TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/16 W278 2237302-6

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.04.2021
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Entscheidungsdatum

16.04.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77

Spruch


W278 2237302-6/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HABITZL als Einzelrichter im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl XXXX zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Königreich Marokko alias Volksrepublik Algerien (ungeklärt), in Schubhaft zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet) reiste zu einem unbekannten Zeitpunkt unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und wurde am 05.08.2020 von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes ohne gültiges Ausweisdokument angetroffen. Dabei gab der BF mehrere unterschiedliche Identitätsdaten an. Eine Abfrage durch die Sicherheitsbehörden ergab, dass gegen den BF unter den Identitätsdaten XXXX , geb. XXXX Staatsangehörigkeit Marokko, ein von Italien erlassenes und bis 20.07.2022 für den gesamten Schengenraum gültiges Einreise- bzw. Aufenthaltsverbot besteht. Der BF wurde festgenommen und dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt bezeichnet) vorgeführt.

2. Am 06.08.2020 wurde der BF vom Bundesamt zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung und Verhängung der Schubhaft einvernommen. Der BF gab dabei an, Griechisch und Englisch zu sprechen. Er wurde letztlich mit einem Dolmetscher für die englische Sprache vernommen. Dabei gab der BF im Wesentlichen an, dass er gesund sei und den im Spruch dieses Erkenntnisses genannten Namen sowie das dort genannte Geburtsdatum führe. Geboren sei er in der Türkei. Er sei ledig und habe keine Kinder. Er halte sich in Österreich auf, da er einen Freund habe besuchen wollen. Er sei vor ca. zwei oder drei Wochen von Italien kommend nach Österreich eingereist und habe seither bei einer ihm unbekannten Person genächtigt, den Namen dieser Person kenne er nicht. Seiner Meldeverpflichtung sei er nicht nachgekommen, da er beabsichtige, zu seiner Ehefrau nach Belgien weiterzureisen. Über einen Reisepass verfüge er nicht, er habe auch sonst keine Dokumente, die seine Identität bescheinigen. Dass ein schengenweites Aufenthaltsverbot bestehe wisse er nicht. Er wolle nicht nach Marokko ausreisen, sondern beabsichtige, weiter nach Berlin zu reisen.

Die Unterfertigung der Niederschrift verweigerte der BF.

3. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 06.08.2020 zur im Spruch genannten Zahl wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Der Bescheid wurde dem BF am selben Tag durch persönliche Übernahme zugestellt, seit 06.08.2020 wird der BF in Schubhaft angehalten.

4. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 11.08.2020 wurde dem BF kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass seine Abschiebung nach Marokko zulässig sei, eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt, die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung aberkannt und ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot verhängt. Der Bescheid wurde dem BF persönlich ausgefolgt, eine Unterschrift zur Bestätigung der Übergabe verweigerte er jedoch. Dieser Bescheid erwuchs am 09.09.2020 in Rechtskraft.

5. Seit August 2020 werden Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates mit den Vertretungsbehörden von Marokko, Algerien und dem Libanon geführt. Am 21.01.2021 teilte die libanesische Botschaft diesbezüglich mit, dass es sich beim BF nicht um einen Staatsangehörigen des Libanons handle.

6. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.12.2020, 04.01.2021, 28.01.2021, 23.02.2021 und 22.03.2021 wurde festgestellt, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung verhältnismäßig ist.

7. Das Bundesamt legte dem Bundesverwaltungsgericht am 08.04.2021 die Akten gemäß §22a BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG zur neuerlichen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft vor und gab dazu eine Stellungnahme ab.

8. Dem BF wurde die Gelegenheit gegeben, im Verfahren eine Stellungnahme abzugeben, wovon der BF jedoch keinen Gebrauch machte.

9. Das Bundesamt gab am 13.04.2021 ergänzende Stellungnahmen zu den anhängigen Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF bei den Vertretungsbehörden Marokkos sowie Algeriens ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Zur Person des BF und zu den Voraussetzungen der Schubhaft:

1.1. Der BF hat keine Dokumente vorgelegt, die seine Angaben zu seiner Identität bescheinigen, die Identität des BF sowie seine Staatsangehörigkeit stehen nicht fest. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Der BF ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

1.2. Der BF wird seit 06.08.2020 in Schubhaft angehalten, die gesetzliche Frist zur neuerlichen Überprüfung der Schubhaft endet am 19.04.2021.

1.3. Der BF ist gesund und haftfähig. Er hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung. Der BF ist im Polizeianhaltezentrum als aggressiv und besonders gefährlich eingestuft.

2. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf:

2.1. Der BF reiste unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und tauchte unter. Er hat sich damit einem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme entzogen.

2.2. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 11.08.2020 wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen, dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen. Es liegt eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.

2.3. In Österreich befinden sich weder Familienangehörige des BF noch verfügt er hier über ein nennenswertes soziales Netz. Der BF ging in Österreich bisher keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und verfügt über ein existenzsicherndes Vermögen ebensowenig wie über einen gesicherten Wohnsitz.

2.4. Der BF gab in den Mitgliedstaaten bisher (zumindest) folgende Identitätsdaten an: XXXX , StA. Marokko; XXXX , StA. Marokko; XXXX , StA. Algerien; XXXX , StA. Libanon; XXXX

Am 21.01.2021 wurde der BF von der libanesischen Vertretungsbehörde in einem Telefoninterview befragt. Dabei gab der BF neuerlich ein anderes Geburtsdatum, nämlich den XXXX , an. Von der libanesischen Vertretungsbehörde wurde dem Bundesamt mitgeteilt, dass der BF kein libanesischer Staatsangehöriger ist.

2.5. Es liegt ein den BF betreffendes, am 22.07.2016 im Schengener Informationssystem eingetragenes und bis 20.07.2022 gültiges Einreise- bzw. Aufenthaltsverbot für den gesamten Schengenraum vor.

2.6. Im Zuge seines Aufgriffes am 05.08.2020 gab der BF gegenüber den einschreitenden Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes mehrere unterschiedliche Identitätsdaten an. Er wies sich dabei mit einem gefälschten griechischen Personalausweis aus.

2.7. Der BF ist nicht kooperativ. Er verweigerte die Unterfertigung der vom Bundesamt mit ihm am 06.08.2020 aufgenommenen Niederschrift sowie des Zustellscheines die Übernahme des Bescheides vom 11.08.2020 betreffend. Der BF machte in den Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates bei den Vertretungsbehörden Marokkos und Algeriens keinerlei Angaben, er füllte die diesbezüglichen Formblätter nicht aus und unterfertigte diese auch nicht. Der BF befand sich von 06.08.2020 bis 09.08.2020, am 05.02.2021 sowie von 06.02.2021 bis 09.02.2021 im Hungerstreik. Bei seiner Entlassung aus der Schubhaft wird der BF mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit untertauchen und versuchen nach Deutschland bzw. Belgien weiterzureisen.

3. Zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft:

3.1. Der BF weist in Österreich folgende strafgerichtliche Verurteilung auf:

Mit Urteil eines Bezirksgerichts vom XXXX wurde der BF wegen des Vergehens der Annahme, Weitergabe oder des Besitzes falscher oder verfälschter besonders geschützter Urkunden gemäß § 224a Strafgesetzbuch – StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat, die unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt.

Der BF hat sich am 05.08.2020 im Zuge seines Aufgriffes durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes mit einem gefälschten griechischen Personalausweis ausgewiesen.

3.2. Das Bundesamt hat zeitgerecht Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF eingeleitet und angemessene Bemühungen zur Erlangung eines Heimreisezertifikates unternommen:

3.2.1. Das Bundesamt hat am 14.08.2020 ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates bei der Vertretungsbehörde Marokkos eingeleitet. Üblicherweise wird ein Antrag auf Ausstellung eines Heimreisezertifikates von der Botschaft per Diplomatenpost an die Behörden in Rabat, Marokko, übermittelt. Das Bundesamt urgierte jeweils einmal im Monat bei der marokkanischen Vertretungsbehörde, im gegenständlichen Fall am 15.09.2020, 14.10.2020, 12.11.2020, 11.12.2020, 12.01.2021, 16.02.2021, zuletzt am 18.03.2021.

Das Bundesamt übermittelt der marokkanischen Botschaft einmal im Monat eine Liste mit dringenden Fällen, die Behörden in Rabat bearbeiten diese Liste Schritt für Schritt und es erfolgen laufend Identifizierungen aus jener Liste. Die letzte Identifizierungsliste mit positiven Identifizierungen von marokkanischen Staatsangehörigen wurde dem Bundesamt Ende März 2021 übermittelt. Identifizierungen von Seiten Marokkos erfolgen regelmäßig. Auch die von Interpol mitgeteilten Alias-Datensätze wurden der marokkanischen Botschaft übermittelt.

Derzeit bestehen zwar Flugverbindungen nach Marokko, allerdings keine Direktverbindungen von Österreich aus. Durch die marokkanischen Behörden werden derzeit keine zwangsweisen Rückführungen akzeptiert, eine freiwillige Rückkehr ist jedoch möglich.

3.2.2. Am 14.09.2020 wurde der Antrag zur Identifizierung und Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF an die algerische Botschaft übermittelt. Grundsätzlich werden auch von der algerischen Vertretungsbehörde die Anträge per Diplomatenpost an die Behörden in Algier, Algerien, übermittelt. Die Ausstellung eines Heimreisezertifikates wurde am 01.12.2020, 03.12.2020, 18.02.2021, 12.03.2021 und am 15.03.2021 urgiert, auch die von Interpol mitgeteilten Alias-Datensätze wurden der algerischen Vertretungsbehörde vorgelegt. Entgegen der Zusage der Algerischen Botschaft wurde in der Kalenderwoche 12 kein Interviewtermin bekanntgegeben. Die Verzögerung erfolgte aufgrund von COVID-Fällen an der Algerischen Botschaft. Seitens des BMI und der algerischen Botschafterin sind höherrangige Gespräche geplant. Nach bisherigen Erfahrungswerten ist davon auszugehen, nach diesem Gespräch und nach Beendigung des aktuellen Lock Downs (voraussichtlich 02.05.2021) zeitnahe ein Vorführungstermin stattfinden kann. Ab 01.05.2021 ist die Wiederaufnahme des direkten Flugverkehrs mit Algerien möglich.

Das Bundesamt hat das Verfahren zur Erlangung eines HRZ durch dessen Beantragung bei mehreren Vertretungsbehörden versucht, sodass ein HRZ ehestmöglich ausgestellt werden kann. Demgegenüber hat der BF die Verfahren zur Erlangung eines HRZ aufgrund seiner mangelnden Kooperationsbereitschaft mit der Behörde und seinen falschen, divergierenden Angaben selbstverschuldet in die Länge gezogen. Dass ein HRZ Verfahren geführt werden muss, ist ausschließlich der Sphäre des BF zuzurechnen.

3.3. Eine Änderung der Umstände für die Aufrechterhaltung der Schubhaft seit der letzten Überprüfung ihrer Verhältnismäßigkeit zu Gunsten des BF hat sich im Verfahren nicht ergeben.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt, in die Akte des Bundesverwaltungsgerichtes das bisherige Schubhaftverfahren des BF betreffend, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

1. Zum Verfahrensgang, zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft:

1.1. Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes, dem vorliegenden Gerichtsakt sowie den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes das bisherige Schubhaftverfahren des BF betreffend.

1.2. Aus dem Verwaltungsakt ergibt sich, dass der BF bisher keine Dokumente zum Nachweis seiner Identität vorgelegt hat. Insbesondere gab er auch in seiner Einvernahme am 06.08.2020 an, dass er weder über ein Reisedokument noch über Identitätsdokumente verfüge. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, sind im Verfahren nicht hervorgekommen, ebenso wenig besteht ein Zweifel an der Volljährigkeit des BF. Da er in Österreich keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist der BF weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

1.3. Dass der BF seit 06.08.2020 in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes sowie aus der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres. Da die Anhaltung des BF in Schubhaft zuletzt am 22.03.2021 gerichtlich überprüft wurde, endet die gesetzliche Frist zur neuerlichen Überprüfung am 19.04.2021.

1.4. Die Feststellung, wonach der BF haftfähig ist und keine die Haftfähigkeit ausschließende gesundheitliche Beeinträchtigungen oder Erkrankungen vorliegen, ergibt sich aus der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres, der keine Anhaltspunkte für gesundheitliche Beeinträchtigungen – insbesondere Ausführungen zur Arztbesuchen – zu entnehmen ist. Gegenteiliges wurde vom BF auch nicht vorgebacht und geht auch nicht aus den am 13.04.2021 vom PAZ übermittelten medizinischen Unterlagen des BF hervor.

2. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf:

2.1. Dass der BF unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet einreiste, gab er selbst in seiner Einvernahme am 06.08.2020 an, in der er ausführte, dass er über kein Reisedokument verfüge und mit dem Zug von Italien kommend nach Österreich eingereist sei. Er habe sich ca. drei Wochen in Österreich aufgehalten, bei einer ihm unbekannten Person Unterkunft genommen und habe sich nicht nach den Bestimmungen des Meldegesetzes gemeldet. Aus dem Zentralen Melderegister ergibt sich ebenfalls, dass für den BF keine Meldeadresse im Zeitpunkt seines Aufgriffes am 06.08.2020 aufscheint. Es konnte daher die Feststellung getroffen werden, dass der BF in Österreich untergetaucht ist und sich so einem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme entzogen hat.

2.2. Die Feststellungen zum Vorliegen einer rechtskräftigen aufenthaltsbeendenden Maßnahme und eines befristeten Einreiseverbotes beruhen auf der im Verwaltungsakt enthaltenen Ausfertigung des diesbezüglichen Bescheides, gegen den der BF kein Rechtsmittel erhoben hat.

2.3. Die Feststellungen zur gänzlich fehlenden sozialen und beruflichen Integration und dem fehlenden Wohnsitz ergeben sich aus der Einvernahme des BF vor dem Bundesamt am 06.08.2020. Die Feststellungen zu seinen finanziellen Verhältnissen ergeben sich aus der Anhaltedatei.

2.4. Die Feststellungen zu den vom BF in den Mitgliedstaaten angegebenen unterschiedlichen Identitätsdaten beruhen auf den im Verwaltungsakt enthaltenen Erhebungsergebnissen des Bundeskriminalamtes. Dass er bei einem Telefoninterview mit der libanesischen Vertretungsbehörde wiederum ein anderes Geburtsdatum nannte und nicht als libanesischer Staatsangehöriger identifiziert werden konnte, ergibt sich aus der vom Bundesamt übermittelten Niederschrift dieses Interviews.

2.5. Die Feststellung zum schengenweiten von Italien verhängten Einreiseverbot ergibt sich aus der Aktenvorlage und dem Auszug aus dem Schengener-Informationssystem. Aus diesem Auszug geht hervor, dass das gegen den BF verhängte Einreiseverbot bereits im Juli 2016 gespeichert und aktiviert wurde. Die Eintragung ist bis zum Juli 2022 gültig.

2.6. Dass der BF im Zuge seines Aufgriffes am 05.08.2020 unterschiedliche Identitätsdaten angegeben hat, ergibt sich aus dem diesbezüglichen Anhalteprotokoll. Dass er sich dabei überdies mit einem gefälschten griechischen Personalausweis ausgewiesen hat, ergibt sich aus dem diesbezüglichen Strafurteil eines Bezirksgerichtes vom XXXX .

2.7. Die Feststellung, dass der BF nicht kooperativ ist, ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Wie sich aus der Niederschrift vom 06.08.2020 ergibt, verweigerte er deren Unterfertigung und bestätigte auch entsprechend des diesbezüglichen Zustellscheines die Übernahme des Bescheides vom 11.08.2020 nicht. Aus den im Verwaltungsakt einliegenden Formblättern in den Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates bei den Vertretungsbehörden Marokkos und Algeriens ergibt sich, dass der BF keinerlei Angaben machte, diese Formblätter weder ausfüllte noch unterfertigte. Entsprechend den Eintragungen in der Anhaltedatei befand er sich von 06.08.2020 bis 09.08.2020, am 05.02.2021 sowie von 06.02.2021 bis 09.02.2021 im Hungerstreik.

Dass der BF bei seiner Entlassung aus der Schubhaft mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit untertauchen und nach Deutschland bzw. Belgien weiterreisen wird, ergibt sich aus seinen Angaben in der niederschriftlichen Einvernahme vom 06.08.2020. Bei seinem Interview durch die libanesische Vertretungsbehörde am 21.01.2021 bekräftigte der BF diese Angaben indem er neuerlich ausführte, dass er eigentlich beabsichtigt hatte, nach Deutschland weiterzureisen.

3. Zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft:

3.1. Die Feststellungen zur strafgerichtlichen Verurteilung des BF beruhen auf einer Einsichtnahme in das Strafregister sowie in die im Akt des Bundesverwaltungsgerichtes die Schubhaftprüfung vom 23.02.2021 betreffend einliegenden Urteilsausfertigung.

3.2. Die Feststellungen zum Stand der Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates bei den Vertretungsbehörden Marokkos und Algeriens ergeben sich aus den diesbezüglichen Stellungnahmen des Bundesamtes vom 13.04.2021. Zum Entscheidungszeitpunkt wurde der BF noch nicht als Staatsbürger eines der beiden in Frage kommenden Länder identifiziert, wobei seine Befragung durch die algerische Vertretungsbehörde voraussichtlich innerhalb weniger Wochen erfolgen wird, jedoch aktuell aufgrund des bestehenden Lock Downs nicht durchgeführt werden konnte. Von der algerischen Vertretungsbehörde wurde auch mitgeteilt, dass derzeit davon ausgegangen wird, dass der Flugverkehr im Mai 2021 wiederaufgenommen wird. Es ist daher im Zeitpunkt der Entscheidung davon auszugehen, dass innerhalb der Schubhafthöchstdauer für den BF ein Heimreisezertifikat erlangt und er auch in seinen Herkunftsstaat abgeschoben werden kann.

3.3. Eine Änderung der Umstände für die Aufrechterhaltung der Schubhaft seit ihrer letzten Überprüfung ist dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen. Gegenteiliges ist auch im durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. – Fortsetzungsausspruch

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c.es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

§ 77 Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

§ 22a Abs. 4 BFA-VG lautet:

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Gemäß § 22a Abs. 4 dritter Satz BFA-VG gilt mit der Vorlage der Verwaltungsakten durch das BFA eine Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. In einem gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG ergangenen Erkenntnis wird entsprechend dem Wortlaut der genannten Bestimmung (nur) ausgesprochen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist. Diese Entscheidung stellt - ebenso wie ein Ausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG - einen neuen Hafttitel dar. Über vor (oder nach) der Entscheidung liegende Zeiträume wird damit nicht abgesprochen (VwGH vom 29.10.2019, Ra 2019/21/0270; VwGH vom 30.08.2018, Ra 2018/21/0111).

In seinem Erkenntnis zur Zahl Ra 2020/21/0070 vom 26.11.2020 hielt der VwGH fest, dass die Frage der rechtzeitigen Erlangbarkeit eines Heimreisezertifikates bei länger andauernden Schubhaften, die gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG überprüft werden, für die weitere Verhältnismäßigkeit der Anhaltung (typischerweise) entscheidend ist. Dabei ist insbesondere relevant, ob die Bemühungen der Behörde mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erfolgsversprechend sind. Bei der Ermittlung des gefordertes Grades dieser Wahrscheinlichkeit können auch die bisherige Anhaltedauer und die Schwere der Gründe für ihre Verhängung und Aufrechterhaltung eine Rolle spielen. Bisherige Erfahrungswerte mit der jeweiligen Vertretungsbehörde können – sofern diese nachvollziehbar festgestellt und nicht bloß behauptet würden – wesentliche Anhaltspunkte für die Beurteilung bieten (vgl. VwGH Ra 2020/21/0070 vom 26.11.2020 Ra 2020/21/0174 vom 22.12.2020, mwN).

3.1.3. Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

Gegen den BF besteht eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme, die Anhaltung in Schubhaft ist daher gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG zur Sicherung der Abschiebung grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – möglich.

3.1.4. Fluchtgefahr ist dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Die Gründe aus denen das Bundesamt die Fluchtgefahr bejahte haben sich seither nicht geändert und geht im vorliegenden Fall das Gericht auch weiterhin von Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG aus:

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 1 FPG zu berücksichtigen, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert.

Da der BF unmittelbar nach seiner Einreise untergetaucht ist und sich dadurch einem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme entzogen hat, ist der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 1 FPG erfüllt.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 3 FPG zu berücksichtigen, ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat. Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021).

Da gegen den BF eine durchsetzbare und rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt, er sich einem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme entzogen hat und auch der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 9 FPG erfüllt ist, ist der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 3 FPG ebenfalls erfüllt.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt sind gemäß § 76 Abs. 3 Z 9 FPG der Grad der sozialen Verankerung des Fremden in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit bzw. das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen.

Das Verfahren hat keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass es im Fall des BF Änderungen im Zusammenhang mit seinen Anknüpfungspunkten in Österreich gegeben habe. Insbesondere hat der BF nach seinen Angaben keine Familienangehörigen in Österreich. Der BF verfügt im Inland über keinerlei enge soziale, berufliche oder familiäre Anknüpfungspunkte und ist auch nicht selbsterhaltungsfähig, weshalb keinerlei soziales Netz vorhanden ist, welches ihn vom Untertauchen bewahren könnte. § 76 Abs. 3 Z 9 FPG ist daher gegenständlich ebenfalls nach wie vor erfüllt.

Es liegt daher weiterhin Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 Z 1, Z 3 und Z 9 FPG vor.

3.1.5. Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten des BF vor Verhängung der Schubhaft sowie seine familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Diese Beurteilung hat ergeben, dass mehrere Kriterien für das Bestehen eines Sicherungsbedarfes sprechen. Es war daher eine konkrete Einzelfallbeurteilung vorzunehmen welche ergeben hat, dass sowohl das Vorverhalten als auch die vorzunehmende Verhaltensprognose einen Sicherungsbedarf ergeben haben, da im Fall des BF ein beträchtliches Risiko des Untertauchens gegeben ist. Der BF hält sich trotz eines im Jahr 2016 in Italien gegen ihn erlassenen Aufenthalts- und Einreiseverbotes im Bereich der Schengenstaaten auf, hat sich in den Mitgliedstaaten unterschiedlichster Identitätsdaten bedient, er ist unmittelbar nach seiner unrechtmäßigen Einreise nach Österreich untergetaucht und hat bei seinem Aufgriff durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nicht nur mehrere unterschiedliche Identitätsdaten angegeben sondern überdies versucht, sich mit einem gefälschten griechischen Personalausweis auszuweisen. In den Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates hat der BF bisher jegliche Kooperationsbereitschaft vermissen lassen und beim Interview mit der libanesischen Vertretungsbehörde im Jänner 2021 angegeben, dass er eigentlich beabsichtigt hatte, nach Deutschland weiterzureisen.

Gegen den BF wurde auch in Österreich ein befristetes Einreiseverbot erlassen und es liegt eine den BF betreffende durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor. Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF sind anhängig, die Verfahrensführung erweist sich jedoch auch wegen der mangelnden Kooperationsbereitschaft des BF, der sich weigerte, die entsprechenden Formblätter auszufüllen und keinerlei Angaben dazu machte, als äußerst schwierig. In diesem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, 2013/21/0178).

In Österreich befinden sich weder nahe Familienangehörige des BF noch ist er sonst sozial eng verankert. Der BF verfügt in Österreich über keinen Wohnsitz und auch nicht über ausreichende Mittel zur Existenzsicherung. Einer legalen Beschäftigung ging er in Österreich bisher nicht nach.

Es ist daher auch Sicherungsbedarf gegeben.

3.1.6. Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Gemäß § 76 Abs. 2a FPG ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

Der BF missachtete die Rechtsordnung und wurde straffällig. Er versuchte sich im Zuge seiner Anhaltung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 05.08.2020 mit einem gefälschten griechischen Personalausweis auszuweisen, um so seinen unrechtmäßigen Aufenthalt zu verschleiern. Da gegen den BF bereits seit dem Jahr 2016 ein von Italien ausgesprochenes und für den gesamten Schengenraum gültiges Einreise- bzw. Aufenthaltsverbot besteht und der BF versucht hat durch die Verwendung eines gefälschten Ausweises unrechtmäßig im Bereich der Schengenstaaten zu verbleiben, besteht ein besonders hohes öffentliches Interesse an seiner baldigen Außerlandesbringung, da er offensichtlich auch nicht davor zurückschreckt, durch das Begehen von gerichtlich strafbaren Handlungen seinen unrechtmäßigen Aufenthalt fortzusetzen. Betrachtet man die Interessen des BF an den Rechten seiner persönlichen Freiheit in Bezug auf seine familiären bzw. sozialen Verhältnisse im Inland zeigt sich, dass der BF enge familiäre Kontakte und andere enge soziale oder berufliche Kontakte im Inland nicht vorweisen konnte die im Rahmen der Abwägung die Entscheidung zu Gunsten einer Freilassung zu beeinflussen geeignet waren. Der BF hat mit seinen Angaben im Zuge seiner Befragung am 06.08.2020 klar zum Ausdruck gebracht, dass er keine Unterordnung unter das bestehende Fremdenrechtssystem beabsichtigt und seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen will, sondern vielmehr nach Deutschland bzw. Belgien weiterreisen möchte. Dem gegenüber wiegen die persönlichen Interessen des BF, der keine engen Kontakte und keine engen Angehörigen in Österreich hat, weit weniger schwer als das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen – insbesondere an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung des BF.

Die Anträge des Bundesamtes auf Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF werden derzeit von den Behörden in Algerien und Marokko überprüft, das Bundesamt urgiert auch regelmäßig in diesen Verfahren. Die Vorführung des BF vor die algerische Vertretungsbehörde steht nach Beendigung des aktuellen Lock Downs bevor und geht die algerische Vertretungsbehörde derzeit von einer Wiederaufnahme des Flugverkehrs im Mai 2021 aus. Aus derzeitiger Sicht ist daher damit zu rechnen, dass die Abschiebung des BF innerhalb der zulässigen Schubhafthöchstdauer möglich sein wird. Die absehbare weitere Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist nach derzeitigem Stand mit wenigen Monaten, einzustufen. Die Dauer der Schubhaft könnte durch die freiwillige Ausreise oder durch entsprechende Kooperation des BF im HRZ Verfahren verringert werden.

Die nachgewiesenen Bemühungen des Bundesamts in den HRZ Verfahren sind durch im Akt einliegende Stellungnahmen der Referatsleiterin für HRZ dokumentiert. Die Bemühungen des Bundesamts sind im gegenständlichen Fall im Entscheidungszeitpunkt erfolgversprechend und entsprechen den Erfordernissen der höchstgerichtlichen Judikatur (Vgl. VwGH Ra 2020/21/0070 vom 26.11.2020 Ra 2020/21/0174-8 vom 22.12.2020).

Der BF befindet sich zum Entscheidungszeitpunkt seit ca. 8,5 Monaten in Schubhaft. In Anbetracht der höchstzulässigen Schubhaftdauer im Ausmaß von 18 Monaten und der angemessenen Bemühungen des Bundesamtes zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF, erweist sich im vorliegenden Fall insbesondere aufgrund der Straffälligkeit des BF und seiner gänzlich fehlenden Kooperationsbereitschaft seine Anhaltung in Schubhaft als verhältnismäßig. Es ist fallbezogen vertretbar, die Schubhaft in Erwartung der Lockerung des Lock Downs im Osten von Österreich mit 02.05.2021 und zu erwartenden der Lockerung der Reisebeschränkungen– zumindest was den potentiellen Herkunftsstaat Algerien betrifft – aufrecht zu erhalten (VwGH vom 12.05.2020, Ra 2020/21/0094-8).

Das erkennende Gericht geht daher davon aus, dass die angeordnete Schubhaft zum Entscheidungszeitpunkt das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt.

3.1.7. Zu prüfen ist, ob der BF noch vor dem Hintergrund der zulässigen Dauer einer Anhaltung in Schubhaft in Schubhaft angehalten werden darf und allenfalls in weiterer Folge, ob eine Abschiebung des BF noch innerhalb der noch zur Verfügung stehenden, zulässigen Dauer der Schubhaft bewerkstelligt werden kann.

Eine Verlängerung der Schubhaft über den Zeitraum von sechs Monaten gemäß § 80 Abs. 2 Z 2 FPG ist im vorliegenden Fall, mangels Anwendbarkeit von § 80 Abs. 3 und Abs. 5 FPG nur unter den Voraussetzungen des § 80 Abs. 4 zulässig.

Gemäß § 80 Abs. 4 Z 1 FPG kann ein Drittstaatsangehöriger bis zu 18 Monate in Schubhaft angehalten werden, wenn er bisher deshalb nicht abgeschoben werden konnte, weil die Abschiebung dadurch gefährdet scheint, dass die Feststellung der Identität und der Staatsangehörigkeit des Fremden, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes nicht möglich ist.

Mit dieser Bestimmung wird Art. 15 Abs. 6 der Rückführungs-RL umgesetzt, wonach sich in den Fällen, in denen Abschiebungsmaßnahmen trotz ihrer angemessenen Bemühungen aufgrund (lit. a) der mangelnden Kooperationsbereitschaft seitens der betroffenen Drittstaatsangehörigen wahrscheinlich länger dauern werden oder Abschiebungsmaßnahmen trotz ihrer angemessenen Bemühungen aufgrund (lit. b) von Verzögerungen bei der Übermittlung der erforderlichen Unterlagen durch Drittstaaten wahrscheinlich länger dauern werden, die höchstmögliche Schubhaftdauer um weitere 12 Monate verlängert.

§ 80 Abs. 4 Z 1 FPG stellt auf eine Gefährdung der Abschiebung ab, die sich daraus ergeben kann, dass die Feststellung der Identität und der Staatsangehörigkeit des Fremden, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes nicht möglich ist.

Art. 15 Abs. 6 lit a der Rückführungs-RL stellt darauf ab, dass sich eine Abschiebung aufgrund der mangelnden Kooperationsbereitschaft des BF verzögert. Nach der Rückführungs-RL und der jüngsten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vom 15.12.2020 (Ra 2020/21/0404-12) muss die mangelnde Kooperationsbereitschaft des Drittstaatsangehörigen daher kausal für die Verzögerung von Abschiebungsmaßnahmen sein, sodass auch § 80 Abs. 4 Z 1 FPG diesbezüglich im Sinn von Art 15 Rückführungs-RL auszulegen ist.

Der BF hat im Verfahren angegeben, Staatsangehöriger von Marokko zu sein, hat sich in der Vergangenheit jedoch auch als Staatsangehöriger Algeriens und des Libanon ausgegeben. Eine Identifikation unter den von ihm bekannt gegebenen Identitätsdaten konnte bisher nicht erfolgen, der BF hat auch in den Verfahren vor den Vertretungsbehörden Algeriens und Marokkos die erforderlichen Formblätter zur Klärung seiner Identität nicht ausgefüllt. Es liegt daher eine kausale, mangelnde Kooperationsbereitschaft des BF vor.

Im vorliegenden Fall wird jedoch die Abschiebung auch trotz angemessener Bemühungen iSd Art. 15 Abs. 6 lit. b Rückführungs-RL aufgrund von Verzögerungen bei der Übermittlung der erforderlichen Unterlagen durch Drittstaaten wahrscheinlich länger dauern.

Das Bundesamt hat im gegenständlichen Fall Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates unmittelbar nach der Anordnung der Schubhaft eingeleitet und regelmäßig urgiert, auch die vom Bundeskriminalamt ermittelten Identitätsdaten, die der BF in Europa verwendet hat, wurden den Behörden in den potentiellen Herkunftsstaaten übermittelt. Das Erfordernis der angemessenen Bemühungen ist daher erfüllt.

Daher ist im gegenständlichen Fall die Verlängerung der zulässigen Schubhaftdauer gemäß § 80 Abs. 1 Z 1 FPG iVm Art. 15 Abs. 6 lit. a und b Rückführungs-RL zulässig, ein Aktenvermerk gemäß § 80 Abs. 7 FPG wurde dem BF vom Bundesamt ausgefolgt.

3.1.8. Zu prüfen ist, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt. Eine Sicherheitsleistung kann auf Grund der fehlenden finanziellen Mittel des BF nicht zur Anwendung kommen. Aber auch die konkrete Zuweisung einer Unterkunft oder einer Meldeverpflichtung kann auf Grund des erhöhten Sicherungsbedarfs nicht zum Ziel der Sicherung des Verfahrens führen, da diesfalls die konkrete Gefahr des neuerlichen Untertauchens des BF besteht. Der BF missachtet seit dem Jahr 2016 das schengenweit gültige Aufenthaltsverbot und beabsichtigte Österreich in Richtung Deutschland bzw. Belgien zu verlassen. Da er in der Schubhaft durch Hungerstreik mehrfach seine Freilassung zu erzwingen versucht hat, zeigt er auch weiterhin, dass er nicht bereit ist, mit der Behörde zu kooperieren.

Die Verhängung eines gelinderen Mittels kommt daher weiterhin nicht in Betracht.

3.1.9. Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher nach wie vor eine „ultima ratio“ dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, das Asylverfahren und in weiterer Folge die Außerlandesbringung des BF zu sichern.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

3.1.10. Es konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt aufgrund der Aktenlage und der Stellungnahmen des Bundesamtes geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.

3.2. Zu Spruchteil B. - Revision

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dies ist der Fall wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot Einreiseverbot falsche Angaben Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft gelinderes Mittel Heimreisezertifikat Identität Mittellosigkeit öffentliche Interessen Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Staatsangehörigkeit Straffälligkeit strafrechtliche Verurteilung Ultima Ratio Untertauchen Verhältnismäßigkeit Verlängerung Verzögerung Wohnsitz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W278.2237302.6.00

Im RIS seit

30.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

30.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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