TE Bvwg Beschluss 2021/4/16 W181 2239302-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.04.2021
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Entscheidungsdatum

16.04.2021

Norm

AVG §53a Abs2
B-VG Art133 Abs4
GebAG §31 Abs1 Z3
GebAG §34 Abs1
GebAG §43 Abs1 Z1 litd
GebAG §49 Abs2
VwGVG §17

Spruch


W181 2239302-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald PERL als Einzelrichter über den auf der Honorarnote vom 15.10.2020 basierenden gebührenrechtlichen Antrag des Sachverständigen XXXX beschlossen:

A)

I. Die gebührenrechtlichen Ansprüche werden gemäß § 17 VwGVG iVm § 53a Abs. 2 AVG mit

€ 2.213,50 (inkl. USt.)

bestimmt.

II. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.12.2019, XXXX , wurde der Antragsteller vom Leiter der Gerichtsabteilung XXXX in der Beschwerdesache des XXXX gemäß § 52 Abs. 2 AVG iVm § 17 VwGVG zum Sachverständigen auf dem Fachgebiet der Psychiatrie und psychotherapeutischen Medizin bestellt und ihm, nach entsprechender Untersuchung des Beschwerdeführers, die Beantwortung von Fragen in einem Gutachten aufgetragen. Das Gutachten war schriftlich zu erstatten.

2. Am 05.10.2020 langte postalisch das Gutachten, am 15.10.2020 die diesbezügliche Honorarnote im Wege des webERV beim Bundesverwaltungsgericht ein:

Honorarnote ( XXXX )

Psychiatrisches Gutachten

XXXX

XXXX

Untersuchung am XXXX

 

 

GebAG

 

 

Aktenstudium

€ 44,90

§ 32: Terminvereinbarung, Postweg: 3 beg. Std. à € 22,70

€ 68,10

Mühewaltung § 34 (1); 13 beg. Std. à € 300,00*

€ 3.900,00

Schreibgebühren § 31 (1) 3.: 22 Seiten Original à € 2,00

€ 44,00

Durchschrift: 66 Seiten à 0,60

€ 39,60

Barauslagen (Porto, Telefon, Parkgebühren, etc.)

€ 15,00

Zwischensumme

€ 4.111,60

20 % Mwst.

€ 822,32

Gesamtsumme € (abgerundet)

€ 4.933,00

 

 

* empfohlener Tarif der österreichischen Ärztekammer

 

3. Mit E-Mails der Verrechnungsstelle vom 29.12.2020 und 11.01.2021 wurde der Antragsteller darauf hingewiesen, dass die Gebühr für Mühewaltung in Bezug auf die Sachverständigengruppe der „Ärzte“ gemäß § 43 Abs. 1 GebAG nach Tarif zu erfolgen habe.

4. Am 27.01.2021 langte seitens des Antragstellers im Wege des ERV die nachstehend korrigierte Honorarnote ein:

Aktenstudium

€ 30,00

Mühewaltung § 34 (1); 13 beg. Std. à € 300,00*

€ 3.900,00

§ 34 Abs. 2: Abschlag von 20 % zum Wohle der Allgemeinheit

-        € 780,00

Schreibgebühren § 31 (1) 3.: 22 Seiten Original à € 2,00

€ 44,00

Durchschrift: 66 Seiten à 0,60

€ 39,60

Barauslagen (Porto, Telefon, Parkgebühren, etc.)

€ 15,00

Zwischensumme

€ 3.248,60

20 % Mwst.

€ 649,72

Gesamtsumme € (abgerundet)

€ 3.898,00

In dieser (nunmehr korrigierten) Honorarnote hat der Antragsteller neben der Reduktion der Gebühr für das Aktenstudium von € 44,90 auf € 30,00, auch die Zeitversäumnis für drei begonnene Stunden à € 22,70, sohin € 68,10, nicht mehr verzeichnet. Darüber hinaus wies er in seiner E-Mail vom 27.01.2021 darauf hin, dass in Bezug auf die Verzeichnung der Gebühr für Mühewaltung § 49 GebAG zur Anwendung gelange, da das von ihm erstattete Gutachten aufgrund seiner Komplexität und des tatsächlichen Arbeitsaufwandes weit über die in den Tarifen des § 43 vorgesehenen Leistungen hinausgehe und somit mit einem wissenschaftlichen Gutachten vergleichbar sei.

5. Das Bundesverwaltungsgericht hielt dem Antragsteller sodann mit Schreiben vom 22.02.2021, nachweislich zugestellt am 01.03.2021, mit der Möglichkeit zur Stellungnahme binnen 14 Tagen kurz zusammengefasst vor, dass – ungeachtet der unzweifelhaft bestehenden Fachkenntnis des Sachverständigen – keine wissenschaftliche Leistung iSd § 49 GebAG vorliege und der Antragsteller daher die Gebühr für Mühewaltung nach Tarif gemäß § 43 GebAG zu verzeichnen habe. Darüber hinaus sei die Schreibgebühr für die Urschrift iSd § 31 Abs. 3 GebAG nicht mehr nach Seitenanzahl, sondern nach den darin enthaltenen Zeichen (ohne Leerzeichen) zu verzeichnen.

6. In weiterer Folge langte keine Stellungnahme oder (nochmals) korrigierte Honorarnote seitens des Antragstellers ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Es wird von dem unter Punkt I. dargelegten Sachverhalt ausgegangen, aus dem hervorgeht, dass der Antragsteller im Rahmen des Verfahrens zur XXXX als Sachverständiger auf dem Fachgebiet der Psychiatrie und psychotherapeutischen Medizin bestellt wurde und dabei, nach entsprechender Untersuchung des Beschwerdeführers und unter Beantwortung der ihm mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.12.2019, XXXX , auferlegten Fragen, ein schriftliches Gutachten zu erstatten hatte. Die dem Gutachten zugrundliegende Honorarnote wurde am 15.10.2020 im Wege des ERV eingebracht und vom Antragsteller am 27.01.2021 – ebenfalls im Wege des ERV – korrigiert übermittelt.

2. Beweiswürdigung:

Der verfahrensgegenständliche Sachverhalt ergibt sich aus einer Abfrage der elektronischen Verfahrensadministration des Bundesverwaltungsgerichtes zum Verfahren XXXX , dem Bestellungsbeschluss vom 19.12.2019, XXXX , dem Gebührenantrag vom 15.10.2020, der korrigierten Honorarnote vom 27.01.2021, der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 22.02.2021, GZ. W181 2239302-1/2Z, und dem Akteninhalt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG, die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF, mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 53a Abs. 1 AVG haben nichtamtliche Sachverständige für ihre Tätigkeit im Verfahren Anspruch auf Gebühren im Umfang der sinngemäß anzuwendenden §§ 24 bis 37 und 43 bis 49 und 51 GebAG. Die Gebühr ist gemäß § 38 GebAG bei der Behörde geltend zu machen, die den Sachverständigen herangezogen hat.

§ 38 Abs. 1 GebAG zufolge hat der Sachverständige den Anspruch auf seine Gebühr binnen 14 Tagen nach Abschluss ihrer Tätigkeit bei sonstigem Verlust, unter Aufgliederung der einzelnen Gebührenbestandteile, bei dem Gericht, vor dem die Beweisaufnahme stattgefunden hat oder stattfinden sollte, geltend zu machen.

Gemäß § 89c Abs. 5a Gerichtsorganisationsgesetz – GOG, RGBl. Nr. 217/1896, sind Sachverständige sowie Dolmetscherinnen und Dolmetscher nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten, insbesondere zum Zweck der Übermittlung von Gutachten, Übersetzungen und Gebührenanträgen, zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr (§ 89a) verpflichtet. Diese Verpflichtung entfällt, wenn die Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr für die Sachverständige oder den Sachverständigen oder die Dolmetscherin oder den Dolmetscher im Einzelfall nicht zumutbar ist; dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sie mit einem unverhältnismäßigen Aufwand für die Sachverständige oder den Sachverständigen oder die Dolmetscherin oder den Dolmetscher verbunden wäre, etwa im Hinblick auf die geringe Zahl an Bestellungen. Von der Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs kann abgesehen werden, wenn diese im Einzelfall, insbesondere im Hinblick auf den Gutachtensgegenstand oder die Verwertbarkeit des Gutachtens, untunlich ist.

Gemäß § 24 GebAG umfasst die Gebühr des Sachverständigen

1.       den Ersatz der notwendigen Kosten, die durch die Reise an den Ort der Befund- oder Beweisaufnahme, durch den Aufenthalt an diesem Ort und durch die Rückreise verursacht werden;

2.       den Ersatz der Kosten für die Beiziehung von Hilfskräften und der sonstigen durch seine Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren verursachten notwendigen Kosten;

3.       die Entschädigung für Zeitversäumnis;

4.       die Gebühr für Mühewaltung einschließlich der Gebühr für die Teilnahme an einer Verhandlung und der Gebühr für Aktenstudium.


Zu A)

Zur geltend gemachten Mühewaltungsgebühr gemäß § 34 Abs. 1 iVm § 49 Abs. 2 GebAG

Gemäß § 34 Abs. 1 und 2 GebAG steht die Gebühr für Mühewaltung den Sachverständigen für die Aufnahme des Befundes und die Erstattung des Gutachtens zu und deckt alle damit im Zusammenhang entstandenen Kosten, soweit dafür nicht nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes ein gesonderter Ersatz vorgesehen ist. Insoweit in anderen Vorschriften auf die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes verwiesen wird, ist die Gebühr für Mühewaltung nach den Tarifen (§ 43 ff GebAG) dieses Bundesgesetzes zu bestimmen.

Im, für das gegenständliche Verfahren gemäß § 17 VwGVG anwendbaren § 53a Abs. 1 AVG, wird auf die Bestimmungen des GebAG dahingehend verwiesen, dass nichtamtliche Sachverständige für ihre Tätigkeit im Verfahren Anspruch auf Gebühren haben, die durch Verordnung der Bundesregierung in Pauschalbeträgen (nach Tarifen) festzusetzen sind. Soweit keine solchen Pauschalbeträge (Tarife) festgesetzt sind, sind auf den Umfang der Gebühr die §§ 24 bis 37, 43 bis 49 und 51 des Gebührenanspruchsgesetzes – GebAG, BGBl. Nr. 136/1975, sinngemäß anzuwenden.

Gemäß § 49 Abs. 2 GebAG gilt § 43 GebAG nur dann nicht, wenn es sich um eine wissenschaftliche Leistung handelt. In diesem Fall ist die Bestimmung der Gebühr in der vollen Höhe der außergerichtlichen Einkünfte (§ 34 Abs. 1) zulässig.

Unter einer wissenschaftlichen Leistung im Sinne des § 49 Abs. 2 GebAG sind besonders schwierige, arbeitsintensive und umfangreiche Gutachten zu verstehen, die nach anerkannten wissenschaftlichen Methoden erarbeitet wurden und besonders ausführlich begründet sind (vgl. LG Salzburg, SV 2008/4, 205; OLG Wien, SV 2008/4, 200; OGH 4.9.1997, 2 Ob 236/97p, 237/97k, 238/97g, 253/97p SV 1997/4, 44; Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG-GebAG4, E 16 zu § 49 GebAG).

Eine wissenschaftliche Leistung erfordert eine Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Lehrmeinungen, die Findung einer neuen Lösung, nicht aber bloß die Beurteilung auf Grund logischer Schlussfolgerungen unter Heranziehung langjähriger Erfahrungen aus einer höchst qualifizierten Tätigkeit als Sachverständiger (vgl. OLG Wien 30.3.1981, 17 R 57/8; OLG Linz 23.12.1993, 2 R 226/93 SV 1994/1, 35; Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG-GebAG4, E 29 zu § 49 GebAG). Dabei muss es notwendig sein, das Gutachten unter Zitierung von Lehrmeinungen oder Literaturhinweisen ausführlichst zu begründen (vgl. OLG Wien 14.2.1979, 34 R 34/79).

Zwar wurde der Antragsteller im Rahmen der Gutachtenserstellung auch ersucht, zu dem von XXXX erstatteten Gutachten sowie dem diesem widersprechenden Patientenbrief des XXXX Stellung zu nehmen und als Obergutachter eine Reihe an Fragen- und Themenkomplexen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers zu beantworten, jedoch stützt sich die eigentliche Befundung und Begutachtung fast zur Gänze auf seine im Rahmen der körperlichen Untersuchung vom 14.07.2020 gewonnenen Erkenntnisse.

In diesem Zusammenhang sei auch darauf hingewiesen, dass der Sachverständige für den Fall, dass er im Auftrag des Gerichtes das gerichtliche Gutachten eines anderen Sachverständigen oder einander widersprechende gerichtliche Gutachten mehrerer Sachverständiger zu überprüfen hat, mit der doppelten Gebühr zu entlohnen ist, die für das überprüfte Gutachten, bei einander widersprechenden Gutachten für das höher zu vergebührende Gutachten, jeweils samt Befund, nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist, selbst wenn er keinen Befund aufnimmt (s. hierzu § 37 Abs. 1 GebAG ).

Eine Überprüfung des Gutachtens setzt eine kritische, umfassend begründete, wertende Auseinandersetzung mit dem Vorgutachten voraus, also eine fachliche Inhaltskontrolle (OLG Linz 12 Rs 49/90 SVSlg 36.771; OLG Wien 33 Rs 39/94 SV 1994/4, 42 = SVSlg 41.683; vgl. auch Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG-GebAG4, E 2 zu § 37 GebAG).

Hat der Sachverständige die Veränderung des Gesundheitszustandes gegenüber dem in einem gerichtlichen Vorgutachten festgestellten Leidenszustand zu ermitteln (sogenanntes Vergleichsgutachten), liegt keine Überprüfung eines gerichtlichen Gutachtens iSd § 37 Abs. 1 vor (Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG-GebAG4, Anm 2 zu § 37 GebAG).

Der überwiegende Teil des Gutachtens besteht aus Auszügen aus dem Gerichtsakt (s. hiezu Seiten 5 bis 10) und der vom Antragsteller am 14.07.2020 durchgeführten Untersuchung des Beschwerdeführers samt Erhebung des psychopathologischen Status.

Es werden zwar die sich jeweils widersprechenden Befunde bzw. Gutachten erwähnt (und finden auch ihren Eingang in das Gutachten des Antragstellers), eine – wie oben – geforderte kritische, umfassend begründete, wertende Auseinandersetzung erfolgt jedoch nicht. Vielmehr zieht der Antragsteller – auch unter Beantwortung der an ihn gerichteten Fragen, die sich im Wesentlichen (auch) auf den aktuellen Gesundheitszustand des Beschwerdeführers beziehen – seine für die Gutachtenserstattung wesentlichen Erkenntnisse im Wesentlichen aus der von ihm vorgenommenen Untersuchung vom 14.07.2020.

In Bezug auf die vom Antragsteller angemerkte wissenschaftliche Leistung ist darauf zu verweisen, dass eine solche nur dann vorliegt, wenn nach dem gerichtlichen Auftrag unter anderem wissenschaftliche Literatur im großen Umfang zu verwerten war, oder unter Auseinandersetzung unterschiedlicher Lehrmeinungen eine neue Lösung zu finden war. Auch ein fachlich besonders schwieriges psychiatrisches Gutachten eines höchst qualifizierten Sachverständigen, welches aber keine wissenschaftliche Leistung darstellt, bleibt eine in den Tarifen des § 43 genannte Leistung und ist daher zwingend und ausschließlich nach diesen Tarifen zu entlohnen (vgl. hiezu OLG Wien 8 Rs 3/09 SVSlg 59.979; Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG-GebAG4, E 31 zu § 49 GebAG).

Es ergibt sich daher im gegenständlichen Fall aus dem Gutachten – trotz der unbestrittenen Fachkenntnis des Sachverständigen – weder eine besonders ausführliche Begründung, noch die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Lehrmeinungen, weshalb nicht von einer wissenschaftlichen Leistung im Sinne des § 49 Abs. 2 GebAG auszugehen ist und somit der Tarif des § 43 GebAG zur Anwendung gelangt. Aus diesem Grund ist die Gebühr für Mühewaltung im gegenständlichen Fall nach den Tarifen des § 43 ff GebAG zu bestimmen.

Für die Sachverständigengruppe „Ärzte“ ist in § 43 GebAG ein Tarif vorgesehen worden, welcher als Pauschalabgeltung für – wie im gegenständlichen Fall – Befund und Gutachten, Mühewaltungsgesamtgebühren für dort beschriebene Leistungskataloge vorsieht.

§ 43 Abs. 1 GebAG normiert in diesem Zusammenhang Folgendes:

„§ 43 (1) Die Gebühr für Mühewaltung beträgt
1.         für die Untersuchung samt Befund und Gutachten
a) bis c) [….]

d)       bei einer besonders zeitaufwändigen körperlichen, neurologischen, psychiatrischen Untersuchung oder einer Untersuchung zur Beurteilung, ob eine psychisch kranke Person ohne Gefahr in anderer Weise als durch Unterbringung in einer Anstalt behandelt oder betreut werden kann, je mit eingehender Begründung des Gutachtens        116,20 Euro;

e)       bei einer besonders zeitaufwändigen körperlichen, neurologischen, psychiatrischen Untersuchung oder einer Untersuchung zur Beurteilung, ob eine psychisch kranke Person ohne Gefahr in anderer Weise als durch Unterbringung in einer Anstalt behandelt oder betreut werden kann, je mit besonders eingehender, sich mit widersprüchlichen Ergebnissen von Befundaufnahmen ausführlich auseinandersetzender oder besonders ausführlicher und außergewöhnliche Kenntnisse auf dem Fachgebiet des Sachverständigen voraussetzender Begründung des Gutachtens         195,40 Euro

[…]“

Ein einheitlich in Auftrag gegebenes Gutachten ist nach § 43 Abs. 1 GebAG dann mehrfach zu honorieren, wenn nach dem erteilten Auftrag in Wahrheit mehrere Gutachten zu erstatten sind, die unabhängig voneinander bestehen können (vgl. OLG Graz SV 2010/4, 222).

Voraussetzung für eine mehrfache Honorierung ist dabei nach überwiegender Rechtsprechung, dass für die Begutachtung jeder Frage die dem Sachverständigen eigenen Fachkenntnisse erforderlich sind, ein weitergehender Befund notwendig war und durch die Beantwortung der einen Frage nicht die weiteren vom Richter selbst gelöst werden können (vgl. LG Salzburg SV 2010/2, 91; LG Feldkirch SV 2010/4, 220; Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG-GebAG4, E 130f, 133f zu § 43 GebAG; Dokalik/Weber, Das Recht der Sachverständigen und Dolmetscher4, Rz 7 und 9 zu § 43 GebAG).

Maßgeblich für die Frage, ob mehrere gutachterliche Stellungnahmen vorliegen, ist nicht rein formell danach zu beurteilen, wie viele Fragen der Gutachtensauftrag enthält bzw. in wie viele Fragestellungen der Sachverständige den Auftrag zerlegt, sondern zu wie vielen selbstständigen Themenkreisen der Sachverständige nach dem Inhalt des Gutachtensauftrags gutachterliche Aussagen zu machen hat (vgl. Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG-GebAG4, E 134 zu § 43 GebAG; Dokalik/Weber, Das Recht der Sachverständigen und Dolmetscher4 Rz 10 zu § 43 GebAG).

Laut Bestellungsbeschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.12.2019, XXXX , waren folgende Fragen zu beantworten bzw. folgende Punkte näher zu erörtern:

1.       Liegt beim Beschwerdeführer eine krankheitswertige, psychische Störung vor und wie äußert sich diese?

2.       Können therapeutische Maßnahmen eine Verbesserung des Zustandes des Beschwerdeführers herbeiführen? Wenn ja, welche Maßnahmen (Medikamente/Therapien) sind das?

3.       In welchem Zeitraum und in welchem Umfang ist bei Verfolgung dieser Maßnahmen mit einer Verbesserung des Zustandes des Beschwerdeführers zu rechnen?

4.       Ist der Beschwerdeführer in der Lage, an einer weiteren Beschwerdeverhandlung teilzunehmen?

5.       Ist er einvernahmefähig?

6.       Ist feststellbar, ob der Beschwerdeführer am 26.06.2017 einvernahmefähig war?

7.       Ist der Beschwerdeführer in der Lage Erlebtes wiederzugeben oder besteht bei ihm eine beschränkte Wiedergabefähigkeit, beschränkte Wahrnehmungsfähigkeit oder beschränkte Erinnerungsfähigkeit?

8.       Inwieweit werden seine Fähigkeiten, solche Wiedergaben zu treffen, durch bereits laufende medikamentöse Behandlungen beeinträchtigt?

9.       Inwieweit besteht bei einer weiteren Einvernahme des Beschwerdeführers – insbesondere stressbedingt – die Gefahr der Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers?

10.      Wenn Frage 1. mit „Ja“ zu beantworten ist: Ist der Beschwerdeführer trotz einer krankheitswertigen, psychischen Störung in der Lage, alle oder einzelne seiner Angelegenheiten des täglichen Lebens ohne die Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu erledigen?

11.      Wenn Frage 1. mit „Ja“ zu beantworten ist - ist der Beschwerdeführer trotz einer krankheitswertigen, psychischen Störung in der Lage einer regelmäßigen Arbeit nachzugehen?

12.      Ist der Beschwerdeführer psychisch in der Lage sich ohne fremde Hilfe selbständig Arbeit, Unterkunft, Verpflegung und medizinische Betreuung zu verschaffen oder sich in einer fremden Stadt zu orientieren?

13.      Wie wird sich eine allfällige Aufenthaltsbeendigung des Beschwerdeführers samt Rückführung nach Afghanistan auf seinen Gesundheitszustand auswirken?

14.      Wie würde sich eine Verschlechterung bei Rückführung nach Afghanistan äußern bzw. besteht die Gefahr der Auslösung einer akuten Suizidalität?

15.      Welche Behandlung müsste der Beschwerdeführer in Afghanistan erhalten, damit er keiner ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung seines Gesundheitszustands ausgesetzt ist, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung seiner Lebenserwartung führt?

Anmerkung: Bei der Beantwortung der Frage ist nicht auf den Stand der in Österreich nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft (d.h., welche Behandlungsempfehlung hier abzugeben wäre) abzustellen.

In Zusammenschau mit dem vom Antragsteller erstatteten Gutachten und den darin behandelten Themen ergeben sich aus den Fragestellungen der Gerichtsabteilung XXXX insgesamt 15 Fragen- bzw. Themenkomplexe, die im Rahmen des vom Antragsteller erstatteten Gutachtens vom 23.09.2020 auch beantwortet wurden.

Eine 15-fache Honorierung der Mühewaltung nach dem Tarif des § 43 GebAG ist daher zulässig.

Beinhalten die Leistungen des Sachverständigen eine besonders zeitaufwendige Ganzkörperuntersuchung und Einbeziehung mehrerer Nebenbefunde, sowie eine eingehende, alle Untersuchungsergebnisse berücksichtigende Begründung, so ist der Tarifsatz nach § 43 Abs. 1 Z 1 lit. d gerechtfertigt. Auf den Umfang des sorgfältig begründeten, zu allen relevanten Fragen Stellung nehmenden Gutachtens kommt es nicht an (Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG-GebAG4, E 53 zu § 43 GebAG).

Die Beantwortung der insgesamt 15 Fragen- bzw. Themenkomplexe ist daher nach dem Tarif des § 43 Abs. 1 Z 1 lit d GebAG zu vergüten.

Zu der beantragten Schreibgebühr gemäß § 31 Abs. 1 Z 3 GebAG

Gemäß § 31 Abs. 1 Z 3 GebAG sind den Sachverständigen ausschließlich folgende mit der Erfüllung ihres jeweiligen Gutachtensauftrags notwendigerweise verbundene variable Kosten, nicht aber Fixkosten zu ersetzen: die Kosten für die Übertragung bzw. das Reinschreiben von Befund und Gutachten einschließlich der Beilagen hierzu sowie der von den Sachverständigen im Zuge ihrer Tätigkeit auszufertigenden Schriftstücke, wobei bei ausschließlich aus Text bestehenden Schriftstücken für je 1 000 Schriftzeichen (ohne Leerzeichen) der Urschrift ein Betrag von 2 Euro und für je 1 000 Schriftzeichen (ohne Leerzeichen) einer Ausfertigung ein Betrag von 60 Cent zu ersetzen sind;

Der Antragsteller verzeichnet in seiner Honorarnote Schreibgebühren für 22 Seiten Original à € 2,00, sohin einen Betrag von € 44,00, sowie die Kosten für drei Durchschriften à € 0,60, sohin ein Betrag von € 39,60.

Das vom Antragsteller erstattete Gutachten umfasst 22 Seiten und beinhaltet ausschließlich Text im Ausmaß von 28.285 Zeichen (ohne Leerzeichen).

Im Sinne der obigen Bestimmung errechnet sich die Schreibgebühr für die Urschrift sohin mit einem Betrag in Höhe von € 56,57 [28.285 Zeichen (ohne Leerzeichen) / 1000 x € 2,00].

Durch Einbringung des Gutachtens (samt Honorarnote) im Wege des ERV (Verpflichtung zum elektronischen Verkehr) entfällt die Schreibgebühr für die bislang erforderlichen, aufgrund der elektronischen Übermittlung künftig nicht mehr nötigen Ausfertigungen des Gutachtens. Da die Sachverständigen für die Zwecke der Archivierung die Urschrift verwenden können (für die sie Anspruch auf eine Gebühr gemäß § 31 Abs. 1 Z 3 GebAG haben), wird im Fall der
ERV-Nutzung auch in ihrem Bereich regelmäßig kein gebührenrechtlich relevanter Bedarf nach Anfertigung einer Ausfertigung bestehen (vgl. RIS-Justiz RL0000180; ErläutRV 561 BlgNR 26. GP 3.).

Vor diesem Hintergrund ist eine Gebühr für Durchschriften nicht zuzuerkennen.

Aus den bisherigen Ausführungen ergibt sich daher folgende Gebührenberechnung im gegenständlichen Verfahren:

 

EURO

Mühewaltung gemäß § 43 Abs. 1 Z 1 GebAG (Befund und Gutachten)

 

15 Fragen-/Themenkomplexe gemäß § 43 Abs. 1 Z 1 lit d

1.743,00

Aktenstudium gemäß § 36 GebAG

30,00

Schreibgebühr gemäß § 31 Abs. 1 Z 3 GebAG

28.285 Zeichen (ohne Leerzeichen)

je 1.000 Schriftzeichen (ohne Leerzeichen) der Urschrift € 2,00

56,57

Barauslagen (Porto, Telefon, Parkgebühren etc.)

15,00

Zwischensumme

1.844,57

20 % USt.

368,91

Gesamtsumme

2.213,48

Gesamtsumme aufgerundet auf volle 10 Cent

2.213,50

Die Gebühr des Antragstellers war daher mit € 2.213,50 (inkl. USt.) zu bestimmen. Das Mehrbegehren war abzuweisen.


Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die im gegenständlichen Fall anzuwendenden Normen sind derart klar, dass sie keiner weiteren Auslegung bedürfen.

Schlagworte

Ausfertigung elektronischer Rechtsverkehr Mehrbegehren Mühewaltung Sachverständigengebühr Schreibgebühr Teilstattgebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W181.2239302.1.00

Im RIS seit

25.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

25.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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