TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/3 W217 2241422-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.05.2021
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Entscheidungsdatum

03.05.2021

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W217 2241422-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Angela SCHIDLOF sowie den fachkundigen Laienrichter Franz GROSCHAN als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 06.11.2020, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1.       Herr XXXX (in der Folge: BF) ist seit 13.01.2016 Inhaber eines zuletzt bis zum 30.04.2022 befristet ausgestellten Behindertenpasses. Der Gesamtgrad der Behinderung wurde mit 50% festgestellt.

Am 05.06.2020 einlangend stellte der BF unter Beilage eines Konvolutes an medizinischen Beweismitteln den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass.

2.       In der Folge stellte Frau DDr. XXXX , Fachärztin für Unfallchirurgie, Ärztin für Allgemeinmedizin, in ihrem Gutachten vom 01.10.2020 basierend auf einer persönlichen Untersuchung des BF Folgendes fest:

„Anamnese:

Letzte Begutachtung am 7.10.2019

1 degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Hüft- und Kniegelenke 50 %

2 Zustand nach Prostatatumor-Tu, Strahlentherapie 2014 20 %

3 Bluthochdruck 20%

4 periphere arterielle Durchblutungsstörungen im Bereich der unteren Gliedmaßen 10 %

Gesamt-GdB 50 %

Nachuntersuchung 10/2021, da eine Besserung nach Totalendoprothese des linken Hüftgelenks wahrscheinlich ist

Zwischenanamnese seit 10/2019:

10/2019 Hüfttotalendoprothese links

6/2020 KTEP links

DP L4/L5, Lumboischialgie

Derzeitige Beschwerden:

‚Der Gehzustand hat sich insgesamt seit 2019 deutlich verschlechtert, Beschwerden habe ich jetzt vor allem im Bereich der Lendenwirbelsäule und des rechten Kniegelenk, linke Hüfte und linkes Knie sind relativ gut seit den Operationen. Diabetes mellitus ist grenzwertig, nehme ein Medikament ein. Bin regelmäßig bei Facharzt für Urologie, 2014 wurde eine Strahlentherapie durchgeführt, PSA-Wert ist im Normbereich. Nykturie, Behandlung mit einem neuen Medikament, das hilft schon etwas. 2004 wurden im Bereich der Beckenetage rechts 4 Stents implantiert, im linken Becken/Bein keine Stents, habe eine Schrumpfniere links und es wurden 2 Stents hier 2004 implantiert.

Hergekommen bin ich mit dem Taxi.‘

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Medikamente: Arthrotec, Nomexor, Candesartan,Plavix, Daflon, Pioglitazon, Ascalan, Simvastatin, Allopurinol, Halcion, Nexium, Mexalen, Bioflorin, Dekristolmin, Diclovit, Selifenacin

Allergie:0

Nikotin: gelegentlich

Hilfsmittel: eine Unterarmstützkrücke

Laufende Therapie bei Hausarzt Dr. XXXX , XXXX

Sozialanamnese:

verheiratet, eine Tochter, lebt in Wohnung im Stock mit Lift.

Berufsanamnese: Pensionist, zuvor Kaufmann, Großhandel

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Befund Dr. XXXX Facharzt für Unfallchirurgie und Sporttraumatologie 3.6.2020

(zunehmende Schmerzen Wirbelsäule und beide Kniegelenke, Gonarthrose beidseits,

Infiltration)

MRT-rechtes Knie 25.5.2020 (hochgradige medialbetonte Gonarthrose)

Operationsbericht 25.10.2019 (Hüfttotalendoprothese links)

Operationsbericht 6.9.2019 (Arthroskopie und Meniskusteilresektion linkes Knie)

Nachgereichte Befunde:

Abschlussbericht Dr. XXXX Facharzt für Unfallchirurgie 29.6.2020 (Knietotalendoprothese links)

Bestätigung Dr. XXXX Facharzt für Unfallchirurgie 23.9.2020 (Zustand nach Gelenksersatz linke Hüfte und linkes Knie, aufgrund eines Bandscheibenvorfalls im Segment L4/L5 mit neuropathischer Ausstrahlung in den linken Oberschenkel in Mobilität deutlich eingeschränkt, Gehstrecke deutlich vermindert, Knietotalendoprothese rechts 2021 geplant)

Röntgen LWS Beckenübersicht und linkes Kniegelenk 14.9.2020 (diffuse Osteopenie/Osteoporose, skoliotische Abweichung, fortgeschrittene degenerative Veränderungen mit Spondylarthrose und Osteochondrose L4 bis S1.

Hüfttotalendoprothese links, geringe bis mäßige Coxarthrose rechts. Knietotalendoprothese links)

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

Gut, 63 Jahre

Ernährungszustand:

Adipös

Größe: 182,00 cm  Gewicht: 133,00 kg   Blutdruck:

Klinischer Status – Fachstatus:

Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen, sichtbare Schleimhautpartien unauffällig, Pupillen rund, isocor, prompte Reaktion auf Licht. Halsvenen nicht gestaut.

Thorax: symmetrisch, elastisch

Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch. Keine Dyspnoe, keine Zyanose.

Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein Druckschmerz.

Integument: unauffällig

Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:

Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, seitengleich mittelkräftig entwickelte Muskelverhältnisse. Die Durchblutung ist ungestört, Radialispulse beidseits tastbar, die Sensibilität wird als ungestört angegeben.

Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.

Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig.

Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.

Becken und beide unteren Extremitäten:

Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits ohne Anhalten und ohne Einsinken durchführbar.

Der Einbeinstand ist ohne Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist ansatzweise möglich.

Die Beinachse ist im Lot. Annähernd seitengleiche Muskelverhältnisse.

Beinlänge nicht ident, links -1 cm.

Die Durchblutung ist ungestört, periphere Pulse beidseits tastbar, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich.

Hüftgelenk rechts: kein Druckschmerz, kein Rotationsschmerz

Hüftgelenk links: Narbe bei Hüfttotalendoprothese, kein Stauchungsschmerz, endlagige Rotationsschmerzen.

Kniegelenk rechts: deutliche Umfangsvermehrung, Konturvergröberung, keine Überwärmung, kein Erguss, stabil, Krepitation, Patella verbacken.

Kniegelenk links: Narbe median bei Knietotalendoprothese, mäßige Umfangsvermehrung, geringgradige Überwärmung, endlagige Beugeschmerzen, stabil.

Sämtliche weitere Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Hüften S beidseits 0/100, IR/AR rechts 10/0/30, links 10/0/20 , Kniegelenk rechts 0/5/110, links 0/0/100, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.

Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60° bei KG 5 möglich.

Wirbelsäule:

Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet, mäßig Hartspann. Klopfschmerz über der unteren LWS, ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei.

Aktive Beweglichkeit:

HWS: in allen Ebenen frei beweglich

BWS/LWS: FBA: 30 cm, Rotation und Seitneigen 20°

Lasegue bds. negativ, geprüfte Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.

Gesamtmobilität – Gangbild:

Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen mit einer Unterarmstützkrücke, das Gangbild barfuß ohne Anhalten und ohne Krücke ist geringgradig links hinkend, Schrittlänge links geringgradig verkürzt, Spur nicht verbreitert, gutes Abrollen.

Bewegungsabläufe nicht eingeschränkt. Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.

Status Psychicus:

Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage ausgeglichen.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1

Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Hüft- und Kniegelenke, Hüfttotalendoprothese links, Knietotalendoprothese links

2

Zustand nach Prostatatumor-Tu, Strahlentherapie 2014, kein Hinweis für Rezidiv

3

Bluthochdruck

4

Periphere arterielle Durchblutungsstörungen im Bereich der unteren Gliedmaßen, Zustand nach Stentimplantation Beckenetage rechts

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Implantation einer Hüfttotalendoprothese links und Knietotalendoprothese links

X        Nachuntersuchung 10/2021 - weil Besserung nach Implantation einer Knietotalendoprothese rechts möglich

1.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine. Es liegen keine Funktionseinschränkungen der oberen und unteren Extremitäten und der Wirbelsäule vor, welche die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränkten, es besteht kein ausgeprägt eingeschränktes Gangbild. Es sind belastungsabhängige Probleme im Bereich der Wirbelsäule, Hüft- und Kniegelenke im Vordergrund, welche die Steh- und Gehleistung mäßig einschränken. Kurze Wegstrecken von etwa 300-400 m können jedoch allein, allenfalls unter Verwendung einer einfachen Gehhilfe, zurückgelegt werden. Eine höhergradige Gangbildbeeinträchtigung oder Gangunsicherheit konnte nicht festgestellt werden. Ein- und Aussteigen ist möglich, da beide Hüftgelenke über 90° gebeugt werden können und beide Knie- und Sprunggelenke ausreichend beweglich sind. Ein sicheres Anhalten ist ebenfalls möglich, da die Gelenke beider oberer Extremitäten keine Funktionseinschränkungen aufweisen, der sichere Transport ist nicht erheblich erschwert. Eine Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit ist nicht objektivierbar, insbesondere ist keine maßgebliche cardiopulmonale Funktionseinschränkung objektivierbar, kognitive Defizite sind nicht fassbar, sodass, auch unter Berücksichtigung aller aufliegenden Befunde, eine erhebliche Erschwernis beim Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, Be- und Entsteigen sowie bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht begründbar ist.

2.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
Nein

Gutachterliche Stellungnahme:

Siehe oben“

3.       Aufgrund der im Rahmen des hierzu erteilten Parteiengehörs erhobenen Einwendungen führte Frau DDr. XXXX in ihrer Stellungnahme vom 05.11.2020 aus:

„Antwort(en):

Der Antragsteller erklärt sich mit dem Ergebnis der Begutachtung vom 24.09.2020 nicht einverstanden und bringt in der Stellungnahme vom 15.10.2020 vor, dass es ihm schon seit Monaten nicht möglich sei, Erledigungen ausschließlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu tätigen, und er auf seinen privaten PKW angewiesen sei, er könne nur möglichst kurze Wegstrecken mit Krücken zurücklegen, bei fast allen Einkaufsmöglichkeiten seien Behindertenparkplätze vorhanden.

Befunde:

keine neuen Befunde

Stellungnahme:

Maßgeblich für die Beurteilung beantragter Zusatzeintragung sind objektivierbare Funktionseinschränkungen unter Beachtung sämtlicher vorgelegter Befunde. Die bei der Begutachtung am 24.09.2020 anhand einer gründlichen orthopädischen Untersuchung festgestellten Defizite im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates wurden in der Beurteilung hinsichtlich beantragter Zusatzeintragung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in vollem Umfang berücksichtigt, wobei jedoch die festgestellten Funktionsdefizite eine maßgebliche Einschränkung der Gehstrecke nicht ausreichend begründen.

Höhergradige Funktionseinschränkungen im Bereich von Wirbelsäule und Bewegungsapparat konnten nicht festgestellt werden, siehe Status und insbesondere Beschreibung von Gangbild und Gesamtmobilität.

Befunde, die neue Tatsachen, noch nicht ausreichend berücksichtigte Leiden oder eine maßgebliche Verschlimmerung belegen könnten, wurden nicht vorgelegt. Die vorgebrachten Argumente beinhalten keine neuen Erkenntnisse, welche das vorhandene Begutachtungsergebnis entkräften könnten, sodass daran festgehalten wird.“

4.       Mit Bescheid vom 06.11.2020 wies die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ ab.

Beweiswürdigend wurde auf die eingeholte ärztliche Stellungnahme vom 05.11.2020, die einen Bestandteil der Bescheidbegründung bildet, hingewiesen. Nach dieser würden die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen.

5.       Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde. Nach oftmaligen Besuchen bei vielen Fachärzten seien in der Zwischenzeit keinerlei Verbesserungen eingetreten und habe er massive Dauerschmerzen im linken Hüft-, Oberschenkel- und Kniebereich sowie im Kniebereich am rechten Bein, das ebenfalls demnächst zur Operation anstehe sowie möglicherweise die rechte Hüfte. Um seine Schmerzen zu lindern, seien ihm zusätzlich Medikamente verordnet worden. Verschiedene zwischenzeitliche Therapien hätten bisher auch zu keiner Verbesserung beigetragen. Seit der letzten Untersuchung habe sich sein Zustand extrem verschlechtert und benötige er nun beide Krücken auch in der Wohnung. Es sei ihm nicht mehr möglich, Erledigungen mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu tätigen, er sei auf die Unterstützung und Benützung seines privaten PKWs angewiesen. Da im öffentlichen Bereich Parkplätze für Behinderte zur Verfügung stünden, würde dies seinen Alltag wesentlich erleichtern.

Unter Einem legte der BF neue Befunde vor.

6.       Daraufhin holte die belangte Behörde ein weiteres Gutachten von der bereits befassten Sachverständigen ein.

Frau DDr. XXXX hielt in diesem Gutachten aufgrund der Aktenlage vom 25.01.2021 fest:

„Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Letzte Begutachtung am 24.09.2020:

1 Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Hüft- und Kniegelenke, Hüfttotalendoprothese links, Knietotalendoprothese links

2 Zustand nach Prostatatumor-Tu, Strahlentherapie 2014, kein Hinweis für Rezidiv

3 Bluthochdruck

4 Periphere arterielle Durchblutungsstörungen im Bereich der unteren Gliedmaßen, Zustand nach Stentimplantation Beckenetage rechts

Voraussetzungen für ZE der Unzumutbarkeit der Benützung ÖVM liegen nicht vor.

Der Antragsteller erklärt sich mit dem Ergebnis der Begutachtung vom 24.09.2020 und der Stellungnahme vom 05.11.2020 nicht einverstanden und bringt in der Stellungnahme vom 6.12.2020 vor, dass er massive Dauerschmerzen im linken Hüft-, Leisten-, Oberschenkel- und Kniebereich sowie im Kniebereich am rechten Bein habe. Weiters müsse er folgende Medikamente nehmen:

Adamon Long retard 300mg, Diclovit, Neurobion, Folsan 5mg, Lyrica 25mg und Cal-D-Vita.

Es sei ihm nicht mehr möglich Erledigungen mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu tätigen und er sei ausschließlich auf die Unterstützung und Benützung des privaten PKW angewiesen.

Neuerliche Begutachtung erfolgt im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung.

Weitere Befunde werden vorgelegt:

MRT der Lendenwirbelsäule 05.10.2020 (Mäßige bis deutliche Osteochondrose, multisegmental)

Dr. XXXX FA für Unfallchirurgie 23.09.2020 (Prolaps intervertebralis L4/L5 St. post KTEP links, st. post HTEP links Gonarthrosis dext)

Röntgen LWS Beckenübersicht linkes Knie 14.09.2020 (Das Bild wie bei diffuser Osteopenie/Osteoporose. Skoliotische Achsenabweichung sowie Streckfehlhaltung der LWS und fortgeschrittene degenerative Veränderungen. Gering- bis mäßiggradige Coxarthrose rechts. Der linke Femurkopf ca. 3 mm höherstehend. Ansonsten das knöcherne Becken mit normaler Form und Struktur. St.p Knie-TEP. Unauffälliger Prothesensitz. Keine Lockerungszeichen)

Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel:

Medikamente: Arthrotec, Nomexor, Candesartan, Plavix, Daflon, Pioglitazon, Ascalan, Simvastatin, Allopurinol, Halcion, Nexium, Mexalen, Bioflorin, Dekristolmin, Diclovit, Selifenacin, Adamon Long retard 300mg, Diclovit, Neurobion, Folsan 5mg, Lyrica 25mg und Cal-D-Vita.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1

Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Hüft- und Kniegelenke, Hüfttotalendoprothese links, Knietotalendoprothese links

2

Zustand nach Prostatatumor-Tu, Strahlentherapie 2014, kein Hinweis für Rezidiv

3

Bluthochdruck

4

Periphere arterielle Durchblutungsstörungen im Bereich der unteren Gliedmaßen, Zustand nach Stentimplantation Beckenetage rechts

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

keine Änderung

X

Nachuntersuchung 10/2021 - weil weil Besserung nach Implantation einer Knietotalendoprothese rechts möglich


1.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine. Es liegen keine Funktionseinschränkungen der oberen und unteren Extremitäten und der Wirbelsäule vor, welche die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränkten, es besteht kein ausgeprägt eingeschränktes Gangbild. Es sind belastungsabhängige Probleme im Bereich der Wirbelsäule, Hüft- und Kniegelenke im Vordergrund, welche die Steh- und Gehleistung mäßig einschränken. Kurze Wegstrecken von etwa 300-400 m können jedoch allein, allenfalls unter Verwendung einer einfachen Gehhilfe, zurückgelegt werden. Eine höhergradige Gangbildbeeinträchtigung oder Gangunsicherheit konnte nicht festgestellt werden. Ein- und Aussteigen ist möglich, da beide Hüftgelenke über 90° gebeugt werden können und beide Knie- und Sprunggelenke ausreichend beweglich sind. Ein sicheres Anhalten ist ebenfalls möglich, da die Gelenke beider oberer Extremitäten keine Funktionseinschränkungen aufweisen, der sichere Transport ist nicht erheblich erschwert. Eine Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit ist nicht objektivierbar, insbesondere ist keine maßgebliche cardiopulmonale Funktionseinschränkung objektivierbar, kognitive Defizite sind nicht fassbar, sodass, auch unter Berücksichtigung aller aufliegenden Befunde, eine erhebliche Erschwernis beim Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, Be- und Entsteigen sowie bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht begründbar ist.

2.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt ein Immundefekt vor im Rahmen dessen trotz Therapie erhöhte Infektanfälligkeit und wiederholt außergewöhnliche Infekte wie atypische Pneumonien auftreten?

nein

Gutachterliche Stellungnahme:

Die vorgebrachten Argumente und nachgereichten Befunde führen zu keiner Änderung, insbesondere konnte in den Befunden der bildgebenden Diagnostik keine höhergradige degenerative Veränderung festgestellt werden. Sämtliche behinderungsrelevanten Leiden und die damit einhergehenden Beschwerden und Funktionseinschränkungen wurden bereits berücksichtigt, daher wird an der getroffenen Beurteilung festgehalten.“

6.       Im Rahmen des hierzu erteilten Parteiengehörs führte der BF in einem E-Mail vom 18.02.2021 aus, er müsse sich in den nächsten Tagen zu einem weiteren Eingriff ins Spital begeben und werde sodann weitere Befunde vorlegen.

7.       Dr. XXXX , Facharzt für Unfallchirurgie, Arzt für Allgemeinmedizin, führt in seinem Gutachten vom 14.04.2021, basierend auf der persönlichen Untersuchung des BF am 13.04.2021, Folgendes aus:

„Anamnese:

Bezüglich Vorgeschichte siehe Vorgutachten vom 24.09.2020 und Akten-GA vom 25.01.2021 wegen Zusatzeintrag der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.

Zwischenanamnese:

am 25.03.2021 Schaftwechsel an der linken Hüfte

Derzeitige Beschwerden:

Ich habe Probleme weiter als 100 oder 200 Meter zu gehen. Ich habe Schmerzen von der linken Hüfte bis zum linken Knie, Schmerzen in der Lendenwirbelsäule. Ich benötige ständig Krücken. Das rechte Knie schmerzt. Die Schulter schmerzen zeitweilig, ich kann schlecht nach hinten greifen.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Medikamente: Arthrotec, Nomexor, Candesartan, Plavix, Daflon, Pioglitazon, Ascalan, Simvastatin, Allopurinol, Halcion, Nexium, Mexalen, Bioflorin, Dekristolmin, Diclovit, Selifenacin, Adamon Long retard 300mg, Diclovit, Neurobion, Folsan 5mg, Lyrica 25mg und Cal-D-Vita.

Laufende Therapie: Infiltrationen und Injektionen

Hilfsmittel: 2 Unterarmstützkrücken

Sozialanamnese:

Pens.

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

12/2020 Hüft-Computertomographie links beschreibt unauffälligen Befund nach Hüfttotalendoprothese

02/2021 MR-Lendenwirbelsäule beschreibt Degeneration mit Discopathie ohne DP

02/2021 MR-linker Oberschenkel beschreibt geringes Hämatom, sonst unauffällig

02/2021 CT-Lendenwirbelsäule beschreibt „kein Hämatom“.

03/2021 unfallchir. Schreiben ohne Befund

03/2021 CT linke Hüfte beschreibt auffallend weiten Resorptionssaum um den Prothesenschaft am proximalen Femur.

03/2021 Beckenröntgen beschreibt, Resoprtionssaum intratrochantär bis zur Schaftspitze, Coxarthrose rechts. Iliacal-Stent rechts. Kreuzbein-Darmbein-Gelenke- Arthrose. Am linken Knie Zustand nach Totalendoprothese ohne Lockerungszeichen.

04/2021 Befund XXXX über Schaftwechsel an der linken Hüfte, wegen Prothesenschaftlockerung, in der Folge Teilbelastung für 4 Wochen.

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

altersentsprechend

Ernährungszustand:

erheblich adipös

Größe: 180,00 cm  Gewicht: 133,00 kg  Blutdruck:

Klinischer Status – Fachstatus:

Caput/Collum: unauffällig

Thorax: symmetrisch, elastisch

Abdomen: klinisch unauffällig, am linken Mittelbauch Pflasterverband.

Obere Extremitäten:

Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal. Symmetrische Muskelverhältnisse. Die Durchblutung und Sensibilität sind ungestört. Benützungszeichen sind seitengleich.

Die Schultern sind mäßig druckschmerzhaft, endlagenschmerzhaft.

Sämtliche Gelenke sind bandfest und altersentsprechend unauffällig.

Beweglichkeit:

Die Schultern sind endlagig gering eingeschränkt. Beim Nackengriff reicht die Hand gut zum Hinterhaupt. Beim Kreuzgriff reicht die Daumenkuppe bis L1 beidseits. Ellenbogen, Vorderarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger sind seitengleich frei. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar, der Faustschluss ist komplett.

Untere Extremität:

Freies Gehen ist nach frischem Schaftwechsel an der linken Hüfte nicht erlaubt. Rechts angedeutet X-Fehlstellung, links ist die Beinachse im Lot. Die Beinlänge ist gleich. Die Durchblutung ist ungestört. Die Sensibilität wird an den Unterschenkel als etwas kribbelnd sonst als ungestört angegeben. Die Fußsohlenbeschwielung ist seitengleich ausgebildet.

Linkes Knie: alte Narbe streckseitig nach Totalendoprothese, minimal intraartikulärer Erguss., soweit bandfest.

Rechtes Knie: insgesamt arthrotisch etwa aufgetrieben, kein wesentlicher intraartikulärer Erguss. Zohlen-Test positiv, bandfest.

Linke Hüfte: relativ frische Narbe nach Endoprothese. Kein wesentlicher Stauchungs- oder Extensionsschmerz, Endlagenschmerz bei Bewegung.

Gering Endlagenschmerz an der rechten Hüfte beim Beugen.

Beweglichkeit:

Hüften S 0-0-95 beidseits. R (S 90°) rechts 10-0-25, links nicht geprüft. Knie S rechts 0-10-120, links 0-0-120. Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.

Wirbelsäule:

Verstärkte Brustkyphose, regelrechte Lendenlordose. Die Achse ist nicht exakt beurteilbar. Mäßig lumbaler Hartspann, lumbal Klopfschmerz und Druckschmerz. ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei.

Beweglichkeit:

Allseits konstitutionsbedingt eingeschränkt.

Gesamtmobilität – Gangbild:

Kommt in Konfektionsschuhen mit 2 Unterarmstützkrücken zur Untersuchung, das Gangbild zeigt ein mäßiges Entlastungshinken links, ist sicher. Das Aus- und Ankleiden wird überwiegend im Sitzen durchgeführt. Die körperliche Wendigkeit ist durch das erhebliche Übergewicht deutlich eingeschränkt.

Status Psychicus:

wach, Sprache unauffällig

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1

Aufbraucherscheinungen am Stütz- und Bewegungsapparat, Hüfttotalendoprothese links, Knietotalendoprothese links

2

Zustand nach Prostatatumor-Tu, Strahlentherapie 2014

3

Bluthochdruck

4

Periphere arterielle Durchblutungsstörungen im Bereich der unteren Gliedmaßen, Zustand nach Stentimplantation Beckenetage rechts

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

am 25.03.2021 Schaftwechsel an der linken Hüfte wegen Lockerung.

X        Dauerzustand

1.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Nach Schaftwechsel an der linken Hüfte vor ca. 3 Wochen sind derzeit noch 2 Unterarmstützkrücken, laut Arztbrief für 1 weitere Woche erforderlich. Jedenfalls sind die Unterarmstützkrücken keine 6 Monate mehr erforderlich. Nach Abbau der Unterarmstützkrücken bestehen weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten noch erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit.

2.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt ein Immundefekt vor im Rahmen dessen trotz Therapie erhöhte Infektanfälligkeit und wiederholt außergewöhnliche Infekte wie atypische Pneumonien auftreten?
nein

Gutachterliche Stellungnahme:

Nach Abbau der Unterarmstützkrücken ist eine kurze Wegstrecke mit einem Aktionsradius von rund 10 Minuten, entsprechend einer Entfernung von rund 300 bis 400 m ist zumutbar und möglich. Niveauunterschiede können dann überwunden werden. Es besteht ausreichend Kraft und Beweglichkeit an den oberen Extremitäten. Greifformen sind erhalten.“

8.       Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 14.04.2021 beim Bundesverwaltungsgericht ein mit dem Hinweis, dass wegen Fristüberschreitung die Beschwerdevorentscheidung abgebrochen worden sei.

9.       In der Folge übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem BF das Gutachten von Dr. XXXX zur gefälligen Kenntnisnahme und allfälliger Stellungnahme.

10.      Hierzu führte der BF in seiner Stellungnahme vom 21.04.2021 aus, sein Aktionsradius sei seit der Hüftoperation im Oktober 2019, seiner Knieoperation im Juni 2020 und der nochmaligen Hüftoperation im März 2021 nur in sehr geringem Umfang gegeben. Die Annahme, es bestehe ausreichend Kraft und Beweglichkeit sei reine Spekulation.

Unter Einem legte der BF einen neuen Operationsbericht von Dr. XXXX , FA für Radiologie, vom 17.03.2021 vor.

II.     Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

Der BF hat seinen Wohnsitz im Inland.

Der BF ist seit 13.01.2016 Inhaber eines zuletzt bis zum 30.04.2022 befristet ausgestellten Behindertenpasses. Der Gesamtgrad der Behinderung wurde mit 50% festgestellt.

Mit am 05.06.2020 eingelangtem Schriftsatz stellte der BF einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass.

Beim BF liegen folgende Funktionseinschränkung vor:

Lfd.

Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1

Aufbraucherscheinungen am Stütz- und Bewegungsapparat, Hüfttotalendoprothese links, Knietotalendoprothese links

2

Zustand nach Prostatatumor-Tu, Strahlentherapie 2014

3

Bluthochdruck

4

Periphere arterielle Durchblutungsstörungen im Bereich der unteren Gliedmaßen, Zustand nach Stentimplantation Beckenetage rechts

Hinsichtlich der beim BF festgestellten Gesundheitsschädigungen, ihrer Art und Schwere sowie ihrer Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezügliche Beurteilung im Gutachten vom 14.04.2021 eines Facharztes für Unfallchirurgie/Arzt für Allgemeinmedizin der nunmehrigen Entscheidung zugrunde gelegt.

Zu den Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:

Nach Schaftwechsel an der linken Hüfte am 25.03.2021 war zwar die Verwendung von Unterarmstützkrücken erforderlich. Diese Unterarmstützkrücken sind jedoch jedenfalls keine 6 Monate mehr erforderlich. Nach Abbau der Unterarmstützkrücken bestehen weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten noch erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit. Nach Abbau der Unterarmstützkrücken ist eine kurze Wegstrecke mit einem Aktionsradius von rund 10 Minuten, entsprechend einer Entfernung von rund 300 bis 400 m, zumutbar und möglich. Niveauunterschiede können dann überwunden werden. Es besteht ausreichend Kraft und Beweglichkeit an den oberen Extremitäten. Greifformen sind erhalten.

Es liegen sohin derzeit keine Funktionseinschränkungen der unteren Extremitäten vor, die die Mobilität dauerhaft, iSv mehr als 6 Monaten, einschränken, es besteht kein ausgeprägt eingeschränktes Gangbild. Es liegen keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Leistungsfähigkeit vor. Der BF leidet nicht an einer schweren anhaltenden Erkrankung des Immunsystems.

Dem BF ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.

2.       Beweiswürdigung:

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" basiert auf dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zum Behindertenpass ergeben sich aus dem Akteninhalt sowie aus der Kopie des dem BF ausgestellten Behindertenpasses.

Die Feststellungen der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, die zur Abweisung der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ führen, gründen sich auf das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten vom 14.04.2021 eines Facharztes für Unfallchirurgie/Arzt für Allgemeinmedizin. Unter Berücksichtigung der vom BF ins Verfahren eingebrachten medizinischen Unterlagen und nach persönlicher Untersuchung des BF wurde vom medizinischen Sachverständigen festgestellt, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für den BF zumutbar ist.

Die getroffene Einschätzung des befassten Sachverständigen, basierend auf dem im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befund, entspricht den festgestellten Funktionseinschränkungen (diesbezüglich wird auch auf die unter Pkt I.7 wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen).

Einbezogen wurden vom befassten Sachverständigen die vom BF vorgelegten Befunde, die im Übrigen nicht in Widerspruch zur gutachterlichen Beurteilung stehen und kein höheres Funktionsdefizit dokumentieren, als anlässlich der Begutachtung festgestellt wurde.

In diesem Gutachten wurde auf die Art und Schwere des Leidens des BF sowie deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Seitens des Sachverständigen wurde unter Berücksichtigung des festgestellten Leidenszustandes und der vorgelegten Befunde nachvollziehbar dargelegt, warum dem BF aus medizinischer Sicht die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist.

Hinsichtlich der nach Art und Schwere festgestellten Gesundheitsschädigung konnten dem Gutachten zufolge nach Abbau der Unterarmstützkrücken, die zum Zeitpunkt der Untersuchung am 13.04.2021 noch für eine Woche erforderlich sind, keine erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten noch erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit festgestellt werden. Nach Abbau der Unterarmstützkrücken ist eine kurze Wegstrecke mit einem Aktionsradius von rund 10 Minuten, entsprechend einer Entfernung von 300 - 400m zumutbar und möglich. Niveauunterschiede können dann überwunden werden, auch besteht ausreichend Kraft und Beweglichkeit an den oberen Extremitäten. Greifformen sind erhalten.

Bei seinen Einschätzungen konnte sich der Sachverständige insbesondere auf den von ihm erhobenen klinischen Untersuchungsbefund einschließlich des festgestellten Gangbildes stützen („Obere Extremitäten: Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal. Symmetrische Muskelverhältnisse. Die Durchblutung und Sensibilität sind ungestört. Benützungszeichen sind seitengleich. Die Schultern sind mäßig druckschmerzhaft, endlagenschmerzhaft. Sämtliche Gelenke sind bandfest und altersentsprechend unauffällig. Beweglichkeit: Die Schultern sind endlagig gering eingeschränkt. Beim Nackengriff reicht die Hand gut zum Hinterhaupt. Beim Kreuzgriff reicht die Daumenkuppe bis L1 beidseits. Ellenbogen, Vorderarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger sind seitengleich frei. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar, der Faustschluss ist komplett. Untere Extremität: Freies Gehen ist nach frischem Schaftwechsel an der linken Hüfte nicht erlaubt. Rechts angedeutet X-Fehlstellung, links ist die Beinachse im Lot. Die Beinlänge ist gleich. Die Durchblutung ist ungestört. Die Sensibilität wird an den Unterschenkel als etwas kribbelnd sonst als ungestört angegeben. Die Fußsohlenbeschwielung ist seitengleich ausgebildet. Linkes Knie: alte Narbe streckseitig nach Totalendoprothese, minimal intraartikulärer Erguss., soweit bandfest. Rechtes Knie: insgesamt arthrotisch etwa aufgetrieben, kein wesentlicher intraartikulärer Erguss. Zohlen-Test positiv, bandfest. Linke Hüfte: relativ frische Narbe nach Endoprothese. Kein wesentlicher Stauchungs- oder Extensionsschmerz, Endlagenschmerz bei Bewegung. Gering Endlagenschmerz an der rechten Hüfte beim Beugen. Beweglichkeit: Hüften S 0-0-95 beidseits. R (S 90°) rechts 10-0-25, links nicht geprüft. Knie S rechts 0-10-120, links 0-0-120. Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich. Wirbelsäule: Verstärkte Brustkyphose, regelrechte Lendenlordose. Die Achse ist nicht exakt beurteilbar. Mäßig lumbaler Hartspann, lumbal Klopfschmerz und Druckschmerz. ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei. Beweglichkeit: Allseits konstitutionsbedingt eingeschränkt. Gesamtmobilität – Gangbild: Kommt in Konfektionsschuhen mit 2 Unterarmstützkrücken zur Untersuchung, das Gangbild zeigt ein mäßiges Entlastungshinken links, ist sicher. Das Aus- und Ankleiden wird überwiegend im Sitzen durchgeführt. Die körperliche Wendigkeit ist durch das erhebliche Übergewicht deutlich eingeschränkt“)

Die vom BF vorgelegten medizinischen Befunde wurden vom Sachverständigen in seinem Gutachten berücksichtigt und flossen in die Beurteilung ein, waren jedoch nicht geeignet, eine andere Einschätzung hinsichtlich der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel herbeizuführen. Der in der Stellungnahme vom 21.04.2021 vorgelegte Operationsbericht von Dr. XXXX vom 17.03.2021 über einen am 25.02.2021 erfolgten Eingriff vermag nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Darin wird Folgendes dargestellt:

„(…) Art der Intervention:

1.       CT-gezielte permanente irreversible Facettengelenksdenervation L4/L5 links (V301)

2.       CT-gezielte permanente irreversible Facettengelenksdenervation L5/S1 links (V301)

3.       Perineurale Infiltration L5 und S1 links

4.       2x Lokalanästhesie

Indikation:

Aktivierte Facettengelenksarthrose und radikuläre Schmerzen in den behandelten Etagen.

Operationsbericht:

In Bauchlage Lokalanästhesie auf Höhe L4/L5 und Höhe L5/S1 links mit jeweils 5ml 2% Xylocain.

Sodann CT-gezielte Insertion der Nadel zum Facettengelenk L4/L5 links, Testinjektion mit Kontrastmittel, gute Verteilung und irreversible Denervation mit 1ml Ethanol.

CT-gezielte Punktion zum Facettengelenk L5/S1 links, Testinjektion mit Kontrastmittel, gute Verteilung und irreversible Denervation mit 1ml Ethanol.

Punktion der Nadel zu den Austrittspunkten der Wurzel L5 und der Wurzel S1 links und perineurale Applikation von jeweils 50% eines Gemisches aus 1 Ampulle Diprophos, 1 Ampulle Carbostesin und 2cm3 Röntgenkontrastmittel. Gute perineurale Verteilung. In der Kontrollserie zeigen sich keine Komplikationen.

Rückzug der Nadel. Manuelle Kompression der Punktionsstellen. Klebeverband.“

Darin wird sohin eine gute perineurale Verteilung beschreiben. In der Kontrollserie zeigten sich keine Komplikationen.

Zusätzlich ist anzumerken, dass beim BF ein Schaftwechsel an der linken Hüfte am 25. März 2021 – sohin vor etwa 5 Wochen - vorgenommen wurde und ein derartiger Eingriff – wie auch jener vom 25.02.2021 - im Regelfall der Verbesserung des Leidenszustandes dient. Hatte der BF auch nach der Operation am 25.03.2021 zwei Unterarmstützkrücken zu verwenden, so werden diese jedenfalls nicht mehr als 6 Monate erforderlich sein.

Damit ist der Beschwerdeführer dem vorliegenden Sachverständigengutachten im Lichte obiger Ausführungen insgesamt nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des medizinischen Sachverständigengutachtens vom 14.04.2021.

Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

3.       Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu Spruchpunkt A)

1.       Abweisung der Beschwerde

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG)

Der Behindertenpass ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist. (§ 42 Abs. 2 BBG)

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (§ 45 Abs. 1 BBG)

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu. (§ 45 Abs. 2 BBG)

Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist u.a. jedenfalls einzutragen:

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-        erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-        erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-        erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-                eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-        eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

(§ 1 Abs. 4 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen auszugsweise)

Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktions-beeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(§ 1 Abs. 5 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen)

In den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II 495/2013 wird Folgendes ausgeführt:

Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (auszugsweise):

Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion – das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen – ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.

Durch die Verwendung des Begriffes „dauerhafte Mobilitätseinschränkung“ hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Die Begriffe „erheblich“ und „schwer“ werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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