TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/29 W200 2241020-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.04.2021
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Entscheidungsdatum

29.04.2021

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W200 2241020-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Scherz als Vorsitzende und durch den Richter Dr. Kuzminski sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Halbauer als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle NÖ, vom 27.01.2021, OB: 85491417600190, betreffend das Nichtvorliegen der Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“, zu Recht erkannt:


A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Erstverfahren:

Die beschwerdeführende Partei war im Besitz eines Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 80 vH.

Ursächlich dafür war ein Gutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin, Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde vom 09.08.2018, basierend auf einer Begutachtung am 30.07.2018, mit folgendem Inhalt:

„Anamnese:

Entsprechend dem VG 08/2015 besteht bei XXXX eine bekannte Absencenepilepsie, die im April 2015 in St. Pölten diagnostiziert wurde. Zudem traten aber gleichzeitig auch Panikattacken mit Angstzuständen auf, die unter der initialen antiepileptischen Therapie mit Petinimid zugenommen haben, wobei die Anfallsfrequenz nicht reduziert werden konnte. In der neuropädiatrischen Ambulanz der Kinderabteilung Mödling wurde XXXX zusätzlich Convulex verabreicht, wodurch zwar die Anfälle in ihrer Frequenz abgenommen, aber die Panikattacken/Angstzustände deutlich zugenommen haben. Eine kinderpsychiatrische Begutachtung mit einem frustranen Therapieversuch mit Sertralin hat XXXX nur zusätzlich müde und schwindelig gemacht. In weiterer Folge wurde XXXX an die Universitätskinderklinik an Prof. Dr. XXXX (Neuropädiatrie) zugewiesen, die die Sertralin-Therapie beendet und XXXX auf Convulex und Vimpat umgestellt hat, wodurch die Anzahl der Absencen-Anfälle und der Panikattacken reduziert werden konnte. Die Ursache der Panikattacken/Angstzustände konnte bis heute nicht eruiert werden.

Derzeitige Beschwerden:

Derzeit hat XXXX täglich 6-10 Absence-Anfälle mit einer Dauer von ein paar Sekunden, in denen sie wie ‚in ein Narrenkastl‘ schaut mit starrem Blick, nicht ansprechbar und mit retrograder Amnesie. Die Panikattacken zeigen sich in Form von akuten Angstzuständen hauptsächlich mit der Sorge vor einer plötzlichen Synkope mit kalten Extremitäten und Schweißausbruch. Diese Zustände treten zurzeit unterschiedlich je nach Tätigkeit, je nach Anwesenheit von Mutter, Vater oder Alleinesein ca. 5x/Tag auf und dauern in der Regel 10 Minuten. Waldausflüge sogar mit ihrer besten Freundin sind aufgrund des Ortes (‚lauter Bäume‘) undenkbar. Zusätzlich werden Beschwerden wie Konzentrationsstörungen und Schlafstörungen beschrieben.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel

Convulex, Vimpat, Reiten, Aromatherapie, Gesprächstherapie

Sozialanamnese:

XXXX kommt mit ihrer Großmutter zum Untersuchungstermin. Sie ging in die 3. Klasse NMS XXXX und hat wegen Mobbing in die Privatschule " XXXX " in XXXX gewechselt. Ab September geht sie dort in die 3. Klasse. Sie lebt mit ihrer Mutter und dem Stiefvater im Familienverband.

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

06.06.2018 Universitätsklinik für Radiologie und Nuklearmedizin, Klinische Abteilung für Neuroradiologie und Muskuloskeletale Radiologie

MRT Schädel: Kein sicherer Nachweis einer progredienten Atrophie des linken Hippocampus. DD: Zustand nach Autoimmunlimbic Enzephalitis.

25.02.2018 Ordination, Dr. XXXX , Facharzt für Neurologie und Psychiatrie des Kindes- und Jugendalters, Wien

Diagnosen:

Verdacht auf mesiale Temporallappenepilepsie links

Mesiale Sklerose und Atrophie links

Generalisierte Angststörung

Depression

12.02.2018 Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Klinische Abteilung für Neonatologie, Pädiatrische Intensivmedizin und Neuropädiatrie

Diagnosen:

Epilepsie

Generalisierte Angststörung

Lokalisationsbezogene symptomatische Epilepsie und epileptsiche Syndrome mit komplexen fokalen Anfällen (V.a. mesiale Temporallappenepilepsie links, mesiale Hippocampussklerose und -atrophie links)

EEG vom 9.-12.2.2017: Altersentsprechende Hintergrundaktivität. Es finden sich im Vergleich zur Voruntersuchung keine Hinweise auf eine regionale Hirnfunktionsstörung rechts parietal und links frontotemporal. Generalisierte Zeichen erhöhter cerebraler Erregungsbereitschaft bds. fronto-zentral. Auftreten von typischen und atypischen Absencen. EEG-Pathologiegrad III.

17.05.2017 Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Klinische Abteilung für Neonatologie, Pädiatrische Intensivmedizin und Neuropädiatrie

Diagnosen:

Lokalisationsbezogene (fokale)(partielle) symptomatische Epilepsie und epileptsiche Syndrome mit komplexen fokalen Anfällen (V.a. mesiale Temporallappenepilepsie links, mesiale Hippocampussklerose und -atrophie links)

Generalisierte Angststörung

16.05.2017 Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Klinische Abteilung für Neonatologie, Pädiatrische Intensivmedizin und Neuropädiatrie

Neuropsychologischer Befund:

Unterdurchschnittliche verbale Lern- und Merkfähigkeit, Reproduzieren verbaler Inhalte (Wortliste) liegt unter dem Altersnormbereich, ängstlich-depressive Befindlichkeit, soziale Probleme, zwanghaftes Verhalten und Aufmerksamkeitsprobleme.

27.04.2017 Ordination, Dr. XXXX , Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie

Diagnosen: Angsterkrankung, Schulangst, Temporallappenepilepsie

07.08.2015 Bundessozialamt für Niederösterreich

Ärztliches Sachverständigengutachten: GdB 50% (Absencenepilepsie)

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand: gut, Ernährungszustand: gut, Gewicht: 58,00 kg

Status (Kopf / Fußschema) – Fachstatus:

14 Jahre altes Mädchen, kein Meningismus, Haut: bland, HNO: bland, Cor: rein, rhythmisch, normofrequent, Pulmo: VA bds., kein Giemen, keine Einziehungen, grobneurologisch unauffällig, Abdomen: weich, kein Druckschmerz, Darmgeräusch normal, Gelenke frei.

Gesamtmobilität – Gangbild: Soweit beurteilbar motorische Entwicklung dem Alter entsprechend.

Psycho(patho)logischer Status: Soweit beurteilbar im Gespräch psychische Entwicklung dem Alter entsprechend.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd.

Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Rahmensätze:

Pos. Nr.

GdB %

1

Mesiale Temporallappenepilepsie links mit Absence-epileptischen Anfällen

Zwei Stufen über dem unteren Rahmensatz, da täglich 6-10 Anfälle trotz 2-facher antiepileptischer Dauertherapie.

04.10.02

70

2

Generalisierte Angststörung mit Depression

Unterer Rahmensatz, da Panikattacken mit Angstzustände täglich, aber keine medikamentöse Dauertherapie notwendig.

03.06.02

50

Gesamtgrad der Behinderung:        80 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Leiden 1 wird durch Leiden 2 um 1 Stufe erhöht, da eine wechselseitige Leidensbeeinflussung im sozialem Leben gegeben ist. (…)

Stellungnahme zu Vorgutachten:

Höherstufung des GdB um 3 Stufen auf 80% im Vergleich zum VG 08/2015 aufgrund der Schwere und Therapieresistenz des Leiden 1 (Höherstufung um 1 Stufe) und Neubewertung der generalisierten Angststörung mit Depression, die im VG 08/2015 noch nicht in diesem Ausmaß wahrgenommen werden konnte.

Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern: ja

GdB liegt vor seit: 07/2018

GdB 50 liegt vor seit: 08/2015

Nachuntersuchung: in 3 Jahren

Anmerkung hins. Nachuntersuchung: Evaluierung des weiteren Krankheitsverlaufes.“

Aufgrund eines Sachverständigenschreibens vom 22.10.2018 wurde darüber hinaus festgestellt, dass die Beschwerdeführerin zu diesem Zeitpunkt Epileptikerin war, einer Begleitperson bedurfte und die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar war.

Der Beschwerdeführerin wurde daher vom Sozialministeriumservice ein Behindertenpass mit Befristung 31.08.2021 ausgestellt, der die soeben genannten Zusatzeintragungen enthielt.

Zweitverfahren:

Im Verfahren nach dem Behinderteneinstellungsgesetz aufgrund eines Antrages auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der Begünstigten Behinderung holte das Sozialministeriumservice ein psychiatrisches Aktengutachten einer Fachärztin für Psychiatrie vom 04.12.2020 ein. Das Gutachten gestaltet sich wie folgt:

„Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

VGA 10/2020: GdB 30 vH wegen Strukturelle kombiniert fokale und generalisierte Epilepsie, Mesiale Sklerose und Atrophie links und Generalisierte Angststörung mit Depression

Neu vorgelegter Befund seit VGA:

Dr. XXXX Psychiater 09.11.2020:

XXXX , geboren am XXXX ist seit 13.12.2016 in kinder- und jugendpsychiatrischer Behandlung in meiner Ordination.

XXXX leidet an einer Absencen-Epilepsie im Kindesalter. G40.3, einer generalisierten Angststörung. F41.1 und einer mittelgradigen, depressiven Episode. F32.1

Die Patientin hat seit diesem Herbst wieder ein Rezidiv entwickelt. Sie leidet sehr unter einer massiven Angstsymptomatik und kann derzeit ihre Lehre nicht mehr fortsetzen. Die Patientin erscheint von neurologischer Seite (juv. Absencenepilepsie) gut eingestellt. Therapeutisch wird neben der Etablierung einer antidepressiven Therapie die kontinuierliche Fortsetzung der Psychotherapie als unbedingt indiziert angesehen.

Diagnose:

Absencen-Epilepsie im Kindesalter. G40.3

Generalisierte Angststörung. F41.1

Mittelgradige depressive Episode. F32.1

Medikation:

SERTRALIN PFIFTBL 50MG CONVULEX RET TBL 500MG

Frau Mag. XXXX 30.10.2020:

Frau XXXX , geboren am XXXX , hat mit 30.10.2020 die klinisch-psychologische Behandlung in meiner Praxis begonnen. Diagnose: F41.1 Generalisierte Angststörung. Geplante Behandlungsdauer: 25 Einheiten a 50 Minuten (Veränderungen nach Bedarf und Absprache).

Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel:

Medikation: SERTRALIN PFIFTBL 50MG CONVULEX RET TBL 500MG Contraceptivum, Buccolam 10mg bei GM Anfall >3 Minuten Dauer Psychotherapie

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd.

Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Depressive Störung bei generalisierten Angststörung

Oberer Rahmensatz berücksichtigt die Notwendigkeit einer psychopharmakologischen, psychiatrischen und psychotherapeutischen Therapie. bei Belastung teilweise trotz Medikation instabil.

03.06.01

40

2

Strukturelle kombiniert fokale und generalisierte Epilepsie, Mesiale Sklerose und Atrophie links

Mittlerer Rahmensatz, da Anfallsfreiheit seit 2/2018 beschrieben.

04.10.01

30

Gesamtgrad der Behinderung:        50 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Leiden 1 wird durch Leiden 2 um 1 Stufe erhöht, da eine maßgebliche wechselseitige Leidensbeeinflussung besteht. (…)

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Das führende Leiden ist nun das psychiatrische Leiden. Wird zum VGA aufgrund neu vorgelegter Befunde um 1 Stufe angehoben.

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

Der Gdb des VGA wird um 2 Stufen angehoben.

(…) Nachuntersuchung 12/2023 – NU indiziert, Verlauf im Längsschnitt. Stabilisierung Leiden 1 und 2 möglich. (…)

1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine. Es sind keine erheblichen Einschränkungen der Extremitäten beschrieben. Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke und das Überwinden üblicher Niveauunterschiede sind zumutbar, der sichere Transport ist möglich. Es sind auch keine erheblichen Einschränkungen der psychischen oder intellektuellen Funktionen beschrieben, die die Benützung der ÖVM erheblich erschweren würden. Da im aktuellen Befund 17 05 2020 eine Anfallsfreiheit beschrieben ist, ist nicht von einem therapierefräktärem schweren cerebralem Anfallsleiden auszugehen und eine Begleitperson nicht erforderlich.

2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

nein. (…)“

Die Beschwerdeführerin führte mit Stellungnahme vom 12.01.2021 im gewährten Parteiengehör im Wesentlichen aus, dass sie ohne Begleitung nirgends hinkönne. Dies sei schon aufgrund ihrer Zustände nicht möglich. Zudem würden die Medikamente, die sie einnehme, ihre Reaktionsfähigkeit und Verkehrstüchtigkeit reduzieren. Sie sei 16 Jahre alt und beim Medikament Convulex bereits an der Höchstgrenze der Dosis lt. Beipackzettel angelangt. Im Zusammenspiel mit Setralin, das ebenfalls die Reaktionsfähigkeit und Verkehrstüchtigkeit beeinflusse, sei dies eine heftige Mischung. Dem Sachverständigengutachten ließe sich nicht entnehmen, dass die Unzumutbarkeit der Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln nicht mehr vorliege. Die Beschwerdeführerin übermittelte zudem die Beipackzettel zu den beiden genannten Medikamenten.

Die aufgrund dieses Vorbringens vom Sozialministeriumservice eingeholte Stellungnahme der Fachärztin für Psychiatrie vom 26.01.2021 ergab Folgendes:

„Antworten:

Eine medikamentös gut eingestellte Epilepsie mit einer Anfallsfreiheit seit 02/2018 unter antiepileptischer Medikation bedingt keine Unzumutbarkeit für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.

Auch im antragsrelevanten Befund von Dr. XXXX wird bestätigt, dass die AS von neurologischer Seite (juv. Abseneenepilepsie) gut eingestellt ist.

Ebenso bedingt das psychiatrische Leiden aus fachärztlicher Sicht keine Unzumutbarkeit für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.“

Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid des Sozialministeriumservice vom 27.01.2021 wurde ausgesprochen, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ nicht mehr vorliegen und die Zusatzeintragung im Behindertenpass daher zu entfernen sei. Begründend wurde auf das eingeholte Gutachten sowie die Stellungnahme vom 26.01.2021 verwiesen, wonach die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht mehr vorlägen.

Die Beschwerdeführerin erhob dagegen fristgerecht Beschwerde. Sie gab im Wesentlichen an, dass sie Epileptikerin sei, ansonsten sie kein Notfallmedikament namens Buccolam 10 mg und keine Medikamente wie Convulex erhalten hätte, um ihre Anfälle zu unterdrücken. Als Epileptikerin könne sie jederzeit einen Anfall erleiden, auch wenn sie eine Zeit lang anfallsfrei gewesen sei. Daher stehe ihr die Zusatzeintragung nach wie vor zu.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

1.1.    Die Beschwerdeführerin ist im Besitz eines (befristeten) Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung in der Höhe von 50 von Hundert.

1.2.    Der Beschwerdeführerin ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar. Sie erfüllt nicht mehr die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“.

1.2.1.  Art und Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen:

Klinischer Status - Fachstatus:

Allgemeinzustand: gut, Ernährungszustand: gut.

Kein Meningismus.

Haut: bland.

HNO: bland.

Cor: rein, rhythmisch, normofrequent.

Pulmo: VA bds., kein Giemen, keine Einziehungen, grobneurologisch unauffällig.

Abdomen: weich, kein Druckschmerz, Darmgeräusch normal, Gelenke frei.

Gesamtmobilität - Gangbild: motorische Entwicklung dem Alter entsprechend.

Status Psychicus: psychische Entwicklung dem Alter entsprechend.

Funktionseinschränkungen:

Depressive Störung bei generalisierter Angststörung; Strukturelle kombiniert fokale und generalisierte Epilepsie, Mesiale Sklerose und Atrophie links.

1.2.2.  Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:

Die körperliche Belastbarkeit ist ausreichend vorhanden. Es liegen keine erheblichen Funktionsstörungen der oberen und unteren Extremitäten sowie der Wirbelsäule vor. Die Beschwerdeführerin kann sich im öffentlichen Raum selbständig fortbewegen und eine kurze Wegstrecke (ca. 300 - 400 m) aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe ohne Unterbrechung zurücklegen.

Die festgestellten Funktionseinschränkungen wirken sich – auch im Zusammenwirken – nicht in erheblichem Ausmaß negativ auf die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel aus. Es besteht keine erhebliche Einschränkung der Mobilität. Es besteht auch keine Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit, es besteht keine schwere Erkrankung des Herz-Kreislaufsystems oder der Lunge. Es sind keine Behelfe erforderlich, die das Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung unter Verwendung von Ausstiegshilfen und Haltegriffen in einem öffentlichen Verkehrsmittel wesentlich beeinträchtigen.

Die Greif- und Haltefunktionen sind ausreichend erhalten. Das Ein- und Aussteigen und Anhalten sowie ein sicherer Transport sind möglich. Der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist gesichert durchführbar. Die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit der Beschwerdeführerin sowie die Möglichkeit Haltegriffe zu erreichen und sich festzuhalten sind ausreichend.

Bei der Beschwerdeführerin liegen auch keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder der Sinnesfunktionen vor, die das Zurücklegen einer angemessenen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel beeinträchtigen.

Die Epilepsie ist medikamentös gut eingestellt. Es liegt eine Anfallsfreiheit seit 02/2018 unter antiepileptischer Medikation vor. Es ist keine Begleitperson notwendig. Das psychiatrische Leiden bedingt keine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.

Es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.

2.       Beweiswürdigung:

Zur Klärung des Sachverhaltes war von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Psychiatrie vom 04.12.2020 eingeholt worden. Im vorzitierten Gutachten wurde der Zustand der Beschwerdeführerin im Detail dargelegt und kein Hindernis für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt.

Die Fachärztin hielt nachvollziehbar fest, dass im vorgelegten aktuellen Befund vom 17.05.2020 eine Anfallsfreiheit beschrieben ist und nicht von einem therapierefraktärem schweren cerebralen Anfallsleiden auszugehen ist sowie, dass keine Begleitperson erforderlich ist. Die festgestellten Leiden führen demnach – auch im Zusammenwirken – nicht zu Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten, die die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränken sowie zu keiner erheblichen Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit bzw. einer Sinnesbeeinträchtigung. Insbesondere wurden auch alle vorgelegten Unterlagen einer Beurteilung unterzogen und die vorliegenden Leiden mitberücksichtigt.

Aufgrund der Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 12.01.2021 im Rahmen des gewährten Parteiengehörs hierzu wurde eine Stellungnahme der beauftragten medizinischen Gutachterin vom 26.01.2021 eingeholt. Die festgestellten Leiden führen laut Stellungnahme der Fachärztin dennoch nachvollziehbar nicht zu Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten, die die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränken sowie zu keiner erheblichen Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit bzw. einer Sinnesbeeinträchtigung.

Demnach hat liegt eine medikamentös gut eingestellte Epilepsie mit einer Anfallsfreiheit seit 02/2018 unter antiepileptischer Medikation vor, die keine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel herbeiführt. Auch im antragsrelevanten Befund von Dr. XXXX wird bestätigt, dass die Beschwerdeführerin von neurologischer Seite (juv. Abseneenepilepsie) gut eingestellt ist. Ebenso wenig bedingt das psychiatrische Leiden der Beschwerdeführerin aus fachärztlicher Sicht eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel. Daher hält die Fachärztin an ihrer bisherigen Einschätzung fest.

Die Beschwerdeführerin kann sich ohne Gehhilfen im öffentlichen Raum selbständig fortbewegen und eine kurze Wegstrecke (ca. 300 - 400 m) aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe ohne Unterbrechung zurücklegen. Es liegen keine erheblichen Einschränkungen der Extremitäten vor. Das Überwinden üblicher Niveauunterschiede ist zumutbar, der sichere Transport ist möglich. Das sichere Ein- und Aussteigen sind gewährleistet. Das Festhalten beim Ein- und Aussteigen sowie die Möglichkeit, Haltegriffe zu erreichen und sich anzuhalten, sind ausreichend gegeben. Der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist daher gesichert durchführbar.

Es sind keine Behelfe erforderlich, die das Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung unter Verwendung von Ausstiegshilfen und Haltegriffen in einem öffentlichen Verkehrsmittel wesentlich beeinträchtigen. Ein sicherer Transport in den öffentlichen Verkehrsmitteln ist unter üblichen Transportbedingungen daher möglich.

Es liegen auch keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit bzw. psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten vor und auch keine schwere Erkrankung des Immunsystems. Es bestehen auch keine wesentlichen kardiopulmologischen Einschränkungen.

Zum Beschwerdevorbringen ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin keine neuen Befunde vorgelegt hat, die eine andere Einschätzung zuließen. Ihr Vorbringen wurde bereits in dem vom SMS eingeholten Sachverständigengutachten samt Stellungnahme beurteilt und wurde auf den Zustand der Beschwerdeführerin ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Für das Bundesverwaltungsgericht ergibt sich somit ein nachvollziehbares Bild des Zustandes der Beschwerdeführerin. Sie ist den eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene ausreichend konkret entgegengetreten bzw. wurden die vorgelegten Befunde von der vom SMS beauftragten medizinischen Gutachterin mitberücksichtigt und waren diese nicht geeignet, eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel darzutun. Anhaltspunkte für eine Befangenheit der Sachverständigen liegen nicht vor.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen in Gesamtbetrachtung keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachtens samt Stellungnahme. Diese wurden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3.       Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Zu A)

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG).

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird (§ 45 Abs. 2 BBG).

Treten Änderungen ein, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen diese zu berichtigen oder erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpass auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpass einzuziehen (§ 43 Abs. 1 BBG). Der Besitzer des Behindertenpasses ist verpflichtet, dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen binnen vier Wochen jede Änderung anzuzeigen, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, und über Aufforderung dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Behindertenpass vorzulegen (§ 43 Abs. 2 BBG).

Zur Frage der Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel:

Gemäß § 1 Abs. 2 Z. 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 ist die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist, einzutragen; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-         erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-         erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-         erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen oder
-         (…)

vorliegen.

Entscheidend für die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist, wie sich eine bestehende Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH vom 20.10.2011, Zl. 2009/11/0032).

In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 wird ausgeführt:

Ausgehend von den bisherigen durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Beurteilungskriterien zur Frage „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ sind Funktionseinschränkungen relevant, die die selbstständige Fortbewegung im öffentlichen Raum sowie den sicheren, gefährdungsfreien Transport im öffentlichen Verkehrsmittel erheblich einschränken. Als Aktionsradius ist eine Gehstrecke von rund 10 Minuten, entsprechend einer Entfernung von rund 200 bis 300 m anzunehmen.

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Alle therapeutischen Möglichkeiten sind zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des behandelnden Arztes/der behandelnden Ärztin ist nicht ausreichend.

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen. Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden

Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:

-        Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr

-        hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,

-        schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen

-        nachweislich therapierefrektäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden – Begleitperson ist erforderlich.

Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:

- anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID – sever combined immundeficiency),

- schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),

- fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,

- selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktionen nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt. Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt. (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080)

Bei der Beschwerdeführerin liegen weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten noch der körperlichen Belastbarkeit vor bzw. konnten keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder von Sinnesfunktionen festgestellt werden, die das Zurücklegen einer angemessenen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel beeinträchtigen. Es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.

Bei der Beschwerdeführerin liegen zwar eine depressive Störung bei generalisierter Angststörung sowie strukturelle kombiniert fokale und generalisierte Epilepsie, Mesiale Sklerose und Atrophie links vor. Die Epilepsie ist jedoch medikamentös gut eingestellt. Es liegt eine Anfallsfreiheit seit 02/2018 unter antiepileptischer Medikation vor. Es ist keine Begleitperson notwendig. Das festgestellte psychiatrische Leiden bedingt ebenfalls keine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.

Die allfällige Verwendung eines Hilfsmittels zur Fortbewegung außer Haus (Schuheinlagen, Gehstock, Stützkrücke, orthopädische Schuhe) ist - da die Funktionalität der oberen Extremitäten bei der Beschwerdeführerin gegeben ist - zumutbar und bedingt kein relevantes Hindernis bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.

Es ist bei der Beschwerdeführerin von einer ausreichenden Funktionsfähigkeit des Bewegungsapparates auszugehen, die vorgebrachte Einschränkung der Gehstrecke konnte nicht in einem Ausmaß festgestellt werden, welche die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschwert.

Das Festhalten beim Ein- und Aussteigen ist einwandfrei möglich, der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist daher gesichert durchführbar. Die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit der Beschwerdeführerin sowie die Möglichkeit Haltegriffe zu erreichen und sich festzuhalten sind ausreichend.

Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß (mehr) erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar." rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. (§ 24 Abs. 1 VwGVG)

Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist. (§ 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG)

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)

Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Zur Klärung des Sachverhaltes waren von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Psychiatrie vom 04.12.2020 und eine Stellungnahme derselben Gutachterin vom 26.01.2021 eingeholt worden. In den vorzitierten Gutachten wurde der Zustand der Beschwerdeführerin im Detail dargelegt und das Nichtvorliegen der Voraussetzungen – konkret das Nichtvorliegen erheblicher Funktionseinschränkungen – für die verfahrensgegenständliche Zusatzeintragung festgestellt.

Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurde das Sachverständigengutachten samt Stellungnahme als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Sohin erscheint der Sachverhalt geklärt, dem Bundesverwaltungsgericht liegt kein Beschwerdevorbringen vor, das mit der Beschwerdeführerin mündlich zu erörtern gewesen wäre – wie in der Beweiswürdigung ausgeführt, ist das Beschwerdevorbringen nicht geeignet darzutun, dass eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vorliegt, und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben. Es wurden mit Beschwerdeschreiben auch keine neuen Befunde mehr vorgelegt, sondern vielmehr auf das bisherige Vorbringen verwiesen bzw. dieses wiederholt.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.

Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W200.2241020.1.00

Im RIS seit

25.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

25.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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