Entscheidungsdatum
23.04.2021Norm
BFA-VG §17Spruch
W110 2173821-1/27E
Beschluss
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Ingrid ZEHETNER als Einzelrichterin über die Anträge des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt XXXX , vom XXXX :
A)
I. Der Antrag, „das Bundesverwaltungsgericht möge der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkennen“, wird zurückgewiesen.
II. Der Antrag, „das Bundesverwaltungsgericht möge eine einstweilige Anordnung nach Unionsrecht für die Gewährung eines Aufenthaltsrechts bis zur Entscheidung in der Sache selbst durch den VfGH einräumen“, wird zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang
1. XXXX (im Folgenden: „Antragsteller“) stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet.
2. Mit Bescheid vom XXXX , Zl. XXXX , wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Antragstellers auf internationalen Schutz zur Gänze ab. Es wurde kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt.
3. Hiergegen wurde am XXXX Beschwerde erhoben.
4. Mit Erkenntnis vom XXXX , XXXX , wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab.
5. Gegen diese Entscheidung wurde am XXXX Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben und zugleich ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gestellt.
6. Mit Schreiben vom XXXX beantragte der Antragsteller beim Bundesverwaltungsgericht, „1. das Bundesverwaltungsgericht möge der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkennen; in eventu 2. das Bundesverwaltungsgericht möge eine einstweilige Anordnung nach Unionsrecht für die Gewährung eines Aufenthaltsrechts bis zur Entscheidung in der Sache selbst durch den VfGH einräumen.“
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
1.1. Das Bundesverwaltungsgericht wies mit Erkenntnis vom XXXX , XXXX , die Beschwerde des Antragstellers gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , als unbegründet ab.
1.2. Mit Beschwerde vom XXXX wurde die Überprüfung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes durch den Verfassungsgerichtshof eingeleitet. Der Antragsteller beantragte zugleich mit der Beschwerde die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.
1.3. Am XXXX stellte der Antragsteller beim Bundesverwaltungsgericht die Anträge, „1. das Bundesverwaltungsgericht möge der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkennen; in eventu 2. das Bundesverwaltungsgericht möge eine einstweilige Anordnung nach Unionsrecht für die Gewährung eines Aufenthaltsrechts bis zur Entscheidung in der Sache selbst durch den VfGH einräumen.“
2. Beweiswürdigung
Die Ausführungen gründen sich auf die jeweils erwähnten Unterlagen und Schriftsätze, die Teil des dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verfahrensaktes sind.
3. Rechtliche Beurteilung
Zu A)
3.1. Rechtsgrundlagen
3.1.1. Das Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 146/2020, lautet auszugsweise:
„Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde
§ 17. (1) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird und
1. diese Zurückweisung mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist oder
2. eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung bereits besteht
sowie der Beschwerde gegen eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG jeweils binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen durch Beschluss die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Staat, in den die aufenthaltsbeendende Maßnahme lautet, eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.
[…]“
„Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde
§ 18. […]
(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.
[…]“
3.1.2. Das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 – VfGG, BGBl. Nr. 85/1953 idF BGBl. I Nr. 24/2020, lautet auszugsweise:
„§ 20a. Unbeschadet des § 85 kann der Verfassungsgerichtshof in bei ihm anhängigen Rechtssachen durch Beschluss einstweiligen Rechtsschutz zuerkennen, wenn dies nach den Vorschriften des Unionsrechts erforderlich ist.“
„§ 85. […]
(2) Der Verfassungsgerichtshof hat der Beschwerde auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bedarf nur dann einer Begründung, wenn durch sie Interessen anderer Parteien berührt werden. Wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Beschwerde maßgebend waren, wesentlich geändert haben, ist von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei neu zu entscheiden.
[…]“
3.2. Hauptantrag des Antragstellers
3.2.1. Der (anwaltlich vertretene) Antragsteller beantragte primär, „das Bundesverwaltungsgericht möge der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkennen.“
3.2.2. Hierzu ist eingangs festzuhalten, dass sich § 18 Abs. 5 BFA-VG an Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht richtet: Hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkannt, kann diese vom Bundesverwaltungsgericht wieder zuerkannt werden.
Abgesehen davon, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in seinem Bescheid vom XXXX der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gar nicht aberkannte und auf der Grundlage der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einem Asylwerber gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG kein Antragsrecht zusteht, sondern das Verwaltungsgericht vielmehr amtswegig das Wiederzuerkennen einer allfällig aberkannten aufschiebenden Wirkung zu prüfen hat (VwGH 20.09.2017, Ra 2017/19/0284), wurde über die Beschwerde des Antragstellers bereits mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX entschieden. Es ist nicht ersichtlich, wie der Beschwerde damit noch eine aufschiebende Wirkung vom Bundesverwaltungsgericht gewährt werden könnte.
3.2.3. Auch die Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung auf Grundlage des § 17 BFA-VG (vgl. die Überschrift im Schreiben vom XXXX : „2. Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gem. § 17 BFA-VG“) ist nicht umsetzbar: § 17 BFA-VG, wonach das Bundesverwaltungsgericht jenen Beschwerden, denen gemäß § 16 BFA-VG grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung zukommt, unter definierten Voraussetzungen aufschiebende Wirkung zuzuerkennen hat, knüpft ebenfalls an Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht an und wurde über die Beschwerde des Antragstellers schon mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX abgesprochen.
Im Übrigen handelte es sich um keine solche Beschwerde, der keine aufschiebende Wirkung zukam (die Beschwerde richtete sich gegen keine Entscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, mit der der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wurde) und sieht § 17 BFA-VG kein Antragsrecht eines Asylwerbers auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung vor (die gerichtliche Überprüfung hat vielmehr von Amts wegen zu erfolgen; VwGH 24.10.2018, Ra 2018/14/0133).
3.2.4. Aus den dargestellten Gründen war der Hauptantrag des Antragstellers nicht mit Erfolg beschieden und dieser zurückzuweisen.
3.2.5. Der Antragsteller erhob am XXXX eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Sofern dieser mit seinem gegenständlichen Antrag intendierte, dass das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde gemäß Art. 144 B-VG aufschiebende Wirkung gewähren solle, damit der Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses vom XXXX bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes in der Sache aufgeschoben werde, wird auf § 85 VfGG verwiesen. Der Verfassungsgerichtshof hat auf Antrag über die aufschiebende Wirkung in Beschwerdeverfahren nach Art. 144 B-VG zu erkennen und nicht das Bundesverwaltungsgericht.
Wie dem Schriftsatz vom XXXX zu entnehmen ist, hat der Antragsteller bereits einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beim Verfassungsgerichtshof gestellt.
3.3. Eventualantrag des Antragstellers
3.3.1. Der Antragsteller begehrte in eventu, „das Bundesverwaltungsgericht möge eine einstweilige Anordnung nach Unionsrecht für die Gewährung eines Aufenthaltsrechts bis zur Entscheidung in der Sache selbst durch den VfGH einräumen.“
3.3.2. Soweit der Antragsteller vermeint, dass aus dem Gemeinschaftsrecht eine Verpflichtung des Bundesverwaltungsgerichtes abzuleiten sei, ihm einstweiligen Rechtsschutz bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes zu gewähren, wird dem entgegengehalten, dass – anders als beim Verwaltungsgerichtshof, bei dem trotz mehrerer Anläufe keine explizite Rechtsgrundlage geschaffen werden konnte, weshalb im Revisionsverfahren über den einstweiligen Rechtsschutz das „sachnächste Gericht“, d.h. das Verwaltungsgericht, abzusprechen hat (VwGH 31.10.2019, Ra 2019/20/0470) – der mit der Novelle BGBl. I Nr. 92/2014 eingeführte § 20a VfGG bestimmt, dass der Verfassungsgerichtshof unbeschadet des § 85 VfGG in bei ihm anhängigen Rechtssachen durch Beschluss einstweiligen Rechtsschutz zuerkennen kann, wenn dies nach den Vorschriften des Unionsrechts erforderlich ist.
Da vorliegend vom Antragsteller lediglich eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, nicht aber eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben wurde, kommt § 20a VfGG zur Anwendung und ist das Bundesverwaltungsgericht mangels anhängigem Revisionsverfahren nicht „sachnächstes Gericht“ für eine Entscheidung über den einstweiligen Rechtsschutz im Sinne der höchstgerichtlichen Rechtsprechung.
Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz auf Basis des Unionsrechts nicht in den Zuständigkeitsbereich des Bundesverwaltungsgerichtes fällt, sondern vielmehr vom Verfassungsgerichtshof zu behandeln ist (wobei § 20a VfGG kein Antragsrecht beinhaltet).
3.3.3. In Anbetracht der klaren gesetzlichen Regelung zum einstweiligen Rechtsschutz war der Antrag des Antragstellers zurückzuweisen.
Unter einem wird der Antrag zuständigkeitshalber gemäß § 17 VwGVG iVm § 6 Abs. 1 AVG an den Verfassungsgerichtshof weitergeleitet.
Zu B)
3.4. Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt:
Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt – so wie hier – dann nicht vor, wenn die Rechtslage eindeutig ist (VwGH 12.11.2020, Ra 2020/16/015; 30.01.2020, Ra 2018/11/0210).
Schlagworte
Antragsrecht aufschiebende Wirkung einstweilige Anordnung Unzuständigkeit VfGH ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W110.2173821.1.01Im RIS seit
29.06.2021Zuletzt aktualisiert am
29.06.2021