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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1 Z1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 97/18/0099Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, 1. über den Antrag des W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 29. November 1996, Zl. SD 1189/96, betreffend Ausweisung (Zl. 97/18/0098), und 2. in der Beschwerdesache derselben Partei gegen den vorgenannten Bescheid (Zl. 97/18/0099), den Beschluß gefaßt:
Spruch
I. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.
II. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
I.
1. Nach dem Vorbringen des Antragstellers im Wiedereinsetzungsantrag vom 21. Februar 1997 war ihm der oben genannte Bescheid vom 29. November 1996 z.H. seines Rechtsvertreters am 9. Dezember 1996 zugestellt worden. Sein Vertreter habe ihn in der Folge von der Zustellung des Bescheides schriftlich verständigt und ihn auf die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde hingewiesen. (Bei Vollmachtserteilung sei vereinbart worden, daß "keinerlei Schritte" ohne vorherige Zustimmung des Antragstellers gesetzt werden dürften.) Er habe sich während der offenen Frist bei seinem Vertreter nicht gemeldet und sei erst am 14. Februar 1997 mit seinem Bruder in der Kanzlei des Vertreters erschienen. Dort habe er mitgeteilt, daß er seine Adresse gewechselt und daher die Verständigung seines Vertreters erst verspätet empfangen hätte. Er sei aufgrund der nicht rechtzeitigen Information an der Beauftragung seines Vertreters mit der Erhebung der Beschwerde gehindert gewesen. Die mangelnde Kontaktmöglichkeit stelle ein "unüberwindbares, unvorhergesehenes" Ereignis dar.
2. Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, daß sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei. Der Begriff des minderen Grades des Versehens wird als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit nicht die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen haben. Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige oder bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl. etwa den hg. Beschluß vom 19. September 1996, Zl. 96/18/0257, mwN).
3. Auf dem Boden dieser Rechtslage ist das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag nicht geeignet, einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund darzutun. Die dem Vertreter (Rechtsanwalt) des Antragstellers obliegende Sorgfaltspflicht hätte es geboten, im Rahmen des Zumutbaren dafür Sorge zu tragen, daß seine Mitteilung den Antragsteller zuverlässig und rechtzeitig erreicht. In Entsprechung dieser Pflicht wäre es erforderlich gewesen, daß der Vertreter dem Antragsteller für dessen Antwort auf das Verständigungsschreiben eine Frist gesetzt und nach fruchtlosem Verstreichen derselben bei ihm schriftlich, und zwar nicht nur mit einfachem Brief, Rückfrage gehalten oder sich auf sonstige Weise vergewissert hätte, ob er die Erhebung einer Beschwerde wünscht. Zu einer solchen Vorgangsweise wäre der Rechtsvertreter umso mehr gehalten gewesen, als es sich vorliegend zum einen um eine fremdenrechtliche Angelegenheit (Ausweisung) und damit eine Sache von für den Antragsteller existentieller Bedeutung handelt, zum anderen zu berücksichtigen ist, daß es bei Fremden erfahrungsgemäß häufig zu Problemen bei der Zustellung von Postsendungen kommt (was gerade auch das Vorbringen im gegenständlichen Wiedereinsetzungsantrag unterstreicht). In bezug auf den letztgenannten Aspekt ist freilich hinzuzufügen, daß es die Sorgfaltspflicht des Antragstellers angesichts der ihm bekannten Anhängigkeit des Ausweisungsverfahrens in Verbindung mit der ausbedungenen Zustimmung zu anwaltlichen Schritten geboten hätte, dem Rechtsanwalt seine Adreßänderung ohne Verzug bekanntzugeben.
4. Das Außerachtlassen der Sorgfalt im beschriebenen - erforderlichen und zumutbaren - Umfang durch den Rechtsvertreter wie auch den Antragsteller selbst ist als ein den Grad minderen Versehens überschreitendes Verschulden zu werten. Die Bewilligung der Wiedereinsetzung ist demnach ausgeschlossen.
II.
1. Die gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag erhobene Beschwerde war gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
2. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997180098.X00Im RIS seit
03.04.2001