TE Vwgh Erkenntnis 1997/3/13 96/18/0151

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Veröffentlicht am 13.03.1997
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, über die Beschwerde der N in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 21. Februar 1996, Zl. SD 190/96, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 21. Februar 1996 wurde die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Jugoslawischen Föderation, gemäß § 17 Abs. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.

Die Beschwerdeführerin sei im November 1991 gemeinsam mit ihrer damals dreijährigen Tochter sichtvermerksfrei nach Österreich eingereist und illegal im Bundesgebiet geblieben. Am 17. Jänner 1994 habe sie bei der österreichischen Botschaft in Preßburg einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt. Dieser Antrag - der ihr keine (vorläufige) Aufenthaltsberechtigung verschaffen habe können - sei mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 3. Mai 1995 und in der Folge im Instanzenzug vom Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 11. August 1995 abgewiesen worden. Die dagegen erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof sei von diesem mit Erkenntnis vom 20. Oktober 1995 (ergänze: Zl. 95/19/0986) abgewiesen worden. Es stehe somit fest, daß die Beschwerdeführerin bisher - vom sichtvermerksfreien Aufenthalt im Jahr 1991 abgesehen - nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt gewesen sei.

Die Beschwerdeführerin leite einen Eingriff in ihr Privat- und Familienleben i.S. des § 19 FrG daraus ab, daß sie sich bereits seit vier Jahren in Österreich aufhalte, ihre Tochter hier die erste Klasse Volksschule besuche, sie mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet sei, und ihr Onkel seit langem in Österreich lebe. Soweit man bei durch einen illegalen Aufenthalt geschaffenen Umständen - in bezug auf die Ehe sei übrigens ein Nichtigkeitsverfahren anhängig - von einem solchen Eingriff sprechen wolle, sei der mit einer Ausweisung verbundene Eingriff, durch den es der Beschwerdeführerin unmöglich werde, den unrechtmäßigen Aufenthalt fortzusetzen, zur Verteidigung eines geordneten Fremdenwesens, somit zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele, dringend geboten. Einem geordneten Fremdenwesen komme ein hoher Stellenwert zu. Die Beschwerdeführerin könne während ihres illegalen Aufenthaltes im Inland keine "Verlängerung" einer Aufenthaltsbewilligung erhalten. Sie werde sich daher ins Ausland begeben müssen, um eine Aufenthaltsbewilligung beantragen zu können.

Den Auswirkungen auf die während des unrechtmäßigen Aufenthaltes geschaffene Lebenssituation der Beschwerdeführerin komme in diesem Zusammenhang keine relevante Bedeutung zu. Auch aus dem Hinweis, daß gegen ihre Tochter keine Ausweisung ausgesprochen worden sei, und daß ihre Abschiebung eine Zerreißung der Familienbande zu ihrer Tochter bedeuten würde, sei für sie nichts zu gewinnen, weil die Ausweisung für sie nur die Verpflichtung enthalte, das Bundesgebiet zu verlassen - und keine Abschiebung anordne - und weil, abgesehen davon, daß auch bei der Tochter die Voraussetzungen für eine Ausweisung vorlägen, nicht angenommen werden könne, daß die Beschwerdeführerin ihrer Ausreiseverpflichtung unter Zurücklassung der Tochter nachkommen werde.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in der von ihr erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Beschwerde bleibt die Ansicht der belangten Behörde, daß sich die Beschwerdeführerin - abgesehen von ihrem sichtvermerksfreien (dreimonatigen) Aufenthalt nach ihrer Einreise im November 1991 - unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, unbekämpft. Auf dem Boden der unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen hegt der Gerichtshof gegen diese Beurteilung keine Bedenken. Die Behörde hatte demnach - vorbehaltlich der Zulässigkeit nach § 19 FrG - die Ausweisung im Grunde des § 17 Abs. 1 leg. cit. zu verfügen.

2.1. Die Beschwerde hält den angefochtenen Bescheid wegen Verstoßes gegen § 19 FrG für rechtswidrig und führt dazu ihre sowie ihrer Tochter "starke Integration" und die "bestehenden Familienbande" ins Treffen. Dazu komme noch die "bestehende funktionstüchtige Ehe"; ein (angeblich) anhängiges Nichtigkeitsverfahren habe für die rechtliche Beurteilung (nach § 19 FrG) keine Bedeutung. Hätte die belangte Behörde die bestehende Ehe - die Annahme eines Ehenichtigkeitsverfahrens sei aktenwidrig - berücksichtigt, so hätte sie die Ausweisung aufgrund der "starken Familienbande (mj. Kind und Ehegatte)" nicht verfügt.

2.2. Die belangte Behörde kam - unter der Annahme des Vorliegens eines i.S. des § 19 FrG relevanten Eingriffes in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin durch diese Maßnahme - zu dem Ergebnis, daß die Ausweisung nach dieser Bestimmung dringend geboten sei. Der Gerichtshof pflichtet dieser Auffassung bei.

Zum einen kommt der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein hoher Stellenwert zu (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, etwa das Erkenntnis vom 24. Oktober 1996, Zl. 96/18/0435, mwN). Dieses Allgemeininteresse erfuhr vorliegend schon im Hinblick darauf, daß der Aufenthalt der Beschwerdeführerin - von einem dreimonatigen Zeitraum abgesehen - zur Gänze, also bereits ca. vier Jahre, unrechtmäßig ist, eine erhebliche Beeinträchtigung. Das maßgebliche öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens wurde durch die Beschwerdeführerin aber noch zusätzlich dadurch mißachtet, daß sie ungeachtet der rechtskräftigen Abweisung ihres Aufenthaltsbewilligungsantrages und der für sie negativen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes in dieser Angelegenheit weiterhin an einem Aufenthalt im Bundesgebiet festhielt. Zum anderen haben die privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführerin - wenn man ihnen Eingriffsrelevanz i.S. des § 19 FrG beimißt - nicht das Gewicht, das die Beschwerde annimmt. Denn, wie die belangte Behörde zutreffend hervorhob, wurden die aus der Eheschließung und der Beschäftigung resultierenden persönlichen Interessen zu einer Zeit geschaffen, als sich die Beschwerdeführerin unrechtmäßig in Österreich aufhielt und sie mangels Erlangung einer Aufenthaltsbewilligung auch nicht mit einem Verbleiben im Bundesgebiet rechnen durfte. Von daher schlagen eine allfällige Integration der Beschwerdeführerin, ihre Beschäftigung und auch die von ihr eingegangene Ehe nur unwesentlich zu ihren Gunsten zu Buche. Was schließlich die Bindung der Beschwerdeführerin zu ihrer Tochter anlangt, so ging die belangte Behörde im Hinblick auf die der Mutter zukommende Obsorge durchaus nicht unzutreffend von der Annahme aus, daß die Beschwerdeführerin gemeinsam mit ihrem (achtjährigen) Kind ausreisen werde. Inwieweit in dieser Annahme, so wie die Beschwerde meint, eine zynische Argumentation gelegen sei, vermag der Gerichtshof nicht zu erkennen. Vielmehr scheint ihm diese Annahme umso mehr gerechtfertigt zu sein, als sich der unwidersprochenen Feststellung im bekämpften Bescheid zufolge auch die Tochter der Beschwerdeführerin unrechtmäßig in Österreich aufhält. Jedenfalls aber hat die Beschwerde nicht einmal behauptet, daß eine gemeinsame Ausreise von Mutter (Beschwerdeführerin) und Tochter unzumutbar wäre; auch für den Gerichtshof ist nicht ersichtlich, daß einem (vorübergehenden) gemeinsamen Aufenthalt der beiden Personen im Ausland ein unüberwindbares Hindernis entgegenstünde.

Die vorstehenden Erwägungen zeigen, daß der von der belangten Behörde im Beschwerdefall vertretenen Ansicht des Vorranges des maßgeblichen öffentlichen Interesses dergestalt, daß mit Rücksicht auf dieses auch unter Bedachtnahme auf gegenläufige persönliche Interessen der Beschwerdeführerin die Ausweisung notwendig sei, nicht mit Erfolg entgegengetreten werden kann.

3. Bei diesem Ergebnis ist dem Beschwerdevorwurf, die belangte Behörde habe hinsichtlich der Integration der Beschwerdeführerin wie auch ihrer Tochter und in bezug auf ihre "wirtschaftliche Existenz" in Österreich die erforderlichen Ermittlungen unterlassen, der Boden entzogen. Gleiches gilt in Ansehung der Beschwerdebehauptung, die Annahme der belangten Behörde, es wäre ein Ehenichtigkeitsverfahren anhängig, sei aktenwidrig - wobei ergänzend angemerkt sei, daß entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin die Erhebung einer Ehenichtigkeitsklage gemäß § 23 Ehegesetz aktenkundig ist.

4. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996180151.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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