TE Bvwg Beschluss 2021/4/8 L517 2239226-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.04.2021
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Entscheidungsdatum

08.04.2021

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch


L517 2239226-1/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. NIEDERWIMMER als Vorsitzenden und den Richter Mag. Dr. STEININGER und den fachkundigen Laienrichter Mag. SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle XXXX , OB: XXXX , vom XXXX , in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der Bescheid vom XXXX , OB: XXXX , behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Sozialministeriumservice, Landesstelle XXXX , zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF, nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

07.02.2020 - Antrag der beschwerdeführenden Partei (in der Folge bP) auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice, Landesstelle XXXX (in der Folge belangte Behörde, bB)

03.08.2020 – Sachverständigengutachten eines Arztes für Neurologie und Allgemeinmedizin

XXXX – Bescheid der bB

04.09.2020 – Beschwerde der bP

28.01.2021 – Sachverständigengutachten einer Ärztin für Anästhesie und Allgemeinmedizin

09.02.2021 – Beschwerdevorlage am BVwG

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.0. Feststellungen (Sachverhalt):

Die bP ist XXXX Staatsbürger und ist an der im Akt ersichtlichen Adresse im Bundesland XXXX wohnhaft.

Die bP ist seit 31.01.2018 im Besitz eines Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 60 v.H., der Pass wurde mit 30.11.2020 befristet und enthält die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“.

Im Akt befindet sich ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Neurologie vom 12.04.2018, in welchem ein Gesamtgrad der Behinderung von 60 v.H. festgestellt wurde.

Am 07.02.2020 stellte die beschwerdeführenden Partei (in der Folge bP) einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice, Landesstelle XXXX (in der Folge belangte Behörde, bB)

Am 03.08.2020 wurde ein Sachverständigengutachten durch einen Neurologen bzw. Allgemeinmediziner erstellt. Es wurde ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. als Dauerzustand festgestellt. Das Gutachten weist folgenden relevanten Inhalt auf:

„Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Klinikum XXXX Abteilung für Lungenkrankheiten

Stat. Aufenthalt von 24.06.2018 bis 25.06.2018

Diagnosen bei Entlassung: Leichtes, rückenlageassoziiertes Schlafapnoe-Syndrom mit einem primären AHI von 6,4/h ohne wesentliche Symptomatik Zustand nach Subarachnoidalblutung

CT des Schädels, 23.1.2019

Zusammenfassung/Ergebnis: Schädel Regelrechter Befund bei Zustand nach präpontiner SAB und post hämorrhagischen Hydrozephalus Shunt

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

Gut.

Ernährungszustand:

Gut.

Größe: cm Gewicht: kg Blutdruck:

Klinischer Status – Fachstatus:

Vigilanz und Sprache:

Patient wach und allseits orientiert. Unauffällige Spontansprache.

Caput collum:

HWS aktiv und passiv frei beweglich, kein Meningismus, kein Druckschmerz im Bereich der Nervenaustrittspunkte des Nervus trigeminus.

Hirnnerven:

Nervus olfactorius: Geruch anamnestisch o.B.

Nervus opticus: Gesichtsfeldprüfung unauffällig, Visus o.B.,

Nervus oculomotorius, Nervus trochlearis und Nervus abducens: unauffällige Optomotorik, keine Ptose, keine horizontale oder vertikale Blicklähmung, kein Nystagmus.

Auge in Primärposition. Pupillen bds. mittelweit, isokor und rund. Prompte, direkte und indirekte Lichtreaktion, erhaltene Konvergenzreaktion.

Nervus trigeminus: Sensibilität im Gesicht o.B., Kornealreflex nicht geprüft, gut auslösbarer Masseterreflex.

Nervus facialis: kein Facialisdefizit mimisch oder willkürlich

Nervus vestibulocochlearis: Gehör subjektiv seitengleich, kein Nystagmus.

Nervus glossopharyngeus, Nervus vagus: Seitengleiches Heben des Gaumensegels, Würgreflex auslösbar. Phonation o.B., keine Heiserkeit in der Stimme bemerkbar. Kehlkopf hebt und senkt sich regelrecht.

Nervus accessorius: beidseits kräftige Muskulatur ohne Atrophie

Nervus hypoglossus: Zunge wird gerade herausgestreckt. Zungenmotilität o.B., keine Faszikulationen.

Obere Extremität:

Trophik o.B., Tonus normal, grobe Kraft o.B.

Kein Absinken im Armvorhalteversuch, keine Pronationstendenz

Muskeleigenreflexe beidseits mittellebhaft symmetrisch auslösbar (Bizepssehnenreflex, Radiusperiostreflex, Trizepssehnenreflex).

Knips beidseits negativ.

Untere Extremitäten:

Trophik o.B., Tonus normal, grobe Kraft o.B.

Kein Absinken im Beinvorhalteversuch.

Muskeleigenreflexe beidseits mittellebhaft symmetrisch auslösbar (Patellarsehnenreflex, Achillessehnenreflex).

Babinski beidseits negativ.

Sensibilität:

Sensibilität in allen Qualitäten unauffällig.

Prüfung der Koordination:

Finger-Nase und Knie-Hacke-Versuch beidseits zielsicher, kein Hinweis für Ataxie.

Eudiadochkinese

Romberg und Unterberger Tretversuch unauffällig.

Gesamtmobilität – Gangbild:

Unauffälliges Gangbild, Seiltänzergang und Einbeinstand sicher durchführbar.

Status Psychicus:

Wach und allseits orientiert. Räumliche Orientierungsschwierigkeiten, Schwierigkeiten bei der Schilderung des Ablaufs von Handlungen. Eingeschränktes Kurzzeit- und Arbeitsgedächtnis. Stimmung euthym, keine suizidalen Gedanken.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Pos.1 bestimmt den GdB der Behinderung.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Zustand nach Hernia inguinalis Operation links.

Zustand nach Katarakt Operation links 2016.

Zustand nach Hornhautverletzung links mit Linsenersatz 1967.

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Im Vergleich zum Vorgutachten ist der Zustand unverändert, es liegen allerdings keine neuen Befunde vor. Ebenso ist der Kunde in keinerlei neuropsychologischer Betreuung

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

Die Abstufung des GdB ergibt sich durch die fehlenden Befunde bzw. die fehlende Therapie.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.

 

X Dauerzustand

 

Nachuntersuchung

Herr XXXX kann trotz seiner Funktionsbeeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem Integrativen Betrieb (allenfalls unter Zuhilfenahme von Unterstützungsstrukturen) einer Erwerbstätigkeit nachgehen:
JA x NEIN

Aufgrund der vorliegenden funktionellen Einschränkungen liegen die medizinischen Voraussetzungen für die Vornahme nachstehender Zusatzeintragungen vor:

Ja

Nein

Nicht

geprüft

Die / Der Untersuchte

?

m

?

ist überwiegend auf den Gebrauch eines Rollstuhles angewiesen

?

m

?

ist blind (entsprechend Bundespflegegeldgesetz)

?

m

?

ist Orthesenträgerin oder Orthesenträger

?

m

?

ist hochgradig sehbehindert (entspr. Bundespflegegeldgesetz)

?

m

?

ist gehörlos

?

m

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ist schwer hörbehindert

?

m

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ist taubblind

?

m

?

ist Epileptikerin oder Epileptiker

?

m

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ist Trägerin oder Träger eines Cochlea-Implantates

?

m

?

Bedarf einer Begleitperson

?

m

?

ist Trägerin oder Träger von Osteosynthesematerial

?

m

?

ist Prothesenträgerin oder Prothesenträger

1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum? Unverändert zum Vorgutachten bestehen von körperlicher Seite keine Einschränkungen im Bezug auf die Wegstrecke sowie das Ein- und Aussteigen in öffentliche Verkehrsmittel. Unverändert besteht allerdings keine ausreichende Orientierung im öffentlichen Raum sowie eine ausreichende Planungsfähigkeit, die einen sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel zulässt. Eine ständige Begleitperson ist allerdings nicht erforderlich.

2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor? Es liegt keine Erkrankung des Immunsystems vor.

Folgende Gesundheitsschädigungen im Sinne von Mehraufwendungen wegen Kranken-diätverpflegung liegen vor, wegen:

Ja

Nein

Nicht

geprüft

??

??

??

Tuberkulose, Zuckerkrankheit, Zöliakie, Aids, Phenylketonurie oder eine vergleichbare schwere Stoffwechselerkrankung nach Pos. 09.03.

??

??

??

Gallen-, Leber- oder Nierenkrankheit

??

??

??

Erkrankungen des Verdauungssystems

Begründung:

Es liegen keine medizinischen Indikationen für eine Krankendiätverpflegung vor.“

Am XXXX erließ die bB einen Bescheid, mit dem der bP mitgeteilt wurde, dass laut Ergebnis des medizinischen Ermittlungsverfahrens ein Grad der Behinderung von 50 % festgestellt worden sei. Es würden die Voraussetzungen für folgende Zusatzeintragung vorliegen: „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“. Der Behindertenpass wurde unbefristet ausgestellt. Mit dem Bescheid wurde der bP auch das Sachverständigengutachten vom 03.08.2020 sowie eine Information bezüglich Behindertenpass, hinsichtlich steuerlicher Absetzmöglichkeiten sowie hinsichtlich eines Antrages auf Parkausweis zugestellt. Am 21.08.2020 wurde der bP der Behindertenpass im Scheckkartenformat gem. §§ 40 ff BBG übermittelt und wurde die bP darüber informiert, dass Sie gem. § 46 BBG iVm §§7 ff VwGVG das Recht habe, gegen diesen Behindertenpass innerhalb von sechs Wochen nach seiner Zustellung beim Sozialministeriumservice schriftlich eine Beschwerde einzubringen.

In der Folge erhob die bP am 04.09.2020 Beschwerde. Sie führte darin sinngemäß aus: Im Gutachten vom 03.08.2020 habe der Sachverständige den Grad seiner Behinderung von 60 % auf 50 % reduziert. Der Gutachter selbst schreibe, dass es keine neuen Gutachten gäbe, es liege bereits eine beginnende Inkontinenz vor und dennoch reduziere er ohne Angabe von nachvollziehbaren Gründen den Grad seiner Behinderung.

Er sei vom Hausarzt zum XXXX verwiesen worden, um dort, wo er operiert und wochenlang behandelt worden sei, untersucht zu werden. Nach der zweiten Nachuntersuchung in diesem Krankenhaus – sie sei jedes Mal von ihrem Hausarzt dorthin verwiesen worden, habe man ihr mitgeteilt, dass weitere Untersuchungen notwendig seien, weil sich an ihrem Gesundheitszustand in Bezug auf Besserung nichts ändern würde. Es gäbe auch laut ärztlichen Aussagen im XXXX keine Therapie, welche etwas ändern würde. Die bP fragte sich, wie der Gutachter dazu komme, ihr vorzuwerfen, dass es keine neuen Befunde gäbe und wie er dazu komme, ihr vorzuwerfen, es fehle an einer Therapie.

Die bP beantragte eine Ergänzung des Gutachtens durch den Sachverständigen dahingehende, dass dieser erklären solle, wie er zu den Herabstufungsgründen komme und welche Therapie er als Abstufungsgrund überhaupt anführe. Die bP stellt die Frage, von wem diese vom Gutachter behauptete Therapie erstellt worden sei, wann und wo sie diese Therapie in Anspruch nehmen könne. Sie möchte auch wissen, wer diese Therapie wann vorgeschlagen bzw. angeordnet habe. Es sei weder ihm noch den behandelnden Ärzten eine Therapie, welche der Gutachter behaupte, bekannt. Abschließend wies die bP auf eine beginnende Inkontinenz hin und beantragte die Erhöhung ihres Behindertengrades von 60 % auf 70 % da sich ihr Gesundheitszustand nicht verbessert, sondern verschlechtert habe.

Am 28.01.2021 wurde ein weiteres Sachverständigengutachten durch eine Fachärztin für Anästhesie bzw. Allgemeinmedizin erstellt. Es wurde ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. als Dauerzustand festgestellt. Das Gutachten weist folgenden relevanten Inhalt auf:

„Anamnese:

Vorgutachten Dr. XXXX 2018 mit 60% und 2020 mit 50% wegen neuropsychologischem Defizit bei Z. n. Schlaganfall.

Jetzt Beschwerde gegen letzten Bescheid.

Derzeitige Beschwerden:

Er wisse eigentlich den Grund der Beschwerde nicht so recht, es fällt ihm dann wieder ein, dass er bei Dr. XXXX gewesen sei (verwendet den Namen spontan, ohne dass die Gutachterin ihn vorher genannt hat), es gebe jedenfalls nach wie vor keine neuen Befunde. Er sei 2x im XXXX gewesen, aber dort habe man ihn wieder heimgeschickt, man könne für ihn nicht mehr viel machen. Er gehe mit seinen Eseln spazieren, die brauche er nicht versorgen, das mache ein Bauer. Er habe zwei Leute, die fürs Haus sorgen, das Einkaufen besorge der anwesende Freund. Das Rasenmähen mache ein Nachbar. Mit dem Haushalt und der Körperpflege komme er selber zurecht. Für eine Inkontinenz trage er Einlagen, mit denen komme er zurecht. Er dürfe nicht zu weit vom Haus weggehen, weil er laut Freund dann nicht mehr nach Hause finde, daher gehe er auch mit seinen zwei Eseln, die wieder alleine zurück in den Stall finden. Auch mit den ÖVM könne man ihn nicht fahren lassen, weil er sich nicht auskenne. Schwindelanfälle werden angegeben.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Keine Medikamente, nur ein Nasenspray, aber den Namen wisse er nicht.

Keine Therapien.

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Alle in der Untersuchung vorgelegten und elektron. vorliegenden Befunde/Nachweise inkl. allfällig vorhandener Vorgutachten wurden eingesehen und berücksichtigt - maßgebliche Auszüge daraus werden nachstehend aufgelistet:

06/18 KH XXXX : Leichtes, rückenlageassoziiertes Schlafapnoe-Syndrom mit einem primären AHI von 6,4/h ohne wesentliche Symptomatik - Zustand nach Subarachnoidalblutung - aktuell keine Therapieindikation.

01/19 CT Schädel: Regelrechter Befund bei Zustand nach präpontiner SAB und nach hämorrhagischem Hydrozephalus Shunt .

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

gut, vorgealtert. An-, Ausziehen des OK verlangsamt, etwas umständlich.

Ernährungszustand:

gut.

Größe: 172,00 cm Gewicht: 75,00 kg Blutdruck:

Klinischer Status - Fachstatus:

Sensorium: unauff.

Haut:   intakt, gut durchblutet

Kopf/Hals unauff.

Herz/Lunge: unauff. (rhy, nf / VA, Eupnoe)

Abdomen: unauff.

WS:      achsgerecht, frei beweglich, FBA etwas unsicher bis auf 20cm, wirkt dabei wackelig,

Aufrichten frei.

OE: in Kraft, Beweglichkeit, Neurol. unauff.

UE: in Kraft, Beweglichkeit, Neurol. unauff.

Gesamtmobilität - Gangbild:

frei, etwas verlangsamt, symm., Zehen-/Fersengang und Einbeinstand bds mit Halten durchführbar, Hocke durchführbar, wirkt insgesamt etwas unsicher. FNV re zielunsicher, li unauff., kein Schwanken

Status Psychicus:

Orientierung zur Person unauff., anamnestisch glaubhaft räumlich defizitäre Orientierung, leichte Defizite in der Handlungsplanung und -durchführung erfassbar, Antrieb etwas reduziert, Gedankenablauf verlangsamt, Antworten kommen verzögert, aber soweit beurteilbar sonst korrekt bei einfachem Intellekt.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

ergibt sich aus Pos 1.

Pos 2 geringfügig, daher nicht erhöhend.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Zustand nach Hernia inguinalis Operation links.

Zustand nach Katarakt Operation links 2016.

Zustand nach Hornhautverletzung links mit Linsenersatz 1967.

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Unverändert zum Vorgutachten 07/20 liegen erneut keine Befunde vor, aufgrund der klinischen Auffälligkeit aber wird der GdB von 50% wohlwollend belassen, wie schon zuvor diese Einschätzung wohlwollend durchgeführt wurde.

Neu ist Pos 2, diese aufgrund der Aussagen des Patienten und fehlender Fachbefunde mit max. 10% einschätzbar.

Änderung des Gesamtgrades der Behinderung im Vergleich zu Vorgutachten:

Unverändert zum Vorgutachten 07/20 liegen erneut keine Befunde vor, aufgrund der klinischen Auffälligkeit aber wird der GdB von 50% wohlwollend belassen, wie schon zuvor diese Einschätzung wohlwollend durchgeführt wurde.

Herr XXXX kann trotz seiner Funktionsbeeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem Integrativen Betrieb (allenfalls unter Zuhilfenahme von Unterstützungsstrukturen) einer Erwerbstätigkeit nachgehen:

X JA ? NEIN

Aufgrund der vorliegenden funktionellen Einschränkungen liegen die medizinischen Voraussetzungen für die Vornahme nachstehender Zusatzeintragungen vor:

Ja

Nein

Nicht

geprüft

Die / Der Untersuchte

?

m

?

ist überwiegend auf den Gebrauch eines Rollstuhles angewiesen

?

m

?

ist blind (entsprechend Bundespflegegeldgesetz)

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m

?

ist Orthesenträgerin oder Orthesenträger

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m

?

ist hochgradig sehbehindert (entspr. Bundespflegegeldgesetz)

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m

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ist gehörlos

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m

?

ist schwer hörbehindert

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m

?

ist taubblind

?

m

?

ist Epileptikerin oder Epileptiker

?

m

?

ist Trägerin oder Träger eines Cochlea-Implantates

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m

?

Bedarf einer Begleitperson

?

m

?

ist Trägerin oder Träger von Osteosynthesematerial

?

m

?

ist Prothesenträgerin oder Prothesenträger

1.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Es wird die Einschätzung des Vorgutachtens belassen: Es bestehen von körperlicher Seite keine Einschränkungen in Bezug auf die Wegstrecke sowie das Ein- und Aussteigen in öffentliche Verkehrsmittel. Aufgrund der allerdings angenommenen unzureichenden Orientierung im öffentlichen Raum sowie einer unzureichenden Planungsfähigkeit zum sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel wird auch hier trotz der fehlenden Fachbefunde eine Bewilligung der Unzumutbarkeit empfohlen. Eine ständige Begleitperson ist dabei nicht erforderlich.

2.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt ein Immundefekt vor im Rahmen dessen trotz Therapie erhöhte Infektanfälligkeit und wiederholt außergewöhnliche Infekte wie atypische Pneumonien auftreten?

nein.

 

Folgende Gesundheitsschädigungen im Sinne von Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung liegen vor, wegen:

Ja

Nein

Nicht

geprüft

 

?

m

?

Tuberkulose, Zuckerkrankheit, Zöliakie, Aids, Phenylketonurie oder eine vergleichbare schwere Stoffwechselerkrankung nach Pos. 09.03.

?

m

?

Gallen-, Leber- oder Nierenkrankheit

?

m

?

Erkrankungen des Verdauungssystems

Begründung:

Es liegen keine medizinischen Indikationen für eine Krankendiätverpflegung vor“

2.0 Beweiswürdigung

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der bB und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Der oben unter Punkt II.1. festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens.

Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich durch Einsicht in das zentrale Melderegister sowie die sonstigen relevanten Unterlagen.

2.2. Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes ist das ho. Gericht nicht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: „Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (…)“. Vergleiche dazu auch VwGH vom 18.06.2014, Ra 2014/01/0032.
Basierend auf der ständigen Rechtsprechung des VwGH bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" in einen Behindertenpass regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, das die Auswirkungen der Gesundheitsschädigung auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilt, sofern diese Frage nicht in einem unmittelbar zuvor durchgeführten Verfahren gemäß § 14 Abs. 2 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) im Rahmen der ärztlichen Begutachtung ausreichend behandelt wurde oder die Unzumutbarkeit aufgrund der Art der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt (vgl. auch VwGH vom 01.03.2016, Ro 2014/11/0024; VwGH vom 27.05.2014, Ro 2014/11/0030; VwGH vom 17. Juni 2013, 2010/11/0021 mit Verweis auf die Erkenntnisse vom 23. Februar 2011, 2007/11/0142 und vom 23. Mai 2012, 2008/11/0128; vgl. auch VwGH vom 20.03.2001, 2000/11/0321).

Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen – wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden – vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).

Das im Verfahren vor der bB eingeholte medizinische Sachverständigengutachten zum Grad der Behinderung bedarf nach der Rsp des VwGH (vom 21.06.2017, Ra 2017/11/0040) einer ausreichenden, auf die vorgelegten Befunde eingehenden und die Rahmensätze der Einschätzungsverordnung vergleichenden (vgl zu den diesbezüglichen Anforderungen das hg Erkenntnis vom 08.07.2015, Ra 2015/11/0036) Begründung.

Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).

Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der, gegen die Gutachten gerichteten, sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, 0705/77).

Der Verwaltungsgerichtshof führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).

Ebenso kann die Partei ein Sachverständigengutachten erfolgreich bekämpfen, ohne diesem auf gleichem fachlichem Niveau entgegentreten zu müssen, wenn es Widersprüche bzw. Ungereimtheiten im Gutachten aufzeigt (vgl. z. B. VwGH vom 20.10.2008, 2005/07/0108).

Im gegenständlichen Verfahren hat es die bB unterlassen, den Sachverhalt dem Gesundheitszustand der bP entsprechend vollständig zu erheben – dies aus den nachfolgenden Erwägungen:

Die von den Sachverständigen vorgenommenen Einschätzungen der Leiden der bP entsprechen nicht den Tatsachen und auch nicht der Einschätzungsverordnung. Im Hinblick auf das erste Gutachten vom 03.08.2020 ist in keinster Weise nachvollziehbar, woraus sich bei gleichbleibendem Leiden eine Abstufung von 60 % auf 50 % ergeben könnte. Wenn der Sachverständige die Abstufung auf das Fehlen von Befunden bzw. auf fehlende Therapie gründet, so erschöpft sich seine Äußerung in der Abgabe eines Urteils, lässt aber die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, nicht erkennen. Die vorgenommene Abstufung verwundert das erkennende Gericht umso mehr, als das Gutachten von demselben Sachverständigen erstellt wurde, von dem auch das Vorgutachten vom 12.04.2018, mit einer Einschätzung von damals 60 % stammt. Es drängt sich hier die Frage auf, ob die Einschätzungen sachlich begründet oder willkürlich erfolgt sind.

In einem weiteren eingeholten Gutachten einer Ärztin für Anästhesie und Allgemeinmedizin hält diese an der vorgenommenen Herabsetzung des Grades der Behinderung von 60 % auf 50 % fest. Wenn die Sachverständige in ihrer Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten ausführt: „Unverändert zum Vorgutachten 07/20 liegen erneut keine Befunde vor, aufgrund der klinischen Auffälligkeit aber wird der GdB von 50 % wohlwollend belassen, wie schon zuvor diese Einschätzung wohlwollend durchgeführt wurde“, dann lässt dies den Schluss zu, dass anscheinend nach sachlichen Kriterien eine andere Beurteilung vorzunehmen gewesen wäre. Auch hier erfolgte demnach offenbar eine willkürliche Einschätzung durch die SV, was möglicherweise die Grenzen einer strafbaren Handlung im Sinne des Strafgesetzbuches überschreiten würde. Inwieweit die Voraussetzungen dafür, die genannte Sachverständige als Gutachterin beizuziehen, bestehen, obliegt der bB.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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