Entscheidungsdatum
15.04.2021Norm
AsylG 2005 §55Spruch
L524 2218965-2/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA Türkei, vertreten durch RA Mag. Manuel DIETRICH, In der Wirke 3/13, 6971 Hard, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.02.2021, Zl. XXXX , betreffend Erteilung eines Aufenthaltstitels, zu Recht:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Am 03.11.2020 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 2 AsylG. Nach Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme und Übermittlung eines Fragenkatalogs durch das zuständige Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), erstattete der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter am 25.01.2021 eine Stellungnahme. Er sei seit XXXX mit XXXX verheiratet und lebe mit ihr und ihren beiden Kindern gemeinsam in einer Wohnung. Seinen Lebensunterhalt bestreite er durch Unterhaltsleistungen seiner Ehefrau. In den vergangenen Jahren habe er keine Integrationsschritte unternommen, weil man ihm beim Arbeitsamt mitgeteilt habe, dass er keinen Deutschkurs besuchen könne. Er würde aber sehr gerne einen Beruf ausüben. Privat versuche er, sein ohnehin schon sehr gutes Familienleben noch mehr zu stärken. Er habe noch Familienangehörige in der Türkei, mit denen er auch Kontakt habe.
Mit Bescheid des BFA vom 11.02.2021, Zl. XXXX , wurde der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 58 Abs. 10 AsylG zurückgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass keine maßgebliche Sachverhaltsänderung eingetreten sei und damit auch keine erneute Abwägung nach Art. 8 EMRK erforderlich wäre. Zwischen jetziger Bescheiderlassung und seinerzeitiger Rückkehrentscheidung liege nur ein sehr kurzer Zeitraum, der noch dazu nicht für eine Integration genutzt worden sei.
In der gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobenen Beschwerde wird im Wesentlichen vorgebracht, dass seit der negativen Asylentscheidung ein wesentlich geänderter Sachverhalt zugunsten des Beschwerdeführers vorliege. Der Beschwerdeführer sei schon seit langer Zeit in Österreich, er habe hier zahlreiche Verwandte und Bekannte; vor allem sei er mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet und lebe mit dieser im gemeinsamen Haushalt. Er habe sich – bis auf seinen illegalen Aufenthalt – nichts zu Schulden kommen lassen. Aufgrund der intensiven Bemühungen des Beschwerdeführers sei es diesem gelungen, im Rahmen seiner Möglichkeiten eine spezifische Integration zu erlangen.
II. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger und stellte am 25.10.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des BFA vom 16.04.2019 wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 und § 8 AsylG abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, die Abschiebung in die Türkei für zulässig erklärt und eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise gewährt.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurden mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.02.2020, L510 2218965-1/13E als unbegründet abgewiesen.
Der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wurde mit Beschluss vom 26.03.2020 die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 09.06.2020, E 977/2020-7, wurde die Behandlung der Beschwerde abgelehnt. Die erhobene Revision wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 01.10.2020, Ra 2020/14/0425-6, zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer ist seiner Ausreiseverpflichtung aus Österreich nicht freiwillig nachgekommen, sondern hält sich unrechtmäßig im Bundesgebiet auf.
Am 03.11.2020 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK.
Der Beschwerdeführer ist verheiratet und lebt mit seiner Ehefrau und deren beiden erwachsenen Kindern in einem gemeinsamen Haushalt. Seine eigenen vier Söhne, wie auch seine Mutter und Geschwister leben in der Türkei.
Der Beschwerdeführer erlitt 2012 in der Türkei einen Myokardinfarkt, woraufhin ihm ein zweifacher Stent gesetzt wurde. Im Frühjahr 2020 wurde der Beschwerdeführer einer Angiografie samt anschließender DES und Ballonangioplastie (Gefäßdehnung mittels Ballon) seiner Herzkranzgefäße unterzogen; er konnte nach wenigen Tagen beschwerdefrei wieder entlassen werden. Er ist nicht berufstätig, kein Mitglied eines Vereins und übt keine ehrenamtliche Tätigkeit aus. Er lebt in der Wohnung seiner Ehefrau, die auch für seinen Lebensunterhalt sorgt. Er hat bislang keinen Deutschkurs absolviert. Er ist strafrechtlich unbescholten.
Seit der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung vom 05.02.2020 hat der Beschwerdeführer keine weiteren privaten und/oder beruflichen Integrationsschritte gesetzt. Der Beschwerdeführer verfügt über eine Einstellungszusage eines Restaurants vom 11.08.2020, welche jedoch nicht einmal den notwendigen Mindestinhalt eines Arbeitsvorvertrages – wie Beschäftigungsart und -ausmaß oder das in Aussicht stehende Arbeitsentgelt – enthält und darüber hinaus mit einem aufrechten Aufenthaltstitel mit Arbeitsmarktzugangsberechtigung aufschiebend bedingt ist. Er verfügt auch über einen Arbeitsvertrag vom 21.08.2019.
III. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, den Beschlüssen des Verfassungsgerichtshofes, dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes, dem Bescheid des BFA vom 11.02.2021 sowie aus der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 25.01.2021 und der Beschwerde vom 15.03.2021.
Die Feststellung zur strafrechtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus einem Strafregisterauszug vom 23.03.2021. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand ergeben sich aus dem vorgelegten Arztbrief des Landeskrankenhauses XXXX vom 20.05.2020 und dem Entlassungsbericht des Krankenhauses XXXX vom 26.05.2020. In der Beschwerde wurde kein weiteres Vorbringen zur gesundheitlichen Situation des Beschwerdeführers erstattet. Die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer nicht erwerbstätig ist, kein Vereinsmitglied ist, keine Deutschkurse besucht hat und von den Unterhaltsleistungen seiner Ehefrau lebt, ergeben sich aus seinem Vorbringen. Die Feststellungen zur Einstellungszusage und zum Arbeitsvorvertrag ergeben sich ebendiesen.
IV. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 – AsylG 2005) lauten:
Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK
§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn
1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und
2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird.
(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.
2. Abschnitt:
Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln
Antragstellung und amtswegiges Verfahren
§ 58. (1) – (4) […]
(5) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.
(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.
(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.
(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.
(9) […]
(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.
(11) – (12) [..]
(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 hat das Bundesamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn
1. ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß § 56 eingeleitet wurde und
2. die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 jedenfalls vorzuliegen haben.
(14) […]
§ 9 Abs. 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lautet:
§ 9. (1) […]
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) - (6) […]
2. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid das Vorliegen der Voraussetzungen der Zurückweisung des gegenständlichen Antrags auf Grund des § 58 Abs. 10 erster Satz AsylG mit der von ihr vertretenen Ansicht bejaht, dass gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich mache, nicht hervorgehe.
Dieser Ansicht der belangten Behörde ist aus folgenden Gründen beizutreten:
Auszugehen ist von § 58 Abs. 10 erster Satz AsylG, wonach Anträge gemäß § 55 AsylG als unzulässig zurückzuweisen sind, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, [2016], § 58, K13).
Die ErläutRV (1803 BlgNR 24. GP 50) legen dazu dar:
„Der neue (Abs. 10) entspricht im Wesentlichen § 44b NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011. Mit der Neuerrichtung des Bundesamtes und der damit einhergehenden Verfahrensvereinfachung und organisatorischen Umstrukturierung ist die Einbindung der zuständigen Sicherheitsdirektion entfallen. Die Beurteilung bzw. Prüfung erfolgt nun durch das Bundesamt. Dementsprechend sind Anträge als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 iVm § 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Diese inhaltliche Neubewertung des Sachverhaltes hat sich lediglich auf den Zeitraum zwischen der rechtskräftigen Entscheidung nach dem FPG bis zur Entscheidung des zugrundeliegenden Antrages auf Erteilung des Aufenthaltstitels zu beziehen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass – im Rahmen einer Neubewertung – wenn ein maßgeblich geänderter Sachverhalt im Sinne des Art. 8 EMRK vorliegt, ein Aufenthaltstitel zu erteilen sein wird.“
Es hat also im Rahmen des Verfahrens nach § 55 AsylG eine Neubewertung einer Rückkehrentscheidung nur bei einem geänderten Sachverhalt zu erfolgen, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, wobei sich diese inhaltliche Neubewertung des Sachverhaltes lediglich auf den Zeitraum zwischen der rechtskräftigen Entscheidung nach dem FPG bis zur Entscheidung des zugrundeliegenden Antrages auf Erteilung des Aufenthaltstitels zu beziehen hat (vgl. VwGH 16.12.2015, Ro 2015/21/0037).
Gemäß diesen Ausführungen ist die maßgebliche zu klärende Rechtsfrage daher jene, ob nach der rechtskräftig erlassenen Rückkehrentscheidung aus dem begründeten Antragsvorbringen des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, hervorgeht. Die Wesentlichkeit der Sachverhaltsänderung ist nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen Entscheidung erfahren hat. Bei dieser Prognose sind die nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände jedenfalls soweit einzubeziehen, als zu beurteilen ist, ob es angesichts dieser Umstände nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann, dass im Hinblick auf früher maßgebliche Erwägungen eine andere Beurteilung nach Art. 8 EMRK unter Bedachtnahme auf den gesamten vorliegenden Sachverhalt nunmehr geboten sein könnte. Eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK muss sich zumindest als möglich darstellen (vgl. VwGH, 03.10.2013, 2012/22/0068).
3. Der Beschwerdeführer machte weder neue Integrationsschritte noch private oder berufliche Veränderungen seit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.02.2020 geltend. Als neue Umstände können nur das Vorliegen einer Einstellungszusage vom 11.08.2020 sowie der Entlassungsbericht des Krankenhaus XXXX vom 26.05.2020 bzw. der Arztbrief vom Landeskrankenhaus XXXX vom 20.05.2020 angesehen werden. Der Arbeitsvertrag vom 21.08.2019 wurde hingegen bereits im vorangegangen Verfahren berücksichtigt und ist damit kein neuer Umstand.
Die aufschiebend bedingte und völlig unspezifizierte Einstellungszusage, der Entlassungsbericht und der Arztbrief stellen für sich genommen keine solche maßgebliche Änderung der Sachlage seit der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung dar, dass sie im Hinblick auf Art. 8 EMRK eine potentiell andere Beurteilung des Antrages ermöglichen würden (vgl. VwGH 29.05.2013, 2011/22/0013; 13.10.2011, 2011/22/0065).
Mit dem Vorbringen, der Beschwerdeführer bekomme von seiner Ehefrau Unterhalt, wird keine iSd Art. 8 EMRK relevante Integration dargelegt, sondern nur seine finanzielle Unterstützung dargestellt (vgl. VwGH 19.11.2014, 2013/22/0017 betreffend Patenschaftserklärungen).
Der Beschwerdeführer hält sich seit Oktober 2017 in Österreich auf. Er ist seiner Ausreiseverpflichtung aus Österreich nicht freiwillig nachgekommen, sondern hält sich unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Gegenüber dem Zeitpunkt der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung (05.02.2020) verlängerte sich der Inlandsaufenthalt des Beschwerdeführers – durch den (illegalen) Verbleib im Bundesgebiet – bis zur Erlassung des Bescheides des BFA lediglich um ca. ein Jahr. Auch unter Berücksichtigung dieser Zeitspanne kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausging, dass keine maßgebliche Sachverhaltsänderung vorgelegen ist, die geeignet wäre, im Hinblick auf die nach Art. 8 EMRK vorzunehmende Beurteilung zu einem anderen Ergebnis zu führen (vgl. VwGH 10.12.2013, 2013/22/0362; 11.11.2013, 2013/22/0217; 29.05.2013, 2011/22/0013).
Insgesamt stellen der Zeitablauf von einem Jahr zwischen der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung und der erstinstanzlichen Zurückweisung des gegenständlichen Antrags, die vorgelegte aufschiebend bedingte unspezifizierte Einstellungszusage und die vorgelegten medizinischen Unterlagen keine Sachverhaltsänderung dar, die eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich machen (vgl. VwGH 27.01.2015, Ra 2014/22/0094, wonach bei einer kurzen Zeitspanne von bis etwa zwei Jahren trotz verbessertet Sprachkenntnisse und Einstellungszusagen eine maßgebliche Sachverhaltsänderung verneint werden kann).
Die belangte Behörde ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG gemäß § 58 Abs. 10 AsylG zurückzuweisen war. Die Beschwerde war daher abzuweisen.
4. Absehen von einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben oder die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären ist.
In den Fällen des § 24 Abs. 2 VwGVG liegt es im Ermessen des Verwaltungsgerichtes, trotz Parteiantrages keine Verhandlung durchzuführen. Dieses Ermessen ist jedenfalls im Licht des Art. 6 EMRK – sowie des Art. 47 GRC – zu handhaben (vgl. VwGH 18.5.2017, Ra 2017/20/0118, Rn. 12; darauf verweisend aus jüngerer Zeit etwa VwGH 30.11.2018, Ra 2018/20/0526, Rn. 9).
Eine mündliche Verhandlung konnte unterbleiben, weil der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag zurückzuweisen war. Es ist nicht ersichtlich, dass eine mündliche Verhandlung in Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens dennoch geboten gewesen wäre (vgl. VwGH 26.06.2020, Ra 2017/22/0183). Im Übrigen hat der Beschwerdeführer nicht einmal selbst neue Integrationsschritte bzw. private oder berufliche Veränderungen vorgebracht, so dass insoweit der Sachverhalt in einem bereits für sich tragenden Punkt geklärt war, weshalb von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden durfte (vgl. VwGH 02.09.2014, Ra 2014/18/0020).
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung mit der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes übereinstimmt.
Schlagworte
Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK aufrechte Rückkehrentscheidung entscheidungsrelevante SachverhaltsänderungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:L524.2218965.2.00Im RIS seit
24.06.2021Zuletzt aktualisiert am
24.06.2021