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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen des Nö JagdG 1974 betreffend das Recht zur Tötung revierender Hunde angesichts des völlig veränderten Inhaltes der nach der beantragten Aufhebung verbleibenden GesetzesbestimmungenSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Der unter der Rubrik "Der Jagdschutz" stehende §64 des NÖ Jagdgesetzes 1974, LGBl. 6500, hat folgenden Wortlaut:
"(1) Der Jagdschutz umfaßt die Abwehr von Verletzung der zum Schutz des Wildes und der Jagd erlassenen Bestimmungen dieses Gesetzes, der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften und behördlichen Anordnungen sowie der einschlägigen sonstigen, insbesondere strafrechtlichen Vorschriften. Er umfaßt auch das Recht und die Pflicht zur Betreuung des Wildes und Hintanhaltung seiner Schädigung durch Wilddiebe, Raubwild und Raubzeug. Unter Raubzeug sind sonstige dem gehegten Wild schädliche Tiere, insbesondere revierende (wildernde) Hunde und umherstreifende Katzen zu verstehen.
(2) Die zur Ausübung des Jagdschutzes berufenen Organe sind demnach insbesondere berechtigt und verpflichtet, in ihrem dienstlichen Wirkungskreis
a) Personen, die des Wilddiebstahls verdächtig sind oder jagdrechtlichen Vorschriften zuwiderhandeln, anzuhalten, ihre Person festzustellen und ihnen gefangenes oder erlegtes Wild, Eier des Federwildes, Abwurfstangen, Waffen und Fanggeräte abzunehmen;
b) revierende (wildernde) Hunde, wozu auch Hunde zu rechnen sind, welche sich der Einwirkung ihres Besitzers (Herrn) entzogen haben und im Jagdgebiet umherstreunen, sowie Katzen, welche in einer Entfernung von mehr als 200 m von Wohn- und Wirtschaftsgebäuden in Feld oder Wald umherstreifen, zu töten. Das Recht zur Tötung von Hunden besteht nicht gegenüber Jagd-, Blinden-, Polizei- und Hirtenhunden, wenn sie als solche erkennbar sind, für die ihnen zukommenden Aufgaben verwendet werden und sich aus Anlaß ihres Dienstes vorübergehend der Einwirkung ihrer Besitzer (Herren) entzogen haben; Jagdgäste sind zum Abschuß revierender (wildernder) Hunde und umherstreifender Katzen nur über Ermächtigung der Jagdausübungsberechtigten, welchen die Befugnis hiezu in gleicher Weise wie den Jagdaufsehern zusteht, berechtigt; den Eigentümern der nach Maßgabe der vorstehenden Vorschriften getöteten Hunde und Katzen gebührt kein Schadenersatz;
c) Raubwild und sonstiges Raubzeug unter Bedachtnahme auf Beschränkungen bei der Verfolgung auf Grund jagd- oder naturschutzrechtlicher Bestimmungen zu fangen und zu töten."
2. Mit dem auf Art140 Abs1 (letzter Satz) B-VG gestützten Individualantrag begehrt die Einschreiterin mit näherer Begründung, die litb des §64 Abs2 (- Zitierungen ohne nähere Bezeichnung des Gesetzes, beziehen sich stets auf das NÖ JagdG 1974 -), hilfsweise die nachstehenden (im Antragsbegehren in zitierter Weise unvollständig wiedergegebenen) beiden Wortfolgen ("revierende Hunde, wozu auch Hunde zu rechnen sind, welche sich der Einwirkung ihres Besitzers entzogen haben und im Jagdgebiet umherstreunen" und "den Eigentümern der nach Maßgabe der vorstehenden Vorschriften getöteten Hunde gebührt kein Schadenersatz") als verfassungswidrig aufzuheben. Die Antragstellerin bringt insbesondere vor, daß sie Eigentümerin eines abgerichteten Hundes sei, der ihr auf Spaziergängen zum Schutz diene. Sie gehe mit ihrem Hund häufig im Wald spazieren, wobei der Hund nicht immer angeleint sei. Da es vorkomme, daß sich der Hund hie und da etwas weiter von ihr entferne, müsse sie ständig befürchten, daß ihr Hund als revierend eingestuft und daher abgeschossen werde.
II. Der Antrag erweist sich als nicht zulässig.
In von Amts wegen eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren hat der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt eingenommen, er habe den Umfang der zu prüfenden und im Fall ihrer Rechtswidrigkeit aufzuhebenden Bestimmungen derart abzugrenzen, daß einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird als Voraussetzung für den Anlaßfall ist, daß aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt; da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden könnten, habe der VfGH in jedem einzelnen Fall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt. Die Grenzen der Aufhebung einer in Prüfung stehenden Gesetzesbestimmung müßten - wie der Gerichtshof weiters darlegte - so gezogen werden, daß einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und daß andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle in einem untrennbaren Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfaßt werden. Des weiteren hat der Verfassungsgerichtshof in ständiger, auch hier beizubehaltender Judikatur ausgesprochen, daß diese Rechtsauffassung nicht bloß auf von Amts wegen, sondern auch auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren zutrifft (s. etwa VfSlg. 13140/1992 mit weiteren Rechtsprechungshinweisen). Auf dem Boden dieser Rechtsprechung hat es der Gerichtshof insbesondere als unzulässig angesehen, durch die Aufhebung von Gesetzesbestimmungen dem Gesetz einen vollständig veränderten, dem Gesetzgeber überhaupt nicht zusinnbaren Inhalt zu geben (zB VfSlg. 12465/1990 S. 128).
Folgte man dem Aufhebungsbegehren des vorliegenden Individualantrags, so erhielten verbleibende Teile des Gesetzes einen in diesem Sinn unzulässig veränderten Inhalt. Denn die gedachte Aufhebung der litb im Abs2 (und in grundsätzlich gleicher Weise die hilfsweise begehrte Aufhebung der beiden Wortfolgen in litb) führte im Hinblick auf den Zusammenhalt zwischen dem letzten Satz im Abs1 (demzufolge ua. revierende (wildernde) Hunde als "Raubzeug" zu verstehen sind) und der litc des Abs2 (der sich auf "Raubzeug" schlechthin bezieht) einerseits dazu, daß (ua.) revierende (wildernde) Hunde vom Jagdschutzorgan auch gefangen werden dürften (ohne daß das weitere Vorgehen des Jagdschutzorgans bezüglich des gefangenen Tiers bestimmt wäre); andererseits würde der in der litb vorgesehene besondere Schutz von Jagd-, Blinden-, Polizei- und Hirtenhunden auch im Bereich der litc entfallen, sodaß sich das Recht zur Tötung von Hunden nunmehr auch auf diese Tiergruppe erstreckte.
Der vorliegende Individualantrag war sohin zurückzuweisen.
III. Dieser Beschluß wurde gemäß §19 Abs3 Z2 lita VerfGG ohne weiteres Verfahren gefaßt.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, VfGH / Prüfungsumfang, Jagdrecht, Jagdschutz, HundeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1995:G295.1994Dokumentnummer
JFT_10049387_94G00295_00