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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1993 §18 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, über die Beschwerde des Z, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 12. Juli 1996, Zl. SD 319/96, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 12. Juli 1996 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen kroatischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 2 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.
Die belangte Behörde nahm als erwiesen an, daß der Beschwerdeführer zwischen November 1993 und November 1995 fünfmal wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges ohne gültige Lenkerberechtigung rechtskräftig bestraft worden sei. Der Beschwerdeführer habe vorgebracht, daß Österreich das einzige europäische Land wäre, in dem eine gültig erworbene ausländische Lenkerberechtigung nach der Dauer eines Jahres (Hauptwohnsitz ein Jahr) ihre Gültigkeit verlieren würde, daß daher Ausländer in Österreich sehr häufig mit ihrer Lenkerberechtigung im guten Glauben an deren Gültigkeit weiter ihr Kraftfahrzeug benützen und bestraft würden. Gerade darauf aber könne sich der Beschwerdeführer nicht berufen. Die Bundespolizeidirektion Wien habe nämlich schon mit Bescheid vom 22. April 1992 dem Beschwerdeführer gegenüber festgestellt, daß dieser kein Recht hätte, von seinem jugoslawischen Führerschein auf dem Gebiet der Republik Österreich Gebrauch zu machen. Angesichts dessen könne sich der Beschwerdeführer nicht einmal hinsichtlich der ersten Bestrafung im November 1993 darauf berufen, daß die Übertretung nicht schwerwiegend sei. Die "vier" (richtig wohl: fünf) rechtskräftigen Bestrafungen des Beschwerdeführers seien wegen schwerwiegender Verwaltungsübertretungen i.S. des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG erfolgt, weshalb dieser Tatbestand verwirklicht sei. Überdies sei auch die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt.
Im Hinblick auf den seit 1989 rechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sowie den Aufenthalt der Ehegattin und zweier mj. Töchter in Österreich sei ein durch das Aufenthaltsverbot bewirkter Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers gegeben. Dessen ungeachtet sei diese Maßnahme angesichts der von ihm gezeigten Beharrlichkeit zur Verhinderung strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte anderer (Art. 8 Abs. 2 MRK) dringend geboten und daher im Grunde des § 19 FrG zulässig.
In Anbetracht der Unverbesserlichkeit des Beschwerdeführers sei die belangte Behörde der Auffassung, daß die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes schwerer wögen als die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie. Daran vermöge auch die Behauptung des Beschwerdeführers nichts zu ändern, daß er einer geregelten Beschäftigung nachginge und seine Arbeit zur Zufriedenheit seines Dienstgebers versehen würde.
2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser trat die Beschwerde nach Ablehnung von deren Behandlung (Beschluß vom 30. September 1996, B 2776/96-3) dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluß vom 12. November 1996, B 2776/96-5).
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren macht der Beschwerdeführer inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend und begehrt deshalb dessen Aufhebung.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Rechtsansicht der belangten Behörde, daß vorliegend aufgrund der unbetrittenen fünf rechtskräftigen Bestrafungen des Beschwerdeführers wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges ohne von der zuständigen österreichischen Behörde erteilte Lenkerberechtigung der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 (erster Fall) FrG verwirklicht und überdies die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme (in Ansehung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit) gerechtfertigt sei, entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Dazu sei insbesondere - im Grunde des § 43 Abs. 2 VwGG - auf das Erkenntnis vom 23. November 1995, Zl. 95/18/1173, verwiesen, das insoweit einen in allen wesentlichen Sachverhaltselementen gleichgelagerten Fall zum Gegenstand hatte (vgl. ferner das Erkenntnis vom 1. Februar 1995, Zl. 95/18/0085). Daß, so die Beschwerde, dem Fehlverhalten des Beschwerdeführers kein "konkreter Schädigungsvorsatz" entnommen werden könne, daß der Beschwerdeführer den Schweregrad der besagten Gesetzesverstöße völlig unterschätzt habe und daß er "über den Schweregrad dieser Vergehen sowie über die möglichen aufenthaltsrechtlichen Auswirkungen nicht belehrt (wurde)", vermag weder an der Tatbestandsmäßigkeit nach § 18 Abs. 2 Z. 2 (erster Fall) FrG noch am Gerechtfertigtsein der Annahme gemäß § 18 Abs. 1 (Z. 1) leg. cit. etwas zu ändern. Was indes den in bezug auf die zuletzt genannte Bestimmung an sich rechtlich relevanten Umstand des Erwerbes einer österreichischen Lenkerberechtigung durch den Beschwerdeführer nach Begehung der in Rede stehenden Übertretungen (am 4. Juni 1996) anlangt (vgl. zu diesem Gesichtspunkt das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 1996, Zl. 94/18/1117), so ist mit dessen Geltendmachung in der Beschwerde konkret für den Beschwerdeführer deshalb nichts zu gewinnen, weil er der Behörde von dieser Tatsache erstmals mit Schriftsatz vom 1. August 1996, also nach Erlassung des bekämpften Bescheides (19. Juli 1996) Mitteilung machte, sie somit im Rahmen der Entscheidungsfindung von der belangten Behörde nicht berücksichtigt werden konnte und demnach im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtlich ist (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG).
2. Die Beschwerde hält die Interessenabwägung nach § 19 und § 20 Abs. 1 FrG für rechtswidrig, weil es die Behörde verabsäumt habe, die vom Beschwerdeführer geltend gemachten privaten und familiären Interessen an der Abstandnahme von einem Aufenthaltsverbot zu berücksichtigen. Der Umstand, daß die Ehefrau und zwei schulpflichtige Kinder gemeinsam mit dem Beschwerdeführer ebenfalls bereits seit fünf Jahren im Bundesgebiet lebten, sei ebenso unberücksichtigt geblieben wie daß der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Familie in Österreich sei, daß jegliche Bindungen zur - serbisch kontrollierten - Heimat abgebrochen seien, und daß das finanzielle Überleben der Familie von der Arbeitskraft des Beschwerdeführers abhängig sei.
Unberücksichtigt geblieben sei weiters, daß das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers keinesfalls notwendig den Schluß zulasse, der Beschwerdeführer wäre "unverbesserlich" oder würde auch in Hinkunft durch dieselben Vergehen die öffentliche Ordnung beeinträchtigen. Immerhin sei nicht widerlegt worden, daß sich der Beschwerdeführer des tatsächlichen Schweregrades seiner Übertretungen nicht bewußt gewesen sei.
In Mißachtung der vorgenannten Umstände habe die belangte Behörde, die sich den privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers und seiner Angehörigen gegenüber einem angeblich eminenten öffentlichen Interesse an der Aufenthaltsbeendigung "völlig gleichgültig zeigt", den Beschwerdeführer in seinen aus den §§ 19 und 20 (Abs. 1) FrG erfließenden Rechten auf Schutz seines Privat- und Familienlebens verletzt.
3.1. Die belangte Behörde nahm im Hinblick auf den "seit 1989" rechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich sowie den Aufenthalt seiner Gattin und seiner beiden mj. Töchter im Bundesgebiet einen im Grunde des § 19 FrG relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben durch das Aufenthaltsverbot an. Diese Beurteilung ist zutreffend, und zwar auch dann, wenn man mit der Beschwerde davon ausgeht, daß der Beschwerdeführer erst am 20. April 1991 nach Österreich eingereist sei (vorher habe er sich laut Beschwerde "mehrfach kurzfristig zu Geschäftszwecken in Österreich aufgehalten"). Daß der Beschwerdeführer mit seiner Familie zusammenlebt und diese in Österreich den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen hat, ist mangels ausdrücklich davon abweichender Feststellungen als von der im angefochtenen Bescheid familiären Situation (I.1.) mitumfaßt anzusehen. Was das behauptete Abhängigsein der Familie in finanzieller Hinsicht von der Arbeitskraft des Beschwerdeführers betrifft, so ist darauf hinzuweisen, daß der Beschwerdeführer seiner Verpflichtung zur Unterhaltsleistung auch vom Ausland nachkommen kann (wobei die diesfalls möglicherweise eingeschränkten Möglichkeiten des Beschwerdeführers in Kauf genommen werden müssen).
Den somit durchaus beachtlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleiben im Bundesgebiet sind die - von der belangten Behörde auch getan - maßgeblichen öffentlichen Interessen an einer Ausreise des Beschwerdeführers gegenüberzustellen. Dem Allgemeininteresse an der Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit des Straßenverkehrs kommt ein hoher Stellenwert zu. Dieses öffentliche Interesse wurde durch die zahlreichen, über einen Zeitraum von etwa zwei Jahren geradezu regelmäßig begangenen, wie dargetan, schwerwiegenden Übertretungen des Beschwerdeführers - die darin gelegene Beharrlichkeit, für die Sicherheit der Menschen wesentliche Vorschriften zu mißachten, läßt sich nicht übersehen - in gravierender Weise beeinträchtigt. Von daher stößt die Ansicht der belangten Behörde, daß die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer - auch unter Bedachtnahme auf seine persönliche Interessenlage - vor allem mit Rücksicht auf die Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen (Art. 8 Abs. 2 MRK) dringend geboten und demnach gemäß § 19 FrG zulässig sei, auf keine Bedenken (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis Zl. 95/18/1173).
3.2. Im Lichte der vorstehenden Erwägungen vermag der Gerichtshof auch nicht zu erkennen, daß die belangte Behörde die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG zu Unrecht bejaht hätte. Angesichts der sich in der Vielzahl schwerwiegender Verstöße gegen eine der Sicherheit im Straßenverkehr dienende zentrale kraftfahrrechtliche Norm manifestierenden Gefährlichkeit des Beschwerdeführers für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ist das maßgebliche öffentliche Interesse an einer Beendigung des Aufenthaltes des Beschwerdeführers von solchem Gewicht, daß die nachteiligen Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf seine und seiner Familie Lebenssituation jedenfalls als vergleichsweise nicht schwerer wiegend zu werten sind.
4. Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet; sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996180545.X00Im RIS seit
19.03.2001