TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/12 W209 2240648-1

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Veröffentlicht am 12.04.2021
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Entscheidungsdatum

12.04.2021

Norm

AuslBG §32
AuslBG §4
AuslBG §4c
B-VG Art133 Abs4
Richtlinie 2013/33/EU Aufnahme-RL Art15

Spruch


W209 2240648-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Reinhard Seitz als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes PFLUG und Philipp KUHLMANN als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX , XXXX , XXXX , vertreten durch Mag. Ali POLAT, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Florianigasse 1/6, gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Esteplatz vom 13.11.2020, GZ: ABB-Nr. 4090851, betreffend Abweisung eines Antrages auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) der Firma XXXX , XXXX , XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die Firma XXXX mit Sitz XXXX , XXXX , (im Folgenden: Antragstellerin) beantragte am 16.10.2020 eine Beschäftigungsbewilligung für den am XXXX geborenen türkischen Staatsangehöriger XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer) für die berufliche Tätigkeit als Kebabkoch.

2. Mit Schreiben der belangten Behörde (im Folgenden: AMS) vom 23.10.2020 wurde die Antragstellerin darüber informiert, dass derzeit Beschäftigungsbewilligungen für Asylwerber im laufenden Verfahren oder mit Anspruch auf Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz nur im Rahmen von Kontingenten in der Land- und Forstwirtschaft oder im Fremdenverkehr (Saisonbewilligungen) erteilt werden dürften. Nachdem es in Wien für das Gastgewerbe kein Kontingent mehr gebe, könne keine Bewilligung erteilt werden. Auf dieses Schreiben erfolgte keine Reaktion.

3. Mit angefochtenem Bescheid vom 13.11.2020 wies das AMS den verfahrensgegenständlichen Antrag sodann mit der Begründung ab, dass zurzeit Beschäftigungsbewilligungen für AsylwerberInnen im laufenden Verfahren oder mit Anspruch auf Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz nur im Rahmen von Kontingenten in der Land- und Forstwirtschaft oder im Fremdenverkehr (Saisonbewilligungen) erteilt werden könnten.

4. Dagegen erhob der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter binnen offener Rechtsmittelfrist Beschwerde, die damit begründet wurde, dass der Beschwerdeführer türkischer Staatsangehöriger sei und – zusammen mit seiner Gattin und seinen beiden minderjährigen Kindern – am 07.02.2017 einen Asylantrag gestellt habe, der rechtskräftig abgewiesen worden sei. Am 19.11.2019 hätten der Beschwerdeführer und seine Familie einen weiteren Asylantrag gestellt. Dieses Verfahren sei derzeit noch beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) anhängig. Der Beschwerdeführer sei seit seinem Erstantrag auf internationalen Schutz rechtmäßigen Österreich aufhältig, ordnungsgemäß gemeldet und verfüge über eine Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß § 51 AsylG 2005. Der Beschwerdeführer und seine Familie würden bei dessen Schwester wohnen, welche der Familie auch tatsächlich Unterhalt leiste. Derzeit würden der Beschwerdeführer und seine Familie wieder Grundversorgung beziehen. Es würden viele weitere Familienangehörige und Verwandte des Beschwerdeführers in Österreich leben. Die Kinder seien schulpflichtig und hätten bereits die deutsche Sprache sehr gut gelernt. Der Beschwerdeführer genieße Parteistellung und sei daher zur Beschwerdeerhebung befugt.

Gemäß Art. 15 Abs. 1 Aufnahme-RL hätten die Mitgliedstaaten dafür Sorge zu tragen, dass der Antragsteller spätestens neun Monate nach der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz Zugang zum Arbeitsmarkt erhalte, sofern die zuständige Behörde noch keine erstinstanzliche Entscheidung erlassen hat und diese Verzögerung nicht dem Antragsteller zur Last gelegt werden kann (RIS-Justiz, BVwG L516 2221728-1). Fallbezogen gelange Art. 15 Aufnahme-RL zur Anwendung, da das BFA nach mehr als neun Monaten immer noch keine Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz getroffen habe, das Verfahren im zweiten Verfahrensgang vor dem BFA anhängig sei und diese Verzögerung nicht dem Antragsteller anzulasten sei. Dementsprechend stehe das Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Z 1 oder Abs. 3 AuslBG in unmittelbarer Anwendung des Art. 15 Abs. 2 Aufnahme-RL der Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nicht entgegen. Das Verfahren zu seinem Antrag auf internationalen Schutz sei auch zugelassen worden und er verfüge über ein Aufenthaltsrecht gemäß § 13 AsylG 2005. Der Beschäftigung stünden, soweit ersichtlich, auch keine wichtigen öffentlichen oder gesamtwirtschaftlichen Interessen entgegen; ebenso lägen keine Gründe in der Person der Arbeitgeberin oder des Ausländers vor, die gegen die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung sprächen. Derartiges wurde von der belangten Behörde im Zuge des behördlichen Ermittlungsverfahrens auch nicht geltend gemacht.

Gegenständlich gelange auch das Assoziationsabkommens EWG-Türkei zur Anwendung. Gemäß § 4c AuslBG sei für türkische Staatsangehörige eine Beschäftigungsbewilligung von Amts wegen zu erteilen oder zu verlängern, wenn sie die Voraussetzungen nach Art. 6 Abs. 1 erster und zweiter Unterabsatz oder nach Art. 7 erster Unterabsatz oder nach Art. 7 letzter Satz oder nach Art. 9 des Beschlusses des Assoziationsrates EWG-Türkei - ARB - Nr. 1/1980 erfüllen. Der Verwaltungsgerichtshof habe entschieden, dass das NAG 2005 keinen spezifischen Aufenthaltstitel für türkische Staatsangehörige, die Rechte aus Art. 6 ARB 1/80 ableiten, vorsehe (vgl. VwGH Ro 2017/22/0015). Der ARB 1/80 finde auf türkische Staatbürger Anwendung, die in einem Mitgliedsstaat als Arbeitnehmer beschäftigt sind und deren Aufenthalt und Beschäftigung im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedsstaates ordnungsgemäß ist, oder die als Arbeitnehmer tätig werden wollen sowie auf ihre Familienangehörigen, soweit diese mit dem türkischen Arbeitnehmer tatsächlich in häuslicher Gemeinschaft leben, auch wenn sie selbst keine eigene Beschäftigung als Arbeitnehmer ausüben (vgl. EuGH Rs Abatay, C-317/01, Rnr. 81ff) und auf Kinder von türkischen Arbeitnehmern, die im betreffenden Mitgliedsstaat eine Berufsausbildung abgeschlossen haben (RIS-Justiz VGW-151/070/ 22404/2014). Der Beschwerdeführer falle demnach in den Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses 1/80, zumal er dem regulären Arbeitsmarkt in Österreich angehöre. Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH RS 2005/08/0019) habe entschieden, dass Arbeitnehmer im Verständnis des ARB 1/80 auch Personen sind, die gegen eines der Art. 1 lit. b des genannten Beschlusses iVm der VO (EWG) 1408/71 genannten Risken, d.h. auch gegen Arbeitslosigkeit versichert sind, auch wenn sie in keinem Dienstverhältnis stehen (EuGH 4. Mai 1999, Rs C-262/96, Sürül, mit Hinweisen auf frühere Entscheidungen des EuGH, Rz 86f, insbesondere 93). Der Beschwerdeführer sei durchgehend kranken- und unfallversichert.

Nach ständiger Rechtsprechung verbiete die in Art. 13 des Beschlusses 1/80 ARB enthaltene Stillhalteklausel gegenständlich allgemein die Einführung neuer innerstaatlicher Maßnahmen, die bezwecken oder bewirken, dass die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit des Beschwerdeführers strengeren Voraussetzungen als denjenigen unterworfen wird, die für ihn zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Beschlusses Nr. 1/80 in dem betreffenden Mitgliedstaat galten (EUGH, C-225, Demir, vgl. Urteil vom 17. September 2009, Sahin, C-242/06, Slg. 2009, I-8465, Randnr. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung). Es seien die Voraussetzungen, unter welchen eine Beschäftigungsbewilligung auszustellen ist, durch die mit BGBl. I Nr. 25/2011 nach dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union mit 1. Jänner 1995 erfolgte Novellierung des § 4 AuslBG erschwert worden. Dies widerspreche in Bezug auf türkische Arbeitnehmer jedoch Art. 13 ARB 1/80. Die Klauseln des Art. 13 ARB 1/80 und des Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen würden unmittelbare Wirkung entfalten und bezüglich der in ihren Geltungsbereich fallenden türkischen Staatsangehörigen die Anwendbarkeit aller neu eingeführten Beschränkungen ausschließen (vgl. E 23. Mai 2012, 2008/22/0507). Die belangte Behörde hätte die Ablehnung des Antrags auf Ausstellung einer Beschäftigungsbewilligung daher nicht auf das Fehlen einer einhelligen Zustimmung des Regionalbeirates – aber auch nicht auf das Fehlen einer anderen in § 4 Abs. 3 AuslBG aufgezählten besonderen Voraussetzung – stützen dürfen. Vielmehr hätte sie ohne die seit 1995 eingetretenen Erschwerungen – weil die nicht mehr festgesetzte Landeshöchstzahl nicht überschritten werden könne – bei der allgemeinen Prüfung der Arbeitsmarktlage und der allgemeinen Voraussetzungen des Abs. 1 zu belassen gehabt (RIS-Justiz, VwGH Ro 2014/09/0016, VwSlg 18850 A/2014).

Die mit 1. Jänner 2006 durch das NAG 2005 eingeführten Verschärfungen der Bedingungen für den Familiennachzug (vgl. E 19. Jänner 2012, 2011/22/0313; E 26. Jänner 2012, 2008/21/0304), die durch das FrÄG 2009 bewirkte Verschiebung einer Altersgrenze für die Familienzusammenführung von Ehegatten auf 21 Jahre (vgl. E 23. Mai 2012, 2011/22/0216) oder das durch das BGBl. I Nr. 25/2011 in § 4 AuslBG eingeführte Erfordernis der Zustimmung des Regionalbeirates oder des Vorliegens besonderer Sachverhalte oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Personengruppe als Voraussetzung für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung (vgl. E 19. Mai 2014, Ro 2014/09/0016) würden nicht anzuwendende Verschärfung darstellen. Ein Befreiungsschein gemäß § 15 AuslBG berechtige zur Aufnahme einer Beschäftigung im gesamten Bundesgebiet und bescheinige das Recht des Zuganges zum gesamten Arbeitsmarkt. Er sei nach § 15 Abs. 1 Z 1 AuslBG idF BGBl. I Nr. 126/2002 einem Ausländer auf Antrag für fünf Jahre auszustellen gewesen, wenn dieser "1. während der letzten acht Jahre mindestens fünf Jahre im Bundesgebiet mit einer dem Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Tätigkeit erlaubt beschäftigt war". Mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 101/2005 sei diese Rechtslage dahingehend verändert worden, dass das Erfordernis hinzugefügt wurde, dass der Ausländer "rechtmäßig niedergelassen ist". Diese mit 1. Jänner 2006 erfolgte Einfügung stelle eine "neue Beschränkung" iSd Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 dar. Mit Wirkung vom 1. Jänner 2014 sei die Rechtslage neuerlich geändert (BGBl. I Nr. 72/2013) und das Rechtsinstitut des Befreiungsscheines aus dem AuslBG entfernt worden (2163 BlgNR 24 GP, 4). In § 32 Abs. 11 AuslBG sei allerdings die Weitergeltung bisher erteilter Befreiungsscheine angeordnet, Übergangsvorschriften für anhängige Verfahren aber nicht für notwendig gesehen worden. Das VwG habe über einen Antrag auf Erteilung eines Befreiungsscheines, sohin einer Bescheinigung zu befinden gehabt, mit welchem dem Antragsteller für die Dauer von fünf Jahren der unbeschränkte Zugang zum Arbeitsmarkt bescheinigt wird. Bei der Beurteilung des Vorliegens der rechtlichen Voraussetzungen für die Ausstellung einer solchen Bescheinigung habe das VwG alle "neuen Beschränkungen", welche in der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung seit der ab 1. Jänner 1995 bestehenden günstigsten Rechtslage in Kraft getreten waren, außer Acht zu lassen. Auch die durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 72/2013 bewirkte Entfernung des Befreiungsscheines aus dem AuslBG sei als eine solche "neue Beschränkung" zu betrachten, die Kraft der Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 für türkische Staatsangehörige keine Wirkung habe. Bisher erteilte Befreiungsscheine würden gemäß § 32 Abs. 11 AuslBG ohnehin ausdrücklich weiter gelten. § 32 Abs. 11 AuslBG idF BGBl. I Nr. 72/2013 normiere, dass vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 72/2013 ausgestellte Arbeitserlaubnisse und Befreiungsscheine bis zum Ablauf ihrer jeweiligen Geltungsdauer gültig bleiben. Schon aufgrund der unionsrechtlichen Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität würden Befreiungsscheine, die zwar nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 72/2013, aber in Anwendung der Stillhalteklausel in Art. 13 ARB 1/80 aufgrund früherer Fassungen des AuslBG ausgestellt wurden, ebenfalls bis zum Ablauf ihrer jeweiligen Geltungsdauer gültig bleiben (RIS-Justiz VwGH Ro 2014/09/0057, VwSlg 19082 A/2015).

Demnach schade es gegenständlich nicht, dass der Beschwerdeführer als Asylwerber in Österreich eingereist sei. Er habe in Österreich die Eigenschaft eines Arbeitnehmers erlangt. Die Voraussetzungen des § 4c AuslBG seien somit erfüllt.

5. Am 11.01.2021 einlangend legte das AMS die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

6. Am 31.03.2021 übermittelte das AMS über Ersuchen des Bundesverwaltungsgerichts das Beratungsprotokoll des Regionalbeirates vom 12.11.2020. Daraus geht hervor, dass die einhellige Befürwortung der Beschäftigungsbewilligung mit der Begründung abgelehnt wurde, dass der Dienstgeber mit Parteiengehör vom 23.10.2020 darüber informiert worden sei, dass derzeit Beschäftigungsbewilligungen für Asylwerber im laufenden Verfahren oder mit Anspruch auf Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz nur im Rahmen von Kontingenten in der Land- und Forstwirtschaft oder im Fremdenverkehr (Saisonbewilligungen) erteilt werden dürfen, und das Schreiben bis dato unbeantwortet geblieben sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer stellte am 07.02.2017 nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen (BFA) und Asyl vom 25.07.2017, Zl. 1142318203-170164582, vollumfänglich abgewiesen wurde. Zugleich wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig ist, und die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

Die Beschwerde gegen den oben angeführten Bescheid des BFA wurde mit zu L526 2168076-1/16E protokolliertem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.08.2019 rechtskräftig abgewiesen.

Der Beschwerdeführer kam seiner Verpflichtung zur Ausreise binnen 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung nicht nach.

Mit zu Ra 2019/01/0385 ergangenem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 18.10.2019 wurde die gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.08.2019 erhobene außerordentliche Revision zurückgewiesen.

Am 15.11.2019 stellte der Beschwerdeführer neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des BFA vom 12.05.2020, Zahl 1142318203/191170151, abgewiesen wurde. Das Verfahren betreffend die dagegen erhobene Beschwerde ist derzeit beim Bundesverwaltungsgericht anhängig.

Am 16.10.2020 wurde die verfahrensgegenständliche Beschäftigungsbewilligung besantragt.

Der Regionalbeirat des AMS Wien Esteplatz lehnte die Befürwortung der Erteilung der Beschäftigungsbewilligung mit Beschluss vom 12.11.2020 ab und stützte seine Entscheidung darauf, dass der Dienstgeber mit Parteiengehör vom 23.10.2020 darüber informiert worden sei, dass derzeit Beschäftigungsbewilligungen für Asylwerber im laufenden Verfahren oder mit Anspruch auf Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz nur im Rahmen von Kontingenten in der Land- und Forstwirtschaft oder im Fremdenverkehr (Saisonbewilligungen) erteilt werden dürfen, und das Schreiben bis dato unbeantwortet geblieben sei.

Mit Ausnahme einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung für die Dauer der Asylverfahren verfügte der Beschwerdeführer bislang über kein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet.

Der Beschwerdeführer ging bisher in Österreich auch keiner Beschäftigung nach.

2. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Sachverhalt steht aufgrund der Aktenlage fest.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 20g Abs. 1 AuslBG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide der regionalen Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice, die in Angelegenheiten des Ausländerbeschäftigungsgesetzes ergangen sind, das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und einer aus dem Kreis der Arbeitnehmer, angehören.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Die im vorliegenden Fall anzuwendenden maßgebenden Rechtsvorschriften lauten:

§ 4 AuslBG in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018:

„Beschäftigungsbewilligung

Voraussetzungen

§ 4. (1) Einem Arbeitgeber ist auf Antrag eine Beschäftigungsbewilligung für den im Antrag angegebenen Ausländer zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zulässt (Arbeitsmarktprüfung), wichtige öffentliche und gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen und

1. der Ausländer über ein Aufenthaltsrecht nach dem NAG oder dem Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100, verfügt, das die Ausübung einer Beschäftigung nicht ausschließt, oder seit drei Monaten zum Asylverfahren zugelassen ist und über einen faktischen Abschiebeschutz oder ein Aufenthaltsrecht gemäß den §§ 12 oder 13 AsylG 2005 verfügt oder über ein Aufenthaltsrecht gemäß § 54 Abs. 1 Z 2 oder 3 AsylG 2005 verfügt oder gemäß § 46a FPG geduldet ist und zuletzt gemäß § 1 Abs. 2 lit. a vom Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes ausgenommen war,

2. die Gewähr gegeben erscheint, dass der Arbeitgeber die Lohn- und Arbeitsbedingungen einschließlich der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften einhält,

3. keine wichtigen Gründe in der Person des Ausländers vorliegen, wie wiederholte Verstöße infolge Ausübung einer Beschäftigung ohne Beschäftigungsbewilligung während der letzten zwölf Monate,

4. die Beschäftigung, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nicht bereits begonnen hat,

5. der Arbeitgeber während der letzten zwölf Monate vor der Antragseinbringung nicht wiederholt Ausländer entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes beschäftigt hat,

6. die Vereinbarung über die beabsichtigte Beschäftigung (§ 2 Abs. 2) nicht aufgrund einer gemäß dem Arbeitsmarktförderungsgesetz, BGBl. Nr. 31/1969, unerlaubten Arbeitsvermittlung zustande gekommen ist und der Arbeitgeber dies wusste oder hätte wissen müssen,

7. der Arbeitgeber den Ausländer auf einem Arbeitsplatz seines Betriebes beschäftigen wird, wobei eine Zurverfügungstellung des Ausländers an Dritte unbeschadet des § 6 Abs. 2 nicht als Beschäftigung im eigenen Betrieb gilt,

8. die Erklärung über die Verständigung des Betriebsrates oder der Personalvertretung von der beabsichtigten Einstellung des Ausländers vorliegt,

9. der Arbeitgeber nicht hinsichtlich des antragsgegenständlichen oder eines vergleichbaren Arbeitsplatzes innerhalb von sechs Monaten vor oder im Zuge der Antragstellung

a) einen Arbeitnehmer, der das 50. Lebensjahr vollendet hat, gekündigt hat oder

b) die Einstellung eines für den konkreten Arbeitsplatz geeigneten Arbeitnehmers, der das 50. Lebensjahr vollendet hat, abgelehnt hat,

es sei denn, er macht glaubhaft, dass die Kündigung oder die Ablehnung der Einstellung nicht aufgrund des Alters des Arbeitnehmers erfolgt ist,

10. der Arbeitgeber im Fall der Beschäftigung eines Ausländers gemäß § 5 während der letzten zwölf Monate vor der Antragseinbringung nicht wiederholt Ausländern eine nicht ortsübliche Unterkunft zur Verfügung gestellt hat und

11. der Arbeitgeber im Fall der Beschäftigung eines Ausländers gemäß § 5 bestätigt, dass dem Ausländer für die beabsichtigte Dauer der Beschäftigung eine ortsübliche Unterkunft zur Verfügung stehen wird und, sofern die Unterkunft vom oder über den Arbeitgeber zur Verfügung gestellt wird, die Miete nicht automatisch vom Lohn abgezogen wird.

(2) ...

(3) Die Beschäftigungsbewilligung darf dem Arbeitgeber bei Erfüllung der allgemeinen Voraussetzungen gemäß Abs. 1 und 2 nur erteilt werden, wenn

1. der Regionalbeirat die Erteilung einhellig befürwortet oder

(Anm.: Z 2 bis 4 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 72/2013)

5. der Ausländer gemäß § 5 befristet beschäftigt werden soll oder

6. der Ausländer über eine Aufenthaltsbewilligung als Schüler (§ 63 NAG) oder Student (§ 64 Abs. 1 und 4 NAG) verfügt oder Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels „Student“ eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union ist und im Rahmen eines Unions- oder multilateralen Programms mit Mobilitätsmaßnahmen oder einer Vereinbarung zwischen zwei oder mehreren Hochschuleinrichtungen einen Teil des Studiums in einer inländischen Hochschuleinrichtung absolviert oder

7. der Ausländer Betriebsentsandter ist (§ 18) oder

(Anm.: Z 8 aufgehoben durch Art. 1 Z 8, BGBl. I Nr. 66/2017)

9. der Ausländer gemäß § 57 AsylG 2005 besonderen Schutz genießt oder

10. für den Ausländer eine Bewilligung zur grenzüberschreitenden Überlassung gemäß § 16 Abs. 4 AÜG bzw. § 40a Abs. 2 des Landarbeitsgesetzes 1984 vorliegt oder, sofern eine solche Bewilligung gemäß § 16a AÜG bzw. § 40a Abs. 6 des Landarbeitsgesetzes 1984 nicht erforderlich ist, die Voraussetzungen des § 16 Abs. 4 Z 1 bis 3 AÜG bzw. § 40a Abs. 2 Z 1 bis 3 des Landarbeitsgesetzes 1984 sinngemäß vorliegen oder

11. der Ausländer auf Grund allgemein anerkannter Regeln des Völkerrechts oder zwischenstaatlicher Vereinbarungen zu einer Beschäftigung zuzulassen ist oder

12. der Ausländer Anspruch auf Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG), BGBl. Nr. 609, hat oder

13. der Ausländer nicht länger als sechs Monate als Künstler (§14) beschäftigt werden soll oder

14. der Ausländer einer Personengruppe gemäß einer Verordnung nach Abs. 4 angehört.

(4) Der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz kann durch Verordnung festlegen, dass für weitere Personengruppen, an deren Beschäftigung öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen bestehen, Beschäftigungsbewilligungen erteilt werden dürfen. Die Verordnung kann eine bestimmte Geltungsdauer der Beschäftigungsbewilligungen, einen Höchstrahmen für einzelne Gruppen und – sofern es die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes zulässt – den Entfall der Arbeitsmarktprüfung im Einzelfall vorsehen.

(5) bis (7) …“

§ 4c AuslBG in der Fassung BGBl. I Nr. 72/2013:

„Türkische Staatsangehörige

§ 4c. (1) Für türkische Staatsangehörige ist eine Beschäftigungsbewilligung von Amts wegen zu erteilen oder zu verlängern, wenn sie die Voraussetzungen nach Art. 6 Abs. 1 erster und zweiter Unterabsatz oder nach Art. 7 erster Unterabsatz oder nach Art. 7 letzter Satz oder nach Artikel 9 des Beschlusses des Assoziationsrates EWG-Türkei - ARB - Nr. 1/1980 erfüllen.

(2) Türkischen Staatsangehörigen ist von Amts wegen ein Befreiungsschein auszustellen oder zu verlängern, wenn sie die Voraussetzungen nach Art. 6 Abs. 1 dritter Unterabsatz oder nach Art. 7 zweiter Unterabsatz des ARB Nr. 1/1980 erfüllen. Der Befreiungsschein berechtigt zur Aufnahme einer Beschäftigung im gesamten Bundesgebiet und ist jeweils für fünf Jahre auszustellen. Der Befreiungsschein ist zu widerrufen, wenn der Ausländer im Antrag über wesentliche Tatsachen wissentlich falsche Angaben gemacht oder solche Tatsachen verschwiegen hat.

(3) Die Rechte türkischer Staatsangehöriger auf Grund der sonstigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes bleiben unberührt. Für die Verfahrenszuständigkeit und die Durchführung der Verfahren gemäß Abs. 1 und 2 gelten, soweit dem nicht Bestimmungen des ARB Nr. 1/1980 entgegenstehen, die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes.“

§ 32 AuslBG in der Fassung BGBl. I Nr. 72/2013:

„Übergangsbestimmungen

§ 32. (1) bis (9) …

(10) Verordnungen, die vor In-Kraft-Treten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 25/2011 aufgrund des § 12a Abs. 2 erlassen wurden, gelten als Verordnungen gemäß § 14 Abs. 3 weiter.

(11) …

(12) Verordnungen, die vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 72/2013 aufgrund des § 14 Abs. 3 erlassen wurden, gelten als Verordnungen gemäß § 4 Abs. 4 weiter.“

§ 1 BHZÜV in der Fassung BGBl. II Nr. 206/2011:

„§ 1. Über die Gesamtzahl der unselbständig beschäftigten und arbeitslosen Ausländer (Bundeshöchstzahl) gemäß § 14 Abs. 1 AuslBG hinaus dürfen Sicherungsbescheinigungen ausgestellt und Beschäftigungsbewilligungen erteilt werden für

1. Ausländer, deren Beschäftigung im Hinblick auf ihre fortgeschrittene Integration geboten erscheint;

2. bis 13. …“

Art. 15 Richtlinie 2013/33/EU:

„Beschäftigung

(1) Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass der Antragsteller spätestens neun Monate nach der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz Zugang zum Arbeitsmarkt erhält, sofern die zuständige Behörde noch keine erstinstanzliche Entscheidung erlassen hat und diese Verzögerung nicht dem Antragsteller zur Last gelegt werden kann.

(2) Die Mitgliedstaaten beschließen nach Maßgabe ihres einzelstaatlichen Rechts, unter welchen Voraussetzungen dem Antragsteller Zugang zum Arbeitsmarkt gewährt wird, wobei sie gleichzeitig für einen effektiven Arbeitsmarktzugang für Antragsteller sorgen.

Aus Gründen der Arbeitsmarktpolitik können die Mitgliedstaaten Bürgern der Union, Angehörigen der Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum und rechtmäßig aufhältigen Drittstaatsangehörigen Vorrang einräumen.

(3) Das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt darf während eines Rechtsbehelfsverfahrens, bei dem Rechtsmittel gegen eine ablehnende Entscheidung in einem Standardverfahren aufschiebende Wirkung haben, bis zum Zeitpunkt, zu dem die ablehnende Entscheidung zugestellt wird, nicht entzogen werden.

Art. 28 Richtlinie 2013/33/EU:

„System zur Lenkung, Überwachung und Steuerung

(1) Die Mitgliedstaaten führen im Einklang mit ihrer verfassungsrechtlichen Struktur Mechanismen ein, um eine geignete Lenkung, Überwachung und Steuerung des Niveaus der im Rahmen der Aufnahmebedingungen gewährten Vorteile sicherzustellen.

(2) Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission unter Verwendung des Vordrucks in Anhang I spätestens am 20. Juli 2016 die entsprechenden Informationen.“

Die Österreichische Stellungnahme an die Europäische Kommission gemäß Art. 28 zur Umsetzung der RL 2013/33/EU lautet:

„In Entsprechung des Artikels 15 Abs. 1 der Aufnahme-RL haben Asylwerberinnen und Asylwerber Arbeitsmarktzugang im Wege eines Beschäftigungsbewilligungsverfahrens gemäß § 4 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG). Potentielle Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber haben die Beschäftigungsbewilligung vor Arbeitsaufnahme der Asylwerberinnen und Asylwerber einzuholen. Die nach Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie 2013/33/EU zulässige Arbeitsmarktprüfung erfolgt nach Maßgabe des § 4b AuslBG, wonach Ausländerinnen und Ausländer mit Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, EWR-Bürgerinnen und -Bürger, Schweizerinnen und Schweizer, türkische Assoziationsarbeitnehmerinnen und-arbeitnehmer oder Ausländerinnen und Ausländer mit unbeschränkten Arbeitsmarktzugang Vorrang einzuräumen ist. Beschäftigungsbewilligungen sind für Asylwerber und Asylwerber zulässig, die seit drei Monaten zum Asylverfahren zugelassen sind und einen faktischen Abschiebeschutz oder ein Aufenthaltsrecht nach dem Asylgesetz haben. Die übrigen für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung erforderlichen allgemeinen Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 AuslBG dienen insbesondere der Verhinderung illegaler Beschäftigung und der Sicherung einer ordnungsgemäßen Beschäftigung unter Einhaltung der geltenden Lohn- und Arbeitsbedingungen.“

Art. 6, 7 und 13 Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80):

„Artikel 6

(1) Vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehört, in diesem Mitgliedstaat

– nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt;

– nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung – vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs – das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaates eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben;

– nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis.

(2) Der Jahresurlaub und die Abwesenheit wegen Mutterschaft, Arbeitsunfall oder kurzer Krankheit werden den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt. Die Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit, die von den zuständigen Behörden ordnungsgemäß festgestellt worden sind, sowie die Abwesenheit wegen langer Krankheit werden zwar nicht den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt, berühren jedoch nicht die aufgrund der vorherigen Beschäftigungszeit erworbenen Ansprüche.

(3) Die Einzelheiten der Durchführung der Absätze 1 und 2 werden durch einzelstaatliche Vorschriften festgelegt.

Artikel 7

Die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen,

– haben vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs das Recht, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben, wenn sie dort seit mindestens drei Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben;

– haben freien Zugang zu jeder von ihnen gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis, wenn sie dort seit mindestens fünf Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben.

Die Kinder türkischer Arbeitnehmer, die im Aufnahmeland eine Berufsausbildung abgeschlossen haben, können sich unabhängig von der Dauer ihres Aufenthaltes in dem betreffenden Mitgliedstaat dort auf jedes Stellenangebot bewerben, sofern ein Elternteil in dem betreffenden Mitgliedstaat seit mindestens drei Jahren ordnungsgemäß beschäftigt war.

Artikel 13

Die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und die Türkei dürfen für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen.“

Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls (zum Assoziationsabkommen) lautet:

„Die Vertragsparteien werden untereinander keine neuen Bestimmungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs einführen.“

Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

Die Beschwerde brachte zunächst vor, dass das AMS den Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für den Beschwerdeführer trotz nicht einhelliger Befürwortung der Bewilligung durch den Regionalbeirat stattgeben hätte müssen, weil Art. 15 Abs. 1 der Aufnahme-RL vorsehe, dass Asylwerbern ein „effektiver“ Arbeitsmarktzugang einzuräumen ist, wenn nach Ablauf von neun Monaten noch keine erstinstanzliche Entscheidung über den Asylantrag erfolgt ist.

Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass fallgegenständlich bereits eine Entscheidung des BFA über den (zuletzt gestellten) Asylantrag des Beschwerdeführers ergangen ist.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 28.04.2020, Ro 2019/09/0011, klargestellt hat, sieht Art. 15 Aufnahme-RL die Verpflichtung der Einräumung eines „effektiven“ Arbeitsmarktzuganges nur bis zur Erlassung einer erstinstanzlichen Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz vor.

Damit stand im vorliegenden Fall der unmittelbaren Anwendung des Art. 15 Aufnahme-RL bereits der Umstand entgegen, dass der beschwerdegegenständliche Beschäftigungsbewilligungsantrag erst nach der erstinstanzlichen Ablehnung des Folgeantrages gestellt wurde und hatte die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung somit unter Außerachtlassung der Bestimmungen der Aufnahme-RL zu erfolgen.

Soweit der Beschwerdeführer ausführte, dass auf den gegenständlichen Beschäftigungsbewilligungsantrag die Bestimmungen des ARB 1/80 zur Anwendung gelangen, ist festzuhalten, dass der Erwerb von Rechten nach dem ARB 1/80 voraussetzt, dass der Anspruchsberechtigte nach den Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) einen Aufenthaltstitel erhalten hat, der den Zugang zum regulären Arbeitsmarkt nicht von vornherein ausschließt (Art. 6 ARB 1/80), oder dass der Anspruchsberechtigte zum Zweck der Familienzusammenführung eingereist ist (Art. 7 ARB 1/80). Für die Inanspruchnahme von Rechten gemäß Art. 6 ARB 1/80 ist zudem beachtlich, dass die Beschäftigung ordnungsgemäß, d.h. unter den Voraussetzungen des AuslBG ausgeübt wurde. Aufenthalts- und Beschäftigungszeiten, die nachweislich unrechtmäßig zurückgelegt wurden, können für den Erwerb von Rechten nach dem ARB 1/80 nicht herangezogen werden (s. Deutsch/ Nowotny/Seitz, AuslBG2 § 4c Rz 11 und die dort zitierte Judikatur).

Den Feststellungen folgend war der Beschwerdeführer bislang noch nicht legal in Österreich beschäftigt. Auch die vorläufigen Aufenthaltsberechtigungen nach dem AsylG 2005 können eine „ordnungsgemäße Beschäftigung“ iSd Art 6 Abs. 1 des genannten Beschlusses nicht begründen (VwGH 12.04.2000, 97/09/0202). Mangels (ordnungsgemäßer) Beschäftigung konnte der Antrag daher nicht auf Art. 6 ARB 1/80 gestützt werden.

Soweit der Beschwerdeführer unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 07.09.2005, 2005/08/0019, ausführte, dass Arbeitnehmer im Verständnis des ARB 1/80 auch Personen sind, die gegen eines der Art. 1 lit. b des genannten Beschlusses iVm der VO (EWG) 1408/71 genannten Risken, d.h. auch gegen Arbeitslosigkeit versichert sind, auch wenn sie in keinem Dienstverhältnis stehen, ist dem entgegenzuhalten, dass der Umstand, dass der Beschwerdeführer im Rahmen der Grundversorgung kranken- und unfallversichert ist, keine Arbeitslosenversicherung begründet (vgl. § 1 Abs. 1 AlVG).

Der Beschwerdeführer ist unstrittig auch nicht zum Zweck der Familienzusammenführung eingereist, sondern stellte einen Antrag auf internationalen Schutz, der in der Folge rechtskräftig abgewiesen wurde. Darüber hinaus zählen die Verwandten des Beschwerdeführers (seine Schwester und deren Angehörige), von denen er Rechte aus Art. 7 ARB 1/80 ableite möchte, nicht zum Kreis der Familienangehörigen iSd Art. 7 ARB 1/80. Davon sind nach dem Unionsrecht (vgl. Art. 2 Ziffer 2 der Richtlinie 2004/38/EG) nur die Ehegatten oder eingetragenen Partner, die eigenen Verwandten und die Verwandten des Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres (Kinder, Enkelkinder) und darüber hinaus, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, und die eigenen Verwandten und die Verwandten des Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird (Eltern, Großeltern), erfasst. Damit konnte der Antrag auch nicht auf Art. 7 ARB 1/80 gestützt werden.

Soweit die Beschwerde relevierte, dass im Hinblick auf die Stillhalteklausel nach Art. 13 ARB 1/80 und Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Assoziationsabkommen EWG – Türkei das AMS lediglich eine allgemeine Prüfung der Arbeitsmarktlage und der allgemeinen Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 AuslBG durchzuführen gehabt hätte und somit die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung nicht von der einhelligen Befürwortung durch den Regionalbeirat oder einer Arbeitsmarktprüfung abhängig machen durfte, ist darauf hinzuweisen, dass sich auf die Stillhalteklausel nur berufen kann, wer die Vorschriften des Aufnahmemitgliedstaats auf dem Gebiet der Einreise, des Aufenthalts und gegebenenfalls der Beschäftigung beachtet hat (vgl. VwGH 24.03.201, Ro 2014/09/0057).

Diese Voraussetzungen liegen im gegenständlichen Fall nicht vor, weil der Beschwerdeführer die in Österreich geltenden Bestimmungen auf dem Gebiet der Einreise und des Aufenthalts nicht beachtet hat, indem er unter Missachtung der geltenden Einreisebestimmungen (illegal) in das Bundesgebiet eingereist ist und dieses trotz Verpflichtung zur Ausreise infolge einer rechtskräftigen Rückkehrkehrentscheidung nicht verlassen hat.

Damit gelangen Art. 13 ARB 1/80 und Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls ebenfalls nicht zur Anwendung und ist die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung daher nur bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 AuslBG zulässig.

§ 4 Abs. 3 AuslBG schränkt die Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen auf bestimmte Fälle ein, in denen eine Beschäftigung aus arbeitsmarktpolitischen oder integrationspolitischen Gründen geboten ist (vgl. Deutsch/Nowotny/Seitz, AuslBG2 § 4 Rz 35).

Da im vorliegenden Fall die Erfüllung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Z 5 bis 14 AuslBG weder behauptet wurde noch aufgrund der Aktenlage evident ist, käme die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung nur in Betracht, wenn der Regionalbeirat die Erteilung einhellig befürwortet hätte (§ 4 Abs. 3 Z 1 AuslBG).

Im vorliegenden Fall lehnte der Regionalbeirat die Befürwortung der Erteilung der Beschäftigungsbewilligung mit Beschluss vom 12.11.2020 ab und stützte seine Entscheidung darauf, dass der Dienstgeber mit Parteiengehör vom 23.10.2020 darüber informiert worden sei, dass derzeit Beschäftigungsbewilligungen für Asylwerber im laufenden Verfahren oder mit Anspruch auf Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz nur im Rahmen von Kontingenten in der Land- und Forstwirtschaft oder im Fremdenverkehr (Saisonbewilligungen) erteilt werden dürfen, und das Schreiben bis dato unbeantwortet geblieben sei.

Gemäß Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 22.09.2017, E503/2016, hat das Bundesverwaltungsgericht die Rechtmäßigkeit der Verweigerung der Befürwortung des Regionalbeirates zu prüfen.

Das Gesetz regelt nicht näher, wie der Regionalbeirat das ihm in § 4 Abs. 3 Z 1 AuslBG eingeräumte Ermessen auszuüben hat. Da dem Gesetzgeber aber nicht unterstellt werden kann, dass er eine Norm geschaffen hätte, die es dem Gutdünken des Regionalbeirates überlässt, nach freier Wahl die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung zu befürworten oder nicht, obliegt es dem Regionalbeirat, sein Ermessen im Sinne des Gesetzes auszuüben.

Wie bereits oben dargelegt, schränkt § 4 Abs. 3 AuslBG die Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen auf bestimmte Fälle ein, in denen eine Beschäftigung aus arbeitsmarktpolitischen oder integrationspolitischen Gründen geboten ist. Mit der Möglichkeit, auch ohne Subsumption unter einen der dort ausdrücklich genannten Tatbestände dennoch eine Beschäftigungsbewilligung erteilen zu können, wenn der Regionalbeirat die Erteilung einhellig befürwortet, hat der Gesetzgeber erkennbar eine Ausnahme geschaffen, in bestimmten (Einzel-)Fällen, in denen eine Beschäftigung aus anderen als den im § 4 Abs. 3 AuslBG taxativ aufgezählten Gründen dennoch geboten erscheint, eine Bewilligung erteilen zu dürfen.

Damit wäre die Ermessensausübung vorliegend im Sinne des Gesetzes gelegen, wenn die Beschäftigung des Beschwerdeführers (als Kebabkoch) nicht aus anderen (arbeitsmarkt- oder integrationspolitischen) Gründen geboten erscheint.

Der Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Asylwerber aufgrund ihrer ungesicherten aufenthaltsrechtlichen Position nicht als fortgeschritten integriert iSd § 1 Z 1 der (gemäß § 32 Abs. 10 und 12 AuslBG im vorliegenden Fall sinngemäß anzuwendenden) Bundeshöchstzahlenüberziehungsverordnung (BHZÜV), BGBl. II Nr. 278/ 1995, gelten (vgl. VwGH 25.02.2004, 2003/09/0115). Demnach konnte der Regionalbeirat bei seiner Entscheidung jedenfalls davon ausgehen, dass an der Beschäftigung des mitbeteiligten Ausländers keine – über § 4 Abs. 3 AuslBG hinausgehenden – integrationspolitischen Interessen bestanden.

Auch arbeitsmarktpolitischen Gründe, die die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung erforderlich erscheinen lassen, sind nicht ersichtlich, zumal der Beschwerdeführer über kein gesichertes Aufenthaltsrecht verfügt.

Mangels anderer Gründe, die die Erteilung im konkreten Fall (ausnahmsweise) als geboten erscheinen lassen, kann daher im Ergebnis in der nicht einhelligen Befürwortung der Erteilung der Beschäftigungsbewilligung keine willkürliche Ermessensausübung des Regionalbeirates erblickt werden, wenngleich sich aus dessen Beschluss vom 12.11.2020 selbst keine tragfähige Begründung ableiten lässt bzw. der Beschluss, soweit er sich auf Asylwerber mit Anspruch auf Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz bezieht, § 4 Abs. 3 Z 12 AuslBG widerspricht.

Dementsprechend erfolgte die auf die nichteinhellige Befürwortung der Erteilung der Beschäftigungsbewilligung durch den Regionalbeirat gestützte Ablehnung des beschwerdegegenständlichen Antrags durch das AMS zu Recht, weswegen die Beschwerde dagegen gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen war.

Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Die Beschwerdeführerin hat einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt. Der erkennende Senat erachtete die Durchführung einer mündlichen Verhandlung jedoch nicht für erforderlich, weil der festgestellte Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt erschien und durch die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war.

Da keine Fragen der Beweiswürdigung auftraten, welche die Durchführung einer mündlichen Verhandlung notwendig gemacht hätten, stehen dem Entfall der Verhandlung auch weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen (vgl. u.a. VwGH 07.08.2017, Ra 2016/08/0140).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Arbeitsmarktzugang Asylwerber Ausreiseverpflichtung Beschäftigungsbewilligung Ermessen Kontingent Regionalbeirat

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W209.2240648.1.00

Im RIS seit

24.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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