Entscheidungsdatum
26.04.2021Norm
AsylG 2005 §10Spruch
W231 2238384-1/16E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Birgit HAVRANEK als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Demokratische Republik Kongo, vertreten durch Kübra ATASOY-ÖZOGLU, p.A. „Asyl in Not“, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.11.2020, Zl. XXXX , zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Die Mutter des BF stellte am 06.03.2000 in Österreich einen Asylantrag. Mit im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates (in der Folge UBAS) vom 16.12.2002, Zl. 219.260/0-XII/36/00, wurde ihr letztlich gemäß § 7 AsylG 1997 Asyl gewährt.
Sie brachte im Asylverfahren vor, ihr Ehemann XXXX , auch XXXX , der Vater des BF, sei Geschäftsmann und habe mit den Kindern des früheren Staatspräsidenten bzw. Diktators Mobutu zusammengearbeitet und mit ihnen Geschäfte gemacht. Deswegen seien sie im Jahr 1999 von der Regierung unter dem nunmehrigen Staatspräsidenten Kabila verfolgt worden. Schließlich sei der Vater des BF im November 1999 verhaftet und die Mutter des BF vergewaltigt bzw. mit der Vergewaltigung bedroht worden. Sie habe keine Nachricht erhalten, wo sich ihr Ehemann bzw. der Vater des BF aufhalte oder ob er noch am Leben sei. Sie habe ihren Mann gesucht, jedoch nicht gefunden. Im Falle einer Rückkehr fürchte sie wegen ihres Ehemannes verhaftet werden. Sie habe Kinshasa am 20.12.1999 mit ihren sechs Kindern verlassen und sei zunächst in ihren Geburtsort Kisangani gereist, wo sie während ihres Aufenthaltes immer wieder auf die Verhaftung ihres Ehemannes angesprochen worden sei. Schließlich sei sie von der Polizei abgeholt und auf der Polizeistation befragt worden. Sie sei kurzfristig in Haft genommen, am selben Tag jedoch wieder entlassen worden. Sie sei ausgereist und schließlich nach Österreich gekommen.
Dieses Fluchtvorbringen der Mutter des BF wurde vom UBAS nach weiteren Recherchen und Durchführung einer mündlichen Verhandlung für glaubwürdig erachtet. Die Furcht vor politisch motivierter Verfolgung sei wohlbegründet, da es bereits zu politisch motivierten Verfolgungshandlungen gegen ihren Ehemann (Vater des BF) und gegen sie selbst gekommen sei. Ihr Ehemann habe wegen seiner Zusammenarbeit mit den Söhnen des früheren Diktators Mobutu mehrfache Verhaftungen zu erdulden gehabt und werde seit einer am 29.11.1999 erfolgten Verhaftung vermisst. Die Mutter des BF sei wegen der Tätigkeit ihres Ehemannes für den früheren Präsidenten Mobutu von Soldaten mit der Vergewaltigung bedroht und kurzfristig festgehalten worden. Zwar habe sich die Menschenrechtslage in der DR Kongo unter der Regierung des nunmehrigen Staatspräsidenten Joseph Kabila tendenziell verbessert, doch es könne nach wie vor zu willkürlichen Verhaftungen und zur Anhaltung in sogenannten inoffiziellen Festhaltezentren kommen. Daher erscheine eine Inhaftierung und Anhaltung der Mutter des BF (allenfalls in inoffiziellen Festhaltezentren) nach wie vor möglich, dies im Hinblick auf ihre Ehe mit ihrem im Jahr 1999 aus politischen Gründen verhafteten Ehemann.
2. Der BF brachte am 25.05.2000 einen Antrag auf Erstreckung des seiner Mutter zu gewährenden Asylrechts ein.
3. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.09.2000, Zl. 00 03.426-BAT, wurde dieser Antrag gemäß § 10 iVm § 11 Abs. 1 AsylG 1997 abgewiesen. Gegen diesen Bescheid erhob der BF Berufung.
4. Mit Berufungsentscheidung vom 15.01.2003, Zl. 219.260/13-XII/36/03, änderte der UBAS den angefochtenen Bescheid dahingehend ab, dass der Asylerstreckungsantrag gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 1997 als unzulässig zurückgewiesen wurde, da der BF mittlerweile das 18. Lebensjahr vollendet habe, weshalb der auf die Minderjährigkeit gestützte Antrag im Hinblick auf § 10 Abs. 2, 2. Satz, 1. Satzteil AsylG 1997 unzulässig geworden sei. Gegen diese Entscheidung erhob der BF Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof (in der Folge VwGH).
5. Mit Erkenntnis des VwGH vom 15.05.2003, Zl. 2003/01/0084-7, wurde die Berufungsentscheidung des UBAS vom 15.01.2003 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben; das Erreichen der Volljährigkeit schließe eine Asylerstreckung nicht aus, sofern der Asylerstreckungswerber im Antragszeitpunkt minderjährig war.
6. Mit Bescheid des UBAS vom 13.11.2003, Zl. 219.260/17-XII/36/03, wurde der Berufung gegen den Bescheid vom 11.09.2000 stattgegeben und dem BF gemäß § 11 Abs. 1 AsylG 1997 durch Erstreckung Asyl gewährt. Gemäß § 12 leg. cit. wurde festgestellt, dass ihm damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
7. In der Folge hielt sich der BF als Asylberechtigter in Österreich auf und wurde mehrfach straffällig. Er wurde im Zeitraum von 20.02.2006 (Datum der ersten Verurteilung) bis 19.12.2013 (Datum der letzten Verurteilung) insgesamt sieben Mal rechtskräftig verurteilt. Mit dem achten Strafurteil vom 03.09.2015 wurde der BF gemäß § 21 Abs. 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, wo er sodann betreut wurde.
8. Am 13.02.2019 leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA oder belangte Behörde) ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten gegen den BF ein.
9. Am 23.07.2020 wurde der BF niederschriftlich einvernommen, ihm wurde das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur Demokratischen Republik Kongo übermittelt.
10. Der BF erstattete mit Schreiben vom 11.08.2020 eine Stellungnahme.
11. Die belangte Behörde stellte eine Anfrage an die Staatendokumentation hinsichtlich der Behandlungsmöglichkeiten der psychischen Erkrankung des BF bzw. der Verfügbarkeit notwendiger Medikamente in der DR Kongo. In der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 23.10.2020 wurde ausgeführt, dass die vom BF benötigten Wirkstoffe und relevante Behandlungen in Kinshasa verfügbar seien.
12. Mit Schreiben vom 20.11.2020 erstattete der BF eine Stellungnahme zu der ihm übermittelten Anfragebeantwortung und verwies auf seine Stellungnahme vom 11.08.2020.
13. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 27.11.2020 wurde der dem BF mit Bescheid vom 13.11.2003, Zl. 219.260/17-XII/36/03, zuerkannte Status des Asylberechtigten gem. § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aberkannt. Gem. § 7 Abs. 4 AsylG 2005 wurde festgestellt, dass dem BF die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Weiters wurde dem BF kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF in die Demokratische Republik Kongo gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist zur Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dem BF sei der Status des Asylberechtigten im Familienverfahren durch Asylerstreckung von seiner Mutter zuerkannt worden. Daraus folge, dass die Behörde bereits damals keine individuellen Fluchtgründe betreffend den BF feststellen habe können, andernfalls hätte er originären Schutz erhalten. Die Zuerkennung des Status an seine Mutter sei im Wesentlichen damit begründet worden, dass sie einer Verfolgung durch die Sicherheitskräfte während des Kabila-Regimes aufgrund des Vaters des BF ausgesetzt gewesen sei. Der BF habe im Rahmen der niederschriftlichen Videoeinvernahme am 23.07.2020 keine aktuellen oder individuellen Fluchtgründe bzw. Rückkehrbefürchtungen vorgebracht, sondern auf seinem Recht zu schweigen beharrt. In seiner Stellungnahme vom 11.08.2020 habe er auf das Wahlgeschehen und den politischen Machtwechsel in der DR Kongo Bezug genommen, einen Wahlbetrug verortet und darzulegen versucht, wieso er der Ansicht sei, dass es sich um keinen friedlichen Machtwechsel – entgegen der Länderinformationen der Staatendokumentation – gehandelt hätte. Er habe vorgebracht, dass ihm aufgrund der dargestellten politischen Verfolgung, welche er einzig auf einen vermeintlich präsenten Machteinfluss Kabilas gestützt habe, nach wie vor Verfolgung drohen würde. Diese Gründe seien nicht geeignet, eine relevante Gefährdungslage für den BF darzustellen. Die Voraussetzungen eines Familienverfahrens würden insofern nicht mehr vorliegen, als der BF einerseits nunmehr volljährig sei und andererseits auch wiederholt straffällig geworden sei. Hätte die betreffende Person vor Gewährung des Schutzes die entsprechende strafbare Handlung getätigt und hätte diese auch zu einem entsprechenden strafrechtlichen Urteil geführt, wäre es erst gar nicht zur Schutzgewährung gekommen. Demnach sei konsequenterweise in Fällen, in denen es nach der Gewährung des Schutzes zur Straffälligkeit komme, ein Berufen auf ein weiter bestehendes Familienverfahren unzulässig. Damit seien auch die früher bestehenden Voraussetzungen für eine Schutzgewährung aufgrund eines Familienverfahrens im Fall des BF nicht mehr gegeben. Die Umstände, die einst zur Statusgewährung geführt hätten, seien somit nicht mehr gegeben und der BF könne es daher nicht weiterhin ablehnen, sich unter den Schutz seines Heimatlandes zu stellen. „Der Vollständigkeit wegen“ werde darauf hingewiesen, dass die Gründe, die zur Zuerkennung von Asyl an die Mutter des BF geführt hätten, insofern nicht mehr vorliegen würden, als im Jänner 2019 nach der Präsidentschaftswahl der Oppositionelle und Mitglied der UDPS Félix Tshisekedi das Präsidentschaftsamt übernommen habe. Eine systematische Verfolgung von ehemaligen Oppositionsmitgliedern zu Zeiten des Kabila-Regimes bzw. Unterstützern des ehemaligen Machthabers Mobutu, könne aufgrund des politischen Machtwechsels und der nunmehrigen Führung von Tshisekedi jedenfalls ausgeschlossen werden. Daher sei dem BF der Status des Asylberechtigten nach § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 abzuerkennen.
14. Dagegen erhob der BF fristgerecht die zulässige Beschwerde. Die Asyl-Aberkennung sei zu Unrecht erfolgt.
15. Am 07.01.2021 langte die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.
16. Das Bundesverwaltungsgericht richtete u.a. am 01.02.2021 für den konkreten Fall eine Anfrage an die Staatendokumentation des BFA zur allfälligen Verfolgung von Personen, die unter dem Kabila-Regime wegen Zusammenarbeit mit dem früheren Diktator Mobutu oder dessen Angehörigen politisch verfolgt wurden auch unter der aktuellen Staatsführung.
17. Das BFA übermittelte mit Schreiben vom 01.03.2021 eine Anfragebeantwortung von ACCORD vom 22.02.2021 zur Demokratischen Republik Kongo: „Informationen zur Lage von Personen, die unter dem Kabila-Regime, insbesondere wegen der Zusammenarbeit mit Mobutu oder dessen Angehörigen, zum Ziel der Behörden geworden sind“.
18. Die Anfragebeantwortung wurde dem BF und dem BFA übermittelt und die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt. Zudem wurde den Parteien das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur Demokratischen Republik Kongo, Gesamtaktualisierung am 17.12.2020, übermittelt. Der BF übermittelte durch seine Rechtsvertretung mit Schreiben vom 23.04.2021 eine Stellungnahme, in welcher auf die Stellungnahme vom 11.08.2020 verwiesen wurde, weiters wurden einige ergänzende Anmerkungen zum Länderinformationsblatt getätigt, insbesondere auch zur Situation in Bezug auf Covid 19, die Ebola Epidemie und die Cholera Epidemie, abschließend wurde die Einstellung des Aberkennungsverfahrens beantragt, da diesem jegliche rechtliche Grundlage fehle. Die belangte Behörde nahm davon Abstand, zu den übermittelten Unterlagen eine Stellungnahme abzugeben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen:
II.1.1. Der BF führt den im Spruch genannten Namen, ist an dem im Spruch genannten Datum geboren und Staatsangehöriger der Demokratischen Republik Kongo. Er ist Angehöriger der Volksgruppe Luba und evangelischen Glaubens. Der BF ist ledig und hat einen Sohn, der in Österreich lebt. In Österreich leben weiters seine Mutter, seine Geschwister und seine Großmutter.
Mit Bescheid des UBAS vom 16.12.2002, Zl. 219.260/0-XII/36/00, wurde der Mutter des BF gemäß § 7 AsylG 1997 Asyl gewährt. Dem BF wurde mit im Instanzenzug ergangenen Bescheid des UBAS vom 13.11.2003, Zl. 219.260/17-XII/36/03, gemäß § 11 Abs. 1 AsylG 1997 durch Erstreckung Asyl gewährt.
Die Zuerkennung von Asyl an die Mutter des BF wurde durch den UBAS – nach Durchführung einer Berufungsverhandlung und Einholung eines Berichtes des Vertrauensanwaltes der Österreichischen Botschaft – wie folgt begründet:
In ihrem Fall sei aufgrund der Sachverhaltslage davon auszugehen, dass sie ihr Heimatland – im Hinblick auf die von ihr glaubwürdig dargestellten politisch motivierten Verfolgungshandlungen gegen ihren Ehemann, den Vater des BF, und gegen sie selbst – als Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention verlassen habe. Ihre Furcht vor politisch motivierter Verfolgung sei insgesamt wohlbegründet. Ihr Ehemann habe wegen seiner Zusammenarbeit mit den Söhnen des früheren Diktators bzw. Präsidenten Mobutu mehrfache Verhaftungen zu erdulden gehabt und werde seit einer am 29.11.1999 erfolgten Verhaftung vermisst. Die Mutter des BF sei wegen der Tätigkeit ihres Ehemannes für den früheren Präsidenten Mobutu von Soldaten mit der Vergewaltigung bedroht und kurzfristig festgehalten worden. Zwar habe sich die Menschenrechtslage in der DR Kongo unter der Regierung des nunmehrigen Staatspräsidenten Joseph Kabila tendenziell verbessert, doch es könne nach wie vor zu willkürlichen Verhaftungen und zur Anhaltung in sogenannten inoffiziellen Festhaltezentren kommen. Eine Rückkehr in das Heimatland könne der Mutter des BF nicht zugemutet werden, da eine Inhaftierung und Anhaltung der Mutter des BF (allenfalls in inoffiziellen Festhaltezentren) nach wie vor möglich erscheine, dies im Hinblick auf ihre Ehe mit ihrem im Jahr 1999 aus politischen Gründen verhafteten Ehemann.
II.1.2. Es kann nicht festgestellt werden, dass nachhaltige und wesentliche Änderungen der rechtskräftig und glaubwürdig bereits durch den UBAS als asylrelevant festgestellten Situation der Mutter des BF – die sich aufgrund der Asylerstreckung unmittelbar auf den BF auswirkt – nunmehr eingetreten seien.
II.1.3. Der BF wurde in Österreich mehrmals straffällig:
Er wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes Graz, Zl. 64 U 301/2005K, vom 20.02.2006, rechtskräftig seit 24.02.2006, wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je EUR 3,-, im Nichteinbringungsfall 20 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt. Dem liegt der Sachverhalt zugrunde, dass der BF versucht hatte, in einem Elektrogroßmarkt ein Videospiel im Wert von EUR 54,90 zu stehlen. Als mildernd wurde im Rahmen der Strafzumessungsgründe sein Geständnis gewertet, einen Erschwerungsgrund gab es nicht.
Er wurde weiters mit Urteil des Landesgerichtes Leoben, Zl. 12 HV/38/2006H, vom 13.04.2006, rechtskräftig seit 25.07.2006, wegen der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB und des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 7 Monaten (Probezeit 3 Jahre) verurteilt. Dem lag zugrunde, dass der BF seine Schwester dadurch, dass er ihr ein Bein stellte, wodurch sie zu Sturz kam, und ihr in weiterer Folge einen Fußtritt gegen den Kopf versetzte, verletzt hatte (Prellungen im Ellbogenbereich). Weiters hatte er versucht, Polizeibeamte durch gefährliche Drohungen mit zumindest einer Verletzung am Körper, indem er ein Küchenmesser in Richtung der Beamten hielt und sich ihnen näherte, an einer Amtshandlung, nämlich der Durchführung von Sachverhaltserhebungen, zu hindern. Als mildernd wurden das teilweise Geständnis und der teilweise Versuch gewertet, als erschwerend das Zusammentreffen von zwei Vergehen und der rasche Rückfall nur 7 Tage nach der unter 1. genannten Verurteilung.
Der BF wurde zudem mit Urteil des Bezirksgerichtes Graz-West, Zl. 3 U 115/2007S, vom 22.06.2007, rechtskräftig seit 26.06.2007, wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je EUR 3,-, im Nichteinbringungsfall 60 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt. Dem lag zugrunde, dass der BF eine andere Person durch das Versetzen von Schlägen verletzt hatte (Gehirnerschütterung, Rissquetschwunde im Gesichtsbereich). Als mildernd wurde das Geständnis des BF gewertet, als erschwerend eine einschlägige Vorstrafe.
Er wurde weiters mit Urteil des Bezirksgerichtes Graz-West, Zl. 3 U 176/2007M, vom 23.11.2007, rechtskräftig seit 27.11.2007, wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je EUR 5,-, im Nichteinbringungsfall 20 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt. Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass der BF jemanden durch Versetzen eines Faustschlages in den Bereich des Auges verletzt hatte (Rissquetschwunde). Als mildernd wurde das Geständnis des BF gewertet, als erschwerend eine einschlägige Vorstrafe.
Er wurde weiters mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz, Zl. 15 HV 36/2011A, vom 07.06.2011, rechtskräftig seit 10.08.2011, wegen der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 5 Monaten (Probezeit 3 Jahre) verurteilt. Dem lag zugrunde, dass der BF jemanden durch Versetzen einer Ohrfeige verletzt hatte (Prellung der Wange), eine andere Person durch Versetzen eines Faustschlages in das Gesicht verletzt hatte (Prellung des Unterkiefers) und letztere Person durch die Äußerung „du wirst büßen, dich lass ich bluten“ mit einer Verletzung am Körper gefährlich bedroht hatte. Als erschwerend wurden zwei einschlägige Vorverurteilungen und das Zusammentreffen von drei Vergehen gewertet, einen Milderungsgrund gab es nicht.
Er wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, Zl. 114 HV 1/2013x, vom 01.07.2013, rechtskräftig seit 25.03.2014, wegen der Vergehen I. des Diebstahls nach § 127 StGB, II. der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs. 1 StGB, III. der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB, IV. der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs. 1 Z 5 StGB sowie V. des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 erster Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten, davon 11 Monate bedingt (Probezeit 3 Jahre), verurteilt. Die Probezeit zum Urteil zu 5. wurde auf 5 Jahre verlängert. Dem Urteil lag zugrunde, dass der BF zu I. einer anderen Person EUR 20,- Bargeld und Verfügungsberechtigten einer Bank EUR 200,- durch Kontobehebung weggenommen hatte, zu II. eine fremde Bankomatkarte eigenmächtig aus der Geldbörse der Person an sich genommen hatte, zu III. eine weitere Person durch einen Kopfstoß verletzt hatte (Prellungen im Kopfbereich und der Lendenwirbelsäule, Rissquetschwunde an der Oberlippe), zu IV. in einem Haftraum einer Justizanstalt einen Kasten und eine Wolldecke in Brand gesetzt hatte und zu V. die einschreitenden Justizwachebeamten mit Gewalt, u.a. durch Schläge und Tritte, an einer Amtshandlung, nämlich seiner Visitierung und Verbringung in einen anderen Haftraum, zu hindern versucht hatte. Dabei wurden als erschwerend vier einschlägige Vorstrafen und das Zusammentreffen von fünf Vergehen, als mildernd das Teilgeständnis, der teilweise Versuch und die stark herabgesetzte Diskretions- und Dispositionsfähigkeit gewertet.
Er wurde weiters mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, Zl. 011 HV 83/2013y, vom 19.12.2013 wegen der Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 dritter Fall StGB und des Betruges nach § 146 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt. Mit Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 24.04.2014, rechtskräftig seit diesem Tag, Zl. 32 Bs 80/14w, wurde der Berufung der Staatsanwaltschaft Folge gegeben und die verhängte Freiheitsstrafe auf 12 Monate erhöht. Dem lag zugrunde, dass der BF zum einen bei zwei Vorfällen versucht hatte, mit Gewalt, nämlich durch Fußtritte, Schläge und einen Stoß, Beamte an einer Amtshandlung zu hindern, und zwar an einer Sachverhaltsaufnahme bzw. seiner Identitätsfeststellung. Zum anderen hatte der BF in einem Hotelzimmer genächtigt, ohne die Hotelrechnung in Höhe von 62,- EUR zu bezahlen. Als erschwerend wurden die vier einschlägigen Vorstrafen, der Rückfall innerhalb offener Probezeit und das Zusammentreffen von drei Vergehen gewertet; als mildernd der teilweise Versuch und das teilweise Geständnis.
Der BF wurde schließlich mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, Zl. 034 HV 17/2015i, vom 03.09.2015, rechtskräftig seit diesem Tag, gemäß § 21 Abs. 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Dieser Entscheidung lag zugrunde, dass der BF bei einem Vorfall versucht hatte, Beamte mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich der Feststellung seiner Identität, zu hindern, indem er mit den Fäusten auf die Beamten einschlug und einem Beamten einen beidarmigen Handballenstoß versetzte. Dabei hatte er versucht, Beamte während der Vollziehung ihrer Aufgaben im Zuge dieser Amtshandlung vorsätzlich am Körper zu verletzen. Bei einem weiteren Vorfall hatte der BF ebenfalls versucht, Beamte mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich seiner Verbringung zum Anstaltsarzt und später in den Beobachtungshaftraum, zu hindern, indem er gezielt gegen die Beamten trat. Dabei hatte er einen Beamten während der Vollziehung seiner Aufgabe im Zuge der letzteren Amtshandlung vorsätzlich am Körper verletzt, indem er ihm einen Tritt gegen das Knie versetzte, wodurch dieser eine Verletzung am Kniegelenk erlitt. Der BF beging dadurch Taten, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind, und die ihm, wäre er zurechnungsfähig gewesen, als Vergehen des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 erster Fall StGB und als Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z 4, 15 StGB zuzurechnen wären. Der BF war dabei aber unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes (§ 11 StGB), der auf einer geistigen und seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, und zwar einer schweren Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F61), einer paranoiden Schizophrenie (ICD-10 F20.0) und einem epileptischen Anfallsleiden (ICD-10 G40). Zu den Tatzeitpunkten war der BF in einem akut psychotischen Zustand. Der BF war nicht krankheitseinsichtig. Es bestand mit hoher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, dass der BF unter dem Einfluss seiner massiven geistigen und seelischen Abartigkeit in Zukunft Gewaltdelikte gegen andere Personen begehen würde, wobei auch Aggressionstaten mit schweren Verletzungsfolgen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchten waren, weshalb die Einweisung ausgesprochen wurde.
Der BF befand sich nach der Einweisung zunächst im Maßnahmenvollzug in der Justizanstalt Göllersdorf. Derzeit wird er im Rahmen einer Unterbrechung der Unterbringung (UdU) vom Verein WOBES nachbetreut und wohnt in einer Einrichtung dieses Vereines in Wien.
II.1.4. Zur aktuellen Situation in der Demokratischen Republik Kongo werden folgende Feststellungen getroffen:
II.1.4.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA zur Demokratischen Republik Kongo vom 17.12.2020 (Gesamtaktualisierung):
Politische Lage
Die seit dem 18.2.2006 geltende Verfassung bestimmt eine gemäßigte präsidiale Regierungsform. Das System wird sowohl von zentralistischen als auch föderalistischen Elementen geprägt (GIZ 10.2020a). Die DR Kongo ist seit 2015 in 26 Provinzen mit eigenen Parlamenten und Regierungen gegliedert. Das Parlament der DR Kongo besteht aus zwei Kammern: Nationalversammlung und Senat. Der Staatspräsident wird für fünf Jahre direkt gewählt und hat weitreichende Machtbefugnisse (AA 28.8.2019a; vgl. GIZ 10.2020a). Durch eine Verfassungsänderung wurde 2011 der zweite Wahlgang bei den Präsidentschaftswahlen abgeschafft. Dabei wurde dem Präsidenten das Recht zur Absetzung der Gouverneure und zur Auflösung der Provinzparlamente eingeräumt (AA 28.8.2019a).
In der DR Kongo fanden mit mehr als zweijähriger Verspätung am 30.12.2018 Präsidentschafts-, Parlaments- und Provinzratswahlen statt. Diese liefen verhältnismäßig friedlich und organisiert ab (AA 17.2.2020). Nachdem die Regierung alle sozialen Netzwerke stilllegte und eine massive Militär- und Polizeipräsenz keine kritischen Bewegungen erlaubte, verliefen die Wahlen relativ ruhig. Doch sowohl die gut organisierte katholische Kirche als auch der südafrikanische Staatenverband SADC bestätigten viele Unregelmäßigkeiten während der Wahlen (GIZ 10.2020a).
Das von der nationalen Wahlkommission CENI verkündete Ergebnis der Präsidentschaftswahlen wies überraschend den Führer der oppositionellen UDPS-Partei Félix Tshisekedi als Wahlsieger aus, womit er seine Konkurrenten Martin Fayulu (Oppositionsbündnis Lamuku) und Emmanuel Ramazani Shadary (bisheriges Regierungsbündnis FCC) auf den zweiten bzw. dritten Platz verwies. Das Wahlergebnis gilt weiterhin als umstritten, da die informellen Ergebnisse ziviler Wahlbeobachter für Fayulu als Wahlsieger sprachen (AA 17.2.2020).
Am 26.8.2019 benannte Ministerpräsident Sylvestre Ilunga die neuen Minister. Insgesamt 67 Mitglieder umfassend zeichnet das Kabinett sich u.a. dadurch aus, dass drei von vier Ministern keine Regierungserfahrung besitzen und 42 Plätze dem Front Commun pour le Congo (FCC) zukommen. Deren sogenannte „moralische Autorität“ ist Ex-Präsident Joseph Kabila. Der Frauenanteil stieg von 10% auf 17% an (AA 17.2.2020).
Am 6.12.2020 verkündete Staatspräsident Félix Tshisekedi nach mehrwöchigen Verhandlungen das Ende der Zusammenarbeit zwischen seiner Parteikoalition Cap pour le Changement (CACH) und der seines Vorgängers Joseph Kabila, Front commun pour le Congo (FCC). Er ernannte einen Beauftragten zur Herstellung einer neuen Mehrheit. In der Regierungskoalition der beiden Lager sei sein Reformprogramm blockiert gewesen. Der FCC stellt die Mehrheit in beiden Kammern des Parlaments. Auch die Ernennung von Sylvestre Ilunga zum Premierminister im Mai 2019 musste auf die Mehrheit des FCC gestützt werden. Zum Koalitionsende trug ein Streit über die Ernennung dreier neuer Verfassungsrichter durch Tshisekedi bei, der sich dabei über den Premierminister hinweggesetzt haben soll. Am 10.12.2020 setzte die Nationalversammlung (Unterhaus) ihre bisherige Parlamentspräsidentin Jeanine Mabunda ab. Das Lager Kabilas, zu dem sie zählt, erhob den Vorwurf des Stimmenkaufs gegen die Seite Tshisekedis (BAMF 14.12.2020).
Sicherheitslage
In Kinshasa und anderen kongolesischen Städten führten in der Vergangenheit wiederholt, teilweise gewalttätige, Proteste gegen die Regierung zur Verwendung scharfer Munition, Todesopfern und Verletzten, sowie zu zahlreichen Festnahmen. Auch weiterhin kann es im ganzen Land im Zusammenhang mit Protestaktionen und Versammlungen zu Gewalt kommen. Dabei muss auch mit weitreichenden Störungen des öffentlichen Lebens sowie einer hohen Präsenz von bewaffneten Sicherheitskräften gerechnet werden (AA 18.11.2020).
Die Sicherheitslage ist äußerst instabil. Versammlungen, Proteste und bestimmte Veranstaltungen können, selbst ohne erkennbaren äußeren Anlass, jederzeit zu unvorhersehbaren sicherheitsrelevanten Ereignissen oder gewalttätigen Ausschreitungen führen und scharfe Gegenmaßnahmen zur Folge haben. Dies betrifft neben zahlreichen Provinzen inzwischen auch die Hauptstadt Kinshasa (AA 18.11.2020). Es kommt vor allem in der Hauptstadt, aber auch in anderen Ballungsräumen (Matadi, Bukavu, Goma, Kananga etc.), immer wieder zu schweren Ausschreitungen und Zusammenstößen zwischen Opposition und Sicherheitskräften (BMEIA 16.10.2020).
Der Nordosten der Demokratischen Republik Kongo ist seit dem Genozid in Ruanda (1994) von Wellen der Gewalt gekennzeichnet. Hintergrund ist die maßlose Gier der unterschiedlichsten Waffenträger nach Rohstoffen wie Coltan, Gold und Diamanten. Zeitweise bewegten sich 14 verschiedene bewaffnete Gruppen und Rebellenorganisationen im Gelände. Ungelöst ist das Problem des Verbleibs der FDLR (Demokratische Front zur Befreiung Ruandas), jener Rest-Hutu-Armee, die seit dem Ende des Genozids 1994 ihr gewalttätiges Unwesen in der ganzen Region – einschließlich Ruanda – treibt. Die Rebellengruppe M-23 hat sich nach einem Friedensvertrag Ende 2013 offiziell aufgelöst, jedoch demobilisierten einige ihrer Kämpfer nicht und kämpfen weiter. Die Kampfkraft der verschiedenen Rebellengruppen – allen voran die der FDLR nahestehenden – bleibt ungebrochen. Die im Oktober und November 2015 begonnenen aktiven Angriffe und Kämpfe der MONUSCO [Anm. UNO Mission in der DR Kongo] haben bisher nichts an der Situation verändert (GIZ 10.2020a).
In den Provinzen Nord-Kivu, Süd-Kivu, Orientale, Ituri, Haut-Uele, Tanganyika, Haut-Lomani, Kasai und Maniema finden häufig kriegerische Handlungen zwischen den zahlreichen Rebellengruppen und der Armee sowie der MONUSCO statt (BMEIA 16.10,2020). Ende November 2019 kam es bei Protesten der Bewohner Benis zu Übergriffen auf einzelne Einheiten der UNO-Mission MONUSCO (AA 18.11.2020).
In den Provinzen Bas-Uele, Haut-Uele, Tshopo, Ituri, Nord-Kivu, Süd-Kivu, Maniema, Tanganyika, Haut-Lomami, Haut-Katanga (nur nördliche Gebiete), Lomami, Kasai, Kasai-Central und Kasai Oriental kommt es immer wieder zu gewaltsamen Zwischenfällen zwischen den kongolesischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppen, insbesondere der Allied Democratic Force (ADF). Von der kongolesischen Armee wird derzeit eine Großoffensive gegen die ADF durchgeführt (AA 18.11.2020).
Konflikte setzen sich insbesondere in den Ostprovinzen Nord-Kivu, Süd-Kivu, Tanganyika, Ituri, Haut-Uele und Bas-Uele und in den Provinzen der Kasai-Region (Kasai central, Kasai, Kasai oriental, Sankuru und den Lomami Provinzen) fort. Bewaffnete Gruppen wie u.a. die demokratischen Kräfte zur Befreiung Ruandas (FDLR), die vereinten Kräfte zur Befreiung Ugandas (ADF/NALU), die nationalen Befreiungskräfte (FNL), die Lord’s Resistance Army (LRA), aber auch indigene Gruppen, wie die lokalen Nduma Defense of Congo-Renewal (NDC-R), Kamuina Nsapu, Bana Mura und diverse Mai-Mai-Gruppen (lokale Milizen) attackieren die Zivilbevölkerung. Viele dieser Gruppen stammen ursprünglich aus dem Ausland. Die Angriffe führen zu massiven Vertreibungen der Zivilbevölkerung, und es kommt zu vielen Menschenrechtsverletzungen (USDOS 11.3.2020).
Die Zivilbevölkerung ist hauptleidtragend. Teile der Bevölkerung werden aufgrund ihrer (angenommenen) Zugehörigkeit zu einer Ethnie (Hutu, Tutsi, Nande, Hunde, und zahlreiche andere) oder einer Sprachfamilie (insbesondere Kinyar-wanda-Sprecher) Opfer von Gewalt. Oftmals sind sie jedoch auch Opfer willkürlicher Gewalttaten. Die Zahl der Binnenvertrieben bleibt auf einem hohen Niveau und Flüchtlinge müssen nicht selten ein-bis zweimal im Monat ihren Aufenthaltsort wechseln und erneut fliehen, weil weitere Plünderungen und Missbrauch drohen. Internationale Bemühungen zur Befriedung der Situation haben bislang noch keine durchschlagende Wirkung erzielen können (AA 17.2.2020).
Die kongolesische Armee, sowie sämtliche Rebellengruppen und Milizen ernähren sich außerdem „aus dem Land“, d.h. sie plündern die Vorräte der Bevölkerung. Nur ein Teil der fliehenden Bevölkerung kann von UN-Organisationen oder NGOs unterstützt werden. Bei Rückkehr in ihre Stammesgebiete droht diesen nicht selten erneute Ausplünderung und physische Gewalt. Insgesamt herrscht in weiten Teilen der Unruheprovinzen des Landes ein Klima der Gewalt und Vertreibung, dem die Zivilbevölkerung weitestgehend schutzlos ausgesetzt ist. Trotz der Bemühungen der Friedensmission der Vereinten Nationen, MONUSCO, bleiben erhebliche Schutzlücken bestehen (AA 17.2.2020).
Rechtsschutz/Justizwesen
Während gesetzlich eine unabhängige Justiz vorgesehen ist (USDOS 11.3.202; vgl. GIZ 10.2020a), war die Justiz in der Praxis Korruption und politischer Einflussnahme unterworfen (USDOS 11.3.2020; vgl. FH 4.3.2020). Beamte und andere einflussreiche Personen unterwarfen Richter häufig der Nötigung. Richtermangel führte zu langwierigen Gerichtsverfahren, insbesondere in den Provinzen. Behörden missachteten regelmäßig Gerichtsurteile. Disziplinarkommissionen beschäftigten sich mit zahlreichen Fällen von Korruption und Amtsmissbrauch, die in Entlassungen und Suspendierungen von Richtern mündeten (USDOS 11.3.2020).
In der Praxis funktioniert das Rechtswesen nur sehr unzureichend. Es gibt eine sehr eingeschränkte Rechtssicherheit. Die Ursachen sind vielfältig: ausufernde Korruption, Postenschieberei und schlechte Bezahlung auf allen Ebenen sowie mangelnde Ausbildung, Bezahlung und Disziplin der Polizei. Folgernd hieraus ist die Justiz in der Demokratischen Republik Kongo weitgehend blockiert. Recht hat in der Regel der, der am meisten für sein vermeintliches Recht bezahlen kann (GIZ 10.2020).
Eine funktionierende und unabhängige Justiz gibt es noch nicht. Beschäftigte im Justizdienst werden schlecht und unregelmäßig bezahlt und sind häufig korrupt. Die zivile Justiz ist mit den zu bewältigenden Aufgaben überfordert. Nach Einschätzung von nationalen und internationalen Experten, wird es noch Jahre dauern, bis neu ausgebildetes, motiviertes und angemessen bezahltes Justizpersonal die aktuelle Misere beenden könnte. Bemühungen ausländischer Organisationen, diesen Zustand mit Seminaren, Sachspenden etc. zu bessern, zeigen bisher nur geringen Erfolg. Reformen werden versprochen, dürften jedoch Jahrzehnte in Anspruch nehmen, um einen nachhaltigen Erfolg zu erzielen (AA 17.2.2020).
Die Militärjustiz ist für alle Vorgehen von und gegen Soldaten und Polizisten zuständig, sowohl für im Dienst als auch im Privaten begangene Straftaten. Sie ist überlastet, aber bemüht, ihrer Aufgabe, die Straflosigkeit bei Angehörigen der Sicherheitsdienste (Streitkräfte, Polizei) zu bekämpfen, gerecht zu werden. Ihr Personal ist in der Regel besser ausgebildet als das in der Ziviljustiz (AA 17.2.2020).
Sicherheitsbehörden
Die primäre Verantwortung zur Rechtsdurchsetzung obliegt der kongolesischen Nationalpolizei (Police National Congolaise – PNC). Diese untersteht dem Innenministerium. Die Nationale Geheimdienstagentur (National Intelligence Agency – ANR) untersteht dem Präsidenten. Ihr obliegt die interne und externe geheimdienstliche Informationsbeschaffung. Die Streitkräfte der DR Kongo (FARDC) sowie der militärische Geheimdienst unterstehen dem Verteidigungsministerium. Sie haben primär Verantwortlichkeit in Bezug auf äußere Sicherheit, in der Praxis liegt ihr Fokus primär auf der inneren Sicherheit. Die FARDC sind geprägt von schwacher Führung, schlechter operationeller Planung, geringen administrativen und logistischen Kapazitäten, mangelnder Ausbildung und fraglicher Loyalität ihrer Soldaten, vor allem im Osten des Landes. Dem Präsidenten unterstehen die republikanischen Garden (Republican Guard – RG). Dem Innenministerium untersteht das Direktorat für Migration, das, gemeinsam mit der Polizei, für die Grenzkontrollen verantwortlich ist (USDOS 11.3.2020).
Die Kooperation der MONUSCO (UN-Friedensmission in der DR Kongo) und der kongolesischen Regierung findet im Osten weiterhin statt, mit Ausnahme der Kasai-Region (USDOS 11.3.2020). Trotz einer Truppenreduzierung stellt die MONUSCO mit über 16.000 Soldaten und über 1.300 Polizisten nach wie vor eine der größten UN-Friedensmissionen weltweit dar (AA 17.2.2020).
Obwohl es zu Verurteilungen aufgrund von Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte kam, blieb die Straffreiheit ein Problem. Behörden unterließen es häufig, Missbrauch durch Beamte zu untersuchen, verfolgen oder zu bestrafen. In diesem Zusammenhang betrieben die Behörden zusammen mit der UN-Schutztruppe MONUSCO gemeinsame Menschenrechtskomitees und nutzten diesbezügliche internationale Einrichtungen, um Vergehen von Mitgliedern der staatlichen Sicherheitskräfte bzw. disziplinäre Probleme zu untersuchen und zu bestrafen (USDOS 11.3.2020).
Die zivilen Behörden üben keine effektive Kontrolle über die Sicherheitskräfte aus. Das Militär ist notorisch undiszipliniert. Vorfälle von Informationsaustausch zwischen kongolesischen Soldaten und Rebellengruppen gab es im Jahr 2019 weiterhin. Soldaten und Polizisten begehen regelmäßig Menschenrechtsvergehen. Hochrangige Militärs gehen bei solchen Vergehen oft straffrei aus (FH 4.3.2020).
Laut einem Bericht von GlobalSecurity existiert eine richtige kongolesische Armee, gemessen an modernen Kriterien, gar nicht. Vielmehr gibt der Staat nur vor, eine zu haben. Die FARDC wurde 2003 aus verschiedenen bewaffneten Gruppen unterschiedlicher politischer Gruppierungen geformt, die seit dem kaum als einheitlicher Armeekörper in Erscheinung tritt und durch mangelnde Loyalität, Disziplin und eine kaum vorhandene Befehlskette gekennzeichnet ist. Daneben leidet die Armee unter schlechter Ausbildung und schlechtem Kriegsmaterial, Korruption, schwachen Kommandostrukturen, Versorgungsproblemen und unregelmäßiger Bezahlung, was dazu führt, dass Mitglieder der Armee oft in Plünderungen und Überfällen auf Zivilisten, einhergehend mit massiven Menschenrechtsverletzungen und selbst am ständigen Hin- und Her-Wechsel zwischen den Fronten beteiligt sind. Ein Reformplan zur Umwandlung der Truppe in eine moderne Armee, wurde 2009 dem Parlament präsentiert. Laut MONUSCO hat die kongolesische Armee bedeutende Schritte zur Hebung der Armeedisziplin durch Verfolgung von durch Soldaten begangener Menschenrechtsverletzungen unternommen. Trotzdem bleibt Straffreiheit in der Armee weiterhin ein großes Problem (GS o.D.).
Folter und unmenschliche Behandlung
Das Gesetz kriminalisiert zwar die Anwendung von Folter, dennoch gibt es Berichte von Menschenrechtsorganisationen, dass die Sicherheitskräfte weiterhin Zivilisten, vor allem Häftlinge, foltern. Während des Jahres 2019 brachten Aktivisten Videos in Umlauf, wo Polizisten unbewaffnete Demonstranten schlugen (USDOS 11.3.2020). Folter von Häftlingen kommt häufig vor (FH 4.3.2020).
Viele Beobachter (Menschenrechtsorganisationen, UN-Menschenrechtsbüro, EU-Missionen, NGOs und die Botschaft) gehen davon aus, dass – entgegen dem in Art. 16 der Verfassung statuierten ausdrücklichen Verbot – Folter in Gefängnissen, Polizeistationen und geheimen Haftanstalten (so genannte „cachots“) durch Militär und Sicherheitskräfte nach wie vor angewandt wird. Dies betrifft nicht nur die Hauptstadt, sondern auch die Provinzen. Am 20.7.2011 trat ein Gesetz zum Verbot der Folter in Kraft. Kongolesische Menschenrechtsorganisationen begrüßten das Gesetz und mahnten angesichts der fortgesetzten Praxis seine gewissenhafte Umsetzung an (AA 17.2.2020).
Allgemeine Menschenrechtslage
In der DR Kongo ist die Wahrung grundlegender Menschenrechtsnormen und Prozessstandards nicht garantiert. Im Zuge der Krise um die Wahlen kam es zu massiven Einschränkungen der Meinungs-, Versammlungs- und Medienfreiheit. Darüber hinaus steigt die Zahl der von internen bewaffneten Auseinandersetzungen betroffenen Menschen an. Willkür ist im Justiz- und Polizeiwesen und bei den Streitkräften verbreitet. Die Menschenrechtslage in den Konfliktregionen im Osten des Landes ist äußerst problematisch: Zivilisten werden häufig Opfer von Gewalt, auch sexualisierter Gewalt, verübt durch Regierungstruppen sowie Rebellengruppen. Viele Menschen haben keinen Zugang zu ausreichender Nahrung, Bildung, und Gesundheitsversorgung. Auch grundlegende Arbeitsnormen (darunter das Verbot von Kinderarbeit, Höchstarbeitszeiten, Gesundheitsnormen etc.) werden kaum beachtet. Rechtlich besteht Gleichheit der Geschlechter; in der Realität werden Frauen benachteiligt. Medien- und Versammlungsfreiheit sind eingeschränkt (AA 17.2.2020). Bedeutende Menschenrechtsprobleme sind willkürliche Tötungen, darunter ungesetzliche Tötungen, Verschwindenlassen, Folter und willkürliche Inhaftierungen durch die Regierung, harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen, usw. (USDOS 11.3.2020).
Gesetzlich ist Pressefreiheit und Meinungsfreiheit vorgesehen, aber die Regierung respektiert dieses Recht nicht immer. Öffentliche Kritik an der Regierung oder ihren Beamten kann zu Einschüchterungen, Drohungen und Verhaftungen führen (USDOS 11.3.2020; vgl. FH 4.3.2020). ARTICLE 19 berichtet im November 2020, dass im Jahr 2020 mindestens 40 Journalisten in Verbindung mit ihrer Tätigkeit festgenommen wurden; Aktivisten und Bürger wurden nach kritischen Äußerungen eingeschüchtert, geschlagen, festgenommen und / oder strafrechtlich verfolgt (A19 27.11.2020).
Die Versammlungsfreiheit ist zwar per Verfassung garantiert, wird aber eingeschränkt (USDOS 11.3.2020; vgl. FH 4.3.2020). Unter Präsident Tshisekedi kam es zwar diesbezüglich zu Verbesserungen, aber Einschränkungen bestehen weiterhin (USDOS 11.3.2020). Demonstrationen finden regelmäßig statt, aber die Teilnehmer riskieren Verhaftungen, Schläge, und tödliche Gewalt (FH 4.3.2020).
Die Verfassung gewährleistet Vereinigungsfreiheit, und dieses Recht wird seitens der Regierung auch üblicherweise respektiert (USDOS 11.3.2020).
Bürger haben das Recht, sich in politischen Parteien zu organisieren. Oppositionsparteien konnten im Jahr 2019 freier operieren. So wurde ihnen auch mediale Präsenz durch neu gegründete Radiosender ermöglicht. Unter der Regierung Tshisekedi wurden einige Oppositionsmitglieder aus der Haft entlassen. Einige im Ausland lebende Politiker konnten zurückkehren (FH 4.3.2020).
NGOs, Zivilgesellschaft und Journalisten, die sich kritisch über die Regierung äußern, sind zwar keiner systematischen staatlichen Verfolgung ausgesetzt, können aber in manchen Landesteilen jederzeit willkürlich durch die Sicherheitspolizei oder Armeedienste verfolgt werden. Der politische Betätigungsraum zeichnete sich nach den Präsidentschaftswahlen vom Dezember 2018 jedoch durch erste Entspannungen und Öffnungen aus (AA 17.2.2020).
Haftbedingungen
Der Zustand der Gefängnisse ist – auch im Vergleich zu anderen Staaten in Afrika – sehr schlecht (AA 17.2.2020). Die Bedingungen in den meisten Gefängnissen sind hart und lebensbedrohend (USDOS 11.3.2020; vgl. FH 4.3.2020) und durch Nahrungsmittelmangel, starke Überbelegung, unangemessene sanitäre Einrichtungen und medizinische Versorgung gekennzeichnet (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 17.2.2020). Die Behörden inhaftieren Männer üblicherweise getrennt von Frauen, Jugendliche hingegen werden gemeinsam mit Erwachsenen untergebracht (USDOS 11.3.2020).
Folter von Häftlingen ist weit verbreitet (FH 4.3.2020). Die meisten Gefängnisse sind unterbesetzt, schlecht versorgt und die Gebäude in schlechtem Zustand. Dies führt zu Korruption und mangelnder Kontrolle der Insassen. Es kommt zu Gefängnisausbrüchen (USDOS 11.3.2020).
Üblicherweise erlaubte die Regierung dem Roten Kreuz, der UN-Mission MONUSCO und NGOs den Zugang zu offiziellen Haftanstalten des Innenministeriums, jedoch nicht zu Gefängnissen, die von der Republikanischen Garde und vom Geheimdienst betrieben wurden (USDOS 11.3.2020).
II.1.4.2. Auszug aus der für den vorliegenden Fall eingeholten Anfragebeantwortung von ACCORD zur Demokratischen Republik Kongo: Informationen zur Lage von Personen, die unter dem Kabila-Regime, insbesondere wegen der Zusammenarbeit mit Mobutu oder dessen Angehörigen, zum Ziel der Behörden geworden sind [a-11499], vom 22. Februar 2021:
[…]
In öffentlich verfügbaren Quellen konnten keine Informationen zu oben genannter Fragestellung gefunden werden. Wir haben Ihre Fragen daher an ExpertInnen weitergeleitet. Wir haben bislang zwei Auskünfte erhalten. Sollten noch weitere Auskünfte einlangen, werden wir sie Ihnen umgehend übermitteln.
Michel Thill (Doktorand an der belgischen Ghent University, seine gegenwärtige Forschung widmet sich dem Thema Polizeiarbeit in der Demokratischen Republik Kongo) weist in einer E-Mail-Auskunft vom Februar 2021 einleitend darauf hin, dass die Abschätzung des Risikos und der Gefahr auf Fallebene getroffen werden solle. Im Allgemeinen würde er vorsichtig („tentatively“) sagen, dass jene, die von der Regierung Kabila („J. [Joseph] Kabila“) aktiv ins Visier genommen worden seien, unter der gegenwärtigen Regierung weiterhin bedroht sein könnten, obwohl diese vorgebe, gegen politische Unterdrückung vorzugehen („despite its rhetoric to address political repression“) und für eine offenere und tolerantere Form politischer Meinungsäußerungen eintrete.
Zu diesem Schluss komme er aus den folgenden zwei Gründen. Human Rights Watch berichte beispielsweise, dass kongolesische Medien und AktivistInnen seit dem Amtsantritt Félix Antoine Tshisekedi im Vergleich zu vorher mit gleichviel, wenn nicht sogar mehr Repression konfrontiert seien. Zweitens habe Tshisekedis Regierung über große Teile der Sicherheitskräfte nicht die volle Kontrolle („does not fully control much of it“). Folglich könnten einige Joseph Kabila loyale gegenüberstehende Zweige der militärischen und zivilen Nachrichtendienste Repressionspraktiken aus der Vergangenheit verfolgen, unabhängig von den Veränderungen innerhalb des Führungsstabes.
Diese Faktoren würden nicht notwendigerweise bedeuten, dass ehemalige Verbündete und MitarbeiterInnen des Mobutu-Regimes speziell zum Ziel würden. Im Allgemeinen jedoch sei politische Repression unter Félix Antoine Tshisekedi weiterhin ein ebenso großer Anlass für Besorgnis wie unter der Regierung von Joseph Kabila. Daher gebe es keinen Grund, einen Fall nicht ernstzunehmen, bei dem eine Person behaupte, von der gegenwärtigen Regierung ins Visier genommen zu werden:
[englischer Originaltext].
Ein Professor an einer Universität in der Demokratischen Republik Kongo, der zu Konflikten forscht und von dem keine Erlaubnis zur Nennung seines Namens vorliegt, erwähnt in einer E-Mail-Auskunft vom Februar 2021, dass er keine genauen Informationen zu dieser Frage habe. Er wisse jedoch von einer Kategorie ehemaliger Mobutu-UnterstützerInnen, die spezielle Probleme mit der Familie von Präsident Felix-Antoine Tshisekedi hätten. Er könne jedoch nicht einschätzen, inwiefern diese um ihre Sicherheit fürchten müssten. Es handle sich dabei um Personen, die an der Seite von General Baramoto und Honoré Nganda sehr aktiv bei der Unterdrückung von Demonstrationen der UDPS [Union pour la Démocratie et le Progrès Social] in den Jahren 1992 bis 1994 gewesen seien. Einige dieser Personen befänden sich in Europa und seien Teil von PARECO (Alliance des Patriotes pour le Refondation du Congo), andere seien in die Demokratische Republik Kongo zurückgekehrt und hätten mit den Kabila-Regimes [Laurent-Désiré Kabila und Joseph Kabila] zusammengearbeitet. Für weitere Personen, die als „Combattants“ (Kämpfer) in Paris, Brüssel und London bekannt seien, bestehe den Angaben des Professors zufolge keine Gefahr. Aber diese hätten sich für ein Leben im Ausland entschieden. Es müsse jedoch anerkannt werden, dass die Sicherheitsbedingungen in der Demokratischen Republik Kongo weiterhin besorgniserregend seien.
[französischer Originaltext].
II.2. Beweiswürdigung:
II.2.1. Die Feststellungen zur Identität des BF ergeben sich aus den Angaben des BF im Verfahren, wobei diese nur der Identifizierung des BF im Verfahren gelten. Ebenfalls aus seinen Angaben bzw. aus dem Akteninhalt ergeben sich seine Staatsangehörigkeit, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie sein Familienstand und seine in Österreich lebenden Verwandten.
Die Feststellungen zum Verfahrensverlauf und zur Gewährung von Asyl an die Mutter des BF und an den BF ergeben sich aus dem Akteninhalt. Die Feststellungen zu den Gründen für die Asylgewährung an die Mutter des BF – von welcher der BF seinen Asylstatus durch Erstreckung ableitet – beruhen auf der eindeutigen Aktenlage.
Der UBAS erachtete es nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens für glaubwürdig, dass die Mutter des BF in der Demokratischen Republik Kongo politisch motivierten Verfolgungshandlungen ausgesetzt war, resultierend aus der Zusammenarbeit ihres Ehemannes, des Vaters des BF, mit den Söhnen des früheren Diktators bzw. Präsidenten Mobutu, weswegen der Ehemann mehrfach verhaftet wurde und seit einer im Jahr 1999 erfolgten Verhaftung vermisst wird. Davon ausgehend wurde auch die Mutter des BF bedroht und inhaftiert.
Im gegenständlichen Fall ist zu beachten, dass der UBAS im damaligen Verfahren betreffend die Mutter des BF vor Erlassung des Zuerkennungsbescheides umfangreiche Erhebungen tätigte, wie sich aus dem Bescheid betreffend die Mutter vom 16.12.2002 sowie aus dem Akteninhalt des UBAS-Aktes ergibt. Zum einen wurde eine mündliche Verhandlung durchgeführt, in deren Rahmen sowohl die Mutter des BF zu ihren Fluchtgründen befragt wurde, als auch der BF als Zeuge einvernommen wurde und die Angaben seiner Mutter bestätigte (Verhandlungsprotokoll vom 03.04.2002, dortige OZ 3). Zudem richtete der UBAS ein Auskunftsersuchen an das Österreichische Konsulat in der DR Kongo mit Fragen zum Vorbringen der Mutter. Das Konsulat holte einen Bericht eines Vertrauensanwaltes der Österreichischen Botschaft ein (Beilage zur dortigen OZ 6). Durch den genannten Bericht des Vertrauensanwaltes wurden die detaillierten Angaben der Mutter des BF zu ihrem Ehemann, zu dessen Geschäftstätigkeit und zum Zeitpunkt der Verhaftung durchwegs bestätigt (vgl. dazu die Beweiswürdigung im Bescheid des UBAS vom 16.12.2002, S. 7 ff). Insbesondere wurde bestätigt, dass dieser in der DR Kongo tatsächlich eine bekannte Persönlichkeit war, seinen Wohnsitz an der von der Mutter angegebenen Adresse hatte, mit zwei Kindern von Mobutu zusammenarbeitete und im November 1999, zuletzt am 29.11.1999, mehrfach vom Sicherheitsdienst verhaftet wurde. Weiters wurde bestätigt, dass diese Verhaftungen offenbar in Zusammenhang mit der Tätigkeit des Ehemannes für die Söhne Mobutus standen und der Ehemann seit dem 29.11.1999 (Zeitpunkt der letzten Verhaftung) nicht mehr gesehen wurde. Da die im angefochtenen Bescheid des Bundesasylamtes aufgezeigten angeblichen Widersprüche bzw. Unschlüssigkeiten im Vorbringen der Mutter – insbesondere mit Blick auf den vorliegenden Bericht des Vertrauensanwaltes der Österreichischen Botschaft – nicht so gravierend waren, dass sie die Glaubwürdigkeit des Vorbringens ernstlich in Zweifel ziehen könnten, ging der UBAS davon aus, dass das Vorbringen der Mutter zu den Fluchtgründen (nämlich zur Ehe mit ihrem Mann, zu den Verhaftungen des Ehemannes, zur Verwüstung des Wohnhauses und zur Bedrohung der Mutter) den Tatsachen entsprochen hat.
Der UBAS stützte sich auch auf aktuelle Berichte zur Situation in der DR Kongo und traf Feststellungen zur dortigen Lage. Insbesondere wurde im Bescheid des UBAS (S. 9) auf einen Bericht verwiesen, wonach es in der DR Kongo weiterhin zu willkürlicher Verhaftung und Festhaltung, insbesondere in sogenannten inoffiziellen Gefängnissen kommen könne, dies obwohl sich die Menschenrechtssituation in der Regierungszeit des nunmehrigen Staatspräsidenten Joseph Kabila insbesondere für Anhänger des früheren Diktators Mobutu einem anderen Bericht zufolge tendenziell verbessert habe. Rechtlich folgerte der UBAS daraus, dass der Mutter des BF eine Rückkehr in das Heimatland (noch) nicht zugemutet werden könne, da eine Inhaftierung und Anhaltung der Mutter des BF (allenfalls in inoffiziellen Festhaltezentren) nach wie vor möglich erscheine.
Im gegenständlich angefochtenen Aberkennungsbescheid betreffend den BF vom 27.11.2020 geht die belangte Behörde nunmehr entscheidungswesentlich davon aus, dass die Gründe, die zur Zuerkennung von Asyl an die Mutter des BF geführt hätten, insofern nicht mehr vorliegen würden, als im Jänner 2019 nach der Präsidentschaftswahl der Oppositionelle und Mitglied der UDPS Félix Tshisekedi das Präsidentschaftsamt übernommen habe. Eine systematische Verfolgung von ehemaligen Oppositionsmitgliedern zu Zeiten des Kabila-Regimes bzw. Unterstützern des ehemaligen Machthabers Mobutu, könne aufgrund des politischen Machtwechsels und der nunmehrigen Führung von Tshisekedi jedenfalls ausgeschlossen werden. Daher sei dem BF der Status des Asylberechtigten nach § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 abzuerkennen.
Dieser Ansicht der belangten Behörde kann jedoch vom Bundesverwaltungsgericht nicht gefolgt werden. Im vorliegenden Fall wurde aufgrund der speziellen Sachlage eine Anfrage an die Staatendokumentation des BFA zur Demokratischen Republik Kongo gerichtet. Die eingelangte Anfragebeantwortung von ACCORD vom 22.02.2021, „Informationen zur Lage von Personen, die unter dem Kabila-Regime, insbesondere wegen der Zusammenarbeit mit Mobutu oder dessen Angehörigen, zum Ziel der Behörden geworden sind“, ist in den Feststellungen wiedergegeben. Daraus ergibt sich im Wesentlichen, dass jene, die von der Regierung Joseph Kabila aktiv ins Visier genommen wurden, unter der gegenwärtigen Regierung weiterhin bedroht sein könnten, obwohl diese vorgibt, gegen politische Unterdrückung vorzugehen und für eine offenere und tolerantere Form politischer Meinungsäußerungen eintritt. Dies lässt sich zum einen daran festmachen, dass Berichten zufolge kongolesische Medien und Aktivisten seit dem Amtsantritt von Präsident Félix Antoine Tshisekedi im Vergleich zu vorher mit gleichviel, wenn nicht sogar mehr Repression konfrontiert sind. Zum anderen hat Tshisekedis Regierung über große Teile der Sicherheitskräfte nicht die volle Kontrolle. Folglich könnten einige Joseph Kabila loyal gegenüberstehende Zweige der militärischen und zivilen Nachrichtendienste Repressionspraktiken aus der Vergangenheit verfolgen, unabhängig von den Veränderungen innerhalb des Führungsstabes.
Jedenfalls ergibt sich daraus auch, dass die Sicherheitsbedingungen in der DR Kongo weiterhin Anlass zur Besorgnis bieten.
Die wesentlichen Inhalte dieser Anfragebeantwortung decken sich auch mit dem oben auszugsweise wiedergegebenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA zur Demokratischen Republik Kongo vom 17.12.2020 (Gesamtaktualisierung). Die Sicherheitslage ist in der DR Kongo äußerst instabil, die Wahrung grundlegender Menschenrechtsnormen und Prozessstandards ist nicht garantiert. Im gegenständlichen Fall erweist sich als besonders relevant, dass in der DR Kongo den aktuellen Länderinformationen zufolge bedeutende Menschenrechtsprobleme vorliegen, wie willkürliche Tötungen, darunter ungesetzliche Tötungen, Verschwindenlassen, Folter und willkürliche Inhaftierungen durch die Regierung, harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen, usw. Eine tragende Begründung des UBAS für die Zuerkennung von Asyl an die Mutter des BF war, wie oben bereits ausgeführt, dass es in der DR Kongo (damals unter dem Staatspräsidenten Joseph Kabila) zu willkürlicher Verhaftung und Festhaltung kommen könne und somit eine Inhaftierung und Anhaltung der Mutter des BF möglich erscheine, zumal sich nach Recherchen die Zusammenarbeit des Vaters des BF bzw. Ehemannes der Mutter des BF mit den Söhnen von Mobutu als glaubwürdig herausgestellt hat. Auch bezüglich des Vorkommens von willkürlichen Inhaftierungen durch die Regierung hat sich demnach die Situation in der DR Kongo auch unter dem nunmehrigen Präsidenten Tshisekedi nicht entscheidungswesentlich verändert.
Angesichts der fallbezogen eingeholten Anfragebeantwortung und Länderinformationen zur aktuellen Situation in der DR Kongo vermag das Bundesverwaltungsgericht nicht zu erkennen, dass die Gründe, die zur Zuerkennung von Asyl an die Mutter des BF geführt haben, weggefallen wären bzw. dass die Umstände, aufgrund deren sie in Österreich als Flüchtling anerkannt wurde, nicht mehr bestehen würden. Insgesamt konnte eine wesentliche, nachhaltige und dauerhafte Änderung der asylrelevanten Situation hinsichtlich der Mutter des BF nicht aufgezeigt.
Zur Straffälligkeit des BF beruhen die Feststellungen auf dem Akteninhalt (Strafurteile der Gerichte, AS 11 – Urteil zu Punkt 7. in den Feststellungen, AS 205 zu 6., 243 zu 3., 253 zu 1., 311 zu 8., 329 zu 5., 347 zu 2., 397 zu 4., Auszug aus dem Strafregister AS 509, OZ 15).
Die Feststellung, dass der BF im Maßnahmenvollzug in der näher genannten Justizanstalt war, ergibt sich aus dem Akteninhalt und aus einer Abfrage des Zentralen Melderegisters. Die Nachbetreuung durch einen Verein ergibt sich ebenfalls aus dem Akteninhalt (vgl. etwa das Schreiben der den BF in der Einrichtung betreuenden Sozialarbeiterin, Beilage zur gegenständlichen Beschwerde AS 752 f).
II.2.2. Die Feststellungen zum Herkunftsstaat des BF ergeben sich aus den jeweils darunter angeführten aktuellen Berichten diverser anerkannter staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen bzw. Organisationen und bieten ein in inhaltlicher Hinsicht grundsätzlich übereinstimmendes und ausgewogenes Bild zur Situation in der Demokratischen Republik Kongo. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen Berichte älteren Datums zugrundeliegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation fallrelevant nicht wesentlich geändert haben.
Die im vorliegenden Fall eingeholte Anfragebeantwortung von ACCORD vom 22.02.2021 sowie das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 17.12.2020 wurden sowohl dem BF als auch der belangten Behörde übermittelt und die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt. Der BF übermittelte durch seine Rechtsvertretung mit Schreiben vom 23.04.2021 eine Stellungnahme, in welcher primär auf die Stellungnahme vom 11.08.2020 verwiesen wurde, weiters wurden einige ergänzende Anmerkungen zum Länderinformationsblatt getätigt, insbesondere auch zur Situation in Bezug auf Covid 19, die Ebola Epidemie und eine Cholera Epidemie, abschließend wurde die Einstellung des Aberkennungsverfahrens beantragt, da diesem jegliche rechtliche Grundlage fehle. Den Länderfeststellungen wurde insgesamt nicht substantiiert entgegengetreten.
II.3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da in den anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen keine gegenteiligen Bestimmungen enthalten sind, liegt gegenständlich somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Zu A) Ersatzlose Behebung des Bescheides
II.3.1. Rechtslage:
Gem. § 7 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des Asylberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn
1. ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt;
2. einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist oder
3. der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat.
(2) In den Fällen des § 27 Abs. 3 Z 1 bis 4 und bei Vorliegen konkreter Hinweise, dass ein in Art. 1 Abschnitt C Z 1, 2 oder 4 der Genfer Flüchtlingskonvention angeführter Endigungsgrund eingetreten ist, ist ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten jedenfalls einzuleiten, sofern das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 wahrscheinlich ist. Ein Verfahren gemäß Satz 1 ist, wenn es auf Grund des § 27 Abs. 3 Z 1 eingeleitet wurde, längstens binnen einem Monat nach Einlangen der Verständigung über den Eintritt der Rechtskraft der strafgerichtlichen Verurteilung gemäß § 30 Abs. 5 BFA-VG, in den übrigen Fällen schnellstmöglich, längstens jedoch binnen einem Monat ab seiner Einleitung zu entscheiden, sofern bis zum Ablauf dieser Frist jeweils der entscheidungsrelevante Sachverhalt feststeht. Eine Überschreitung der Frist gemäß Satz 2 steht einer späteren Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht entgegen. Als Hinweise gemäß Satz 1 gelten insbesondere die Einreise des Asylberechtigten in seinen Herkunftsstaat oder die Beantragung und Ausfolgung eines Reisepasses seines Herkunftsstaates.