Entscheidungsdatum
30.04.2021Norm
AsylG 2005 §10Spruch
W124 2223339-2/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. FELSEISEN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Gambia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom XXXX zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist Staatsangehörige der Republik Gambia und stellte am XXXX den ersten Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des BFA vom XXXX , XXXX , gemäß § 5 AsylG 2005 zurückgewiesen. Gleichzeitig wurde gem. § 61 FPG idgF festgestellt, dass die Abschiebung nach Italien zulässig sei. Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom XXXX , XXXX gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als begründet abgewiesen und erwuchs am XXXX in Rechtskraft.
Am XXXX wurde gegen den BF mit Bescheid des BFA, XXXX gemäß Art 28 der Verordnung (EU) 604/2013 iVm § 76 Abs. 1 FPG iVm BGBl. Nr.143/2015 vom XXXX die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Am XXXX wurde der BF nach Italien überstellt.
Eine gegen den Bescheid des BFA vom XXXX und gegen die Anhaltung in Schubhaft vom XXXX eingebrachte Beschwerde wurde gemäß Art. 28 Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.
3. Am XXXX stellte der BF unter dem Namen XXXX den zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des BFA vom XXXX , Zl. XXXX , wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom XXXX zurückgewiesen und gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung sowie die Zulässigkeit der Abschiebung nach Italien festgestellt. Eine gegen den Bescheid eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom XXXX als unbegründet abgewiesen. Der BF entzog sich in der Folge einer neuerlichen Überstellung nach Italien, indem er für die Behörde nicht mehr greifbar gewesen sei.
4. Am XXXX wurde über den BF die Untersuchungshaft verhängt. Am XXXX wurde der BF beim Bundesamt, Regionaldirektion Wien, im Zuge einer beabsichtigten Erlassung einer aufenthaltsbeendenen Maßnahme und Prüfung des Sicherungsbedarfs einvernommen.
5. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, XXXX wurde der BF wegen §§ 27 Abs. 2a, 27 Abs. 3 SMG § 15 StGB zu einer Freiheitstrafe von 5 Monaten bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren verurteilt.
6. In Folge der Einvernahme zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme stellte der BF am XXXX den dritten Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit Bescheid des BFA vom XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Gambia abgewiesen (Spruchpunkt II.). Mit Spruchpunkt III. wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs.1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV) und wurde gleichzeitig gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Gambia zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen 8Spruchpunkt VI). Zudem wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.) und dem BF eine Frist für eine freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1a FPG nicht gewährt Spruchpunkt VIII.). Gemäß § 15b Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem BF aufgetragen ab XXXX in einem namentlich genannten Quartier Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkt IX). Gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 wurde zudem ausgesprochen, dass der BF sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem XXXX verloren habe (Spruchpunkt X).
Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom XXXX als unbegründet mit der Maßgabe, dass Spruchpunkt X. zu lauten hat: „Gemäß § 13 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 habe der BF sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem XXXX verloren“, abgewiesen.
7. In der Zeit vom XXXX befand sich der BF in der XXXX
8. Mit Mandatsbescheid des BFA, Regionaldirektion Niederösterreich, XXXX , wurde dem BF gemäß § 57 Abs. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG aufgetragen bis zu seiner Ausreise durchgängig in einer namentlich genannten Betreuungseinrichtung Unterkunft zu nehmen.
9. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom XXXX wurde der BF wegen §§ 27 Abs. 1 Z 1 8.Fall, 27 Abs. 3, 27 Abs. 4 Z 1 SMG §15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt.
10. In der Zeit vom XXXX befand sich der BF in der Justizanstalt XXXX und in der Zeit vom XXXX bis zum XXXX in der Justizanstalt XXXX . Seit dem XXXX befindet sich der BF im Polizeianhaltezentrum XXXX in Schubhaft.
11. Mit Bescheid vom XXXX , IFA-Zahl/Verfahrenszahl: XXXX , wurde dem BF kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG erteilt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Gambia zulässig sein würde (Spruchpunkt III.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 7 sieben Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
12. In der dagegen eingebrachten Beschwerde wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich das BFA nur ungenügend mit dem Privat-, und Familienleben des BF auseinandersetzen würde und zur falschen Feststellung komme, dass er in Österreich weder beruflich noch sozial verankert sein würde. Der BF habe ein gutes Verhältnis zu seiner in Österreich befindlichen Schwägerin. Er habe sie bereits in der Vergangenheit im Haushalt unterstützt und würde sich um seine Nichte und Neffen kümmern. Bei richtiger Würdigung hätte die Behörde zu dem Ergebnis kommen müssen, dass der Grad der sozialen Verankerung in Österreich insbesondere auf Grund der bestehenden familiären Beziehungen ausreichend vorhanden sein würde. In diesem Zusammenhang würde der Antrag die namentlich genannte Schwägerin als Zeugin zum Beweisthema der sozialen Verankerung in Österreich in der mündlichen Verhandlung einvernehmen erfolgen. Die Schwester des BF wohne mit ihren zwei Kindern, welche alle über einen italienischen Pass und Aufenthaltstitel verfügen würden, in Italien. Der Bruder des BF sei derzeit in Spanien aufhälig.
Die Erlassung des Einreiseverbotes für die Dauer von sieben Jahren würde sich als unrechtmäßig erweisen. Die Erlassung eines Einreiseverbotes würde seit der Novelle BGBl I 2013/68 nicht mehr zwingend gesetzlich vorgeschrieben sein. Gemäß § 53 Abs. 1 FPG könne mit der Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot erlassen werden. Die Behörde begründe dies mit dem Vorliegen der Voraussetzungen mit der Erfüllung des Tatbestandes nach § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG. Allerdings würde die belangte Behörde den Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere auf Grund der bestehenden familiären Beziehungen nur unzureichend berücksichtigen.
Der BF würde keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen und daher eine sofortige Abschiebung aus diesen Gründen nicht erforderlich sein würde, weshalb die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG unzulässig sei.
13. In der Folge wurde am XXXX vom BFA die Beschwerdevorentscheidung, XXXX erlassen, wonach die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen wurde und die Spruchpunkte weiterhin lauten würden: Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen würde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Gambia zulässig sein würde (Spruchpunkt III.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 7 sieben Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt IV.). Der Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde dem BF keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt VI.).
Zum Privat-, und Familienleben des BF wurde ausgeführt, dass dem BF ein schriftliches Parteiengehör zugestellt worden sei, wobei das Parteiengehör vom XXXX nachweislich XXXX übernommen und in der Folge ignoriert und keine Stellungnahme abgegeben worden sei. Aus dem Recht auf Parteiengehör lasse sich kein subjektives Recht darauf ableiten von der Behörde mündlich gehört zu werden (VwGH 17.06.1992, 91/02/0147). Die Behörde habe der Partei eine ausreichende Frist zur Stellungnahme einzuräumen, die es ihr ermöglichen würde, ihr Vorbringen entsprechend zu überlegen und zu formulieren sowie eventuell fachlichen Rat einzuholen oder ein (Gegen)gutachten vorzulegen (VwGH 27.09.1990, 89/12/0201).
Hinsichtlich der in der Beschwerde namentlich angeführten Schwägerin, sei bereits in der Stellungnahme zur Schubhaftbeschwerde angeführt worden, dass sich der BF bereits einmal zur Überstellung in das für sein damaliges zuständiges Mitgliedsland Italien durch Untertauchen entzogen habe. Die familiären Bindungen zu der angeführten Schwägerin und deren Kindern könne auch deshalb widerlegt werden, da der BF nie an der Adresse von dieser gemeldet gewesen sei. Wenn in der Beschwerde moniert wird, dass es das BFA unterlassen habe dem BF in ausreichender Weise zu seinem Privatleben zu befragen und sich somit kein abschließendes Bild über die Person machen habe können, sei diesen Ausführungen in der Beschwerde entgegenzuhalten, dass das BFA alle erforderlichen Ermittlungsschritte gesetzt und die Ergebnisse bei der Beweiswürdigung ernsthaft berücksichtigt habe.
Im Falle der Rückkehr könne der BF den Kontakt zu den in XXXX lebenden Nichten und Neffen sowie seiner Schwägerin postalisch, telefonisch oder über soziale Medien aufrechterhalten. Auch könne der BF ein Treffen in seinem Heimatland organisieren, um so den Kontakt mit seinen Angehörigen wiederherzustellen bzw. aufrecht zu erhalten. Offenbar habe dies der BF auch in der Vergangenheit so gehandhabt, ansonsten die Existenz eines gemeinsamen Wohnsitzes unabdingbar wäre.
Dem BF habe bewusst sein müssen, dass die Begehung einer Straftat zu einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme führen könne, habe sich der BF doch nicht davon abhalten lassen und habe sogar Minderjährigen den Gebrauch von Suchtgift ermöglicht, um sich dadurch seinen Lebensunterhalt aufzubessern. In Österreich sei der BF keiner Beschäftigung nachgegangen und habe auf Grund des fehlenden Aufenthaltstitels auch in absehbarer Zeit keine Möglichkeit einer legalen Arbeit nachzugehen und bezeichne sich selbst als mittellos.
Wegen seiner Strafdelikte fehlt dem BF für einen rechtmäßigen Aufenthalt bereits eine der erforderlichen Voraussetzungen, da er seit dem Drogendelikt zweifellos eine Gefahr für die öffentliche Ordnung sei, wie sich schon aus der demonstrativen Aufzählung von delinquentem Verhalten in § 53 Abs. 3 FPG hervorgehe. Eine nachhaltige Integration am Arbeitsmarkt habe nicht festgestellt werden können. Der BF verfüge über keine Beschäftigung in Österreich. Auf Grund des fehlenden Aufenthaltstitels habe der BF auch in absehbarer Zeit keine Möglichkeit einer legalen Arbeit nachzugehen. In Österreich verfüge der BF über keine Beschäftigung und bezeichne sich selbst als mittellos. Zwei Mal sei der BF wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels rechtskräftig verurteilt worden.
Zur Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung wurde ausgeführt, dass es als erwiesen anzusehen sei, dass der Aufenthalt des BF im Bundesgebiet durch die Begehung eines Verbrechens rechtswidrig geworden sei. Es sei dem BF auch kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG gewährt worden, wodurch spruchgemäß zu entscheiden sei.
Wie bereits angeführt handle es sich beim BF um einen in Gambia geborenen und dort sozialisierten gambischen Staatsbürger. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens hätten keine Hinweise bzw. Nachweise über die Schulbildung festgestellt werden können. Er habe angegeben in der Zeit von 2003 bis zu seiner Ausreise aus Gambia als Installateur gearbeitet zu haben. Der BF habe seine Kindheit und Jugend dort verbracht und sei dort sozialisiert worden. Er würde nach wie vor seine Muttersprache sprechen und mit den regionalen Sitten, Gebräuchen und der Kultur seines Heimatstaates vertraut sein. Es könne daher von keiner Entwurzelung des BF ausgegangen werden, zumal er in Österreich nie einer legalen Erwerbstätigkeit nachgegangen sei. Zu Lasten des BF würde vor allem dessen strafgesetzwidriges Fehlverhalten, dem seine strafgerichtlichen Verurteilungen zu Grunde liegen würden, zu berücksichtigen sein. Die vom BF geltend gemachte Integration erfahre in der für den BF wesentlichen sozialen Komponente durch die von ihm begangenen strafgerichtlichen Verurteilungen eine erhebliche Minderung. Angesichts dieses Fehlverhaltens würde der weitere Aufenthalt des BF die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gem. § 52 FPG stelle sohin keine Verletzung des Rechtes des BF auf Privat-, und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art 8 EMRK dar.
Den persönlichen Interessen des BF an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehe somit das öffentliche Interesse an der Verhinderung der Gewaltkriminalität und das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens gegenüber.
Die Zulässigkeit der Abschiebung des BF in den Herkunftsstaat sei gegeben, da den dieser Entscheidung zugrunde liegenden Feststellungen zufolge keine Gründe vorliegen würden, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung i.S.d. § 50 FPG ergeben würde.
Der BF sei volljährig, gesund und erwerbsfähig. In Gambia sei der BF bis zu seiner Ausreise offenbar durchaus in der Lage gewesen seinen Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen. Es sei daher kein Grund ersichtlich, weshalb er seinen Lebensunterhalt nach seiner Rückkehr nicht durch die Aufnahme einer adäquaten Hilfstätigkeit oder Gelegenheitsarbeiten bestreiten könne bzw. er im Falle der Rückkehr keine staatliche oder private Rückkehrhilfe in Anspruch nehme. Zudem bestehe derzeit in Gambia keine solche Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehren würde, einer Gefährdung iSd Art 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK ausgesetzt gewesen sei. Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage in Gambia würden für das Staatsgebiet nicht vorliegen, weshalb aus diesem Gesichtspunkt bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen, kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gemäß Art 2 und/oder 3 EMRK abgeleitet werden könne. Es könne auf Basis der Länderfeststellungen nicht davon ausgegangen werden, dass jeder im Falle der Rückkehr nach Gambia in eine existenzielle Notlage geraten würde.
Dass der BF allenfalls in Österreich wirtschaftlich gegenüber seiner Situation in Gambia bessergestellt sei, genüge für die Annahme, er würde in Gambia keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können, nicht. Hierfür würden im vorliegenden Fall Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände fehlen. Schwierigkeiten beim Wideraufbau einer Existenz in Gambia würden nach der Rechtsprechung des VwGH hinzunehmen sein (VwGH 29.04.2010, 2009/21/0055). Schließlich sei der BF im Hinblick auf die derzeit bestehende Pandemie auf Grund des Corona-Virus festzuhalten, dass der BF aktuell 38 Jahre alt sein würde und an keinen schwerwiegenden Erkrankungen leide, womit er nicht unter die Risikogruppe der älteren Personen und Personen mit Vorerkrankungen fallen würde.
Zur Verhängung des Einreiseverbotes wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass bei der Festsetzung der Dauer des Einreiseverbotes zu erwägen sei, dass bei der Festsetzung der Dauer des Einreiseverbotes nach dem FrÄG 2011 eine Einzelfallprüfung vorzunehmen sei. Dabei habe die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstattangehörigen zu beurteilen und zu berücksichtigen, ob der weitere Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährde oder anderen in Art 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe.
Der ständigen Judikatur des VwGH zufolge sei der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen, ob und wie lange er sich in Freiheit wohlverhalten habe (vgl. VwGH vom 25.01.2018, Ra 2018/21/0004 sowie VwGH vom 19. April 2012, Zl. 2010/21/0507 und vom 25. April 2013, Zl. 2013/18/0056, jeweils mwN). Darüber hinaus sei festzuhalten, dass die Entscheidung nur nach Einzelfallbeurteilung erfolgen könne, weshalb insoweit die abstrakte allgemeine Festlegung eines Wohlverhaltenszeitraum nicht in Frage komme. Dass es aber grundsätzlich eines Zeitraumes des Wohlverhaltens bedürfe, um von einem Wegfall oder einer wesentlichen Minderung der vom Fremden ausgehenden Gefährlichkeit ausgehen zu könne, könne nicht mit Erfolg in Zweifel gezogen werden (VwGH vom 17.11.2016, Ra 2016/21/0193; vgl. auch VwGH vom 22.Jänner 2013, 2012/18/0185 und vom 22. Mai 2013, 2013/18/0041); ebenso wenig, dass dieser Zeitraum üblicherweise umso länger anzusetzen sein würde, je nachdrücklicher sich die für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes maßgebliche Gefährlichkeit manifestiert habe ( VwGH 22.01.2015, Ra 2014/21/0009; 28.01.2016, Ra 2015/21/0013).
In der Beschwerde sei moniert worden, dass die Dauer des Einreiseverbotes auf die Gesamtbeurteilung des Verhaltens des BF beruhe und dabei das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens nur unzureichend beurteilt worden sei. Es sei nicht als notwendig und verhältnismäßig anzusehen. Der Anmerkung, dass ein starker Eingriff in das Privat-, und Familienleben des BF objektiv außer Verhältnis zu den öffentlichen Interessen stehe, sei entgegenzuhalten, dass der BF in Österreich kein Familienleben führen würde und dies auch nie behauptet habe. Ein in Italien oder Spanien behauptetes Familienleben habe ebenfalls nicht nachvollzogen werden können.
Die belangte Behörde habe das Einreiseverbot und die verhängte Dauer des ausgesprochenen Einreiseverbotes nicht nur auf die Tatsache der Verurteilungen bzw. der daraus resultierenden Strafhöhen abgestellt. Vielmehr sei unter Berücksichtigung des Systems der abgestuften Gefährdungsprognosen, welches dem FPG inhärent sei, sowie unter Würdigung des individuellen, vom BF durch sein persönliches Verhalten im Bundesgebiet gezeichneten Charakterbildes eine Gefährdungsprognose getroffen worden und diese der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt worden. Auf Grund der tristen Lebenssituation habe keine positive Zukunftsprognose getroffen werden können. Die Gefahr eines Rückfalls und der damit verbundenen Gefahr einer neuerlichen Straffälligkeit nach der Haftentlassung würde als hoch angesehen werden. Die Verbüßung der Strafhaft sei in den Zeitraum des Wohlverhaltens nicht einzubeziehen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 03.11.2004, Zl. 2004/18/0320). Hinsichtlich der zuletzt erfolgten Verurteilung sei anzuführen, dass die im Urteilsspruch angeführten Sachverhalte vom BF objektiv begangen worden seien und er ernsthaft mit der Verwirklichung des Tatbildes gerechnet und sich damit abgefunden habe. Der seit der letzten Straftat verstrichene Zeitraum sei zudem zu kurz, um nach diesem in der Vergangenheit gezeigten, wiederholten strafrechtlichen Fehlverhaltens die Annahme zu rechtfertigen, dass der Aufenthalt keine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit mehr darstelle, zumal der BF sich wegen der derzeit noch andauernden Schubhaft seit der letzten Verurteilung noch gar nicht in Freiheit wohlverhalten habe können.
Auf Grund seines fehlenden Unrechtsbewusstseins, sei somit zwingend davon auszugehen, dass selbst gerichtliche Sanktionen und Freiheitsstrafen dem BF nicht zu einem gesetztestreuen Leben bewegen könne. Der bewusste und rein aus Geldmangel erfolgte Suchtgifthandel an Minderjährige zeige überdeutlich, dass der BF keinerlei Achtung vor den österreichischen Gesetzten gehabt habe.
Zur Dauer des Einreiseverbotes würde angeführt, dass die Verhinderung von strafbaren Handlungen ein Grundinteresse der Gesellschaft darstelle und würde auf die im Erkenntnis dargestellten „Judikaturlinien“ verwiesen. Der VwGH gehe davon aus, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhalte als selbstverständlich anzunehmen sei, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhalte. Zu Lasten eines Fremden würden jedoch sehr wohl die rechtskräftigen Verurteilungen durch ein inländisches Gericht ins Gewicht fallen (vgl. VwGH 27.02.2007, Zl. 2006/21/0164, mwN, wo dieser zum wiederholten Male klargestellt habe, dass das Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung den öffentlichen Interessen im Sinne des Art 8 Abs. 2 EMRK eine besondere Gewichtung zukommen lasse). Die Gesamtbeurteilung des Verhaltens, der Lebensumstände sowie der familiären und privaten Anknüpfungspunkte habe daher im Zuge der vorgenommenen Abwägungsentscheidung ergeben, dass die Erlassung des Einreiseverbotes in der ausgesprochenen Höhe gerechtfertigt und notwendig sei, um die vom BF ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern. Das ausgesprochene Einreiseverbot sei daher zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten.
Angesichts der vorliegenden Schwere der Verstöße gegen österreichische Rechtsnormen und des zum Ausdruck gekommenen Fehlverhaltens des BF sei daher die Verhängung des Einreiseverbotes in der erkennenden Behörde ausgesprochenen Dauer wohl als angemessen, erforderlich und darüber hinaus auch als verhältnismäßig zu erachten. Den persönlichen Interessen des BF an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehe das öffentliche Interesse an der Verhinderung weiterer Straftaten nach dem Suchtmittelgesetz und das öffentliche Interesse an der Wahrung der öffentlichen Ordnung sowie das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens gegenüber; diesen gewichtigen öffentlichen Interessen komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zu (VwGH 07.07.2009, AW 2009/18/0219; u.v.a.).
Die erkennende Behörde habe sich hinreichend mit den konkreten Umständen des Einzelfalles auseinandergesetzt. Bei einer Gesamtbetrachtung könne das Ergebnis, das vom Bundesamt in der Dauer von sieben Jahren verhängte Einreiseverbot bei einer Verurteilung von einem Jahr in Zusammenschau mit Art 8 EMRK wohl als gerechtfertigt angesehen werden. Angemerkt werden dürfe hier, dass bereits mit BVwG-Erkenntnis vom XXXX ein in der zweiten Instanz rechtskräftiges Einreiseverbot in der Dauer von vier Jahren bereits nach der ersten Verurteilung bestehe. Zur Erlassung der gegenständlich in Beschwerde befindlichen Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem auf sieben Jahren befristeten Einreiseverbotes sei es gekommen, weil die zweite Verurteilung des BF im Asylverfahren noch nicht berücksichtigt worden sei.
Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde ausgeführt, dass der BF wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels verurteilt worden sei. Der BF habe auf Grund seiner tristen finanziellen Lage die Tat begangen. Da sich die finanzielle Lage des BF auch während der Schubhaft nicht verbessern würde und der BF nicht zur legalen Arbeitsaufnahme in Österreich berechtigt sei, sei jederzeit mit einer Tatwiederholung zu rechnen. Der BF sei am XXXX aus der Justizanstalt XXXX entlassen worden und befinde sich seither im Polizeianhaltezentrum in XXXX in Schubhaft. Auf Grund der durch das BVwG bestätigten Gefährdungsprognose XXXX würde seine Ausreise in diesem Sinne als nötig qualifiziert. Darüber hinaus verfüge der BF über keine Unterkunft, keine bzw. unzureichende familiäre Bindung und habe kein Arbeitseinkommen im Inland. Auch angesichts der so drohenden Möglichkeit der Flucht und weiterer Angriffe gegen geschützte Rechtsgüter bestehe daher die Notwendigkeit mit dessen Ausreise nicht zuzuwarten. Den persönlichen Interessen des BF an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehe somit insbesondere das öffentliche Interesse an der Verhinderung von Suchtgiftkriminalität entgegen. Aus dem Fehlverhalten des BF resultiere somit eine gewichtige Gefährdung des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität. Vor diesem Hintergrund könne nicht gesagt werden, dass die Interessen des BF am Aufschub des Vollzuges des genannten Bescheides das öffentliche Interesse an der Umsetzung dieses Bescheides überwiegen würden. Für die Behörde habe zu Recht festgestanden, dass für den BF bei Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Menschenrechtsverletzung gegeben sei und sei dies auch in der Beschwerde nicht vorgebracht worden. Die Interessen des BF auf einen Verbleib in Österreich während des gesamten Verfahrens sei im Hinblick auf das Interesse Österreichs an einer raschen und effektiven Durchsetzung der Rückkehrentscheidung somit nicht zu berücksichtigen.
13. Gegen die Beschwerdevorentscheidung mit welcher die Beschwerde vom XXXX abgewiesen wurde, stellte der BF einen Vorlageantrag gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG.
Zur Begründung wurde auf die Ausführungen in der Beschwerde verwiesen. Es würde ausdrücklich auf die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung unter Einvernahme des BF zur Klärung des maßgeblichen Sachverhaltes, insbesondere zur Gefährlichkeitsprognose, beantragt. Der VwGH habe im Erk. zur Zahl 2015/21/0002 vom 30.06.2015 klargestellt, dass betreffend die anzustellende Gefährdungsprognose für die Verhängung eines Einreiseverbotes dem persönlichen Eindruck im Rahmen einer mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zukomme. Die Durchführung der mündlichen Verhandlung sei auf Grund der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zwingend geboten. Neben der Entscheidung des VwGH 24.01.2013, 2012/21/0230, würde auch auf die Rechtsprechung des VfGH betreffend Art 47 GRC zur Zahl U 466/11 und U 1836/11 vom 14.03.2012 verwiesen. Der EGMR habe in einer Entscheidung gegen Österreich, 05.12.2013 zwingend die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, wenn die Rechtssache erstmals von einem Gericht entschieden werden würde und die Durchführung ausdrücklich beantragt werden würde.
II. das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der volljährige BF ist Staatsangehöriger der Republik Gambia. Er ist ledig, Angehöriger der Volksgruppe der Mandinka (auch Mandingo) und bekennt sich zum islamischen Glauben. Seine Identität steht nicht fest.
Der BF stammt aus XXXX , wo er bis zu seiner Ausreise gelebt, insgesamt zwölf Jahre die Schule und zwei Jahre ein Polytechnikum besucht und den Beruf des Installalteurs erlernt hat. Er hat seinen Lebensunterhalt in Gambia als Installateur bestritten. Er ist gesund und erwerbsfähig.
Der BF hielt sich seit dem XXXX im österreichischen Bundesgebiet auf und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid vom XXXX gemäß § 5 AsylG zurückgewiesen und gleichzeitig festgestellt wurde, dass die Abschiebung nach Italien zulässig ist. Eine dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom XXXX gem. § 5 AsylG unbegründet abgewiesen. Am XXXX wurde der BF (zwangsweise) nach Italien überstellt.
Am XXXX stellte der BF einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz, welcher neuerlich gemäß § 5 AsylG zurückgewiesen und die Zulässigkeit der Abschiebung nach Italien festgestellt wurde. Eine gegen den Bescheid eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom XXXX unbegründet abgewiesen und erwuchs am XXXX in Rechtskraft. Der BF entzog sich in der Folge den Behörden und war für diese bis zur Festnahme wegen des Verdachtes der Begehung nach § 27 Abs. 2a SMG am XXXX nicht mehr greifbar. Nach Einvernahme zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme stellte der BF am XXXX den dritten Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des BFA vom XXXX abgewiesen wurde. Eine dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom XXXX unbegründet abgewiesen und gleichzeitig ausgesprochen, dass der BF sein Recht zum Aufenthalt in Österreich seit dem XXXX verloren hat.
Eine namentlich genannte Schwester des BF, welche über einen italienischen Aufenthaltstitel bzw. über einen italienischen Reisepass verfügt, lebt mit ihren zwei Kinder in Italien. Ein namentlich genannter Bruder des BF ist derzeit in Spanien aufhältig. Die namentlich genannte Ehefrau des in Spanien aufhältigen Bruders lebt mit ihren zwei Kindern an einer namentlich bezeichneten Wohnadresse in Wien.
Der BF bestreitet seinen Lebensunterhalt in Österreich durch die Grundversorgung bzw. durch den Verkauf von Suchtgift. Er weist keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, gesellschaftlicher sowie kultureller Hinsicht auf. Er ging bisher keiner erlaubten, regelmäßigen Erwerbstätigkeit nach.
Der BF weist in Österreich folgende zwei rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilungen auf:
LG für Strafsachen XXXX
Vergehen des §§ 27 Abs. 2a und Abs. 3 SMG, § 15 StGB
Freiheitsstrafe von fünf Monaten bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren
LG für Strafsachen XXXX
Vergehen nach §§ 27 Abs. 1 Z 1 zweiter und achter Fall, Abs. 3 und 4 Z 1 SMG, 15 StGB.
Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr.
Festgestellt wird, dass der BF die mit den oben genannten Urteilen festgestellten strafbaren Handlungen begangen und jenes in den Urteilen jeweils näher umschriebene strafbare Verhalten gesetzt hat.
Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichtes XXXX für Strafsachen vom XXXX verurteilt, weil er einerseits vorschriftswidrig Suchtgift gewerbsmäßig zwei namentlich genannten Personen auf einer öffentlichen Verkehrsfläche anderen gegen Entgelt überlassen hat und andererseits für namentlich unbekannt gebliebene Suchtgiftabnehmer weiteres Suchtgift zum bevorstehenden gewinnbringenden Verkauf bereitgehalten hat. Eine Einstellung des Verfahrens des BF wurde zum Entscheidungszeitpunkt als weniger gut angesehen, als eine weitere Verurteilung den Angeklagten von weiteren strafbaren Handlungen abhalten sollte. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom XXXX wurde der BF zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, weil er anderen gewerbsmäßig u.a. einem Minderjährigen einerseits den Gebrauch von Suchtgift ermöglicht hat und andererseits mehreren namentlich genannten Personen überlassen hat bzw. anderen versucht hat dieses zu überlassen, indem er 40 Gramm brutto zum unmittelbaren Weiterverkauf bereithielt sowie bei sich führte. Bei der Strafbemessung wurde als erschwerend angesehen, dass der BF einschlägig vorbestraft ist und dieser die Delikte in mehrfacher Qualifikation begangen hat. Eine Einstellung des strafgerichtlichen Verfahrens des BF wurde als weniger gut geeignet angesehen den BF von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten, als eine Verurteilung. Der Angeklagte verübte die Tat nicht vorwiegend deshalb, um sich für den eigenen Gebrauch Suchtmittel oder Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen.
Der BF befand sich in der Zeit XXXX in Strafhaft. Am XXXX wurde gegen den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer neuerlichen Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot und der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Eine dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG, XXXX gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm. § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Entscheidungszeitpunkt vorliegen. Am XXXX wurde der BF bedingt aus der Justizanstalt XXXX entlassen und nach seiner Entlassung ins Polizeianhaltezentrum XXXX überführt.
Die Schwägerin des BF lebt mit zwei Kindern in Österreich. Der BF hat diese in der Vergangenheit im Haushalt unterstützt und kümmerte sich um seine Nichte und Neffen. Darüber hinaus sind jedoch keinerlei nennenswerte soziale, familiäre oder berufliche Anknüpfungspunkte des BF zu Österreich ans Tageslicht gekommen und wurden solche auch substantiiert nicht vorgebracht. Aus dem Akteninhalt ergibt sich keine legale Erwerbstätigkeit und sohin auch keine Selbsterhaltungsfähigkeit. Größere Vermögens-, bzw. Geldbestände waren nicht erkennbar.
Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Gambia war insbesondere unter Heranziehung der vom BFA im gegenständlichen herangezogenen Quellen folgendes festzustellen:
Länderspezifische Anmerkungen
Alle im folgenden angeführten Punkte von COVID-19 bis Rückkehr fanden ihre letzten Änderungen am 24.06.2020.
Das Länderinformationsblatt geht nur eingeschränkt auf die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie sowie auf eventuelle Maßnahmen gegen diese ein; wie etwa Einstellungen des Reiseverkehrs in oder aus einem Land oder Bewegungseinschränkungen im Land. Dies betrifft insbesondere auch Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung, die Möglichkeiten zur Selbst-Quarantäne, die Versorgungslage, wirtschaftliche, politische und andere Folgen, die derzeit nicht absehbar sind.
COVID-19
Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie hat Gambia am 23.3.2020 bis auf Weiteres den Luftraum und die Landgrenzen geschlossen. Der Ausnahmezustand wurde bis 1.7.2020 verlängert, seit 4.6.2020 werden die Einschränkungen schrittweise gelockert (USEMB 11.6.2020; vgl. Garda 11.6.2020). Einschränkungen der Passagierzahl im privaten und öffentlichen Personenverkehr auf die Hälfte des Fassungsvermögens des Fahrzeuges bleiben bis auf Weiteres in Kraft (Garda 11.6.2020)
Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie unterliegen alle Einreisenden - entweder per Flugzeug oder auf dem Landweg - unabhängig von ihrer Nationalität, die in oder durch ein "Hotspot"-Land reisen, einer 14-tägigen verpflichtenden Quarantäne in staatlich verwalteten Einrichtungen, wo sie auf Kosten der Regierung Unterkunft, Nahrung, Wasser und medizinische Versorgung erhalten (USEMB 11.6.2020).
Quellen:
FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - The Gambia, https://freedomhouse.org/country/gambia/freedom-world/2020, Zugriff 15.6.2020
Garda World (11.6.2020): Gambia: COVID-19 state of emergency extended until July 1 /update 3, https://www.garda.com/crisis24/news-alerts/349821/gambia-covid-19-state-of-emergency-extended-until-july-1-update-3, Zugriff 15.6.2020
USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: The Gambia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/GAMBIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 23.6.2020
USEMB - U.S. Embassy in The Gambia (11.6.2020): COVID-19 Information, https://gm.usembassy.gov/u-s-citizen-services/covid-19-information/, Zugriff 15.6.2020
Trotz einiger Fortschritte bei der medizinischen Versorgung ist in Gambia keine flächendeckende medizinische Grundversorgung verfügbar (ÖB 12.2019; vgl. AA 5.8.2019), wogegen die ärztliche Versorgung im Großraum Banjul ausreichend ist (BMEIA 4.6.2020; vgl. ÖB 12.2019). Die medizinische Versorgung im Lande bleibt eingeschränkt und ist technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch. Auch im privaten Sektor ist nur eine begrenzte Diagnostik und Behandlung möglich (AA 5.6.2020; vgl. AA 5.8.2019). Deutlich besser ist die Lage in Privatkliniken, wobei auch diese keinen europäischen Standard bieten (AA 5.8.2019). Die Versorgung ist besonders bei Notfällen, z. B. nach Autounfällen, aber auch im Falle eines Herzinfarktes oder eines Schlaganfalles sehr eingeschränkt (AA 5.6.2020). Die Mehrheit der Gesundheitseinrichtungen befindet sich im Stadtgebiet, was bedeutet, dass der Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen in ländlichen Gebieten komplexer ist. Im Allgemeinen leiden alle Einrichtungen unter einem Mangel an gut ausgebildetem Personal und Defiziten in Bezug auf Infrastruktur, medizinische Ausrüstung und Versorgung mit bestimmten Medikamenten (EASO 12.2017; vgl. HP+/USAID 11.2019).
Prinzipiell haben sämtliche Bevölkerungsgruppen Zugang zu allen staatlichen Spitälern, Kliniken oder Krankenstationen. Jeder Patient hat eine Konsultationsgebühr von mindestens USD 0,5 bzw. USD 5 für größere Eingriffe zu entrichten. Schwangere Frauen und Kinder unter fünf Jahren sind von der Gebühr befreit. Patienten mit Krankheiten mit Relevanz für die öffentliche Gesundheit, wie z.B. Tuberkulose oder HIV/Aids sind ebenfalls von allen Gebühren befreit, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit. Behandlung und Medikamente sind, soweit vorhanden, generell kostenlos (ÖB 12.2019; vgl. AA 5.8.2019). Eine allgemeine Krankenversicherung existiert nicht. Die Versorgung in staatlichen Krankenhäusern ist jedoch aufgrund mangelnder Ärzte, Apparaturen und Medikamente unzureichend. Es existiert eine staatliche psychiatrische Einrichtung, in der es allerdings oft an Medikamenten und gelegentlich an Lebensmitteln fehlt. Die Einrichtung wird von kubanischen Ärzten betreut, die nicht immer anwesend sind. Die Versorgung mit Medikamenten ist über Apotheken möglich (AA 5.8.2019).
Im Jahr 2015 gab es in Gambia 213 Mediziner (1.1 Arzt für 10.000 Einwohner). Die traditionelle Medizin ist für einen Großteil der Bevölkerung Gambias oft der erste Ansprechpartner, da die Heiler über das ganze Land verstreut und vor allem in ländlichen Regionen besser zugänglich sind. Auch die Behörden Gambias streben eine stärkere Partnerschaft mit traditionellen Heilern an, um die Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen zu verbessern. Darüber hinaus erlauben traditionelle Mediziner oft Sachleistungen, die für arme Haushalte leistbarer sind (AA 5.8.2019; vgl. EASO 12.2017, HP+/USAID 11.2019).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (5.6.2020): Gambia: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/gambia-node/gambiasicherheit/213624, Zugriff 16.6.2020
AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.8.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014284/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Gambia_%28Stand_Juli_2019%29%2C_05.08.2019.pdf, Zugriff 23.6.2020
BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (4.6.2020): Reise & Aufenthalt - Gambia - Gesundheit & Impfungen, http://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/gambia/, Zugriff 23.6.2020
EASO - European Asylum Support Office (12.2017): The Gambia - Country Focus, https://www.ecoi.net/en/file/local/1419801/90_1513324824_easo-201712-coi-report-gambia.pdf, Zugriff 23.6.2020
HP+/USAID - Health Policy Plus / United States Agency for International Development (11.2019): Assesment of the Health System in the Gambia - Overview, Medical Products, Health Financing, and Governance Components, http://www.healthpolicyplus.com/ns/pubs/17372-17674_GambiaHealthSystemAssessment.pdf, Zugriff 22.6.2020
ÖB - Österreichische Botschaft Dakar (12.2019): Asylländerbericht Gambia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2032127/Asyll%C3%A4nderbericht+Gambia+2019+-+Erstentwurf.docx, Zugriff 22.6.2020
Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie wurden nicht lebenswichtige Handels- und andere Aktivitäten, die mit der lokalen Wirtschaft verbunden sind, aber dazu neigen, große Menschenmengen anzuziehen, bis auf weiteres untersagt, was den Lebensunterhalt zahlreicher Personen gefährdet (APA 2.4.2020). Die Regierung stellte 14,7 Millionen US-Dollar zur Verfügung, um Haushalte mit Grundnahrungsmitteln (u.A. Reis, Öl, Zucker) zu versorgen (Gentilini et al 12.6.2020: 185).
Quellen:
APA - Agence de Presse Africaine (2.4.2020): Gambia: Livelihoods affected by anti-COVID-19 restrictions, https://apanews.net/en/news/anger-follows-gambia-covid-19-lockdown, Zugriff 27.4.2020
EASO - European Asylum Support Office (12.2017): The Gambia - Country Focus, https://www.ecoi.net/en/file/local/1419801/90_1513324824_easo-201712-coi-report-gambia.pdf, Zugriff 23.6.2020
Gentilini, Ugo; Mohamed Almenfi, Pamela Dale, Ana Veronica Lopez, Ingrid Veronica Mujica, Rodrigo Quintana, Usama Zafar (12.6.2020): Social Protection and Jobs Responses to COVID-19: A Real-Time Review of Country Measures - “Living paper” version 11 (June 12, 2020), http://documents.worldbank.org/curated/en/590531592231143435/pdf/Social-Protection-and-Jobs-Responses-to-COVID-19-A-Real-Time-Review-of-Country-Measures-June-12-2020.pdf, Zugriff 22.6.2020
KAS - Konrad-Adenauer-Stiftung (16.5.2018): Ein Jahr Demokratie in Gambia, http://www.kas.de/wf/doc/kas_52476-544-1-30.pdf?180516145500, Zugriff 23.6.2020
KAS - Konrad-Adenauer-Stiftung (24.1.2020): „Too small to fail“? - Gambias Demokratisierungsprozess – zwischen Fortschritt und Frustration, https://www.kas.de/de/laenderberichte/detail/-/content/too-small-to-fail, Zugriff 22.6.2020
ÖB - Österreichische Botschaft Dakar (12.2019): Asylländerbericht Gambia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2032127/Asyll%C3%A4nderbericht+Gambia+2019+-+Erstentwurf.docx, Zugriff 22.6.2020
Anm.: Diese Informationen zu COVID-19 sind zum Teil ebenfalls in den Kapiteln Bewegungsfreiheit, medizinische Versorgung und Grundversorgung eingepflegt.
Politische Lage
Gambia ist eine Präsidialrepublik mit starker Stellung des direkt gewählten Staatspräsidenten. Dieser ist gleichzeitig Regierungschef (ÖB 12.2019). Staatsoberhaupt und Regierungschef ist seit 2017 Adama Barrow von der United Democratic Party - UDP (AA 15.10.2018; vgl. ÖB 12.2019). Bei den Präsidentschaftswahlen vom 1.12.2016, die als weitgehend frei und fair bezeichnet wurden (FH 4.3.2020; vgl. ÖB 12.2019), gewann Barrow gegen den 22 Jahre autoritär regierenden Amtsinhaber Jammeh (WB 22.3.2020), der nach einer knapp zweimonatigen innenpolitischen Krise schließlich zur Aufgabe seines Amtes bereit war (AA 5.8.2019; vgl. ÖB 12.2019, FH 4.3.2020).
Seither befinden sich im Auftrag der CEDEAO/ECOWAS und auf Bitten der neuen Regierung Militärtruppen in Gambia, um die Sicherheit des Transformationsprozesses des Sicherheitssektors zu unterstützen und politischer Instabilität vorzubeugen (FH 4.3.2020).
Barrow kündigte ein ambitioniertes Reformprogramm an, das ab Mitte 2017 auch initiiert wurde. Der Namenszusatz „Islamische Republik“ wurde gestrichen, ein Moratorium zur Abschaffung der Todesstrafe wurde erlassen, Meinungs- und Pressefreiheit gewährleistet und die Stärkung von Institutionen und wirtschaftlicher Aufschwung versprochen (KAS .24.1.2020). Zwei weitere Wahlen konnten friedlich und transparent abgehalten und somit der politische Umbruch konsolidiert werden (ÖB 12.2019; vgl UNSC 29.6.2018, FH 4.3.2020).
Im Oktober 2018 wurde unter der Leitung des Ministeriums für Justiz die „Truth, Reconciliation and Reparation Commission“ eingerichtet, welche an der Aufklärung der unter der Regierung Jammeh verübten Menschenrechtsverletzungen arbeitet (AA 5.8.2019; vgl. FH 4.3.2020). Die Arbeit der Kommission ist noch nicht abgeschlossen. Zeugenaussagen bestätigen weit verbreitete Misshandlungen und Folterungen durch die Sicherheitskräfte und ein außergerichtliches Killerkommando, sowie Misshandlungen durch Jammeh selbst. Es kam jedoch bislang noch zu keiner Strafverfolgung und die Freilassung einiger Täter war umstritten (FH 4.3.2020).
Obschon es zahlreiche, wichtige außen- und innenpolitische Veränderungen gibt, nimmt die Kritik an Barrows Regierungsführung mittlerweile zu. Die junge Bevölkerung äußert ihre Unzufriedenheit über die schleppende Umsetzung von Reformen und erwartet rasche Ergebnisse bei der Schaffung von Arbeitsplätzen. Die wirtschaftliche Situation verbesserte sich für die meisten Gambier nach dem Regimewechsel nicht. Auch der 2018 verabschiedete Entwicklungsplan konnte die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bisher nicht verbessern (KAS 24.1.2020).
Barrow versprach als Präsidentschaftskandidat öffentlich, dass er drei Jahre als Übergangspräsident fungieren würde und im Dezember 2019 Neuwahlen abhalten ließe, ohne dabei selbst erneut anzutreten. Damit sollte eine Übergangsphase von der Diktatur Jammehs hin zu einer Demokratie eingeläutet werden. Im Dezember 2019 fanden allerdings keine Präsidentschaftswahlen statt und Barrow erklärte, sich an die verfassungsmäßige Amtszeit von fünf Jahren für Präsidenten zu halten. Nicht erst seit dieser Entscheidung nehmen Stimmen zu, die einen zunehmend autoritären Führungsstil des Präsidenten konstatieren (KAS 24.1.2020).
Das Kabinett wurde im März 2019 umgebildet, da der Vizepräsident zusammen mit zwei weiteren prominenten Mitgliedern der UDP abgesetzt wurde. Im Dezember 2019 gründete Präsident Barrow eine neue politische Partei, die Nationale Volkspartei, wodurch es ihm ermöglicht wird, bei den Wahlen 2021 für eine zweite Amtszeit zu kandidieren (WB 20.3.2020; vgl. FH 4.3.2020, KAS 24.1.2020).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (15.10.2018): Gambia: Überblick, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/gambia-node/gambia/213610, Zugriff 17.6.2020
AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.8.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014284/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Gambia_%28Stand_Juli_2019%29%2C_05.08.2019.pdf, Zugriff 23.6.2020
FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - The Gambia, https://freedomhouse.org/country/gambia/freedom-world/2020, Zugriff 15.6.2020
KAS - Konrad-Adenauer-Stiftung (24.1.2020): „Too small to fail“? - Gambias Demokratisierungsprozess - zwischen Fortschritt und Frustration, https://www.kas.de/de/laenderberichte/detail/-/content/too-small-to-fail, Zugriff 22.6.2020
ÖB - Österreichische Botschaft Dakar (12.2019): Asylländerbericht Gambia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2032127/Asyll%C3%A4nderbericht+Gambia+2019+-+Erstentwurf.docx, Zugriff 22.6.2020
UNSC - UN Security Council (29.6.2018): Report of the Secretary-General on the activities of the United Nations Office for West Africa and the Sahel, https://www.ecoi.net/en/file/local/1438086/1226_1531382798_n1817627.pdf, Zugriff: 23.6.2020
WB - the World Bank (20.3.2020): The Gambia - Overview, https://www.worldbank.org/en/country/gambia/overview, Zugriff 22.6.2020
Sicherheitslage
Das staatliche Gewaltmonopol ist im gesamten Staatsgebiet gewährleistet. Es gibt keine Gruppen, die die staatliche Integrität in Frage stellen (BS 29.4.2020). Gambia blieb bisher von terroristischen Anschlägen verschont (AA 18.6.2020). Das Risiko von Entführungen, sporadischen bewaffneten Angriffen und Raubüberfällen durch Casamance-Rebellen im Süden des Landes nimmt weiter ab. Die Kriminalitätsrate in Gambia ist relativ niedrig (Garda 5.4.2019; vgl. BS 29.4.2020). Gambia wird zunehmend zu einem Transitland für Geldwäsche und den Handel mit Waffen, Drogen, Diamanten und gestohlenen Gütern (Garda 5.4.2019). Demonstrationen und Proteste finden inzwischen wieder häufiger statt. Am 26.1.2020 kam es bei einer Demonstration in Kanifing/Serrekunda zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften (AA 18.6.2020).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (5.6.2020): Gambia: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/gambia-node/gambiasicherheit/213624, Zugriff 16.6.2020
- BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report Gambia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029565/country_report_2020_GMB.pdf, Zugriff 27.5.2020
- Garda World (5.4.2019): Gambia Country Report, https://www.garda.com/crisis24/country-reports/gambia, Zugriff 26.5.2020
Folter und unmenschliche Behandlung
Die Verfassung und weitere Gesetze verbieten Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 5.8.2019). Seit Amtsübernahme der Regierung Barrow im Jänner 2017 sind keine Berichte über Folter bekannt geworden (AA 5.8.2019; vgl. USDOS 11.3.2020, VA 19.6.2020). Im September 2018 hat Gambia das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe ratifiziert (AA 5.8.2019; vgl. ÖB 12.2019).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.8.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014284/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Gambia_%28Stand_Juli_2019%29%2C_05.08.2019.pdf, Zugriff: 23.6.2020
ÖB - Österreichische Botschaft Dakar (12.2019): Asylländerbericht Gambia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2032127/Asyll%C3%A4nderbericht+Gambia+2019+-+Erstentwurf.docx, Zugriff 22.6.2020
USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: The Gambia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/GAMBIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff: 23.6.2020
VA - Vertrauensanwalt der Österreichischen Botschaft Dakar in Gambia (19.6.2020): Antwortschreiben, per E-Mail.
Korruption
Das Gesetz sieht strafrechtliche Sanktionen für Korruption durch Regierungsbeamte vor und die Regierung setzt das Gesetz im Allgemeinen um (USDOS 11.3.2020). Korruption stellt aber weiterhin ein ernsthaftes Problem dar. Vorwürfe der Korruption werden häufig gegen Beamte aller Ebenen der Verwaltung eingebracht (FH 4.3.2020).
Die neue Regierung hat eingeschränkte Initiativen zur Verringerung der Korruption ergriffen. Die Bevölkerung fordert nach wie vor Gesetze zur Einrichtung einer Anti-Korruptionskommission und zur Abgabe von Vermögenserklärungen durch Regierungsbeamte. Es gibt derzeit kein Gesetz zum Schutz von Informanten (FH 4.3.2020; vgl. BS 29.4.2020: 27).
Eine Untersuchungskommission prüfte die Verwendung staatlicher Mittel durch den ehemaligen Präsidenten Jammeh für private Zwecke und für sein Vermögen (FH 4.3.2020; vgl. USDOS 11.3.2020); die Ergebnisse der Prüfung wurden im September 2019 veröffentlicht. Als Folge sollte Jammeh wegen Diebstahls, Wirtschaftskriminalität und Korruption angeklagt werden, und die Regierung beschlagnahmte Unternehmen, Immobilien und andere Vermögenswerte von Jammeh und einigen seiner Mitarbeiter. Darüber hinaus wurden einige ehemalige Beamte für bestimmte Zeiträume oder auch auf Lebenszeit von der Ausübung öffentlicher Ämter ausgeschlossen (USDOS 11.3.2020).
Die Regierungsgeschäfte sind im Allgemeinen undurchsichtig. Seit 2018 sind Regierungsbeamte verpflichtet, Vermögenserklärungen an den Bürgerbeauftragten abzugeben, aber die Erklärungen sind nicht öffentlich und medienwirksam; Präsident Barrow hat diese Zurückhaltung von Informationen verteidigt und auf Bedenken des Datenschutzes hingewiesen. Es gibt weit verbreitete Vorwürfe über Korruption in öffentlichen Beschaffungsprozessen (FH 4.3.2020).
Im Jahr 2019 wurde Gambia im von Transparency International veröffentlichten Korruptionsindex auf Platz 96 von 180 untersuchten Ländern platziert (TI 23.1.2020).
Quellen:
BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report Gambia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029565/country_report_2020_GMB.pdf, Zugriff 27.5.2020
FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - The Gambia, https://freedomhouse.org/country/gambia/freedom-world/2020, Zugriff 15.6.2020
TI - Transparency International (23.1.2020): Corruption Perceptions Index 2019 - Full Data Set, https://images.transparencycdn.org/images/2019_CPI_FULLDATA.zip, Zugriff 23.6.2020
USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: The Gambia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/GAMBIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 23.6.2020
NGOs und Menschenrechtsaktivisten
Das Umfeld für NGOs hat sich seit dem Machtwechsel stark verbessert (ÖB 12.2019). In Gambia gibt es eine Reihe von NGOs, die sich mit Fragen der Menschenrechte und der Regierungsführung befassen. Unter Jammeh sahen sich NGO-Mitarbeiter der Gefahr von Inhaftierung und Repressalien ausgesetzt. Es gab seit dem Regierungswechsel nur noch wenige Berichte über eine solche Unterdrückung. Umweltschutzgruppen berichten jedoch über Belästigung durch die Sicherheitskräfte (FH 4.3.2020).
Regierungsbeamte sind in der Regel kooperativ und empfänglich für Ansichten von NGOs. Trotz der Zusage der Barrow-Regierung von 2017, ein für NGOs günstigeres Umfeld zu schaffen, verlangt das Gesetz weiterhin, dass NGOs sich beim National Advisory Council registrieren. Sie verleiht dem Rat die Befugnis, einer NGO (einschließlich internationaler NGOs) das Recht, im Land tätig zu sein zu verweigern, auszusetzen oder aufzuheben. Jedoch hat der Rat im Jahr 2019 gegen keine NGO Maßnahmen ergriffen (USDOS 11.3.2020).
Das Büro des Bürgerbeauftragten betreibt eine Nationale Menschenrechtseinheit (NHRU) mit dem Auftrag, die Menschenrechte zu fördern und zu schützen und vulnerable Gruppen zu unterstützen. Die NHRU befasst sich mit Beschwerden über rechtswidrige Handlungen, ungerechte Behandlung sowie illegalen Verhaftungen. Die Regierung gewährt dem Büro des Ombudsmanns und der NHRU ebenso uneingeschränkten Zugang zu allen Haftanstalten wie lokalen und internationalen NGOs (USDOS 11.3.2020).
Quellen:
FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - The Gambia, https://freedomhouse.org/country/gambia/freedom-world/2020, Zugriff 15.6.2020
ÖB - Österreichische Botschaft Dakar (12.2019): Asylländerbericht Gambia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2032127/Asyll%C3%A4nderbericht+Gambia+2019+-+Erstentwurf.docx, Zugriff 22.6.2020
USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: The Gambia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/GAMBIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 23.6.2020
Wehrdienst und Rekrutierungen
Es gibt keinen verpflichtenden Wehrdienst in Gambia. Für einen freiwilligen Militärdienst ist für Männer und Frauen ein Mindestalter von 18 Jahren vorgesehen und eine mindestens sechsmonatige Verpflichtung (CIA 10.6.2020; vgl. ÖB 12.2019).
Quellen:
CIA - Central Intelligence Agency (10.6.2020): The World Factbook - Gambia, The - Government, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ga.html, Zugriff 23.6.2020
ÖB - Österreichische Botschaft Dakar (12.2019): Asylländerbericht Gambia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2032127/Asyll%C3%A4nderbericht+Gambia+2019+-+Erstentwurf.docx, Zugriff 22.6.2020
Allgemeine Menschenrechtslage
Der neue Präsident Adama Barrow machte deutlich, dass ein vorrangiges Ziel der neuen Regierung darin bestehen würde, die Achtung der Menschenrechte zu gewährleisten (EASO 12.2017). Zu den bedeutendsten Menschenrechtsproblemen gehören: harte und potenziell lebensbedrohliche Haftbedingungen; mangelnde Rechenschaftspflicht in Fällen von Gewalt gegen Mädchen und Frauen, einschließlich Vergewaltigung und weit verbreiteter weiblicher Genitalverstümmelung; Menschenhandel; und die Kriminalisierung einvernehmlichen gleichgeschlechtlichen Sexualverhaltens zwischen Erwachsenen, obwohl das Gesetz nicht durchgesetzt wird (USDOS 11.3.2020).
Die Grundrechte, einschließlich der Versammlungs-, Vereinigungs- und Meinungsfreiheit, haben sich seit dem Amtsantritt von Präsidenten Barrow verbessert, aber die Konsolidierung der Rechtsstaatlichkeit geht nur langsam voran (FH 4.3.2020). Mitglieder des Jammeh-Regimes werden nicht systematisch verfolgt (EASO 12.2017; vgl. VA 19.6.2020).
Versammlungs-, Meinungs- und Pressefreiheit werden durch die Verfassung garantiert und seit Amtsübernahme der Regierung durch Barrow werden diese staatlicherseits respektiert und gewährleistet (AA 5.8.2019; vgl. FH 4.3.2020, USDOS 11.3.2020). Die neue Regierung unternahm mehrere bedeutende Anstrengungen, um ein günstigeres Umfeld für die Meinungsfreiheit zu schaffen. Die Verfassung und das Gesetz sehen die Meinungsfreiheit, auch für die Presse, vor, und die Regierung respektierte dieses Recht (HRW 18.1.2018; vgl. ÖB 12.2019). Die Selbstzensur ist zurückgegangen und mehr Menschen ergreifen den Beruf des Journalisten. Journalisten kehren vermehrt aus dem Exil zurück (FH 4.3.2020; vgl. AI 22.2.2018, ÖB 12.2019). Dennoch bleiben restriktive Mediengesetze zumindest am Papier erhalten und es gibt vereinzelte Berichte über Verhaftungen und Polizeiübergriffe gegen Journalisten (FH 4.3.2020; vgl. JA 26.1.2020, AN 28.1.2020). Radioprogramme, Nachrichten-Websites und Fernsehsender sind in Gambia online zugänglich. Internationale Sender wie die BBC, Voice of America und Nachrichten-Websites aus der Diaspora, die der Regierung Jammeh sehr kritisch gegenüberstanden, bleiben eine wichtige Informationsquelle (EASO 12.2017).
Die gesetzlichen Regelungen aus der Jammeh-Ära, welche die Pressefreiheit stark eingeschränkt haben, wurden im Mai 2018 vom Obersten Gerichthof weitestgehend für verfassungswidrig erklärt. Die Barrow-Regierung hat das Gesetz seit Amtsantritt nicht angewendet. Seit dem Regierungswechsel liegen auch keine Hinweise auf Einschränkungen der Medienfreiheit vor. Die Regierung sucht den Austausch mit Journalisten und der „Gambia Press Union“. In Kooperation mit der Menschenrechts-NGO Article 19 erarbeitet die Regierung aktuell ein neues Mediengesetz (AA 5.8.2019; vgl. ÖB 12.2019). Für öffentliche Versammlungen muss eine Genehmigung vom Generalinspektor der Polizei eingeholt werden (FH 4.3.2020). Die Regierung verpflichtete sich zur Reform mehrerer repressiver Mediengesetze (AI 22.2.2018).
Im Juli 2019 wurden bei größeren Protesten in Serrekunda und Brikama zahlreiche Personen nach einem Einschreiten der Polizei verletzt und verhaftet (FH 4.3.2020). Im Zuge von Protestveranstaltungen gegen Präsident Barrow im Jänner 2020 wurden ca. hundert Personen verhaftet, einige Medienunternehmen gesperrt und die Oppositionsgruppe „Three Years Jotna“ verboten. Bei der Auflösung der Demonstrationen wurde Tränengas eingesetzt (AN 27.1.2020, AN 28.1.2020, JA 26.1.2020).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.8.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014284/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Gambia_%28Stand_Juli_2019%29%2C_05.08.2019.pdf, Zugriff 23.6.2020
AN - AfricaNews (27.1.2020): Gambia govt bans protests, silences critical media, https://www.africanews.com/2020/01/27/gambia-govt-bans-protests-silences-c