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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Mizner, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des FL in B, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg (Berufungssenat) vom 9. April 1996, Zl. 715-2/93, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften sowie Umsatz- und Gewerbesteuer für 1984, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Betriebsprüfungsbericht vom 29. Juni 1992 über die abgabenbehördliche Prüfung bei der Gesellschaft nach bürgerlichem Recht (lt. Tz 2 des BP-Berichtes) "LF und Mitgesellschafter" weist als Gesellschafter FL und EL aus.
Die Bescheide betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften nach § 188 BAO für 1984 sowie Umsatzsteuer und Gewerbesteuer 1984 (Ausfertigungsdatum 30. September 1992) erließ das Finanzamt an "LF und Mitges".
Die unter dieser Bezeichnung erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Sie erließ den Bescheid an FL und EL und verfügte die Zustellung an den steuerlichen Vertreter als Zustellungsbevollmächtigten.
Die gegenständliche Beschwerde wurde von FL (für sich und auch als Erbe nach der 1994 verstorbenen EL) erhoben (vgl. den ergänzenden Schriftsatz vom 23. Oktober 1996).
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 191 Abs. 1 lit. c BAO ergeht der Feststellungsbescheid in den Fällen des § 188 an die Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit, deren Gesellschaftern (Mitgliedern) gemeinschaftliche Einkünfte zugeflossen sind.
Ist eine Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit in dem Zeitpunkt, in dem der Feststellungsbescheid ergehen soll, bereits beendigt, so hat der Bescheid gemäß § 191 Abs. 2 BAO an diejenigen zu ergehen, denen gemeinschaftliche Einkünfte zugeflossen sind.
Gemäß § 19 Abs. 1 UStG 1972 ist Steuerschuldner in den Fällen des § 1 Abs. 1 Z. 1 und Z. 2 der Unternehmer. Unternehmer können auch Personenzusammenschlüsse ohne Rechtspersönlichkeit (wie etwa die Gesellschaft nach bürgerlichem Recht) sein (vgl. Kolacny/Mayer, UStG, Anm. 1 zu § 19).
Gemäß § 4 Abs. 1 GewStG ist Steuerschuldner der Unternehmer. Als Unternehmer gilt der, für dessen Rechnung das Gewerbe betrieben wird. Wird das Gewerbe für Rechnung mehrerer Personen betrieben, so sind diese Gesamtschuldner; bei Gesellschaften im Sinne des § 1 Abs. 2 Z. 1 (offene Handelsgesellschaften, Kommanditgesellschaften und andere Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Gewerbebetriebes anzusehen sind) ist auch die Gesellschaft als solche Gesamtschuldner.
Der Beschwerdeführer hat auf Anfrage des Verwaltungsgerichtshofes mitgeteilt, die Gesellschaft nach bürgerlichem Recht habe bis zum 31. Dezember 1985 bestanden; seit dem 1. Jänner 1986 führe er das Unternehmen als Einzelunternehmer weiter.
Die belangte Behörde hat in ihrer Gegenschrift mitgeteilt, der steuerliche Vertreter habe ihr mit Schriftsatz vom 1. Dezember 1987 bekanntgegeben, daß das Gesellschaftsverhältnis seit 1986 nicht mehr bestehe. Die belangte Behörde habe den angefochtenen Bescheid an die zuletzt an der Gesellschaft beteiligten Gesellschafter (FL und EL) erlassen, weil die Gesellschaft nach bürgerlichem Recht nicht mehr bestanden habe.
Die mit der "Personenumschreibung" getroffene Wahl des Normadressaten ist wesentlicher Bestandteil jedes Bescheides. Die Benennung jener Person, der gegenüber die Behörde die in Betracht kommende Angelegenheit des Verwaltungsrechtes in förmlicher Weise gestalten will, ist notwendiges Inhaltserfordernis des individuellen Verwaltungsaktes und damit konstituierendes Bescheidmerkmal (vgl. den hg. Beschluß vom 6. April 1994, 91/13/0234).
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluß vom 30. Mai 1984, 84/13/0104, ausgesprochen, daß ein Feststellungsbescheid gemäß § 188 BAO, der nach Beendigung der Personengesellschaft an diese ergeht, keine Rechtswirkungen entfaltet (ebenso die hg. Beschlüsse vom 13. Dezember 1988, 88/14/0192, und vom 14. September 1993, 93/15/0080). Auch Umsatzsteuerbescheide und Gewerbesteuerbescheide, die nach Beendigung einer Personengesellschaft an diese ergehen, können keine Rechtswirkungen entfalten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 1994, 91/14/0140).
Unbestritten ist im gegenständlichen Fall, daß die Gesellschaft nach bürgerlichem Recht (FL und EL) bereits im Zeitpunkt der Erlassung der erstinstanzlichen Bescheide beendet war.
Die im Jahr 1992 an die Gesellschaft nach bürgerlichem Recht ergangenen erstinstanzlichen Bescheide betreffend Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO sowie Umsatz- und Gewerbesteuer sind sohin an eine nicht mehr existierende Gesellschaft ergangen und konnten daher keine Rechtswirkungen entfalten.
Schon weil keine wirksamen Bescheide vorlagen, wäre die Berufung gemäß § 273 Abs. 1 lit. a BAO durch die belangte Behörde zurückzuweisen gewesen.
Die abweisende Berufungsentscheidung der belangten Behörde erging (auch) an den Beschwerdeführer. Sie stellt einen wirksamen Bescheid dar. In den streitgegenständlichen Verfahren hat damit die belangte Behörde, der gemäß § 260 Abs. 1 BAO die Entscheidung über Berufungen obliegt, erstmalig über die Gewinnfeststellung und die Abgabenfestsetzung abgesprochen, obwohl dieses erstmalige Absprechen in die Zuständigkeit des Finanzamtes fällt (vgl. § 3 Abs. 1 AVOG). Der angefochtene Bescheid ist daher mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde belastet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 1994, 91/14/0140).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Der Aufwandersatz für Stempelgebühren war zuzusprechen für drei Ausfertigungen der Beschwerde (S 360,--) und eine Ablichtung des angefochtenen Bescheides (S 120,--).
Schlagworte
Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Besondere Rechtsgebiete Finanzverwaltung und öffentliche VerwaltungBescheidcharakter Bescheidbegriff Inhaltliche ErfordernisseInhalt des Spruches Anführung des BescheidadressatenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996150118.X00Im RIS seit
11.01.2001Zuletzt aktualisiert am
19.04.2011