TE Bvwg Beschluss 2021/4/29 W283 2227263-3

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Veröffentlicht am 29.04.2021
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Entscheidungsdatum

29.04.2021

Norm

BFA-VG §22a
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


W283 2227263-3/16E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag.a Stefanie OMENITSCH im amtswegig eingeleiteten Verfahren über die weitere Anhaltung des XXXX , geb. XXXX , alias XXXX , geb. XXXX , alias XXXX , geb. XXXX , alias XXXX , geb. XXXX , alias XXXX , geb. XXXX , StA. Marokko, alias staatenlos in Schubhaft zur Zahl 1032132707:

A)

Das Verfahren wird gemäß §§ 28 Abs. 1, 31 Abs. 1 VwGVG als gegenstandslos eingestellt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 30.09.2014 nach unrechtmäßiger Einreise einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) vom 26.11.2015 vollinhaltlich abgewiesen wurde. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt und gleichzeitig eine Rückkehrentscheidung getroffen. Es wurde festgestellt, dass seine Abschiebung nach Marokko zulässig ist. Dieser Bescheid erwuchs am 15.01.2016 in Rechtskraft. In diesem Verfahren gab der Beschwerdeführer an den Namen XXXX zu führen, am XXXX geboren und marokkanischer Staatsangehöriger zu sein.

2. Der Beschwerdeführer verfügte seit 02.12.2015 über keine Meldeadresse im Bundesgebiet. Am 12.04.2016 stellte er einen Asylantrag in Deutschland, wobei er angab XXXX zu heißen, am XXXX geboren und marokkanischer Staatsangehöriger zu sein.

3. Am 03.05.2016 wurde der Beschwerdeführer wiederum in Österreich von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgegriffen und stellte im Zuge der Anhaltung einen Asylfolgeantrag. In der am 04.05.2016 durchgeführten Erstbefragung gab der Beschwerdeführer weiterhin seine in Deutschland angegebenen Identitätsdaten an. Nach einer erkennungsdienstlichen Behandlung wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer bereits am 30.09.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat und das Verfahren unter seinen damals genannten Daten weitergeführt.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 05.09.2016 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 03.05.2016 vollinhaltlich abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung erlassen. Weiters wurde festgestellt, dass seine Abschiebung nach Marokko zulässig sei und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.10.2019 mit der Maßgabe abgewiesen, dass der Antrag vom 03.05.2016 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wird.

4. Im Oktober 2017 wurde der Beschwerdeführer von Interpol Rabat unter dem Namen XXXX , geb. XXXX , identifiziert.

5. Mit Beschluss eines Landesgerichtes vom 13.05.2017 wurde über den Beschwerdeführer die Untersuchungshaft angeordnet. In diesem Strafverfahren gab er an XXXX zu heißen und am XXXX geboren zu sein. Weiters behauptete er staatenlos zu sein. Der Beschwerdeführer befand sich bis 11.11.2019 in gerichtlicher Strafhaft.

6. Am 08.11.2019 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt einvernommen. Dabei gab er – soweit es für das gegenständliche Verfahren wesentlich ist – an, dass er an der Einvernahme nicht teilnehmen sondern den Raum verlassen wolle. Er habe weder Dokumente zum Nachweis seiner Identität, noch habe er Familienangehörige in Österreich oder Geld. Wann er zuletzt nach Österreich eingereist sei wisse er nicht, einer Erwerbstätigkeit sei er hier nicht nachgegangen. Er sei gemeldet gewesen, könne die Straße jedoch nicht angeben. Die Straftaten, zu denen er verurteilt worden sei, habe er begangen, da er drogensüchtig sei. In seine Abschiebung willige er nicht ein und habe vor, sich seiner Abschiebung zu widersetzen. Die Frage nach seiner Gesundheit beantwortete der Beschwerdeführer damit, dass er gesund sei.

Der Beschwerdeführer weigerte sich, die Niederschrift zu unterschreiben.

7. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 11.11.2019 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 11.11.2019 durch persönliche Übernahme zugestellt, die Unterschrift zur Bestätigung der Übernahme dieses Bescheides verweigerte er. Mit Erkenntnis vom 15.01.2020 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gegen diesen Bescheid ab und stellte gleichzeitig fest, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

8. Das Bundesamt legte den Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG vor.

9. Am 10.03.2020 übermittelte die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers eine schriftliche Vollmacht das Verfahren gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG betreffend und gab im Rahmen des Parteiengehörs eine Stellungnahme ab. Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, dass das Bundesamt das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates während der Anhaltung des Beschwerdeführers in Strafhaft nicht ordnungsgemäß betrieben habe. Aus der Rechtsprechung des EuGH ergebe sich, dass durch Verzögerungen, die nicht dem betroffenen Drittstaatsangehörigen zuzurechnen seien, die Verhängung oder Aufrechterhaltung der Schubhaft nicht gerechtfertigt werden könne. Darüber hinaus sei seit 10.01.2020 keine weitere Urgenz im Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates erfolgt, sodass auch diesfalls von einem Versäumnis der Behörde auszugehen sei.

Da bereits am 27.07.2017 ein Antrag auf Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer gestellt worden sei und er bisher nicht habe identifiziert werden können, stelle sich die Frage, ob ein Heimreisezertifikat für den Beschwerdeführer erlangt werden könne. Das Bundesamt führe dazu selbst aus, dass derzeit nicht absehbar sei, wann und ob mit der Ausstellung eines Heimreisezertifikates zu rechnen sei. Auf Grund der Erfahrungen der Rechtsvertreterin in anderen Verfahren sei von keiner Kooperationsbereitschaft der marokkanischen Vertretungsbehörde auszugehen. Die Vertretungsbehörde habe auf eine Vielzahl von Urgenzen über einen längeren Zeitraum nicht reagiert, weshalb die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft nicht vorliegen.

10. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.03.2020 wurde festgestellt, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

11. Am 08.04.2020 legte das Bundesamt den Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG vor.

12. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.04.2020, GZ W283 2227263-3/3E, wurde festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig war.

13. Der Beschwerdeführer brachte gegen diese Entscheidung eine Revision ein. Der Verwaltungsgerichtshof hob mit Erkenntnis vom 22.12.2020, Ra 2020/21/0174-8 das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf.

Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass im gegenständlichen Fall die Frage der rechtzeitigen Erlangbarkeit eines Heimreisezertifikats bei länger andauernden Schubhaften, typischerweise entscheidend für die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung, was erforderliche Ermittlungen und eine fundierte Auseinandersetzung mit den erlangten Ergebnissen erfordere. Bloße Bemühungen der Behörde genügen demnach für die Annahme einer rechtzeitigen Erlangbarkeit des Heimreisezertifikats nicht, sie müssen vielmehr zumindest mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erfolgversprechend sein, wobei für den zu verlangenden Wahrscheinlichkeitsgrad auch die bisherige Dauer der Schubhaft und die Schwere der Gründe für ihre Verhängung und Aufrechterhaltung eine Rolle spielen können. Frühere Erfahrungswerte mit der jeweiligen Vertretungsbehörde können wesentliche Anhaltspunkte für die in dieser Hinsicht vorzunehmende Beurteilung bieten; das setzt aber voraus, dass diese Erfahrungswerte nachvollziehbar festgestellt und nicht nur ohne jede Konkretisierung behauptet werden.

14. Mit Schreiben von 11.03.2021 teilte das Bundeskriminalamt mit, dass sich der Beschwerdeführer seit dem 24.02.2021 in Deutschland wegen sexuellen Übergriffes/sexuellerNötigung/Vergewaltigung in Untersuchungshaft befinde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Gesetzliche Grundlagen:

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.

Die Grundlage zur Überprüfung der Verhältnismäßigkeit einer Fortsetzung der Schubhaft über die Viermonatsfrist im BFA-VG iVm. § 80 FPG lautet:

§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.

Aufgrund der oben zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat die Behörde nach § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung, welche über die zweite Vierwochenfrist gehen solle, vorzulegen. Dabei hat sie darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig wäre. Es ist Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes hierüber im Verfahren eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchzuführen und im Rahmen einer Zukunftsprognose festzustellen, ob eine weitere Anhaltung über die gesetzlich vorgesehene Viermonatsfrist hinaus, weiter als verhältnismäßig angesehen werden kann.

Dass die Überprüfung der Verlängerung der Schubhaft auf die weitere Anhaltung, und damit auf die zukünftige Fortsetzung der Schubhaft gerichtet ist, ergibt sich aus dem Wortlaut des § 22a Abs. 4 BFA-VG: „Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.“

Dass eine Überprüfung der Fortsetzung der Schubhaft nur bei aufrechter Schubhaft in Betracht kommt, hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 19.03.2014, 2013/21/0138, zur damaligen Rechtslage festgehalten, indem er ausführte, dass der (aufgrund der damaligen Rechtslage zuständige) Unabhängige Verwaltungssenat (nur) dann zur Feststellung der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft berufen ist, wenn er gemäß § 82 Abs. 1 FrPolG 2005 angerufen wurde und die Schubhaft im Zeitpunkt seiner Entscheidung noch andauert. Diese vom UVS vorzunehmende Prüfung hatte unabhängig von der Frage der Rechtmäßigkeit der bisherigen Schubhaft zu erfolgen (VwGH vom 19.03.2013, 2011/21/0246).

Im gegenständlichen Fall wird der Beschwerdeführer zum Entscheidungszeitpunkt nicht in Schubhaft angehalten, weshalb eine Entscheidung über die Fortsetzung der Schubhaft nicht in Betracht kommt.

Aus den Bestimmungen des § 28 Abs. 1 und § 31 Abs. 1 VwGVG geht hervor, dass das Verwaltungsgericht in jenem Fall, in dem das Verfahren einzustellen ist, eine Entscheidung in der Rechtsform des Beschlusses zu treffen hat. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen nämlich die Entscheidungen und Anordnungen eines Verwaltungsgerichts durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist. § 28 Abs. 1 VwGVG nimmt die Einstellung des Verfahrens, von der Erledigung mittels Erkenntnis ausdrücklich aus. Aus diesen Bestimmungen ergibt sich aber auch, dass eine bloß formlose Beendigung (etwa durch Einstellung mittels Aktenvermerkes) eines nach dem VwGVG vom Verwaltungsgericht geführten Verfahrens nicht in Betracht kommt. Handelt es sich doch bei der Entscheidung eines Verwaltungsgerichts, ein bei ihm anhängiges Verfahren nicht weiterzuführen, um eine Entscheidung iSd § 31 Abs. 1 VwGVG (vgl. zur Bejahung der Notwendigkeit der Fällung eines Beschlusses über die Verfahrenseinstellung auch Fuchs in Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, § 28 VwGVG Anm 5 und § 31 VwGVG Anm 5, sowie Schmid in Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahren der Verwaltungsgerichte, § 28 VwGVG Anm K 3 und § 31 VwGVG Anm K 2) [ vgl. VwGH vom 29.04.2015, Zl. Fr 2014/20/0047].

Da durch die Entlassung des Beschwerdeführers aus der Schubhaft einer Entscheidung über die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft die Grundlage entzogen wurde war das Verfahren als gegenstandslos zu erklären und einzustellen.

Zu Spruchteil B) – Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie zu Spruchteil A) ausgeführt sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Gegenstandslosigkeit Heimreisezertifikat Rechtsanschauung des VwGH Schubhaft Verfahrenseinstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W283.2227263.3.00

Im RIS seit

30.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

30.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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