Entscheidungsdatum
28.04.2021Norm
AsylG 2005 §10Spruch
W169 2238460-2/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.04.2021, Zl. 1180110502-201304005, zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 68 AVG als unbegründet abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß §§ 57, 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG und §§ 52, 53 FPG als unbegründet abgewiesen.
III. Gemäß § 21 Abs. 5 BFA-VG idgF wird festgestellt, dass die Rückkehrentscheidung und das Einreiseverbot zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides rechtmäßig waren.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler und schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 29.01.2018 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 30.01.2018 sowie bei der Befragung durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 09.02.2018 und am 21.02.2018 gab der Beschwerdeführer an, dass er zur Religionsgemeinschaft der Sikh gehöre und die Sprache Punjabi spreche. Er habe im Heimatland 12 Jahre die Grundschule besucht und zuletzt als Landwirt gearbeitet. Zu seinen Fluchtgründen brachte der Beschwerdeführer vor, dass er und seine Familie die Partei namens Akali Dal unterstützen würden. Derzeit regiere die Kongresspartei im Punjab. Da sie die Akali Dal Partei unterstützen würden, seien sie von Mitgliedern der Kongresspartei verfolgt und bedroht worden. Sein Vater und er seien mehrmals unschuldig von der Polizei festgenommen und eingesperrt worden. Diese Verhaftungen seien von der Kongresspartei veranlasst worden. Da die Lage immer schlechter geworden sei, hätten er und sein Vater beschlossen, dass der Beschwerdeführer Indien verlassen solle. Im Falle einer Rückkehr nach Indien habe er Angst um sein Leben.
Zu seinen persönlichen Verhältnissen gab der Beschwerdeführer an, dass er ledig sei und aus dem Bundesstaat Punjab stamme. In Indien würden seine Eltern, sein Bruder sowie Onkeln und Tanten väterlicherseits leben. Seine Eltern würden ein eigenes Grundstück und ein eigenes Haus besitzen. Auf dem Grundstück befinde sich die familieneigene Landwirtschaft. In Österreich habe er keine Verwandten. Er lebe von der Grundversorgung und sei nicht Mitglied in Vereinen oder irgendwelchen Organisationen.
2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.02.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 29.01.2018 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, es wurde gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei. Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.
Begründend wurde ausgeführt, dass die Fluchtgründe des Beschwerdeführers nicht glaubwürdig seien. Unabhängig davon stehe dem Beschwerdeführer eine inländische Fluchtalternative offen. Auch eine refoulementschutzrechtlich relevante Gefährdung im Falle einer Rückkehr nach Indien sei nicht gegeben. Der Beschwerdeführer erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der äußerst kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären und privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien. Die Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der Beschwerdeführer bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.
Da gegen diese Entscheidung keine Beschwerde eingebracht wurde, erwuchs dieser Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in Rechtskraft.
3. Am 12.11.2020 reiste der Beschwerdeführer über den Flughafen Wien-Schwechat aus Lissabon kommend illegal in Österreich ein. Dabei wurde er von Organwaltern des Stadtpolizeikommandos Schwechat mit einem gefälschten Visum betreten, in weiterer Folge festgenommen und danach an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl überstellt.
4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.11.2020 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Sicherung der Abschiebung angeordnet.
5. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.12.2020, Zahl W150 2236978-1/16E, gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG, § 76 Abs. 2 Z 1 FPG iVm § 76 Abs. 3 Z 1 und Z 9 FPG als unbegründet abgewiesen. Weiters wurde gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG, § 76 Abs. 2 Z 1 FPG iVm § 76 Abs. 3 Z 1, Z 2 und Z 9 FPG festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen würden. Zudem wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen, dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 461,00 EURO binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
6. Am 21.12.2020 stellte der Beschwerdeführer aus der Schubhaft einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 24.12.2020 gab der Beschwerdeführer an, das er Österreich Mitte 2018 verlassen habe und illegal nach Portugal gereist sei, wo er keinen Asylantrag gestellt und wo er Schwarzarbeit verrichtet habe. Dort habe er einen Schlepper kennengelernt, welcher ihm ein gefälschtes griechisches Visum besorgt habe. Mit seinem indischen Reisepass und dem gefälschten griechischen Visum sei er am 12.11.2020 nach Österreich gereist, wo er am Flughafen festgenommen worden sei. Seitdem befinde er sich in Schubhaft. Auf die Frage, warum er einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz stelle, gab der Beschwerdeführer an, dass seine alten Gründe nach wie vor aufrecht seien, da er noch immer politische Probleme habe. Darüber hinaus sei sein Leben aufgrund der „Farmerproteste“ in Indien in Gefahr. Er sei Farmer. Die indische Regierung führe immer wieder neue Gesetze gegen Punjabis ein. Sie schaffe die Mindestpreise für die Ernte ab und dadurch hätten die Bauern keine Sicherheit mehr. Dies seien alle seine Gründe. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst um sein Leben.
7. Am 02.01.2021 wurde dem Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Indien vom 11.11.2020 übermittelt und ihm die Möglichkeit eingeräumt, spätestens beim Einvernahmetermin dazu Stellung zu beziehen.
8. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 04.01.2021 führte der Beschwerdeführer an, dass er gesund sei und keine Medikamente nehmen müsse. Er sei nach seiner negativen Entscheidung in Österreich im Jahr 2018 nicht nach Indien gereist, sondern illegal nach Portugal gefahren. Seine Familie befinde sich nach wie vor in Indien. Den letzten Kontakt zu ihr habe er vor sechs bis sieben Tagen gehabt. Seine Fluchtgründe aus dem Vorverfahren würden nach wie vor aufrecht sein. Er habe aber auch neue Gründe. In Indien seien neue Gesetze gegen Punjabis eingeführt worden. Punjabis würden nicht gerecht behandelt werden, sie würden diskriminiert und von der Polizei verfolgt werden. Da er das Kind eines Farmers und Punjabi sei, sei er bei einer Rückkehr in großer Gefahr. Die Farmer in Indien würden ausgebeutet werden, da ein neues Gesetz eingeführt worden sei, welches die Bauern in Indien sehr beeinträchtige. Er wolle hier in Österreich bleiben, Steuern zahlen und ein sicheres Leben führen. Diese neuen Fluchtgründe würden seit ca. drei bis vier Monaten bestehen. Auf Nachfrage führte der Beschwerdeführer an, dass er telefonischen Kontakt mit einem indischen Freund in Österreich gehabt habe, welcher ihm von den Problemen in Indien berichtet habe. Dabei gehe es um „das Bauernproblem, das neue Gesetz, welches gegen Bauern eingeführt wurde. Wodurch Punjabi Bauern massiv beeinträchtigt werden“. Es sei ein neues Gesetz eingeführt worden, welches besage, dass es keine Zwischenhändler mehr gäbe, sondern dass die Bauern ihre Ernte direkt an Großkonzerne verkaufen müssten. Diese Konzerne könnten einen geringeren Preis verlangen, da die Mindestpreise nun abgeschafft worden seien. Auf Vorhalt, dass dieses Gesetz nicht nur Punjabibauern treffen würde, sondern dieses für das gesamte Staatsgebiet gelte, gab der Beschwerdeführer an, dass aber hauptsächlich „die Punjabis“ viel Landwirtschaft in Indien besitzen würden, daher sei der Punjab davon am meisten betroffen. Es sei aber richtig, dass dieses Problem alle betreffe. Er sei ein Punjabibauer und sein Vater sei ebenso Farmer. Sein Vater lebe nach wie vor in Indien. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst um sein Leben, da er nach wie vor, wie im ersten Asylverfahren angegeben, politisch verfolgt werde. Die Angst beziehe sich auf Probleme, die er bereits im ersten Verfahren vorgebracht habe. Er würde bitten, dass er hier arbeiten dürfe und ein gutes und sicheres Leben führen könne. Auf Vorhalt, warum er den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz nicht schon früher gestellt habe, wo ihm dieses neue Problem doch bereits seit drei bis vier Monaten bekannt sei, gab der Beschwerdeführer an, dass er zu dieser Zeit in Lissabon gewesen sei. Als er nach Österreich zurückgekehrt sei, sei er von der Polizei angehalten und inhaftiert worden. Danach habe er Kontakt mit einem indischen Freund gehabt, der ihm von diesen Problemen berichtet habe. Auf die Frage, warum er, nachdem er schon seit 13.11.2020 in Schubhaft sei, erst über einen Monat später einen Antrag gestellt habe, gab der Beschwerdeführer an, dass er sich diesbezüglich mit seinem Anwalt unterhalten habe. Da ihm gesagt worden sei, dass er abgeschoben werden könne, habe er einen Asylantrag gestellt. Auf weiteren Vorhalt, dass er bei der Einvernahme zur Schubhaft am 13.11.2020 angegeben habe, dass er lieber nach Indien statt nach Lissabon reisen wolle, gab der Beschwerdeführer an, dass er dies aus Wut und Angst gesagt habe. Nach Indien könne er nicht zurück. Dies sei ihm bei der Einvernahme einfach rausgerutscht. Zu seinen Lebensumständen in Österreich gab der Beschwerdeführer an, dass er hier einen Onkel habe. Er habe damals im ersten Asylverfahren bei ihm gewohnt. Seit 2018, nachdem er das Land verlassen habe, habe er jedoch nicht mehr bei ihm gelebt. Von diesem Onkel sei er nicht finanziell abhängig. Er gehe in Österreich keiner Erwerbstätigkeit nach und habe von der Grundversorgung gelebt. Er sei nicht Mitglied in einem Verein oder in einer Organisation.
Nach Vorhalt, dass er am 02.01.2021 eine Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 und 6 AsylG erhalten habe, womit ihm mitgeteilt worden sei, den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben und er nun Gelegenheit habe, zu dieser geplanten Vorgangsweise Stellung zu nehmen, gab der Beschwerdeführer an, dass sein Leben in Indien in Gefahr sei. Er bitte seinen Aufenthalt in Österreich zu genehmigen.
Am Ende der Einvernahme gab der Beschwerdeführer zu den ihm übermittelten Länderfeststellungen an, dass er dazu keine Stellungnahme abgeben wolle. Er wolle hier arbeiten und Steuern zahlen.
Der bei der Einvernahme anwesende Rechtsberater stellte keine Anträge bzw. Fragen.
9. Mit dem mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.01.2021 wurde der faktische Abschiebungsschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben.
Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und Feststellungen zur aktuellen Situation in Indien ausgeführt, dass der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren ausdrücklich das Fortbestehen der bereits im ersten Asylverfahren geschilderten – und als unglaubwürdig befundenen – fluchtauslösenden Umstände behauptet habe, da er sowohl in seiner Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes als auch im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl angegeben habe, dass seine Fluchtgründe aus seinem ersten Asylverfahren nach wie vor aufrecht seien, weshalb das Bundesamt über diesen Sachverhalt bereits rechtskräftig abgesprochen habe. Die neu vorgebrachten Fluchtgründe – Einführung neuer Gesetze gegen Farmer, wodurch die Bauern in Indien, speziell die Punjabis, beeinträchtigt werden würden – würden keinen glaubhaften Kern im Sinne der Judikatur des VwGH aufweisen.
Die Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sei seit der Entscheidung über seinen vorherigen Antrag auf internationalen Schutz im Wesentlichen unverändert. Der diesbezüglich für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt habe sich seit Rechtskraft des Vorverfahrens nicht geändert. Aufgrund der Feststellungen zur Lage in Indien in Verbindung mit seinem Vorbringen drohe dem Beschwerdeführer keine Verletzung wie in
§ 12a Abs. 2 Z 3 AsylG beschrieben. Sein neuer Antrag auf internationalen Schutz werde voraussichtlich auch diesbezüglich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein.
Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass im Fall des Beschwerdeführers ein Folgeantrag vorliege, weil sein Vorverfahren rechtskräftig entschieden sei. Die gegen ihn ausgesprochene Rückkehrentscheidung sei aufrecht. Er verfüge über kein sonstiges Aufenthaltsrecht. Sein nunmehriger Antrag auf internationalen Schutz sei voraussichtlich zurückzuweisen, da er keinen neuen Sachverhalt vorgebracht und er sich auf seine schon behandelten Fluchtgründe bezogen habe, welche bereits als unglaubwürdig gewertet worden seien. Auch seine neuen Fluchtgründe würden keinen glaubhaften Kern im Sinne der Judikatur des VwGH aufweisen. Zudem habe sich die allgemeine Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers nicht entscheidungsrelevant geändert. Bereits im Vorverfahren sei festgestellt worden, dass ihm bei einer Rückkehr oder Abschiebung in sein Herkunftsland keine Verletzung seiner Integrität drohe. Da sich die allgemeine Lage wie auch seine persönlichen Verhältnisse und sein körperlicher Zustand seit der letzten Entscheidung nicht maßgeblich geändert hätten, könne davon ausgegangen werden, dass eine Abschiebung in seinen Herkunftsstaat für ihn zu keiner Bedrohung der angeführten Menschenrechte führen werde. Selbiges gelte für seine persönlichen Verhältnisse, auch bezüglich dieser sei keine wesentliche Veränderung im Hinblick auf die vorherige Entscheidung eingetreten. Die Feststellung der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung, die in Rechtskraft erwachsen sei, sei somit nach wie vor nicht anzuzweifeln. Aufgrund der Feststellungen zur Lage in seinem Herkunftsstaat in Verbindung mit seinem Vorbringen könne somit davon ausgegangen werden, dass ihm keine Verletzung wie in § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG beschrieben drohe. Es würden somit alle Voraussetzungen für die Aufhebung des Abschiebeschutzes vorliegen, sodass spruchgemäß zu entscheiden sei.
10. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte in der Folge den Verwaltungsakt mit einem als „Beschwerdevorlage“ bezeichneten Schreiben vom 07.01.2021 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor, wo es am 11.01.2021 einlangte.
11. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.01.2021, Zl. W169 2238460-1/2E, wurde festgestellt, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 idgF iVm § 22 Abs. 10 AsylG 2005 idgF sowie § 22 BFA-VG idgF rechtmäßig ist.
Begründend wurde vorgebracht, dass der Beschwerdeführer keine neue Sachverhaltsänderung, sondern ausdrücklich das Fortbestehen der bereits im vorangegangen Asylverfahren geschilderten – und für unglaubwürdig befundenen – fluchtauslösenden Umstände behauptet hat, da er bei der Befragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ausdrücklich angegeben habe, dass seine Gründe aus dem Vorverfahren weiterhin aufrecht seien. Die neu vorgebrachten Fluchtgründe würden keinen glaubhaften Kern im Sinne der Judikatur des VwGH aufweisen. Zudem seien dem Beschwerdeführer die diesbezüglich neuen Gründe schon seit drei bis vier Monaten bekannt gewesen und habe er erst nachdem er bereits einen Monat in Schubhaft gewesen sei, den neuen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, weshalb davon auszugehen sei, dass der Beschwerdeführer diesen neuen Antrag auf internationalen Schutz missbräuchlich gestellt habe. Dies ergebe sich auch daraus, dass der Beschwerdeführer in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 04.01.2021 ausdrücklich angegeben habe, dass er den gegenständlichen Antrag deshalb aus der Schubhaft gestellt habe, da sein Anwalt ihm gesagt habe, dass er abgeschoben werden könne. Somit habe der Beschwerdeführer den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz offensichtlich deshalb gestellt, um seine Abschiebung nach Indien zu verhindern. Aus den im angefochtenen Bescheid enthaltenen Länderberichten ergebe sich zudem, dass auch im Hinblick auf die allgemeine Situation im Herkunftsstaat keine maßgebliche Änderung der Lage im Vergleich zum Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.02.2018 eingetreten sei. Es sei nicht ersichtlich, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien eine reale Gefahr einer Verletzung der Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens und der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Da der Beschwerdeführer nie über ein Aufenthaltsrecht in Österreich verfügt habe, in Österreich über keine Familienangehörigen und Verwandten verfüge, zu denen eine besonders enge Bindung oder ein Abhängigkeitsverhältnis bestehe, der Beschwerdeführer nicht Mitglied in einem Verein oder in einer sonstigen Organisation sei, nicht Deutsch spreche und auch nicht selbsterhaltungsfähig sei, könne auch keine Verletzung seines Rechts auf Privat- oder Familienleben durch eine Abschiebung festgestellt werden. Darüber hinaus habe der gesunde und arbeitsfähige Beschwerdeführer sein gesamtes Leben vor der Ausreise in Indien verbracht. Ebenso führe die aktuelle COVID-19-Pandemie zu keiner maßgeblich veränderten Situation, da die Letalität des Virus für junge, im wesentlichen gesunde Menschen wie den Beschwerdeführer, der nicht einer Risikogruppe angehöre, äußerst gering sei. Da somit alle Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005 erfüllt seien, sei spruchgemäß festzustellen gewesen, dass der mündlich verkündete Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.01.2021 rechtmäßig sei und die Voraussetzungen für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes vorliegen würden.
12. Am 25.01.2021 wurde der Beschwerdeführer nach Indien abgeschoben.
13. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 21.12.2020 sowohl hinsichtlich der Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I. und II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde festgestellt, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe und unter Spruchpunkt VII. wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 1 Z 6 FPG ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren keinen entscheidungsrelevanten Sachverhalt vorgebracht habe, der nach rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens entstanden sei. Da weder in der maßgeblichen Sachlage – und zwar weder im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre des Beschwerdeführers gelegen sei, noch in jenen, welcher von Amts wegen aufzugreifen sei – noch im Begehren und auch nicht in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten sei, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Antrags nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen ließen, sei der neuerliche Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen. Hinsichtlich des Spruchpunktes III. wurde ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG nicht vorliegen würden. Weiters wurde festgehalten, dass eine der Rückkehr entgegenstehende Integration des Beschwerdeführers ebenso wenig erkannt werden könne, wie eine der Rückkehr entgegenstehende Situation in Indien, wobei auch die aktuelle Situation in Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie berücksichtigt wurde. Die Erlassung eines Einreiseverbotes sei notwendig, da der Beschwerdeführer seine Ausreiseverpflichtung missachtet habe und die Mittel zum Unterhalt nicht nachweisen könne.
Zum Herkunftsstaat stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen Folgendes fest:
„COVID-19
Letzte Änderung: 22.10.2020
Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie verhängte die indische Regierung am 25. März 2020 eine Ausgangssperre über das gesamte Land, die nur in Einzelfällen (Herstellung lebensnotwendiger Produkte und Dienstleistungen, Einkaufen für den persönlichen Bedarf, Arztbesuche, usw.) durchbrochen werden durfte. Trotz der Ausgangssperre sanken die Infektionszahlen nicht. Seit der ersten Aufsperrphase, die am 8. Juni 2020 begann, schießt die Zahl der Infektionen noch steiler als bisher nach oben. Größte Herausforderung während der Krise waren die Millionen von Wanderarbeitern, die praktisch über Nacht arbeitslos wurden, jedoch auf Grund der Ausgangssperre nicht in ihre Dörfer zurückkehren konnten. Viele von ihnen wurden mehrere Wochen in Lagern unter Quarantäne gestellt (also de facto eingesperrt), teilweise mit nur schlechter Versorgung (ÖB 9.2020). Nach Angaben des indischen Gesundheitsministeriums vom 11. Oktober 2020 wurden seit Beginn der Pandemie mehr als sieben Millionen Infektionen mit SARS-CoV-2 registriert. Die täglichen offiziellen Fallzahlen stiegen zwar zuletzt weniger schnell als noch im September, die Neuinfektionen nehmen in absoluten Zahlen jedoch schneller zu als in jedem anderen Land der Welt. Medien berichten in einigen Teilen des Landes von einem Mangel an medizinischem Sauerstoff in Krankenhäusern (BAMF 12.10.2020).
Sorge bereitet die zunehmende Ausbreitung von COVID-19-Infektionen in Kleinstädten und ländlichen Gebieten, wo der Zugang zur medizinische Versorgung teilweise nur rudimentär oder gar nicht vorhanden ist (WKO 10.2020). Durch die COVID-Krise können Schätzungen zu Folge bis zu 200 Mio. in die absolute Armut gedrängt werden. Ein Programm, demzufolge 800 Mio. Menschen gratis Lebensmittelrationen erhalten, wurde bis November 2020 verlängert. Die Ausmaße dieses Programms verdeutlichen, wie hart Indien von der COVID-Pandemie und dem damit verbundenen Einbruch der Wirtschaft betroffen ist (ÖB 9.2020).
Quellen:
? BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (12.10.2020): https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2020/briefingnotes-kw42-2020.pdf;jsessionid=91E533F0FC7A0F35C0751A9F00F3D711.internet572?__blob=publicationFile&v=4, Zugriff 12.10.2020
? ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (9.2020): Asylländerbericht Indien
? WKO - Aussenwirtschaft Austria (10.2020): Aussen Wirtschaft Wirtschaftsbereich Indien, WIRTSCHAFTSBERICHT Indien (Q1–Q22020), https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/indien-wirtschaftsbericht.pdfhttps://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/indien-wirtschaftsbericht.pdf, Zugriff 21.10.2020
…
Punjab
Letzte Änderung: 23.10.2020
Der Terrorismus im Punjab ist Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Die meisten hochkarätigen Mitglieder der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren von anderen Unionsstaaten oder Pakistan aus. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland (ÖB 9.2020).
Der illegale Waffen- und Drogenhandel von Pakistan in den indischen Punjab hat sich in letzter Zeit verdreifacht. Es gibt Anzeichen von konzertierten Versuchen militanter Sikh-Gruppierungen im Ausland gemeinsam mit dem pakistanischen Geheimdienst ISI, die aufständische Bewegung in Punjab wiederzubeleben. Indischen Geheimdienstinformationen zufolge werden Kämpfer der Babbar Khalsa International (BKI), einer militanten Sikh-Organisation in Pakistan von islamischen Terrorgruppen wie Lashkar-e-Toiba (LeT) trainiert, BKI hat angeblich ein gemeinsames Büro mit der LeT im pakistanischen West-Punjab errichtet. Die Sicherheitsbehörden im Punjab konnten bislang die aufkeimende Wiederbelebung der aufständischen Sikh-Bewegung erfolgreich neutralisieren (ÖB 9.2020). Im Punjab haben die Behörden besondere Befugnisse, ohne Haftbefehl Personen zu suchen und zu inhaftieren (USDOS 11.3.2020; vgl. BBC 20.10.2015).
Die Menschenrechtslage im Punjab stellt sich nicht anders als im übrigen Indien dar. Jüngste Berichte internationaler Menschenrechts-NGOs (Amnesty International, Human Rights Watch), aber auch jene des US State Department enthalten keine gesonderten Informationen zum Punjab (ÖB 9.2020).
Neben den angeführten Formen der Gewalt, stellen Ehrenmorde vor allem in Punjab, Uttar Pradesh und Haryana weiterhin ein Problem dar (USDOS 11.3.2020).
Laut Angaben des indischen Innenministeriums zu den Zahlen der Volkszählung im Jahr 2011 leben von den 21 Mio. Sikhs 16 Mio. im Punjab (MoHA o.D.). Es gibt derzeit keine Hinweise darauf, dass Sikhs alleine auf Grund ihrer Religionszugehörigkeit von der Polizei willkürlich verhaftet oder misshandelt würden. Auch stellen die Sikhs 60 Prozent der Bevölkerung des Punjabs, einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen (ÖB 9.2020).
Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2016 insgesamt 25 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt in Punjab. Im Jahr 2017 wurden 8 Personen durch Terrorakte getötet, 2018 waren es 3 Todesopfer und im Jahr 2019 wurden durch terroristische Gewalt 2 Todesopfer registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen]. Per 13.10.2020 wurden für Beobachtungszeitraum 2020 keine Opfer von verübten Terrorakten aufgezeichnet (SATP 13.10.2020).
In Indien ist die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit rechtlich garantiert und praktisch von den Behörden auch respektiert; in manchen Grenzgebieten sind allerdings Sonderaufenthaltsgenehmigungen notwendig. Sikhs aus dem Punjab haben die Möglichkeit sich in anderen Landesteilen niederzulassen, Sikh-Gemeinden gibt es im ganzen Land verstreut. Sikhs können ihre Religion in allen Landesteilen ohne Einschränkung ausüben. Aktive Mitglieder von verbotenen militanten Sikh-Gruppierungen, wie Babbar Khalsa International, müssen mit polizeilicher Verfolgung rechnen (ÖB 9.2020).
Quellen:
? BBC - British Broadcasting Corporation (20.10.2015): Why are Indian Sikhs angry?, http://www.bbc.com/news/world-asia-india-34578463, Zugriff 18.10.2018
? MoHA - Government of India, Ministry of Home Affairs, Office of the Registrar General & Census Commissioner, India (o.D.): C-1 Population By Religious Community, http://www.censusindia.gov.in/2011census/C-01.html, Zugriff 18.10.2018
? ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (9.2020): Asylländerbericht Indien
? SATP - South Asia Terrorism Portal (13.10.2020): Datasheet – Punjab, Data View, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/fatalities/india-punjab, Zugriff 15.10.2020
? USDOS – US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026357.html, Zugriff 13.3.2020
? USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 – India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004219.html, Zugriff 13.8.2019
Ethnische Minderheiten
Letzte Änderung: 06.11.2020
Minderheiten sind nach indischem Recht als religiöse und sprachliche Minderheiten definiert (ÖB 9.2020). Die Verfassung enthält eine Garantie zum Schutz vor Diskriminierungen wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion, Rasse, Kaste, Geschlecht oder Geburtsort (USDOS 21.6.2019).
Obwohl laut Verfassung die Kastendiskriminierung verboten ist, bleibt die Registrierung zum Zwecke positiver Förderprogramme bestehen, und die Regierung betreibt weiterhin verschiedene Programme, um Mitglieder niederer Kasten zu stärken (USDOS 11.3.2020). Besonders auf dem Land bleiben Diskriminierungen aufgrund der Kastenzugehörigkeit jedoch weit verbreitet (USDOS 11.3.2020; vgl. BAMF 30.9.2019). Kritiker behaupten, dass viele der Unterstützungsprogramme zur Förderung Angehöriger der unteren Kasten an den Folgen einer mangelhafter Umsetzung und Korruption leiden (USDOS 11.3.2020).
Noch immer werden in Indien – trotz umfangreicher Förderprogramme und verfassungsmäßigem Verbot der Benachteiligung aufgrund von Kastenzugehörigkeit – Angehörige von niederen Kasten und Kastenlose (sogenannte Dalits, offiziell: „Scheduled Castes“, rund 16,6 Prozent der Gesamtbevölkerung) diskriminiert. Diese Benachteiligung ist in der Struktur der indischen Gesellschaft angelegt, fußt auf sozialen und religiösen Traditionen und verläuft vielfach implizit (AA 23.9.2020; vgl. FH 4.2.2019).
Mob-geleitete Gewaltakte gegenüber Angehörige von Minderheiten durch extremistische Hindu-Gruppen, die der regierenden BJP (Bharatiya Janata Party) angehören, setzten sich das ganze Jahr 2019 über fort (HRW 14.1.2020).
Zum Schutz der benachteiligten Gruppen und zur Gewährleistung ihrer Repräsentation im Unterhaus des Parlaments, muss jeder Bundesstaat Sitze für die geschützten Kasten und Stämme in Proportion zur Bevölkerung des Staates reservieren. Nur Kandidaten, die diesen Gruppen angehören dürfen an den Wahlen in den reservierten Wahlkreisen teilnehmen. Mitglieder der Minderheitenbevölkerung dienten als Premierminister, Vizepräsidenten, Richter des Obersten Gerichts und Mitglieder des Parlaments (USDOS 11.3.2020).
Im Nordosten des Landes, sind die Auseinandersetzungen um den Zugang zu Land und die Verteilung der Erträge vor allem ethno-politischer Natur. Die Hauptursachen, die auf die britische Kolonialzeit zurückgehen, liegen zum einen in der wirtschaftlichen Abhängigkeit, Rückständigkeit und politischen Marginalisierung der Region und zum anderen in den Konflikten zwischen den kulturell und ethnisch sehr unterschiedlichen Stammes- und Bevölkerungsgruppen. Die Nordostregion unterscheidet sich kulturell und ethnisch erheblich vom restlichen Indien. Bis heute fühlt sich die lokale Bevölkerung um ihre wirtschaftliche und politische Macht betrogen (BPB 12.12.2017). Die Situation von Kindern aus sozial und wirtschaftlich marginalisierten Gemeinschaften bleiben weiterhin in ganz Indien ein ernsthaftes Problem (HRW 17.1.2019).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (23.9.2020): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038579/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abschiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_23.09.2020.pdf, Zugriff 16.10.2020
? BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (30.9.2019): Briefing Notes, https://www.ecoi.net/en/file/local/2018350/briefingnotes-kw40-2019.pdf, Zugriff 11.2.2020
? FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025925.html, Zugriff 18.3.2020
? FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 – India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004338.html, Zugriff 20.2.2020
? HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022689.html, Zugriff 13.3.2020
? HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002249.html, Zugriff 17.1.2020
? ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (8.2019): Asylländerbericht Indien
? USDOS – US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026357.html, Zugriff 16.3.2020
Bewegungsfreiheit
Letzte Änderung: 22.10.2020
Das Gesetz gewährt landesweite Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Migration und Repatriierung, und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 11.3.2020). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der „Naxaliten“ in Frage gestellt. Abgesehen davon ist Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes gewährleistet (AA 23.9.2020).
Die Regierung lockerte Einschränkungen für ausländische Reisende in Bezug auf Reisen nach Arunachal Pradesh, Nagaland, Mizoram, Manipur und Teilen von Jammu und Kaschmir, außer für Ausländer aus Pakistan, China und Myanmar. Das Innenministerium und die Bundesstaatenregierungen verlangen vor Reiseantritt von den Bürgern spezielle Genehmigungen, um in bestimmte gesperrte Regionen bzw. Sperrzonen zu reisen (USDOS 11.3.2020).
Es gibt kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem, sodass ein Großteil der Bevölkerung keinen Ausweis besitzt. Dies begünstigt die Niederlassung in einem anderen Landesteil im Falle von Verfolgung. Auch bei laufender strafrechtlicher Verfolgung ist nicht selten ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken eines anderen Landesteils möglich, ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss. Die Einführung der Aadhaar-Karte im Jahre 2009 hat hieran nichts geändert, da die Registrierung nach wie vor auf freiwilliger Basis erfolgt (AA 23.9.2020).
In den großen Städten ist die Polizei jedoch personell und materiell besser ausgestattet, sodass die Möglichkeit, aufgespürt zu werden, dort größer ist. Bekannte Persönlichkeiten („high profile“ persons) können nicht durch einen Umzug in einen anderen Landesteil der Verfolgung entgehen, wohl aber weniger bekannte Personen („low profile“ people) (ÖB 9.2020).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (23.9.2020): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038579/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abschiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_23.09.2020.pdf, Zugriff 16.10.2020
? ÖB – Österreichische Botschaft New Delhi (9.2020): Asylländerbericht Indien
? USDOS – US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026357.html, Zugriff 17.3.2020
Meldewesen
Letzte Änderung: 05.11.2020
Noch gibt es in Indien kein nationales Melderegister bzw. Staatsbürgerschaftsregister (ÖB 9.2020; vgl. AA 23.9.2020). Allerdings besteht für alle EinwohnerInnen (auch ausländische StaatsbürgerInnen) die freiwillige Möglichkeit, sich umfassend mittels Aadhaar (12-stellige, individuelle Nummer) registrieren zu lassen. Als Sicherheitsmaßnahme für die Registrierung dienen ein digitales Foto, Fingerabdrücke aller 10 Finger sowie ein Irisscan. Mittels Aadhaar ist es dann möglich, Sozialleistungen von der öffentlichen Hand zu erhalten. Auf Grund der umfangreichen Sicherheitsmaßnahen (Irisscan, Fingerabrücke) ist das System relativ fälschungssicher. Mittlerweile wurden über 1,2 Mrd. Aadhaar-Registrierungen vorgenommen, womit ein Großteil der indischen Bevölkerung erfasst ist (ÖB 9.2020).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (23.9.2020): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038579/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abschiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_23.09.2020.pdf, Zugriff 16.10.2020
? ÖB – Österreichische Botschaft New Delhi (9.2020): Asylländerbericht Indien
Grundversorgung und Wirtschaft
Letzte Änderung: 23.10.2020
Die Anzahl jener Personen, die in Indien unter der absoluten Armutsgrenze (1,90 USD/Tag Kaufkraft) leben, konnte zwischen 2012 und 2019 von 256 Mio. auf 76 Mio. reduziert werden. Gemäß Schätzungen könnten durch die COVID-Krise allerdings bis zu 200 Mio. Menschen wieder in die absolute Armut zurückgedrängt werden (ÖB 9.2020).
Das Wirtschaftswachstum lag im Haushaltsjahr 2016/2017 bei 7,1 Prozent und 2017/18 bei 6,75 Prozent (BICC 12.2019). 2019 betrug das Wirtschaftswachstum 4,9 Prozent. Für 2020 wurde ein Wachstum der Gesamtwirtschaft um 6,1 Prozentpunkte erwartet (WKO 1.2020). Doch schrumpfte im ersten Quartal des Geschäftsjahres 2020/2021 (1. April 2020 bis 30. Juni 2021) aufgrund der COVID-19-Pandemie das Wirtschaftswachstum um beispiellose 23,9 Prozent. Der private Konsum und die Investitionen gingen stark zurück. Gleichzeitig verringerte sich in derselben Periode der Output der Industrie (Minus 38 Prozent) und des Dienstleistungssektors (Minus 21 Prozent) dramatisch. Für das am 1.4.2020 begonnene Geschäftsjahr erwarten Experten, dass die indische Wirtschaft um 9,6 Prozent schrumpfen und danach nur sehr langsam eine Erholung einsetzen wird. Die schwächelnde Nachfrage im In- und Ausland dürfte auch die Handelsbilanz in beide Richtungen belasten (WKO 10.2020).
2017 lag die Erwerbsquote bei 53,8 Prozent (StBA 26.8.2019). Frauen sind weniger häufig als Männer berufstätig (FES 9.2019). Indien besitzt mit ca. 520 Millionen Menschen die zweitgrößte Arbeitnehmerschaft der Welt (2012). Im Jahr 2019 lag die Arbeitslosenquote bei 7,6 Prozent, 2020 bei 10,8 Prozent. Für 2021 wird eine Arbeitslosenrate von 9,5 Prozent erwartet (WKO 10.2020).
Der indische Arbeitsmarkt wird durch den informellen Sektor dominiert. Er umfasst Familien- und Kleinbetriebe der Landwirtschaft, des produzierenden Gewerbes sowie des Dienstleistungsbereichs und unterliegt keiner Kontrolle oder Besteuerung des Staates. Infolgedessen bestehen in diesem Bereich keine rechtsverbindlichen Bestimmungen oder formal geregelte Arbeitsverhältnisse. Annähernd 90 Prozent der Beschäftigten werden dem informellen Sektor zugerechnet – sie sind weder gegen Krankheit oder Arbeitsunfälle abgesichert, noch haben sie Anspruch auf soziale Leistungen oder Altersversorgung (Wienmann 2019). Die überwiegende Mehrheit der indischen Bevölkerung lebt in ländlich-bäuerlichen Strukturen und bleibt wirtschaftlich benachteiligt. Der Anteil der Landwirtschaft an der indischen Wirtschaftsleistung sinkt seit Jahren kontinuierlich und beträgt nur noch etwa 16,1 Prozent (2017/18) der Gesamtwirtschaft, obgleich fast 50 Prozent der indischen Arbeitskräfte in diesem Bereich tätig sind (Shah-Paulini 2017).
Arbeitssuchende registrieren sich selbständig bei den Arbeitsagenturen und werden informiert sobald eine geeignete Stelle frei ist (BAMF 2019; vgl. PIB 23.7.2018). Einige Bundesstaaten geben Arbeitssuchenden eine finanzielle Unterstützung für die Dauer von drei Jahren. Für weitere Informationen sollte die jeweilige lokale Vermittlungsagentur kontaktiert werden. Diese bieten auch Beratungen an, bei denen sie Informationen zu Verfügung stellen (BAMF 2019).
Indien steht vor gewaltigen Herausforderungen bei der Armutsbekämpfung und in der Bildungs- und Infrastrukturentwicklung. Das durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-Einkommen liegt bei rund 1.852 USD. Auf dem Human Development Index der UNDP (Stand: September 2016) steht Indien auf Platz 131 unter 188 erfassten Staaten. Während es weltweit die meisten Millionäre und Milliardäre beheimatet, liegt Indien bei vielen Sozialindikatoren deutlich unter den Durchschnittswerten von Subsahara-Afrika. Gleichzeitig konnten in den letzten beiden Jahrzehnten hunderte Millionen Menschen in Indien der Armut entkommen (BICC 7.2020).
Die Regierung betreibt eine Vielzahl von Programmen zur Finanzierung von Wohnungen. Diese richten sich jedoch zumeist an Personen unterhalb der Armutsgrenze. Weiters bieten die Regierungen eine Vielzahl an Sozialhilfen an, die sich ebenfalls an unterprivilegierte Gruppen, wie die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze, richten. Diese Programme werden grundsätzlich durch die lokalen Verwaltungen umgesetzt (Panchayat) (BAMF 2019).
Die Arbeitnehmerrentenversicherung ist verpflichtend und mit der Arbeit verknüpft. Das staatliche Sozialversicherungsprogramm (National Social Assistance Programme) erfasst nur die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze oder physisch Benachteiligte. Das staatliche Rentensystem National Pension System (NPS) ist ein freiwilliges, beitragsbasiertes System, welches es den Teilnehmern ermöglicht systematische Rücklagen während ihres Arbeitslebens anzulegen (BAMF 3.9.2018).
55,3 Prozent der Bevölkerung (642,4 Mio.) lebt in multi-dimensionaler Armut (HDI 2016). Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz (AA 23.9.2020). Ein Programm, demzufolge 800 Mio. Menschen gratis Lebensmittelrationen erhalten (also etwa 2/3 der Bevölkerung) wurde bis November 2020 verlängert. Die Ausmaße dieses Programms verdeutlichen, wie hart Indien von der COVID-Krise und dem damit verbundenen Einbruch der Wirtschaft betroffen ist (ÖB 9.2020).
Im September 2018 bestätigte der Oberste Gerichtshof die Verfassungsmäßigkeit des biometrischen Identifikationsprojekts Aadhaar. Im Juli 2019 verabschiedete das Parlament Änderungen zum Aadhaar-Gesetz. Damit wird der Weg für den Einsatz der Daten durch private Nutzer frei. Die geplanten Änderungen gaben Anlass zur Besorgnis hinsichtlich der Privatsphäre und des Datenschutzes und wurden angesichts eines Entscheids des Obersten Gerichtshofs vom September 2018 vorgenommen, welcher eine Nutzung von Aadhaar für andere Zwecke als den Zugang zu staatlichen Leistungen und die Erhebung von Steuern beschränkt (HRW 14.1.2020). Als Teil einer Armutsbekämpfungsinitiative wurde seit 2010 Millionen indischer Bürger eine Aadhaar-ID ausgestellt. Ursprünglich wurde das System eingeführt, um Steuerbetrug entgegenzuwirken. In den folgenden Jahren wurde der Umfang jedoch stark ausgeweitet: In einigen indischen Bundesstaaten werden mittels Aadhaar Pensionen, Stipendien und die Essensausgabe für arme Menschen abgewickelt (ORF 27.9.2018). Aadhaar stellt für den Großteil der Bevölkerung den einzigen Zugang zu einem staatlich anerkannten Ausweis dar. Diejenigen, die sich bei Aadhaar angemeldet haben, erhielten nach der Übermittlung ihrer Fingerabdrücke und Netzhautscans eine eindeutige zwölfstellige Identifikationsnummer (BBC 26.9.2018).
Menschenrechtsgruppen äußern Bedenken, dass die Bedingungen zur Registrierung für Aadhaar arme und marginalisierte Menschen daran hindern, wesentliche, verfassungsmäßig garantierte Dienstleistungen wie etwa Nahrung und Gesundheitsversorgung zu erhalten (HRW 13.1.2018).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (23.9.2020): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038579/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abschiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_23.09.2020.pdf, Zugriff 16.10.2020
? BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2019): Länderinformationsblatt Indien, http://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2019_India_DE.pdf, Zugriff 22.10.2020
? BBC - British Broadcasting Corporation (26.9.2018): Aadhaar: India top court upholds world's largest biometric scheme, https://www.bbc.com/news/world-asia-india-44777787, Zugriff 17.1.2019
? BICC - Bonn International Centre for Conversion (7.2020): Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien, http://ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/indien/2020_Indien.pdf, Zugriff 20.10.2020
? FES – Friedrich-Ebert-Stiftung (9.2019): Feminist perspectives on the future of work in India, http://library.fes.de/pdf-files/bueros/indien/15719.pdf, (Zugriff 18.3.2020
? HRW – Human Rights Watch (14.1.20120): World Report 2020 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022689.html, Zugriff 17.1.2020
? HRW - Human Rights Watch (13.1.2018): India: Identification Project Threatens Rights, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422175.html, Zugriff 17.1.2019
? ORF - Österreichischer Rundfunk (27.9.2018): Indiens Form der digitalen Überwachung, https://orf.at/stories/3035121/, Zugriff 17.1.2019
? ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (9.2020): Asylländerbericht Indien
? PIB - Press Information Bureau Government of India Ministry of Labour & Employment (23.7.2018): Modernisation of Employment Exchanges, http://pib.nic.in/newsite/PrintRelease.aspx?relid=180854, Zugriff 13.3.2020
? Shah-Paulini, Purvi (2017): Chefsache Integrales Business mit Indien. Den Subkontinent aus verschiedenen Perspektiven verstehen. Springer Gabler Verlag. Seite 40
? StBA – Statistisches Bundesamt (26.8.2019): Indien: Statistisches Länderprofil, https://www.destatis.de/DE/Themen/Laender-Regionen/Internationales/Laenderprofile/indien.pdf?__blob=publicationFile, Zugriff 15.3.2020
? Wiemann, Kristina N. (2019): Qualifizierungspraxis deutscher Produktionsunternehmen in China, Indien und Mexiko: Eine Analyse der Übertragbarkeit dualer Ausbildungsansätze. Springer Verlag. Seite 201
? WKO - Aussenwirtschaft Austria (10.2020): Aussen Wirtschaft Wirtschaftsbereich Indien, WIRTSCHAFTSBERICHT Indien (Q1–Q22020), https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/indien-wirtschaftsbericht.pdf, Zugriff 21.10.2020
? WKO - Aussenwirtschaft Austria (1.2020): Aussen Wirtschaft Wirtschaftsbereich Indien, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/indien-wirtschaftsbericht.pdf, Zugriff 11.2.2020
…
Rückkehr
Letzte Änderung: 23.10.2020
Allein die Tatsache, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, führt nicht zu nachteiligen Konsequenzen nach der Abschiebung (AA 23.9.2020). Abgeschobene erfahren bei der Rückkehr nach Indien von den indischen Behörden grundsätzlich keine nachteiligen Konsequenzen, abgesehen von einer Prüfung der Papiere und gelegentlichen Befragung durch die Sicherheitsbehörden. Gesuchte Personen müssen allerdings bei Einreise mit Verhaftung und Übergabe an die Sicherheitsbehörden rechnen (ÖB 9.2020; vgl. AA 23.9.2020). Aktivisten, die im Ausland eine in Indien verbotene terroristische Vereinigung unterstützen, werden hierfür nach ihrer Rückkehr strafrechtlich verfolgt, sofern ihre Aktivitäten den indischen Behörden bekannt geworden sind. Menschenrechtsorganisationen berichten über Schikanen der indischen Polizei gegen Personen, die wegen terroristischer Aktivitäten verurteilt wurden, selbst wenn diese ihre Strafe bereits verbüßt haben (ÖB 9.2020).
Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe gibt es nicht, die Rückkehrer sind auf die Unterstützung der eigenen Familie oder von Bekannten angewiesen (ÖB 9.2020).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (23.9.2020): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038579/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abschiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_23.09.2020.pdf, Zugriff 15.10.2020
? ÖB – Österreichische Botschaft New Delhi (9.2020): Asylländerbericht Indien“
14. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und wiederholte seine bereits im Rahmen des Verfahrens vorgebrachten Angaben.
15. Am 22.04.2021 langte der verfahrensgegenständliche Akt beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten. Die Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem dem Bescheid zugrunde gelegten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation.
2. Rechtlich ergibt sich Folgendes:
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes.
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl. I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zum Spruchpunkt A)
2.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.09.1994, 94/08/0183; 30.05.1995, 93/08/0207; 09.09.1999, 97/21/0913; 07.06.2000, 99/01/0321).
„Entschiedene Sache“ iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; 27.09.2000, 98/12/0057; 25.04.2002, 2000/07/0235). Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.06.1998, 96/20/0266). Es kann aber nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein (vgl. etwa VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391, mwN).
Infolge des in § 17 VwGVG normierten Ausschlusses der Anwendbarkeit des 4. Hauptstücks des AVG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, welcher auch die in § 68 Abs. 1 AVG normierte Zurückweisung wegen entschiedener Sache umfasst, kommt eine unmittelbare Zurückweisung einer Angelegenheit aufgrund der genannten Bestimmung durch das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich nicht in Betracht. Davon unberührt bleibt, dass das Verwaltungsgericht im Verfahren über Bescheidbeschwerden zur Überprüfung der rechtmäßigen Anwendung von § 68 AVG in Bescheiden durch die Verwaltungsbehörde berufen ist (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7 BFA-VG, K10.; vgl. auch VfSlg. 19.882/2014).
In Beschwerdeverfahren über zurückweisende Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG ist „Sache“ des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht die Frage, ob die Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrags auf internationalen Schutz durch die erstinstanzliche Behörde gemäß § 68 Abs. 1 AVG zu Recht erfolgt ist, ob die Behörde also auf Grundlage des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht davon ausgegangen ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen vorangegangenen Verfahren auf internationalen Schutz keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist.
Gelangt das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass die Behörde nicht von entschiedener Sache hätte ausgehen dürfen, sondern aufgrund des Vorliegens neuer Sachverhaltselemente eine inhaltliche Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz hätte durchführen müssen, hat es den zurückweisenden Bescheid auf Grundlage des für zurückweisende Entscheidungen im Zulassungsverfahren anzuwendenden § 21 Abs. 3 BFA-VG zu beheben, wodurch das Verfahren vor der Behörde zugelassen ist und eine neuerliche Zurückweisung des Antrages gemäß § 68 AVG unzulässig wird. Hingegen ist dem Bundesverwaltungsgericht ein inhaltlicher Abspruch über den zugrundeliegenden Antrag auf internationalen Schutz in einem Beschwerdeverfahren über einen zurückweisenden Bescheid nach § 68 AVG verwehrt, weil diesfalls die Sache des Beschwerdeverfahrens überschritten würde (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7 BFA-VG, K11., K17.).
Bei einer Überprüfung einer gemäß § 68 Abs. 1 AVG bescheidmäßig abgesprochenen Zurückweisung eines Asylantrages hat es lediglich darauf anzukommen, ob sich die Zurückweisung auf ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren bei gleich bleibender Sach- und Rechtslage stützen dürfte. Dabei hat die Prüfung der Zulässigkeit einer Durchbrechung der Rechtskraft auf Grund geänderten Sachverhalts nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausschließlich anhand jener Gründe zu erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens auf neuerliche Entscheidung geltend gemacht worden sind. Derartige Gründe können im Rechtsmittelverfahren nicht neu geltend gemacht werden (s. zB VwSlg. 5642A; VwGH 23.05.1995, 94/04/0081; zur Frage der Änderung der Rechtslage während des anhängigen Berufungsverfahrens s. VwSlg. 12799 A). Allgemein bekannte Tatsachen sind dagegen jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigen (VwGH 29.06.2000, 99/01/0400; 07.06.2000, 99/01/0321).
Dem geänderten Sachverhalt muss nach der ständigen Judikatur des VwGH Entscheidungsrele