TE Vwgh Erkenntnis 1997/3/13 97/18/0086

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.03.1997
beobachten
merken

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §7 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 97/18/0087

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 15. Jänner 1997, jeweilige Zl. SD 1281/96, betreffend Ausweisung und Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1.1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 15. Jänner 1997 wurde der Beschwerdeführer, ein algerischer Staatsangehöriger, gemäß § 17 Abs. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei am 18. Juli 1994 in das Bundesgebiet eingereist. Er sei damals "offensichtlich" im Besitz eines Touristensichtvermerkes gewesen. Am 14. September 1994 habe er einen Asylantrag gestellt, der inzwischen rechtskräftig abgewiesen worden sei. Da der Asylantrag erst nach Ablauf der im § 7 Abs. 1 Asylgesetz 1991 festgesetzten Frist gestellt worden sei, komme dem Beschwerdeführer eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach diesem Gesetz nicht zu. Der Verwaltungsgerichtshof habe den Antrag, der gegen den zweitinstanzlichen Asylbescheid gerichteten Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, abgewiesen. Da sich der Beschwerdeführer somit unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, seien die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 FrG gegeben.

Da der Beschwerdeführer mit seinem Bruder und dessen Ehegattin im gemeinsamen Haushalt lebe, sei mit der Ausweisung ein Eingriff in das Familienleben des Beschwerdeführers verbunden. Die Ausweisung sei aber zum Schutz der öffentlichen Ordnung, insbesondere auf dem Gebiet des Fremdenwesens, dringend geboten. Einerseits komme den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen und deren Befolgung durch die Normadressaten aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein besonders hoher Stellenwert zu, andererseits vermöge die Dauer des inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers von etwa zweieinhalb Jahren, davon der überwiegende Teil unrechtmäßig, kein hohes Maß an Integration zu begründen. Die Bindung zu den Familienmitgliedern werde dadurch relativiert, daß der Beschwerdeführer erwachsen sei. Hinzu komme, daß der Beschwerdeführer rechtens nicht in der Lage sei, seinen Aufenthalt vom Inland aus zu legalisieren. Die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet seien nicht höher zu veranschlagen als das genannte maßgebliche öffentliche Interesse.

1.2. Mit einem weiteren im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 15. Jänner 1997 wurde gemäß § 54 Abs. 1 FrG festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, der Beschwerdeführer sei in Algerien gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht.

Das Vorbringen, er müsse aufgrund seiner Tätigkeit als Grenzkontrollorgan in Algerien befürchten, von Angehörigen der "Islamischen Heilsfront (FIS)" verfolgt, gefoltert oder getötet zu werden, sei nicht zielführend, habe doch der Verwaltungsgerichtshof aufgrund der im Asylverfahren erhobenen Beschwerde ausgeführt, daß es dem Beschwerdeführer - unter der Annahme, daß die behauptete Verfolgung als "Gruppenverfolgung" zu qualifizieren sei - möglich sei, sich dieser Verfolgung durch Quittierung seines Dienstes (mit Verbleib in seinem Heimatland) zu entziehen. Ebenso gehe die nunmehrige Behauptung des Beschwerdeführers, er würde im Falle der Quittierung seines Dienstes zwar nicht mehr von der "FIS", sondern vielmehr von staatlichen Behörden seines Heimatlandes verfolgt werden, an der Rechtslage vorbei, lasse doch der Beschwerdeführer jegliche konkrete Aussage darüber vermissen, was ihn zu dieser Annahme habe kommen lassen.

2. Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde (bezeichnet als "Beschwerden") mit dem Antrag, sie wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zu den Beschwerdeausführungen gegen den Bescheid betreffend Ausweisung:

1.1. In der Beschwerde bleibt die auf den unbestrittenen Feststellungen beruhende Rechtsansicht, daß sich der Beschwerdeführer (seit Ablauf der Gültigkeitsdauer des Touristensichtvermerks) unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, unbekämpft. Auch der Gerichtshof hegt dagegen keine Bedenken.

1.2.1. Das gegen den Ausweisungsbescheid gerichtete Beschwerdevorbringen beschränkt sich auf den Vorwurf, die belangte Behörde habe die "verwandtschaftlichen Beziehungen zu Österreich" nicht berücksichtigt. Der Bruder des Beschwerdeführers, der für diesen sorge, lebe in Österreich.

1.2.2. Dem ist zu entgegnen, daß die belangte Behörde das Zusammenleben des Beschwerdeführers mit seinem Bruder im Inland berücksichtigt hat. Zu Recht hat sie indes darauf verwiesen, daß die Bedeutung dieser familiären Beziehung durch die Volljährigkeit des Beschwerdeführers relativiert werde. Der Verwaltungsgerichtshof tritt auch den Ansichten der belangten Behörde, der zweieinhalbjährige, überwiegend illegale inländische Aufenthalt des Beschwerdeführers begründe kein hohes Maß an Integration, den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen und deren Befolgung durch die Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein hoher Stellenwert zu (vgl. dazu aus der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes etwa das Erkenntnis vom 18. Dezember 1996, Zl. 96/18/0519) und der Beschwerdeführer könne seinen Aufenthalt vom Inland aus nicht legalisieren, nicht entgegen.

Das Ergebnis der von der belangten Behörde durchgeführten Interessenabwägung gemäß § 19 FrG, wonach die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers die maßgeblichen öffentlichen Interessen nicht überwögen und die Ausweisung daher zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten sei, kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden.

2. Zu den Beschwerdeausführungen gegen den Bescheid betreffend die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung:

2.1. Gemäß § 54 Abs. 1 FrG hat auf Antrag eines Fremden die Behörde mit Bescheid festzustellen, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dieser Fremde in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht ist.

Nach § 37 Abs. 1 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dort sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z. 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974).

2.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Falle der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfaßten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 13. Juni 1996, Zl. 95/18/0068, m.w.N.).

2.3.1. Der Beschwerdeführer wendet sich nur gegen die Ansicht der belangten Behörde, sein Vorbringen betreffend die staatliche Verfolgung im Falle der Quittierung seines Dienstes als Zollwachebeamter sei zu wenig konkretisiert. Er bringt dazu vor, es sei aus "diversen Zeitungsartikeln ersichtlich, daß sowohl die Rebellenorganisation FIS als auch die staatlichen Behörden mit brutaler Härte nicht nur gegeneinander sondern auch in den eigenen Reihen wüten, sodaß gerade Beamte, die ihren Dienst quittieren, von den Polizeibehörden festgenommen werden, verurteilt werden, manchmal auch auf ungeklärte Art ums Leben kommen".

Durch dieses in keiner Weise konkretisierte, ohne Bezugnahme auf seine persönliche Situation erstattete Vorbringen, vermag der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit der von ihm bekämpften Ansicht der belangten Behörde aufzuzeigen.

2.3.2. Der Verwaltungsgerichtshof hegt auch keine Bedenken gegen die - in der Beschwerde nicht bekämpfte - (von der belangten Behörde aus dem über die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den seinen Asylantrag abweisenden Berufungsbescheid ergangene hg. Erkenntnis vom 22. März 1996, Zl. 95/01/0305, übernommene) Ansicht, der Beschwerdeführer könne sich einer allenfalls aufgrund seiner Tätigkeit als Zollwachebeamter gegebenen Verfolgung durch die islamischen Fundamentalisten durch Quittierung seines Dienstes entziehen. Die belangte Behörde kam somit zutreffend zu dem Ergebnis, daß der Beschwerdeführer keine stichhaltigen Gründe ins Treffen zu führen vermochte, welche die Annahme der in § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG umschriebenen Gefährdung bzw. Bedrohung gerechtfertigt erscheinen ließen.

3. Da nach dem Gesagten schon der Beschwerdeinhalt erkennen läßt, daß die jeweils behauptete Rechtsverletzung durch die angefochtenen Bescheide nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

4. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde gegen beide angefochtenen Bescheide jeweils aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997180086.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten