts mit der BNP zu tun hatte oder ein Mitglied der Partei war. Laut seine Schwester XXXX war der Antragsteller BNP Mitglied und politisch involviert, jedoch konnte sie keine Aussagen über das Ausmaß seines Engagements machen.
Gemäß der Befragung hat Herr XXXX Bangladesch in der Hoffnung auf ein besseres Leben verlassen. Seine Schwester hat seine Reise nach Libyen arrangiert, da Herr XXXX ebenso wie seine Schwester, Probleme mit seinem Vater hatte und mit der Politik der BNP zu tun hatte.
Bei der Recherche wurden keine personenbezogenen Daten des Antragstellers an die Behörden weitergegeben.“
I.7. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 26.06.2018, XXXX , wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).
Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich des Status eines Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, der BF habe eine Verfolgung in Bangladesch nicht glaubhaft machen können, weswegen dem BF nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen verfolgt zu werden, drohe. Unter Berücksichtigung der individuellen (persönlichen) Umstände des BF sei nicht davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland in eine ausweglose Situation gerate, weswegen auch keine Anhaltspunkte für die Gewährung subsidiären Schutzes vorliegen würden. Ebenso wenig lägen Anhaltspunkte für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ vor und zudem würden die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Die Abschiebung des BF sei als zulässig zu bewerten.
I.8. Mit Schriftsatz vom 25.07.2018 wurde dieser Bescheid des BFA seitens des BF wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Verletzung von Verfahrensvorschriften zur Gänze angefochten.
Neben Wiedergabe des Verfahrensganges sowie der behaupteten Fluchtgründe, führt die Beschwerde soweit wesentlich aus, das BFA habe ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren geführt und habe insbesondere durch das Zugrundelegen der Ermittlungen der Staatendokumentation ohne Gewährung von Parteiengehör gegen das Überraschungsverbot verstoßen. Das BFA hab weiters näher bezeichnete „Verfahrensvorschriften für besonders vulnerable Gruppen“ verstoßen. Die Beweiswürdigung sei ebenso wie die Länderfeststellungen mangelhaft. Aus alledem resultiere eine unrichtige rechtliche Beurteilung.
Es wurden die Anträge gestellt, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, den angefochtenen Bescheid zur Gänze zu beheben und dem BF Asyl zu gewähren, in eventu, den Bescheid dahingehend abzuändern, dass dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werde, in eventu, den Bescheid „ersatzlos“ zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens an das BFA zurückzuverweisen „(§ 66 Abs 2 AVG, § 28 Abs 3 und 4 VwGVG)“, sowie festzustellen, dass die erlassene Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei und die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung (plus) gem. § 55 AsylG 2005 vorlägen und dem BF daher gem. § 58 Abs. 2 AsylG 2005 eine Aufenthaltsberechtigung (plus) von Amts wegen zu erteilen sei sowie – mit näherer Begründung – ene mündliche Verhandlung durchzuführen, „da der Sachverhalt nicht ermittelt wurde [sic]“.
I.9. Mit Schreiben vom 02.08.2018 legte das BFA die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
I.10. Mit Schreiben vom 18.03.2021 wurde zur Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht geladen und damit dem BF auch das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Bangladesch zur allfälligen Stellungnahme bis längstens im Rahmen der für den 07.04.2021 angesetzten mündlichen Beschwerdeverhandlung, übermittelt.
I.11. Ende März 2021 wurde der Verhandlungstermin abgesagt, weil der BF im AKH an einem Gehirntumor operiert wurde.
I.12. Da eine weitere Verhandlung in Folge der Schwere der Erkrankung des BF nicht in absehbarer Zeit einberufen werden kann hat das BVwG zur Schaffung von Rechtssicherheit nunmehr auf Grund der Aktenlage entschieden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen:
II.1.1. Zur Person des BF, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensumständen in Österreich:
Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch und der Volksgruppe der Bengalen sowie sunnitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Bengali (Angaben in der Erstbefragung AS 11).
Der BF ist im Distrikt XXXX geboren (AS 11, 140) und hat zuletzt dort gelebt (AS 15, 241). Er hat in seinem Heimatland die Schule besucht (AS 11, 241).
Der BF ist ledig und hat keine Kinder (AS 11 ff., 241). In Bangladesch halten sich die Eltern, zwei Schwestern und ein Bruder auf (AS 15, 142). Zwischen dem BF und seinen Verwandten besteht aufrechter regelmäßiger Kontakt.
Der BF ist im August 2015 illegal in das Bundesgebiet eingereist. Der BF ist in die Grundversorgung einbezogen. Der BF wurde im Zeitpunkt der letzten Einvernahme von der XXXX unterstützt. Er war krank, will die deutsche Sprache lernen und die österreichische Kultur kennenlernen. Er besuchte einen Kurs bei Prosa: Danach möchte er eine Lehre zum Krankenpfleger machen. Durch die XXXX kam er mit dem Verein XXXX in Verbindung. Er kennt auch die XXXX (AS 244).
Der BF ist Mitglied des Vereins XXXX Festgestellt wird, dass diese Mitgliedschaft lediglich auf die Glaubhaftmachung seiner behaupteten sexuellen Neigung abzielt.
Der BF verfügt über geringe Deutschkenntnisse. Er ist strafrechtlich unbescholten.
Der BF leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung und einer rezidivierenden depressiven Störung mit psychotischen Symptomen. Er nimmt das Medikament Aripiprazol 10 mg ein (AS 249). Weiters bestand im Dezember 2016 ein Verdacht auf eine Intercostalneuralgie (AS 251), dagegen wurde ihm Nurofen 400 mg verschrieben (AS 255).
Ende März 2021 wurde der BF am AKH einer Gehirntumoroperation unterzogen.
I.1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:
Festgestellt wird, dass der BF nicht politisch tätig war. Festgestellt wird, dass der BF nicht aus politischen Gründen von staatlichen Autoritäten verfolgt wurde.
Der BF ist homosexuell. Es wird festgestellt, dass der BF im Falle einer Rückkehr nach Bangladesch der BF wegen seiner Homosexualität eine wie auch immer geartete Verfolgung zu gewärtigen hätte.
II.1.3. Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:
COVID-19:
Letzte Änderung: 11.11.2020
Die COVID-Krise trifft Bangladesch sehr hart, nachdem am 8.3.2020 die ersten Fälle nachgewiesen wurden. Die Regierung verhängte ab dem 22.3.2020 einen umfassenden Lockdown, der jedoch de facto immer brüchig war und einmal mehr und einmal weniger eingehalten wurde. Am 30.5.2020 wurde der Lockdown wieder aufgehoben, da eine weiter Fortsetzung wirtschaftlich nicht mehr vertretbar war (ÖB 9.2020). Die bangladeschische Regierung hat im April 2020 Hilfspakete mit einem Volumen in Höhe von 12 Milliarden USD beschlossen. Die Konjunkturmaßnahmen zielen unter anderem auf eine Stützung von für die Wirtschaft bedeutende Industriezweige wie die Textil- und Bekleidungsherstellung sowie den Agrar- und Nahrungsmittelsektor ab (GTAI 21.9.2020a). Im Zuge der COVID-Krise 2020 verloren nach Schätzungen der Bangladesh Economic Association etwa 36 Mio. Menschen während des Lockdowns ihre Arbeit, 25 Mio. rutschen zurück in die absolute Armut (ÖB 9.2020).
Das ohnehin schwache Gesundheitssystem Bangladeschs ist mit der Pandemie völlig überlastet (ÖB 9.2020). Durch die Coronakrise gerät das seit Jahrzehnten unterfinanzierte staatliche Gesundheitswesen in Bangladesch enorm unter Druck und die Versorgung von Covid-19-Patienten stößt an ihre Grenzen (GTAI 21.9.2020b). So sind landesweit nur etwas mehr als knapp 1.000 Intensivbetten verfügbar (GTAI 21.9.2020; vgl. WKO 4.2020). Davon sind 400 für die Behandlung von Patienten mit schweren Atemwegserkrankungen ausgerüstet. Während es in der Hauptstadt Dhaka 400 Intensivbetten gibt, stehen in 47 der insgesamt 64 Verwaltungsbezirke überhaupt keine zur Verfügung (GTAI 21.9.2020).
Eine weitere Problemstellung für das Land stellen die zahlreichen Rückkehrer aus den Ländern des Nahen Ostens dar. Auf Grund der beengten Arbeits- und Lebensverhältnissen in den Gastländern sind diese Arbeiter besonders von Ansteckungen mit dem Virus betroffen. Darum, aber auch wegen des mit COVID verbundenen weltweiten Wirtschaftsabschwungs, schicken vor allem die Staaten des Nahen Osten tausende Arbeiter wieder zurück nach Bangladesch. Viele bringen so das Virus auf ihrem Heimweg mit ins Land. Da viele Migranten aus Bangladesch im Nahen Osten im Zuge der COVID-Krise ihre Arbeit verloren haben und ausgewiesen wurden, ist in den kommenden Jahren mit einem vermehrten Aufkommen von AsylwerberInnen aus Bangladesch in (West-)Europa zu rechnen (ÖB 9.2020).
Quellen:
? GTAI - Germany Trade and Invest (21.9.2020a): Covid-19: Maßnahmen der Regierung, https://www.gtai.de/gtai-de/trade/specials/special/bangladesch/covid-19-massnahmen-der-regierung-260866, Zugriff 5.11.2020
? GTAI - Germany Trade and Invest (21.9.2020b): Covid-19: Gesundheitswesen in Bangladesch: https://www.gtai.de/gtai-de/trade/specials/special/bangladesch/bangladeschs-wirtschaft-behauptet-sich-trotz-coronakrise-260868, Zugriff 5.11.2020
? ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (9.2020): Asylländerbericht Bangladesch
? WKO – Wirtschaftskammer Österreich (25.4.2020): Coronavirus: Situation in Bangladesch, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-info-bangladesch.html, Zugriff 8.5.2020
Politische Lage:
Letzte Änderung: 16.11.2020
Bangladesch ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 11.2019a). Die Hauptstadt ist Dhaka (ca. 20 Millionen Einwohner). Auf einer Fläche von ca. 148.000 km² leben etwa 163 Millionen Einwohner (CIA 4.11.2020; vgl. GIZ 5.2020, AA 6.11.2020).
Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralistisch: Das Land ist in acht Regionen (Divisions), 64 Bezirke (Districts), 492 Polizeidistrikte (Thana/Upazila), mehr als 4.500 Gemeindeverbände (Unions) und circa 87.000 Dorfgemeinden gegliedert (ÖB 9.2020). Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 9.2020). Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 11.2019a).
Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300 direkt gewählten Abgeordneten (ÖB 9.2020) sowie zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (USDOS 11.3.2020; vgl. GIZ 11.2019a). Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesh Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Die erste Verfassung trat 1972 in Kraft und setzte neben der demokratischen Staatsform auch Säkularismus, Sozialismus und Nationalismus als Ziele fest. Nach zahlreichen Verfassungsänderungen wurde 1988 der Islam als Staatsreligion eingeführt bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen (ÖB 9.2020).
Das politische Leben wird durch die beiden dominierenden und konkurrierenden größten Parteien AL und BNP bestimmt (ÖB 9.2020; vgl. AA 21.6.2020, BS 29.4.2020). Klientelismus und Korruption sowie mafiöse Strukturen sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 21.6.2020; vgl. DGVN 2016). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit geprägt haben (FH 2020). Wie in der Region üblich, geht es bei politischen Parteien weniger um Ideologie, als um einzelne Persönlichkeiten und deren Netzwerke, die im Falle eines Wahlsieges auch finanziell profitieren, in dem sie mit wichtigen Staatsposten versorgt werden (ÖB 9.2020).
Bei den elften bangladeschischen Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die „Große Allianz“ um die regierende AL einen überragenden Sieg (ÖB 9.2020) mit 96 Prozent der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitze (Guardian 30.12.2018; vgl. DT 27.1.2019, DW 14.2.2019).
Die Wahlen vom 30. Dezember 2018 waren durch Übergriffe auf Oppositionelle, willkürliche Verhaftungen und Einschüchterungen der Stimmberechtigten gekennzeichnet (HRW 14.1.2020). Bereits im Vorfeld der Wahl kam es zu Gewalt zwischen rivalisierenden Anhängern und einem harten Vorgehen der Regierung (BBC 31.12.2018; vgl. Hindu 1.1.2019). Am Wahltag waren rund 600.000 Sicherheitskräfte, darunter Armee und paramilitärische Truppen, im Einsatz, um die Gewalt einzudämmen (Guardian 31.12.2018). Frühzeitig wurde die Wahl durch die Wahlkommission als frei und fair bezeichnet. Unregelmäßigkeiten wurden nicht untersucht. Stattdessen wurden Journalisten wegen ihrer Berichterstattung verhaftet (HRW 14.1.2020). Es wurden rund 20 Menschen bei Zusammenstößen zwischen Anhängern der regierenden Partei und der Opposition getötet und Tausende verletzt (ÖB 9.2020; vgl. Reuters 1.1.2019). Die Opposition verurteilte die Wahl als „Farce“ und fordert die Annullierung des Ergebnisses und Neuwahlen (ÖB 9.2020).
Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden innerparteilichen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei das Wahlergebnis angefochten hatte und nun nicht mehr im Parlament vertreten ist. Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potenzial, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 11.2019a).
Da die Politik in Bangladesch generell extrem korrupt ist, sind die Grenzen zwischen begründeter Strafverfolgung und politisch motivierter Verfolgung fließend. Sicherheitskräfte sind in jüngster Vergangenheit sowohl bei Demonstrationen von Anhängern der beiden Großparteien, als auch bei islamistischen oder gewerkschaftlichen Protesten mit Brutalität vorgegangen. Im Zuge des Wahlkampfes Ende 2018 wurden gegen Anhänger und KandidatInnen der oppositionellen BNP durch die Sicherheitsbehörden falsche Anzeigen verfasst (ÖB 9.2020).
Im Vorfeld der elften Parlamentswahl in Bangladesch wurden nach Angaben der Opposition seit Anfang November 2018 bis zu 21.000 ihrer Mitglieder und Aktivisten verhaftet. Mehrere Menschenrechtsgruppen haben seit Anfang 2018 einen dramatischen Anstieg von fingierten Klagen gegen Gegner der Regierungspartei festgestellt. Unter den Verhafteten befinden sich prominente Führer des Oppositionsbündnisses, wie Mainul Hosain wegen krimineller Diffamierung und Dr. Zaffrullah Chowdhury wegen Verrats, Erpressung und Fischdiebstahls (FIDH 9.1.2019). Die BNP-Vorsitzende, Khaleda Zia, war von März 2018 bis März 2020 aufgrund von Korruptionsvorwürfen im Gefängnis (AA 21.6.2020; vgl. NAU 25.3.2020). Seit Zia auf freiem Fuß ist, sind praktisch keine Aktivitäten der BNP mehr wahrnehmbar (ÖB 9.2020).
Nachdem die oppositionelle BNP nunmehr nicht existent ist und im politischen Prozess kaum bis gar keine Rolle mehr spielt, ist eine Verfolgung, bzw. Unterdrückung ihrer AnhängerInnen aus Sicht der Regierung offenbar nicht mehr nötig. Anzumerken ist, dass seit März 2020 das politische Geschehen vollständig von der COVID-Krise überlagert wird. Von einer staatlichen Überwachung der politischen Opposition ist auszugehen (ÖB 9.2020).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (6.11.2020): Bangladesch – Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/-/206322, Zugriff 10.11.2020
? AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 9.11.2020
? BBC – British Broadcasting Corporation (31.12.2018): Bangladesh election: PM Sheikh Hasina wins landslide in disputed vote, https://www.bbc.com/news/world-asia-46718393, Zugriff 11.11.2020
? BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report Bangladesh, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029402/country_report_2020_BGD.pdf, Zugriff 10.11.2020
? CIA – Central Intelligence Agency (4.11.2020): The World Factbook – Bangladesh, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/bg.html, Zugriff 10.11.2020
? DT – Dhaka Tribune (27.1.2019): Ruling party's Dr Younus Ali Sarker wins Gaibandha 3 by-polls, https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2019/01/27/voting-in-gaibandha-3-by-polls-underway, Zugriff 10.11.2020
? DW – Deutsche Welle (14.2.2019): Bangladesh PM Sheikh Hasina hints at last term as prime minister, https://www.dw.com/en/bangladesh-pm-sheikh-hasina-hints-at-last-term-as-prime-minister/a-47513555, Zugriff 10.11.2020
? DGVN – Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen (2016): EWP – Eine Welt Presse . Menschenwürdige Arbeitsbedingungen, https://nachhaltig-entwickeln.dgvn.de/fileadmin/publications/PDFs/Eine_Welt_Presse/20170119_EWP_Arbeitsbedingungen_Nachdruck-web.pdf, Zugriff 9.11.2020
? FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.11.2020
? FIDH - International Federation for Human Rights (Hg.) (9.1.2019): Joint statement [by AHRC - Asian Human Rights Commission; ANFREL - Asian Network for Free Elections; GNDEM - Global Network of Domestic Election Monitors; FIDH - International Federation for Human Rights; CMEV - Centre for Monitoring Election Violence, Sri Lanka] on the undemocratic electoral environment in Bangladesh, https://www.fidh.org/en/region/asia/bangladesh/joint-statement-on-the-undemocratic-electoral-environment-in, Zugriff 10.11.2020
? GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (11.2019a): Bangladesch – Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/, Zugriff 10.11.2020
? GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (5.2020): Bangladesch – Überblick, https://www.liportal.de/bangladesch/ueberblick/, Zugriff 10.11.2020
? Guardian, The (31.12.2018): Bangladesh PM Hasina wins thumping victory in elections opposition reject as 'farcical', https://www.theguardian.com/world/2018/dec/30/bangladesh-election-polls-open-after-campaign-marred-by-violence, Zugriff 10.11.2020
? Hindu, The (1.1.2019): Hasina’s triumph: on Bangladesh election results, https://www.thehindu.com/opinion/editorial/hasinas-triumph/article25874907.ece, Zugriff 10.11.2020
? HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022700.html, Zugriff 11.11.2020
? NAU – Schweizer Nachrichtenportal (25.3.2020): Bangladeschs Oppositionsführerin Zia aus Haft entlassen, https://www.nau.ch/politik/international/bangladeschs-oppositionsfuhrerin-zia-aus-haft-entlassen-65684195, Zugriff 10.11.2020
? ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (9.2020): Asylländerbericht Bangladesch, per E-Mail
? Reuters (1.1.2019): Western powers call for probe into Bangladesh election irregularities, violence, https://www.reuters.com/article/us-bangladesh-election/western-powers-call-for-probe-into-bangladesh-election-irregularities-violence-idUSKCN1OV1PK, Zugriff 10.11.2020
? USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 10.11.2020
Sicherheitslage:
Letzte Änderung: 16.11.2020
Der Hass zwischen den politischen Parteien, insbesondere der Awami League (AL) und der Bangladesh Nationalist Party (BNP), ist für den größten Teil an Gewalt im Land verantwortlich (ACLED 9.11.2018). Die regierende AL hat ihre politische Macht durch anhaltende Schikanen gegenüber der Opposition und den als mit ihr verbündet wahrgenommenen Personen sowie gegenüber kritischen Medien und Stimmen in der Zivilgesellschaft gefestigt (FH 2020). Beide Parteien sind – gemeinsam mit unidentifizierten bewaffneten Gruppen – in Vandalismus und gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt und greifen auch friedliche Zivilisten an (ACLED 9.11.2018).
Von nichtstaatlichen Akteuren (insbesondere der Opposition, Islamisten, Studenten) geht in vielen Fällen nach wie vor Gewalt aus. Die öffentliche Sicherheit ist fragil. Das staatliche Gewaltmonopol wird durchbrochen. Es kommt häufig zu Morden und gewalttätigen Auseinandersetzungen aufgrund politischer (auch innerparteilicher) oder krimineller Rivalitäten. Eine Aufklärung erfolgt selten. Die großen Parteien verfügen über eigene „Studentenorganisationen“. Mit dem stillschweigenden Einverständnis der Mutterparteien fungieren diese bewaffneten Organisationen als deren Schild und Schwert. Ihr Mitwirken im politischen Prozess ist eine der wichtigsten Ursachen für die politische Gewalt in Bangladesch (AA 21.6.2020).
Spontane Streiks und Kundgebungen können jederzeit stattfinden (BMEIA 6.8.2020; vgl. AA 28.7.2020), dabei können Kämpfe zwischen Sicherheitsbehörden und Demonstranten, Brandstiftung, Gewalt und Vandalismus unvorhergesehen auftreten (UKFCO 12.11.2020a).
Gewalt gegen Zivilisten oder staatliche Kräfte durch Rebellen macht einen relativ kleinen Anteil an allen Gewaltereignissen aus. Es gibt radikale islamistische Gruppen wie die Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansarullah Bangla Team (ABT). Sowohl der Islamische Staat (IS) und Al Qaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) geben an, in Bangladesch aktiv zu sein, was von der Regierung jedoch dementiert wird (ACLED 9.11.2018). Spontane Streiks und Kundgebungen können jederzeit stattfinden (BMEIA 6.8.2020). 2019 gab es mehrere Angriffe gegen Polizei und Sicherheitskräfte in Dhaka und in der Stadt Khulna (UKFCO 12.11.2020b). In vielen Fällen ist nicht eindeutig differenzierbar, ob religiöse Motive oder säkulare Interessen, wie z.B. Racheakte oder Landraub, Grund für solche Vorfälle sind (AA 21.6.2020).
In der Division Chittagong, insbesondere im Gebiet der Chittagong Hill Tracts (Bezirke Rangamati, Khagrachari und Bandarban) kommt es zu bewaffneten Unruhen und kriminellen Übergriffen (AA 28.7.2020; vgl. UKFCO 29.3.2020a, AI 30.1.2020). Der inter-ethnische Konflikt in Myanmar wirkt sich auf Bangladesch aus. Er hat politische und soziale Spannungen insbesondere aufgrund der Ankunft von rund einer Million Rohingya-Flüchtlingen seit August 2017 verstärkt. Im südöstlichen Verwaltungsbezirk Cox’s Bazar der Gebietsverwaltung Chittagong hat es zuletzt unter anderem in der Nähe von Flüchtlingslagern vereinzelt gewalttätige Zwischenfälle gegeben (HRW 18.9.2019; vgl. AnAg 5.11.2019, TDS 24.8.2019). Die Schutzfähigkeit staatlicher Behörden ist grundsätzlich gering. Die Behörden sind in der Regel keine neutralen Akteure, sondern unterstützen die politischen Ziele der jeweiligen Machthaber (ÖB 9.2020).
An der Grenze zu Indien kommt es gelegentlich zu Schusswechseln zwischen indischen und bangladeschischen Grenzsicherungsorganen. Regelmäßig werden Menschen getötet, die versuchen, illegal die Grenze zu überqueren (UKFCO 12.11.2020a). Auch wenn sich die dortige Lage zeitweise etwas entspannt, bleibt sie grundsätzlich labil (EDA 14.8.2020).
Das South Asia Terrorism Portal (SATP) verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2018 insgesamt 135 Vorfälle terrorismusrelevanter Gewalt im Land. Im Jahr 2019 wurden 104 solcher Vorfälle, bis zum 8.11.2020 wurden im Jahr 2020 insgesamt 82 Vorfälle terroristischer Gewaltanwendungen registriert (SATP 8.11.2020).
Das Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED) verzeichnet im Berichtzeitraum 2019 insgesamt 1.713 Konfliktvorfälle (angeführt werden beispielsweise Demonstrationen, Ausschreitungen, Kampfhandlungen, Gewalthandlungen gegen Zivilpersonen u.a.) bei denen 337 Personen getötet wurden (ACCORD 29.6.2020). 2020 wurden bis Ende Oktober in insgesamt 1.189 Konfliktvorfällen 244 Personen getötet (ACLED 4.11.2020).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (28.7.2020): Bangladesch: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/bangladeschsicherheit/206292, Zugriff 9.11.2020
? AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 9.11.2020
? ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation (29.6.2020): Bangladesh, year 2019: Update on incidents according to the Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), https://www.ecoi.net/en/file/local/2032553/2019yBangladesh_en.pdf, Zugriff 5.11.2020
? ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project (4.11.2020): South Asia Regional Overview: Bangladesh, https://acleddata.com/2020/11/04/regional-overview-south-asia25-31-october-2020/, Zugriff 5.11.2020
? ACLED – Armed Conflict Location & Event Data Project (9.11.2018): The Anatomy of Violence in Bangladesh, https://www.acleddata.com/2018/11/09/the-anatomy-of-violence-in-bangladesh/, Zugriff 5.11.2020
? AnAg – Anadolu Agency (5.11.2019): Bangladesh rejects Amnesty report on Rohingya killings, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/bangladesh-rejects-amnesty-report-on-rohingya-killings/1636457, Zugriff 13.11.2020
? AI – Amnesty International (30.1.2020): Human Rights in Asia-Pacific; Review of 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2023864.html, Zugriff 13.11.2020
? BMEIA – Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres (6.8.2020): Bangladesch – Reiseinformation, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/bangladesch/, Zugriff 16.11.2020
? EDA - Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (14.8.2020): Bangladesch, Spezifische regionale Risiken, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/bangladesch/reisehinweise-fuerbangladesch.html#par_textimage, Zugriff 10.11.2020
? FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 16.11.2020
? HRW – Human Rights Watch (18.9.2019): Spate of Bangladesh ‘Crossfire’ Killings of Rohingya, https://www.hrw.org/news/2019/09/18/spate-bangladesh-crossfire-killings-rohingya, Zugriff 16.11.2020
? ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (9.2020): Asylländerbericht Bangladesch
? SATP – South Asia Terrorism Portal (8.11.2020): Data Sheet – Bangladesh, Yearly Sucide Attacks, Advance Search 2000 - 2020, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/incidents-data/bangladesh, Zugriff 10.11.2020
? TDS – The Daily Star (24.8.2019): Jubo League leader killed by ‘Rohingyas’, https://www.thedailystar.net/frontpage/news/jubo-league-leader-killed-rohingyas-1789726, Zugriff 16.11.2020
? UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office (12.11.2020a): Foreign travel advice Bangladesh - Safety and security, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/safety-and-security, Zugriff 16.11.2020
? UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office (12.11.2020b): Foreign travel advice Bangladesh – Terrorism, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/terrorism, Zugriff 16.11.2020
Allgemeine Menschenrechtslage:
Letzte Änderung: 16.11.2020
Die Menschenrechte werden nach der Verfassung mit Gesetzesvorbehalten garantiert (AA 21.6.2020). Bangladesch hat bisher mehrere UN Menschenrechtskonventionen ratifiziert, ist diesen beigetreten oder hat sie akzeptiert (ÖB 9.2020; vgl. UNHROHC o.D.). Die Verfassung von Bangladesch in der seit 17. Mai 2004 geltenden Fassung listet in Teil III, Artikel 26 bis 47A, einen umfassenden Katalog an Grundrechten auf. Artikel 102 aus Teil VI, Kapitel 1 der Verfassung regelt die Durchsetzung der Grundrechte durch die High Court Abteilung des Obersten Gerichtshofes. Jeder Person, die sich in ihren verfassungsmäßigen Grundrechten verletzt fühlt, steht der direkte Weg zum „High Court“ offen. Die „National Human Rights Commission“ wurde im Dezember 2007 unter dem „National Human Rights Commission Ordinance“ von 2007 eingerichtet, hat aber noch keine nennenswerte Aktivität entfaltet (ÖB 9.2020). Die Verwirklichung der in der Verfassung garantierten Rechte ist nicht ausreichend (AA 21.6.2020).
Teils finden Menschenrechtsverletzungen auch unter Duldung und aktiver Mitwirkung der Polizei und anderer Sicherheitskräfte statt (GIZ 11.2019a). Dazu zählen außergerichtliche Tötungen, Verschwindenlassen von Personen, willkürliche Festnahmen und Verhaftungen sowie Folter (USDOS 11.3.2020). Die Regierung verhaftete laut neuesten Berichten bis zu 2.000 Mitglieder der RABs (Rapid Action Battalion (RAB), Spezialkräfte für u.a. den Antiterrorkampf) wegen diverser Vergehen. Obwohl die RABs in den letzten Jahren hunderte Tötungen bzw. mutmaßliche Morde verübt haben, kam es noch zu keiner Verurteilung wegen außergerichtlicher Tötungen, Folter oder willkürlicher Verhaftungen (ÖB 9.2020, siehe auch Abschnitt 4).
Menschenrechtsverletzungen beinhalten weiters harte und lebensbedrohende Haftbedingungen, politische Gefangene, willkürliche oder rechtswidrige Eingriffe in die Privatsphäre, Zensur, Sperrung von Websites und strafrechtliche Verleumdung; erhebliche Behinderungen der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, wie beispielsweise restriktive Gesetze für Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Beschränkungen der Aktivitäten von NGOs; erhebliche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit; Einschränkungen der politischen Partizipation, da Wahlen nicht als frei oder fair empfunden werden; Korruption, Menschenhandel; Gewalt gegen Homosexuelle, Bisexuelle, Transgender- und Intersexuelle (LGBTI) und Kriminalisierung gleichgeschlechtlicher sexueller Aktivitäten; Einschränkungen für unabhängige Gewerkschaften und der Arbeitnehmerrechte sowie die Anwendung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit (USDOS 11.3.2020).
Die Regierung von Bangladesch ignoriert Empfehlungen im Hinblick auf glaubwürdige Berichte zu Wahlbetrug, hartem Vorgehen gegen die Redefreiheit, Folterpraktiken von Sicherheitskräften und zunehmenden Fällen von erzwungenem Verschwinden und Tötungen (EEAS 1.1.2019; vgl. HRW 14.1.2020).
Das Gesetz verbietet Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen und es werden Maßnahmen ergriffen, um diese Bestimmungen wirksamer durchzusetzen. Fälle von Diskriminierung und gesellschaftlicher Gewalt gegen religiöse und ethnische Minderheiten sowie von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung bestehen fort (USDOS 11.3.2020). Das Informations- und Kommunikationstechnologiegesetz (Information and Communication Technology Act - ICT Act) wird angewandt, um Oppositionelle und Mitglieder der Zivilgesellschaft wegen Verleumdungsdelikten juristisch zu verfolgen (USDOS 11.3.2020).
Bangladesch ist nach wie vor ein wichtiger Zubringer wie auch Transitpunkt für Opfer von Menschenhandel. Jährlich werden Zehntausende Menschen in Bangladesch Opfer von Menschenhandel. Frauen und Kinder werden sowohl in Übersee als auch innerhalb des Landes zum Zweck der häuslichen Knechtschaft und sexuellen Ausbeutung gehandelt, während Männer vor allem zum Zweck der Arbeit im Ausland gehandelt werden. Ein umfassendes Gesetz zur Bekämpfung des Menschenhandels aus dem Jahr 2013 bietet den Opfern Schutz und verschärft die Strafen für die Menschenhändler, doch die Durchsetzung ist nach wie vor unzureichend (FH 2020). Internationale Organisationen behaupten, dass einige Grenzschutz-, Militär- und Polizeibeamte an der Erleichterung des Handels mit Rohingya-Frauen und -Kindern beteiligt waren. Formen der Unterstützung von Menschenhandel reichen dabei von „Wegschauen“ über Annahme von Bestechungsgeldern für den Zugang der Händler zu Rohingya in den Lagern, bis hin zur direkten Beteiligung am Handel (USDOS 11.3.2020).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 9.11.2020
? EEAS - European External Action Service (1.1.2019): Statement by the Spokesperson on parliamentary elections in Bangladesh, https://eeas.europa.eu/headquarters/headquarters-homepage/56110/node/56110_es, Zugriff 13.11.2020
? FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 10.11.2020
? GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (11.2019a): Bangladesch, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat, Zugriff 10.11.2020
? HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022700.html, Zugriff 10.11.2020
? ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (9.2020): Asylländerbericht Bangladesch
? UNHROHC- United Nations Human Rights Office of the High Commissioner (o.D.): View the ratification status by country or by treaty - Bangladesh, http://tbinternet.ohchr.org/_layouts/TreatyBodyExternal/Treaty.aspx?CountryID=37&Lang=EN, Zugriff 11.11.2020
? USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 10.11.2020
SOGI - Sexuelle Orientierung und Genderidentität:
Letzte Änderung: 13.11.2020
Homosexuelle Handlungen sind illegal und können nach § 377 des „Bangladesh Penal Code, 1860“ (BPC) mit lebenslangem Freiheitsentzug (ILGA 3.2019), mit einer Haftstrafe von bis zu zehn Jahren, inklusive der Möglichkeit einer Geldstrafe, bestraft werden (ILGA 3.2019; vgl. AA 21.6.2020). Traditionell tendiert die Bevölkerung zu einer gemäßigten Ausübung des Islam, die Sexualmoral ist allerdings konservativ (ÖB 9.2020). Mitglieder der LGBTI-Gemeinschaft (Homosexuelle, Bisexuelle, Transgender und Intersex) berichteten, dass die Polizei das Gesetz als Vorwand benutzt, um LGBTI-Personen sowie feminine Männer, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, zu schikanieren (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 21.6.2020).
Homosexualität ist gesellschaftlich absolut verpönt und wird von den Betroffenen nicht offen gelebt. Wo Homosexuelle als solche erkannt werden, haben sie mit gesellschaftlicher Diskriminierung, in Einzelfällen auch mit Misshandlungen bis hin zum Mord zu rechnen (ÖB 9.2020; vgl. HRW 14.1.2020). Jedes Jahr wird über dutzende Angriffe auf Mitglieder der LGBTI-Gemeinschaft berichtet (FH 2020). Bei einem durch das Human Rights Forum Bangladesh (HRFB) eingereichten Bericht beim UN-Ausschuss gegen Folter vom 29.6.2019 wurden für den Zeitraum 2013 bis 2018 insgesamt 434 Beschwerden wegen schikanöser Behandlungen oder Misshandlungen angeführt. Davon betrafen 294 Fälle Angriffe gegen Angehörige sexueller Minderheiten (HRFB 22.6.2019).
Eine besondere Rolle kommt dem „dritten Geschlecht“ zu, den sogenannten „Hijras“, Eunuchen und Personen mit unterentwickelten oder missgebildeten Geschlechtsorganen. Diese Gruppe ist aufgrund einer langen Tradition auf dem indischen Subkontinent im Bewusstsein der Gesellschaft präsent und quasi etabliert. Dieser Umstand schützt sie jedoch nicht vor Übergriffen und massiver gesellschaftlicher Diskriminierung (AA 21.6.2020), auch wenn viele Hijras in klar definierten und organisierten Gemeinschaften leben, die sich seit Generationen erhalten haben. Obwohl sie eine anerkannte Rolle in der Gesellschaft Bangladeschs innehaben, bleiben sie trotzdem marginalisiert (DFAT 22.8.2019). Die Regierung verabsäumte es, den Schutz der Rechte von Hijras ordnungsgemäß durchzusetzen (HRW 14.1.2020).
LGBT-Organisationen, insbesondere für Lesben, sind selten (USDOS 11.3.2020). Es gibt keine NGO für sexuelle Orientierung und Geschlechteridentität in Bangladesch, dafür aber NGOs wie „Boys of Bangladesh“, die „Bhandu Social Welfare Society“ und Online-Gemeinschaften wie „Roopbaan“, das lesbische Netzwerk „Shambhab“ und „Vivid Rainbow“ (ILGA 3.2019).
2019 wurde erstmals eine Vertreterin der Hijras ins Parlament gewählt. Ein sog. drittes Geschlecht wird z.T. amtlich anerkannt (AA 21.6.2020).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 9.11.2020
? DFAT – Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade (22.8.2019): DFAT Country Information Report Bangladesh, https://www.ecoi.net/en/file/local/2016264/country-information-report-bangladesh.pdf, Zugriff 13.11.2020
? FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 9.11.2020
? HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022700.html, Zugriff 9.11.2020
? HRFB - Human Rights Forum Bangladesh (22.6.2019): veröffentlicht von CAT – UN Committee Against Torture: Stakeholders' Submission to the United Nations Committee against Torture, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014744/INT_CAT_CSS_BGD_35310_E.docx, Zugriff 11.11.2020
? ILGA – International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association (3.2019): State Sponsored Homophobia 2019 (Autor: Mendos, Lucas Ramon), https://www.ecoi.net/en/file/local/2004824/ILGA_State_Sponsored_Homophobia_2019.pdf, Zugriff 11.11.2020
? ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (9.2020): Asylländerbericht Bangladesch
? USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 10.11.2020
Bewegungsfreiheit:
Letzte Änderung: 13.11.2020
Die Freiheit, sich im Land zu bewegen, ist relativ unbeschränkt (FH 2020; vgl. AA 21.6.2020). Grundsätzlich respektiert die Regierung die Rechte der inländischen und ausländischen Bewegungsfreiheit, Emigration und Rückkehr von Bürgern, mit Ausnahme der zwei sensiblen Regionen Chittagong Hill Tracts und Cox’s Bazar. Die Regierung hat 2015 Restriktionen für ausländische Reisende in diese Gebiete, in denen viele nichtregistrierte Rohingyas außerhalb der zwei offiziellen Flüchtlingscamps in den Städten und Dörfern leben, angekündigt, allerdings war die Art der Umsetzung zum damaligen Zeitpunkt noch unklar (ÖB 9.2020; vgl. AA 21.6.2020).
Es liegen keine Einschränkungen hinsichtlich der Ein- oder Ausreise vor (ÖB 9.2020; vgl. FH 2020; AA 21.6.2020). Personen, die in der Vergangenheit bereits ihren Pass verloren haben, bekommen allerdings oft nur Reisepässe, die für wenige Monate gültig sind, ausgestellt. Generell kommt es zu teils enormen Verzögerungen bei der Reisepassausstellung (ÖB 9.2020). Ein Ausreiseverbot besteht für Personen, welche verdächtigt werden, an den Kriegsverbrechen während des Unabhängigkeitskrieges 1971 beteiligt gewesen zu sein (ÖB 9.2020; vgl. USDOS 11.3.2020).
Frauen brauchen keine Erlaubnis ihrer Väter oder Ehemänner, um zu reisen. Minderjährige über zwölf Jahren brauchen keinen gesetzlichen Vertreter, um einen Pass zu beantragen. Sie dürfen auch alleine reisen, bedürfen dazu aber eines speziellen, von einem Elternteil unterschriebenen Formulars (ÖB 9.2020).
Ein staatliches Meldewesen oder Staatsangehörigkeitsregister besteht nicht (ÖB 9.2020; vgl. AA 21.6.2020). Faktisch migriert jährlich eine große Zahl von Menschen vom Land in die Städte. Es handelt sich hierbei teilweise um Klimaflüchtlinge, deren Lebensgrundlage entzogen wurde und teilweise um Arbeitssuchende, die hoffen, insbesondere in der Textilindustrie Anstellung zu finden.Neuankömmlinge fallen wegen fehlender familiärer Bindungen und aufgrund der engen Nachbarschaftsverhältnisse auf. Dies setzt der Anonymität auch in Städten gewisse Grenzen (AA 21.6.2020).
Für Angehörige ethnischer oder religiöser Minderheiten dürften innerstaatliche Fluchtmöglichkeiten kaum vorhanden sein. Indiz dafür ist auch die verstärkte Auswanderung religiöser Minderheiten Richtung Indien. Aufgrund des Bevölkerungsreichtums und der nur schwach ausgeprägten staatlichen Strukturen dürfte allerdings insbesondere für Opfer lokaler politischer motivierter Verfolgung das Ausweichen in andere Landesteile eine plausible Alternative sein (ÖB 9.2020).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 9.11.2020
? FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 13.11.2020
? ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (9.2020): Asylländerbericht Bangladesch
? USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 11.11.2020
Grundversorgung:
Letzte Änderung: 13.11.2020
Die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln hat sich in den vergangenen Jahren wesentlich verbessert (AA 21.6.2020). Obwohl die Armutsquote in den letzten zwei Dekaden zurückging, leben weiterhin mindestens 11,3 % der Bevölkerung (circa 20 Millionen) unterhalb der extremen Armutsgrenze von 1,9 US-Dollar. Unter- sowie Fehlernährung bleiben weit verbreitete Phänomene (DB 1.10.2019). Im Zuge der COVID-Krise 2020 rutschten 25 Millionen Menschen zurück in die absolute Armut (ÖB 9.2020).
Bangladeschs Wirtschaft ist seit 2005 jährlich um rund sechs Prozent gewachsen, trotz politischer Instabilität, schlechter Infrastruktur, Korruption, unzureichender Stromversorgung und langsamer Umsetzung der Wirtschaftsreformen (CIA 4.11.2020). Der landwirtschaftliche Sektor beschäftigt knapp die Hälfte der Gesamtbevölkerung. Die Landwirtschaft wird vom Reisanbau dominiert (GIZ 3.2020b; vgl. CIA 4.11.2020). Die Verarbeitung von Produkten der Landwirtschaft und die Textilindustrie sind die wichtigsten Zweige des industriellen Sektors (GIZ 3.2020b), auf den 2017 geschätzt 29,3 Prozent des BIP gefallen sind. Der Export von Kleidungsstücken macht ca. 80 Prozent aller Exporte aus. Der Dienstleistungssektor erwirtschaftete 2017 mehr als die Hälf