TE Bvwg Beschluss 2021/4/20 L501 2224949-2

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Veröffentlicht am 20.04.2021
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Entscheidungsdatum

20.04.2021

Norm

AlVG §11
AlVG §38
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §15 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


L501 2224949-2/9E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER als Vorsitzende und die fachkundigen Laienrichter Mag. Markus BRANDNER und Dr. Andreas GATTINGER als Beisitzer über die Beschwerde von Herrn XXXX , geboren XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wels vom 18.09.2019, zur Versicherungsnummer: XXXX , nach ergangener Beschwerdevorentscheidung derselben Behörde vom 30.10.2019, GZ: LGSOÖ/Abt.4/2019-0566-4-001111-JK, beschlossen:

A) Der Vorlageantrag wird als verspätet zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid vom 18.09.2019 sprach das Arbeitsmarktservice Wels (im Folgenden "AMS") aus, dass die beschwerdeführende Partei (im Folgenden "bP") für den Zeitraum 06.09.2019 – 03.10.2019 gemäß § 38 iVm § 11 AlVG keine Notstandshilfe erhält.

Die gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobene Beschwerde wurde von der belangten Behörde im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung gemäß § 14 VwGVG iVm § 56 AlVG abgewiesen. Diese Beschwerdevorentscheidung vom 30.10.2019, GZ: LGSOÖ/Abt.4/2019-0566-4-001111-JK, wurde der bP am 31.10.2019 zugestellt.

Mit Schreiben vom 12.11.2019, welchem die Beschwerdevorentscheidung angehängt war, stellte die bP den Antrag, Ihre Beschwerde möge dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt werden. Dieser Antrag wurde direkt beim Bundesverwaltungsgericht, sohin bei einer unzuständigen Stelle, eingebracht. Der Antrag langte am 13.11.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Mit Schreiben vom 13.11.2019 leitete das Bundesverwaltungsgericht den Vorlageantrag im Original an die zuständige Stelle, das AMS Wels weiter. Dieses Schreiben wurde am 15.11.2019 (vgl. Beilage II.) zur Post gegeben und langte am 18.11.2019 beim AMS Wels ein.

Am 22.11.2019 wurde der Akt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt und der Gerichtsabteilung L 517 zugewiesen. Aufgrund Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 29.10.2020 wurde die gegenständliche Rechtssache der GA L517 abgenommen und der GA L 501 neu zugewiesen.

Mit Schreiben vom 25.03.2021 wurde der bP dargelegt, aus welchen Gründen sich der Vorlageantrag vom 12.11.2019 für das Bundesverwaltungsgericht als verspätet darstellt. Ihr wurde die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb einer Frist von zwei Wochen eine Stellungnahme zur Rechtzeitigkeit des Vorlageantrages einzubringen. Eine Äußerung langte nicht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

Die gegen den Bescheid des AMS vom 18.09.2019 fristgerecht erhobene Beschwerde wurde mit Bescheid des AMS Wels vom 30.10.2019 im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung abgewiesen. Die Beschwerdevorentscheidung wurde von der bP persönlich am 31.10.2019 übernommen.

Mit Schreiben vom 12.11.2019, welchem die Beschwerdevorentscheidung angehängt war, stellte die bP den Antrag, Ihre Beschwerde möge dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt werden. Dieser Antrag wurde direkt beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht und langte am 13.11.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Mit Schreiben vom 13.11.2019 leitete das Bundesverwaltungsgericht den Vorlageantrag im Original an das AMS Wels weiter. Dieses Schreiben wurde am 15.11.2019 zur Post gegeben und langte am 18.11.2019 beim AMS Wels ein.

II.2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt sowie den gegenständlichen Gerichtsakt samt Annexakt L 503 2224949-1. Die getroffenen Feststellungen gehen unmittelbar aus dem Akteninhalt hervor.

Die Zustellung der Beschwerdevorentscheidung durch persönliche Übernahme am 31.10.2019 ist durch den im Akt erliegenden Rückschein dokumentiert. Die bP trat den Gegenbeweis nicht an und besteht auch sonst kein Grund zur Annahme, dass die Zustellung nicht vorschriftsmäßig erfolgt ist.

Die unmittelbare Einbringung des gegenständlichen Vorlageantrags (Schreiben vom 12.11.2019 beim Bundesverwaltungsgericht sowie die Weiterleitung an das AMS durch Übergabe an die Post am 15.11.2019 ergibt sich aus dem im Gerichtsakt L 503 2224949-1 enthaltenen Unterlagen, insbesondere dem Briefkuvert mit Poststempel.

Es war daher vom oben festgestellten Sachverhalt auszugehen.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

II.3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch einen Senat, anzuwendendes Verfahrensrecht:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 56 Abs. 2 AlVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 2013/33 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Zu A) Zurückweisung des Vorlageantrags:

II.3.2. Maßgebliche gesetzliche Grundlagen:

II.3.2.1. § 15 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) lautet:

Vorlageantrag

§ 15. (1) Jede Partei kann binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag). Wird der Vorlageantrag von einer anderen Partei als dem Beschwerdeführer gestellt, hat er die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (§ 9 Abs. 1 Z 3), und ein Begehren (§ 9 Abs. 1 Z 4) zu enthalten.

(2) Ein rechtzeitig eingebrachter und zulässiger Vorlageantrag hat aufschiebende Wirkung, wenn die Beschwerde

1. von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung hatte und die Behörde diese nicht ausgeschlossen hat;

2. von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung hatte, die Behörde diese jedoch zuerkannt hat.

Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Vorlageantrag und die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorzulegen und den sonstigen Parteien die Vorlage des Antrags mitzuteilen.

(3) Verspätete und unzulässige Vorlageanträge sind von der Behörde mit Bescheid zurückzuweisen. Wird gegen einen solchen Bescheid Beschwerde erhoben, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht unverzüglich die Akten des Verfahrens vorzulegen.

II.3.2.2. Das Zustellgesetz (ZustG) lautet auszugsweise:

Zustellung an den Empfänger

§ 13. (1) Das Dokument ist dem Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen. […]

5. Abschnitt: Fristen

§ 32. (1) Bei der Berechnung von Fristen, die nach Tagen bestimmt sind, wird der Tag nicht mitgerechnet, in den der Zeitpunkt oder das Ereignis fällt, wonach sich der Anfang der Frist richten soll.

(2) Nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.

§ 33. (1) Beginn und Lauf einer Frist werden durch Samstage, Sonntage oder gesetzliche Feiertage nicht behindert.

(2) Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember, so ist der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen.

(3) Die Tage von der Übergabe an einen Zustelldienst im Sinne des § 2 Z 7 des Zustellgesetzes zur Übermittlung an die Behörde bis zum Einlangen bei dieser (Postlauf) werden in die Frist nicht eingerechnet.

(4) Durch Gesetz oder Verordnung festgesetzte Fristen können, wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, nicht geändert werden.

II.3.3. Zum gegenständlichen Verfahren:

Die Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde wurde von der bP am Donnerstag, den 31.10.2019, persönlich vom Zustellorgan übernommen. Die zweiwöchige Frist des § 15 Abs. 1 VwGVG zur Stellung eines Vorlageantrages endete daher gemäß § 32 Abs. 2 AVG am Donnerstag, den 14.11.2019.

Der Vorlageantrag wurde nicht - wie in § 15 VwGVG - vorgesehen bei der belangten Behörde eingebracht, sondern unmittelbar beim Bundesverwaltungsgericht.

Wird ein fristgebundenes Anbringen - wie ein Vorlageantrag - bei einer unzuständigen Stelle eingebracht, so erfolgt die Weiterleitung auf Gefahr des Einschreiters; die Frist ist nur dann gewahrt, wenn die unzuständige Stelle das Einbringen zur Weiterleitung an die zuständige Stelle spätestens am letzten Tag der Frist zur Post gibt oder das Anbringen bis zu diesem Zeitpunkt bei der zuständigen Stelle einlangt (vgl. VwGH vom 15.07.2015, Ra 2015030049 mwH).

Das vorliegende Anbringen wurde vom Bundesverwaltungsgericht zwar unverzüglich mit Schreiben vom 13.11.2019 bearbeitet, langte aber nicht am letzten Tag der Frist bei der Post ein, sondern erst am 15.11.2019. Der mit 18.11.2019 beim AMS eingelangte Vorlageantrag erweist sich somit als verspätet.

Der Vorlageantrag wäre daher bereits von der belangten Behörde mit Bescheid gemäß § 15 Abs. 3 VwGVG als verspätet zurückzuweisen gewesen. Ungeachtet dessen legte die belangte Behörde den Akt – ohne vorangegangene Zurückweisung des Vorlageantrags – dem Bundesverwaltungsgericht vor.

In § 15 Abs. 3 VwGVG ist – ebenso wie in § 64a Abs. 3 AVG (vgl. dazu Hengstschläger/Leeb, AVG § 64a Rz 36) – lediglich von einer Zurückweisung durch die Behörde, die die Vorentscheidung erlassen hat, die Rede. Zu § 15 Abs. 3 VwGVG wird demgegenüber aber auch vertreten, dass nach Vorlage eines Vorlageantrages das Verwaltungsgericht über dessen Unzulässigkeit bzw. Verspätung absprechen kann (vgl. Eder ua., § 15 Anm. K 7, 13 [Zurückweisung]; Müllner, ZfV 2013, 887; Schmied/Schweiger, Verfahren 64 [Zurückweisung]; Wessely, Administrativverfahren 217 [Zurückweisung]; aA Leeb/Zeinhofer, Verwaltungsgerichtsbarkeit 58 Fn 157; vgl. auch Gruber, § 15 Rz 12 [Einstellung des Verfahrens]); (vgl. Goldstein/Neudorfer in Raschauer/Wessely, VwGVG § 15 Rz 7).

Der Verwaltungsgerichtshof beanstandete in seiner jüngeren Rechtsprechung (Beschluss vom 16.6.2020, Ra 2020/01/0160) die Zurückweisung eines verspäteten Vorlageantrags durch das Bundesverwaltungsgericht nicht und trat der – im genannten Beschluss dargestellten – Rechtsansicht des Bundesverwaltungsgerichtes, wonach nach § 15 Abs. 3 VwGVG zwar die Behörde über die Rechtzeitigkeit und Zulässigkeit des Vorlageantrages absprechen müsse, wenn die Behörde jedoch den Vorlageantrag nicht als verspätet zurückgewiesen und diesen mit der Beschwerde dem BVwG vorgelegt habe, diese Zuständigkeit dem Verwaltungsgericht zukomme, zumal mit der Vorlage des Vorlageantrages, der Beschwerde und des Verwaltungsaktes die Zuständigkeit zur Führung des Verfahrens auf das BVwG übergegangen und die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde erloschen sei, nicht entgegen.

Der Vorlageantrag war daher spruchgemäß vom Bundesverwaltungsgericht als verspätet zurückzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil zu den gegenständlich anzuwendenden Bestimmungen - wie im Erkenntnis angeführt - zahlreiche Judikate des Verwaltungsgerichtshofes vorliegen, die Rechtsfragen in der bisherigen Rechtsprechung einheitlich beantwortet wurden und in der vorliegenden Entscheidung von der höchstrichterlichen Spruchpraxis auch nicht abgewichen wurde.

Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung:

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 30.9.2015, Ra 2015/06/0073, im Falle einer Beschwerde gegen die Zurückweisung eines verspäteten Vorlageantrages ausgesprochen, dass eine solche Entscheidung, in der nur darüber abgesprochen wird, ob ein Rechtsmittel zulässig ist, nicht aber über die Sache selbst, aus Sicht des Art. 6 EMRK keine inhaltliche Entscheidung über eine strafrechtliche Anklage oder über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen ist. Die Verfahrensgarantie des "fair hearing" im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK kommt nicht zur Anwendung, wenn einer Entscheidung in der Sache Prozesshindernisse entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht konnte daher von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung absehen.

Schlagworte

Rechtsmittelfrist Verspätung Vorlageantrag Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:L501.2224949.2.00

Im RIS seit

30.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

30.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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