TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/4 W283 2233926-2

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Veröffentlicht am 04.05.2021
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Entscheidungsdatum

04.05.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z1
VwGVG §35

Spruch


W283 2233926-2/34E

Schriftliche Ausfertigung des am 26.04.2021 mündlich verkündeten Erkenntnisses:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Stefanie OMENITSCH über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.04.2021, Zl. 252267909/210469084 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 09.04.2021, Zl. 252267909/210469084 und die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft wird gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 1 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

III. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

IV. Gemäß § 35 VwGVG iVm § 1 VwG-AufwErsV hat die beschwerdeführende Partei dem Bund (Bundesminister für Inneres) Aufwendungen in Höhe von € 887,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, stellte in Österreich am 18.10.2003 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dem Beschwerdeführer wurde der Status eines subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid vom 17.11.2003 zuerkannt. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 23.03.2012 wurde dem Beschwerdeführer der mit Bescheid zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen aberkannt und ihm die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter entzogen. Eine Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde mit Beschluss des Asylgerichtshofes vom 30.05.2012 als verspätet zurückgewiesen.

Dem Beschwerdeführer wurde in weiterer Folge rechtsgrundlos vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) bis zuletzt zum 30.06.2018 eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 Asylgesetz erteilt.

Am 07.12.2018 erhielt der Beschwerdeführer eine Verständigung des Bundesamtes wonach ihm die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes mitgeteilt wurde. Mit Bescheid vom 08.03.2019 wurde dem Beschwerdeführer keine Aufenthaltsberechtigung mehr erteilt. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 11.03.2019 persönlich zugestellt. Am 29.06.2020 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Duldung.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 23.07.2020 wurden eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot in der Dauer von 10 Jahren erlassen. Dieser Bescheid erwuchs unbekämpft in Rechtskraft.

Der Beschwerdeführer wurde in Österreich sieben Mal rechtskräftig von Strafgerichten verurteilt. Der Beschwerdeführer befand sich von 27.02.2018 bis 24.07.2020 in Strafhaft. Im Anschluss an diese Strafhaft wurde der Beschwerdeführer am 24.07.2020 zum Zweck der Sicherung der Abschiebung in Schubhaft genommen. Am 24.11.2020 wurde der Beschwerdeführer aus der Schubhaft entlassen.

Seit seiner Haftentlassung war der Beschwerdeführer in Österreich als obdachlos gemeldet. Der Beschwerdeführer konnte bei mehrmaligen polizeilichen Erhebungen nicht an der Anschrift seiner Obdachlosenmeldung angetroffen werden. Der Beschwerdeführer hatte an einer Notschlafstelle Unterkunft genommen. Gegen den Beschwerdeführer musste ein Festnahmeauftrag erlassen werden. Der Beschwerdeführer war für zwei Abschiebetermine im März und April 2021 gebucht bzw. vorgesehen und lag ein gültiges Heimreisezertifikat dafür vor. Die Abschiebung scheiterte, da der Aufenthaltsort des Beschwerdeführers nicht bekannt war.

Am 08.04.2021 wurde der Beschwerdeführer im Rahmen einer polizeilichen Zufallskontrolle aufgrund seines unrechtmäßigen Aufenthalts festgenommen. Im Stande der Anhaltung wurde der Beschwerdeführer am 09.04.2021 von einem Organ des Bundesamtes im Hinblick auf die Prüfung einer Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung einvernommen. Dabei wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass mittlerweile ein Heimreisezertifikat mit Gültigkeit bis zum 22.04.2021 für den Beschwerdeführer vorliege. In weiterer Folge gab der Beschwerdeführer im Zuge dieser Einvernahme an, dass er einen Antrag auf internationalen Schutz stellen wolle. Mit Aktenvermerk vom selben Tag wurde der Beschwerdeführer in Kenntnis gesetzt, dass Gründe zur Annahme bestehen, dass der Asylantrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt worden sei, weshalb die Anhaltung aufrechterhalten werde. Mit Bescheid vom 09.04.2021 wurde über den Beschwerdeführer die Schubhaft zur Sicherung des Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet.

Mit Beschwerde vom 20.04.2021, um 17:59 Uhr eingebracht, der zuständigen Gerichtsabteilung am 21.04.2021 zugewiesen, begehrte der Beschwerdeführer den angefochtenen Bescheid zu beheben und auszusprechen die Anordnung von Schubhaft sei in rechtswidriger Weise erfolgt, sowie die Feststellung, dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung des Beschwerdeführers nicht vorlägen. Weiters wurden Kostenersatz und eine mündliche Verhandlung beantragt. Moniert wurde, dass die Fluchtgefahr nicht nachvollziehbar sei, zumal sich das Bundesamt nicht mit dem konkreten Sachverhalt auseinandergesetzt habe und keine Einzelfallprüfung vorgenommen habe. Zum Vorliegen von § 76 Abs. 3 Z 1 FPG führte der Beschwerdeführer aus, dass er in den letzten Monaten in einer Notschlafstelle aufhältig gewesen sei, wo er auch offizielle Post erhalten habe und sein Aufenthalt bekannt gewesen sei und er daher nie vorgehabt habe, seine Abschiebung zu verhindern. Zudem sei der Beschwerdeführer mit einer Obdachlosenmeldung an einer Adresse einer Suchthilfe gemeldet gewesen. Der Beschwerdeführer werde im Falle seiner Enthaftung an die Notschlafstelle zurückkehren und einer periodischen Meldeverpflichtung nachkommen. Der Beschwerdeführer befinde sich zudem im Folgeantragsverfahren und habe neue Fluchtgründe vorgebracht. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass seit der ersten Asylantragstellung im Jahr 2003 fast 20 Jahre vergangen wären und seit der Statusaberkennung im Jahr 2012 bereits 10 Jahre vergangen wären, weshalb das Bundesamt jedenfalls das Fluchtvorbringen inhaltlich zu prüfen haben werde. Das Verfahren sei daher nicht als aussichtslos einzustufen und liege es im Interesse des Beschwerdeführers an diesem mitzuwirken. Zu Z 3 und 5 leg. cit. führte der Beschwerdeführer aus, dass das Vorliegen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme alleine noch nicht in ausreichender Weise Fluchtgefahr belege und überdies seit der Asylantragstellung die Rückkehrentscheidung aus dem Jahr 2020 nicht durchführbar sei, zumal der Beschwerdeführer über faktischen Abschiebeschutz verfüge. Im Hinblick auf Z 9 leg. cit. führte der Beschwerdeführer ins Treffen von seinem in Österreich lebenden Onkel auch finanzielle Unterstützung zu erhalten. Auch sei die Straffälligkeit des Beschwerdeführers kein Kriterium zur Bestimmung der Fluchtgefahr. Der Beschwerdeführer sei Asylwerber und sei nicht mit der Erlassung einer durchsetzbaren und durchführbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme in nächster Zeit zu rechnen, weshalb schon aus diesem Grund die Schubhaft unzulässig sei. Es liege keine Fluchtgefahr vor. Im Hinblick auf den Aktenvermerk wurde bemängelt, dass dieser nicht ausreichend begründet sei, zumal sich der Beschwerdeführer auf neue Asylgründe stützte und keine Verzögerungsabsicht vorliege, zumal er in seinem Herkunftsstaat gesucht und umgebracht werde, sowie aufgrund seiner Substitutionstherapie asylrelevante Verfolgung oder eine Verletzung von Artikel 2 oder 3 EMRK drohe. Zudem habe der Beschwerdeführer auch ein Bleiberecht iSd Verfahrensrichtlinie, nämlich faktischen Abschiebeschutz. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 76 Abs. 6 FPG sei auch im gegenständlichen Fall heranzuziehen, wonach eine Schubhaft nur dann aufrechterhalten werden dürfe, wenn der Asylantrag ausschließlich zum Zweck der Verzögerung der Abschiebung gestellt worden sei. Das Bundesamt habe es unterlassen beim Beschwerdeführer nachzufragen, ob sonstige Gründe für einen neuen Asylantrag vorliegen würden, weshalb keinesfalls davon ausgegangen werden könne, der Beschwerdeführer hätte seinen Asylantrag „einzig und allein“ zur Verzögerung gestellt. Der Aktenvermerk weise erhebliche Begründungsmängel auf, zumal sich die Behörde mit keinem Wort mit den vom Beschwerdeführer vorgebrachten Gründen für seine Asylantragstellung auseinandergesetzt habe. Auch eine Prognose zur voraussichtliche Dauer des Asylverfahrens sei dem Aktenvermerk nicht zu entnehmen. Da die Schubhaft seit dem 09.04.2021 auf dem Aktenvermerk gemäß § 40 Abs .5 BFA-VG „basiere“, sei die Anhaltung in Schubhaft aufgrund des dargelegten Begründungsmangels für rechtswidrig zu erklären.

Zur Nichtanwendung eines gelinderen mittels führte der Beschwerdeführer aus, dass er einer solchen Anordnung unmittelbar Folge leisten würde. Der Beschwerdeführer sei bereit zu kooperieren und würde insbesondere einer periodischen Meldeverpflichtung sowie einer allfällig angeordneten Unterkunftnahme Folge leisten. Die Verhängung von Schubhaft sei nicht verhältnismäßig, da sich die Behörde nicht damit auseinandergesetzt habe, dass das Verfahren zuzulassen sein werde und wann im konkreten Fall mit einer durchsetzbaren Entscheidung zu rechnen sei. Im Hinblick auf die strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers wurde ausgeführt, dass er das letzte Mal im Jahr 2018, also vor einem beträchtlich langen Zeitraum verurteilt worden und seither nicht rückfällig geworden sei.

Der Beschwerdeschrift wurde dem Bundesamt mit dem Auftrag zur Abgabe einer Stellungnahme übermittelt. Mit Stellungnahme vom 21.04.2021 führte das Bundesamt aus, dass die nach der Asylantragstellung eine Prognoseentscheidung des Bundesamtes getroffen wurde, wonach der Antrag auf internationalen Schutz als Folgeantrag gewertet werde. Am 20.04.2021 sei einer Verfahrensanordnung ergangen, worin dem Beschwerdeführer die beabsichtigte Zurückweisung des Folgeantrages mitgeteilt worden sei. Die Zustimmung zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer sei erteilt worden. Der Beschwerdeführer sei für die Charterabschiebung am 04.03.2021 vorgesehen gewesen, jedoch verliefen mehrere Festnahmeversuche negativ und konnte er nicht festgenommen und die geplante Abschiebung nicht durchgeführt werden. Der tatsächliche Aufenthaltsort des Beschwerdeführers in der Notschlafstelle sei der Behörde nicht bekannt gewesen. Im Verfahren zur Erlassung der Rückkehrentscheidung und des Einreiseverbotes im Jahre 2020 habe der Beschwerdeführer bereits auf gleichen Probleme in Tschetschenien verwiesen, welche nunmehr zu einem Antrag auf internationalen Schutz geführt hätten. Zum damaligen Zeitpunkt stellte der Beschwerdeführer keinen Antrag auf internationalen Schutz.

In einer aufgetragenen ergänzenden Stellungnahme vom 22.04.2021 gab das Bundesamt an, dass der Beschwerdeführer bereits im Jahr 2020 als Staatsangehöriger der russischen Föderation identifiziert worden sei, die Zustimmung zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates beim Bundesamt erst am 01.02.2021 eingelangt sei. Aus diesem Grunde sei der Beschwerdeführer am 21.11.2020 aus der Schubhaft entlassen worden, zumal die Ausstellung des Heimreisezertifikates zum damaligen Zeitpunkt noch nicht absehbar gewesen sei. Den Asylfolgeantrag habe der Beschwerdeführer zu einem Zeitpunkt gestellt, kurz nachdem ihm mitgeteilt worden sei, dass ein Heimreisezertifikat für ihn vorliege, gegen ihn die Schubhaft angeordnet und er in sein Herkunftsland abgeschoben werde. Da sich an seinem Vorbringen zum Fluchtgrund auch nichts geändert habe, werde sein Asylantrag als Folgeantrag gewertet und sei ihm bereits am 20.04.2021 mit Verfahrensanordnung gem. § 29 Abs. 3 AsylG mitgeteilt worden, dass beabsichtigt sei, seinen Folgeantrag zurückzuweisen, da aufgrund des bisherigen Ermittlungsergebnisses davon auszugehen ist, dass entschiedene Sache vorliege. Somit komme ihm gem. § 12a AsylG auch kein faktischer Abschiebeschutz zu. Drogensucht könne zudem in der russischen Föderation behandelt werden und gebe es auch diesbezüglich eigene Reha-Kliniken dafür. Dass der Beschwerdeführer seit 2018 nicht mehr straffällig geworden sei, wie dies in der Beschwerde dargelegt wurde, entspreche nicht den Tatsachen. Zu einem sei er im Zeitraum 27.02.2018 bis 24.07.2020 in Strafhaft, anschließend bis zum 24.11.2020 in Schubhaft gewesen. Andererseits lägen mittlerweile drei Anzeigen von Ladendiebstählen am 14.01.2021, 18.01.2021 und 09.03.2021 vor.

Nach gerichtlichem Auftrag gab das Bundesamt mit Stellungnahme vom 23.04.2021 bekannt, dass die Einvernahme des Beschwerdeführers im Rahmen des Asylfolgeantragsverfahrens am 04.05.2021 geplant sei. Das Bundesamt beabsichtigte nach erfolgter Einvernahme den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 26.04.2021 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Russisch und im Beisein der Rechtsberatung des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Nach Schluss der Verhandlung verkündete die erkennende Richterin mündlich gemäß § 29 Abs. 2 VwGVG das Erkenntnis samt den wesentlichen Entscheidungsgründen und erteilte eine Rechtsmittelbelehrung.

Mit Schriftsatz vom 27.04.2021 beantragte der Beschwerdeführer die schriftliche Ausfertigung des am 26.04.2021 mündlich verkündeten Erkenntnisses.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person des Beschwerdeführers und zu den allgemeinen Voraussetzungen der Schubhaft

1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Er ist volljährig. Er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter (OZ 5 = Ministerium für Innere Angelegenheiten der russischen Föderation; OZ 1; OZ 29, PS 6; ABE-Verfahren).

2. Der Beschwerdeführer stellte in Österreich am 18.10.2003 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dem Beschwerdeführer wurde der Status eines subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid vom 17.11.2003 zuerkannt (INT-Verfahren, AS 1 bis AS 17). Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 23.03.2012 wurde dem Beschwerdeführer der mit Bescheid zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen aberkannt und ihm die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter entzogen. Eine Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde mit Beschluss des Asylgerichtshofes vom 30.05.2012 als verspätet zurückgewiesen (ABE-Verfahren, AS 91 bis AS 95).

Dem Beschwerdeführer wurde in weiterer Folge rechtsgrundlos vom Bundesamt bis zuletzt zum 30.06.2018 eine Aufenthaltsberechtigung erteilt (INT-Verfahren, AS 139 bis AS 142).

Am 07.12.2018 erhielt der Beschwerdeführer eine Verständigung des Bundesamtes wonach ihm die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes mitgeteilt wurde (EAM-Verfahren, AS 7 bis 13 und AS 29).

Mit Bescheid vom 08.03.2019 wurde dem Beschwerdeführer keine Aufenthaltsberechtigung mehr erteilt. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 11.03.2019 persönlich zugestellt (INT-Verfahren, AS 265 bis 268 und AS 275).

Am 29.06.2020 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Duldung (EAM-Verfahren, AS 75).

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 23.07.2020 wurden eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot in der Dauer von 10 Jahren erlassen. Dieser Bescheid erwuchs unbekämpft in Rechtskraft (EAM-Verfahren, AS 197 bis AS 260 und AS 278; OZ 29, PS 12).

Der Beschwerdeführer wurde am 24.07.2020 zum Zweck der Sicherung der Abschiebung nach seiner Anhaltung in Strafhaft in Schubhaft genommen (SIM-Verfahren, AS 17 ff).

Der Beschwerdeführer ist seiner seit 30.05.2012 bestehenden Rückkehrverpflichtung bis dato nicht nachgekommen (AS 62). Jedenfalls war der Beschwerdeführer seit 11.03.2019 davon in Kenntnis, dass er keinen Schutzstatus (mehr) hat (INT-Verfahren, AS 265 bis 268 und AS 275).

3. Der Beschwerdeführer ist haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim Beschwerdeführer vor. Der Beschwerdeführer macht eine Suchtgiftersatztherapie. Der Beschwerdeführer erhält in Schubhaft dieselben Ersatzstoffe wie während seiner Betreuung durch eine Suchtgifthilfe. Der Beschwerdeführer hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung (OZ 29, PS 16; OZ 30).

Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit

1. Seit 30.05.2012 verfügt der Beschwerdeführer über keinen Schutzstatus mehr (ABE-Verfahren, AS 91 bis AS 95). Dem Beschwerdeführer wurde in weiterer Folge rechtsgrundlos vom Bundesamt bis zuletzt zum 30.06.2018 eine Aufenthaltsberechtigung erteilt (INT-Verfahren, AS 139 bis AS 142). Am 07.12.2018 erhielt der Beschwerdeführer eine Verständigung des Bundesamtes wonach ihm die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes mitgeteilt wurde (EAM-Verfahren, AS 7 bis 13 und AS 29). Seit spätestens 21.03.2019 weiß der Beschwerdeführer, dass er keinen Schutzstatus und kein Aufenthaltsrecht in Österreich hat (INT-Verfahren, AS 265 bis 268 und AS 275).

Am 29.06.2020 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Duldung (EAM-Verfahren, AS 75). Gegen den Beschwerdeführer bestehen mit Bescheid vom 23.07.2020 eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot in der Dauer von 10 Jahren (EAM-Verfahren, AS 197 bis AS 260 und AS 278).

2. Der Beschwerdeführer hat einen Onkel in Österreich, der letzte Kontakt fand vor seiner Anhaltung in Schubhaft statt. Der Beschwerdeführer hat Bekannte in Österreich (OZ 29, PS 14, PS 16).

Der Onkel und die Schwester des Beschwerdeführers unterstützen den Beschwerdeführer auch finanziell. Der Beschwerdeführer könnte auch bei seinem Onkel wohnen. Der Beschwerdeführer möchte aber seinen Onkel und dessen Familienleben nicht stören (OZ 29, PS 14, PS 15, PS 16).

Der BF befand sich zuletzt von 27.02.2018 bis 24.07.2020 in Strafhaft in Justizvollzugsanstalten (Melderegister).

Der Beschwerdeführer wurde bereits von 24.07.2020 bis 24.11.2020 in Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angehalten (Melderegister, SIM-Verfahren).

Der Beschwerdeführer war in Österreich zuletzt von 26.11.2020 bis 11.01.2021 bei XXXX obdachlos gemeldet. Der Beschwerdeführer war in Österreich von 19.01.2021 bis 08.04.2021 bei einer Suchthilfe als obdachlos gemeldet (Melderegister; OZ 29, PS 7 f).

Der gesetzlichen Meldeverpflichtung bei der nächstgelegenen Dienststelle einer Landespolizeidirektion kam der Beschwerdeführer seit seiner Entlassung aus der Schubhaft am 24.11.2020 nicht nach. Der Beschwerdeführer setzte das Bundesamt auch auf keine sonstige Weise von seinem Aufenthaltsort in Kenntnis.

Der Beschwerdeführer konnte am 03.02.2021, am 05.02.2021, am 08.02.2021, am 10.02.2021, am 17.02.2021, am 23.02.2021, am 25.02.2021 und am 02.03.2021 nicht an der Anschrift seiner Obdachlosenmeldung angetroffen werden (OZ 25).

Die Notschlafstelle an der der Beschwerdeführer Unterkunft genommen hat unterstützt alle Personen die länger als ein paar Nächte dort schlafen im Zusammenhang mit der behördlichen Anmeldung. Der Beschwerdeführer hat sich trotz seines Aufenthalts in dieser Notschlafstelle von 24.11.2020 bis zu seiner Festnahme am 08.04.2021 nicht behördlich gemeldet. Insbesondere nicht, als er länger als 2 Monate dort aufhältig war (OZ 32; Melderegister).

Gegen den Beschwerdeführer musste ein Festnahmeauftrag erlassen werden (OZ 5; DEF-Verfahren, AS 13 bis AS 17).

Der Beschwerdeführer geht im Inland keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und verfügt über keine ausreichenden finanziellen Mittel zur nachhaltigen Existenzsicherung. Sein Onkel und seine Schwester unterstützen den Beschwerdeführer finanziell (OZ 29, PS 14 bis 16).

3. Der Beschwerdeführer ist in Österreich vorbestraft, der Beschwerdeführer wurde insgesamt 7 Mal rechtskräftig verurteilt, zuletzt mit Urteil vom 17.04.2018 (Strafregister und Strafurteile):

3.1. Am 01.04.2004 wurde der Beschwerdeführer einem Landesgericht für Strafsachen wegen §§ 15, 127, 130, 131 erster Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten bedingt, verurteilt. Das Urteil erwuchs am 01.04.2004 in Rechtskraft.

3.2. Am 12.08.2005 wurde der Beschwerdeführer von einem Bezirksgericht wegen §§ 15, 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten verurteilt. Das Urteil erwuchs am 16.08.2005 in Rechtskraft.

3.3. Am 28.11.2006 wurden der Beschwerdeführer von einem Landesgericht für Strafsachen wegen §§ 15, 127, 130 erster Satz erster Fall StGB, §§ 15, 105/1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 16 Monaten verurteilt. Das Urteil erwuchs am 28.11.2006 in Rechtskraft.

3.4. Am 30.11.2011 wurde der Beschwerdeführer von einem Landesgericht für Strafsachen wegen §§ 15, 127, 130 erster Satz erster Fall StGB, §§ 15, 105 Abs. 1 StGB, § 50 Abs. 1 Z 3 WaffG zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten verurteilt. Das Urteil erwuchs am 30.11.2011 in Rechtskraft.

3.5. Am 02.05.2017 wurde der Beschwerdeführer von einem Bezirksgericht wegen §§ 15, 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten bedingt verurteilt. Das Urteil erwuchs am 05.05.2017 in Rechtskraft.

3.6. Am 04.12.2017 wurde der Beschwerdeführer von einem Landesgericht für Strafsachen wegen §§ 15, 127 StGB, §§ 15, 105 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten verurteilt. Das Urteil erwuchs am 08.12.2017 in Rechtskraft.

3.7. Am 17.04.2018 wurde der Beschwerdeführer von einem Landesgericht für Strafsachen, wegen §§15, 127, 130 Abs. 1 StGB, § 105 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Das Urteil erwuchs am 21.04.2018 in Rechtskraft.

3.8. Der Beschwerdeführer wurde am 14.01.2021 am 18.01.2021 und am 09.03.2021 wegen Ladendiebstahls zur Anzeige gebracht (OZ 25; OZ 29, PS 13 f).

4. Der Beschwerdeführer missachtete in der Vergangenheit die Bestimmungen des österreichischen Strafgesetzes und des Meldegesetzes.

Der Beschwerdeführer hat dem Bundesamt seinen tatsächlichen Aufenthaltsort nicht bekannt gegeben. Der Beschwerdeführer ist seiner gesetzlichen Meldeverpflichtung nicht nachgekommen.

3. Der Beschwerdeführer wird vom Bundesamt im Zusammenhang mit seinem Asylfolgeantrag am 04.05.2021 einvernommen. Vom Bundesamt ist – aufgrund der Aktenlage derzeit – geplant den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben (OZ 27).

Vom Bundesamt wurde die Organisation der Flugabschiebung noch vor der Anhaltung in Schubhaft eingeleitet. Die Abschiebung des Beschwerdeführers scheiterte jedoch, da der Aufenthaltsort des Beschwerdeführers nicht bekannt war (OZ 5).

Ein Antrag auf Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer wurde am 12.08.2020 gestellt. Mit Schreiben vom 16.10.2020 wurde von der russischen Vertretungsbehörde bekanntgegeben, dass der Beschwerdeführer russischer Staatsangehöriger ist und dass beabsichtigt ist, den Antrag auf Rückübernahme zu bestätigen. Das Heimreisezertifikat für den Beschwerdeführer war bis zum 22.04.2021 gültig. Der Beschwerdeführer war für zwei Abschiebetermine im März und April 2021 gebucht bzw. vorgesehen. Die Abschiebung scheiterte, da der Aufenthaltsort des Beschwerdeführers nicht bekannt war. Die Neuausstellung eines Heimreisezertifikates ist möglich (OZ 5; SIM-Verfahren, AS 247).

4. Der Beschwerdeführer wurde am 08.04.2021 aufgrund eines Festnahmeauftrages angehalten. Im Stande der Anhaltung stellte der Beschwerdeführer am 09.04.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Beschwerdeführer stellte diesen Asylfolgeantrag ausschließlich um seine bevorstehende Abschiebung zu verzögern. Dem Beschwerdeführer wurde am selben Tag ein Aktenvermerk über die Aufrechterhaltung ausgefolgt. Der Beschwerdeführer wird seit 09.04.2021 in Schubhaft angehalten. Bei einer Entlassung aus der Schubhaft wird der Beschwerdeführer untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten. Der Beschwerdeführer ist nicht ausreisewillig. Der Beschwerdeführer ist nicht kooperativ und nicht vertrauenswürdig. Der Beschwerdeführer wird im Falle seiner Haftentlassung auch nicht freiwillig ausreisen, sondern weiterhin in Österreich im Verborgenen leben. Der Beschwerdeführer war seit seiner Haftentlassung am 24.11.2020 für das Bundesamt nicht greifbar (AS 7; AS 59 ff; AS 71 ff; AS 137 ff).

5. Im Asylfolgeantragsverfahren ist am 04.05.2021 die Einvernahme des Beschwerdeführers geplant. Das Bundesamt beabsichtigt aufgrund der Aktenlage den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben (OZ 27).

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorliegenden Akt des Bundesamtes und dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes sowie aus dem vom Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck. Einsicht genommen wurde in das Melderegister, in das Strafregister, die Vollzugsinformation sowie in das Betreuungsinformationssystem des Bundes und die Anhaltedatei.

Zur Person des Beschwerdeführers und zu den allgemeinen Voraussetzungen der Schubhaft

1. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Volljährigkeit und dem Nichtvorliegen eines Schutzstatus fußen auf den eigenen Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren zu seiner Nationalität und seinem Alter. Weiters wurde die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers auch in einem Schreiben des Ministeriums für Innere Angelegenheiten der russischen Föderation vom 16.10.2020 bestätigt. Hinsichtlich des Nichtvorliegens eines Schutzstatus wird auf den vorgelegten Behördenakt des Aberkennungsverfahrens rekurriert (OZ 1; OZ 5; OZ 29, PS 6; ABE-Verfahren).

2. Die Feststellungen zum Verfahrensverlauf des ersten Asylverfahrens des Beschwerdeführers fußen auf den zitierten Aktenstellen (INT-Verfahren, AS 1 bis AS 17 und ABE-Verfahren, AS 91 bis AS 95).

Dass dem Beschwerdeführer in weiterer Folge rechtsgrundlos vom Bundesamt bis zuletzt zum 30.06.2018 eine Aufenthaltsberechtigung erteilt wurde, ist dem im Akt aufliegenden Bescheid zu entnehmen (INT-Verfahren, AS 139 bis AS 142).

Dass der Beschwerdeführer am 07.12.2018 eine Verständigung des Bundesamtes erhielt wonach ihm die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes mitgeteilt wurde, gründet sich auf dem in Akt aufliegenden Schreiben des Bundsamtes und der Übernahmebestätigung (EAM-Verfahren, AS 7 bis 13 und AS 29).

Die Feststellungen zur Nichterteilung einer Aufenthaltsberechtigung und die Zustellung fußen auf dem im Akt aufliegenden Bescheid und der Übernahmebestätigung vom 11.03.2019 (INT-Verfahren, AS 265 bis 268 und AS 275).

Dass der Beschwerdeführer am 29.06.2020 einen Antrag auf Duldung stellte, war aufgrund des im Akt aufliegenden Antrages festzustellen (EAM-Verfahren, AS 75).

Dass eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot in der Dauer von 10 Jahren rechtskräftig erlassen wurden fußt auf dem im Akt aufliegenden Bescheid, dessen Übernahme und den Ausführungen dazu in der Verhandlung (EAM-Verfahren, AS 197 bis AS 260 und AS 278; OZ 29, PS 12).

Dass der Beschwerdeführer am 24.07.2020 zum Zweck der Sicherung der Abschiebung nach seiner Anhaltung in Strafhaft in Schubhaft genommen wurde ergibt sich aus dem vorliegenden Verfahrensakt (SIM-Verfahren, AS 17 ff).

Dass der Beschwerdeführer seiner seit 30.05.2012 bestehenden Rückkehrverpflichtung bis dato nicht nachgekommen ist, ergibt sich daraus, dass der Beschwerdeführer selbst im Rahmen seiner Einvernahme am 09.04.2021 angegeben hat, dass er Österreich seit seiner Einreise im Jahr 2003 niemals verlassen hat (AS 62). Dass der Beschwerdeführer jedenfalls seit 11.03.2019 davon in Kenntnis davon war, dass er keinen Schutzstatus (mehr) hat, ergibt sich daraus, dass dem Beschwerdeführer an diesem Tag der abweisende Bescheid des Bundesamtes zugestellt wurde (INT-Verfahren, AS 265 bis 268 und AS 275).

3. Dass der Beschwerdeführer haftfähig ist, ergibt sich darauf, dass er aufgrund seiner eigenen Angaben gesund ist. Dass der Beschwerdeführer eine Suchtgiftersatztherapie macht und dabei in Schubhaft dieselben Ersatzstoffe wie während seiner Betreuung durch eine Suchtgifthilfe erhält, war aufgrund seiner eigenen schlüssigen Angaben dazu im Rahmen der Beschwerdeverhandlung festzustellen. Dass der Beschwerdeführer eine Substitution macht, ergibt sich zudem aufgrund des im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgelegten Schreibens einer Drogenberatungsstelle vom 23.04.2021. Dass der Beschwerdeführer in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung hat ist notorisch (OZ 29, PS 16).

Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit

1. Die Feststellungen zum Aberkennungsverfahren, dem weiteren Verlauf und der Kenntnisnahme durch den Beschwerdeführer vom Nichtvorliegen eines Aufenthaltsrechts fußen auf den zitierten Unterlagen im Akt, insbesondere den eigenhändigen Übernahmen durch den Beschwerdeführer der jeweiligen Bescheide und Verständigungen (ABE-Verfahren, AS 91 bis AS 95; INT-Verfahren, AS 139 bis AS 142, AS 265 bis 268 und AS 275; EAM-Verfahren, AS 7 bis 13 und AS 29, AS 75, AS 197 bis AS 260 und AS 278)

2. Die Feststellungen zur familiären und sozialen Verankerung und der finanziellen Unterstützung des Beschwerdeführers im Bundesgebiet fußen auf den eigenen Angaben des Beschwerdeführers in der Beschwerdeverhandlung vom 26.04.2021. Dass der Beschwerdeführer nicht bei seinem Onkel wohnen will, war aufgrund seiner eigenen Angaben in der Verhandlung festzustellen (OZ 29, PS 14 bis 16).

Die Feststellungen zur Anhaltung des Beschwerdeführers in Strafhaft waren aufgrund der Einsichtnahme in das Melderegister zu treffen.

Dass der Beschwerdeführer bereits von 24.07.2020 bis 24.11.2020 in Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angehalten wurde, ist dem Verfahrensakt und der Einsicht in das Melderegister zu entnehmen (SIM-Verfahren).

Die Feststellungen zu den Obdachlosenmeldungen des Beschwerdeführers gründen sich auf der Einsichtnahme in das Melderegister und die vom Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Verhandlung gemachten Angaben, die damit im Einklang stehen (OZ 29, PS 7 f).

Dass der Beschwerdeführer seit seiner Entlassung aus der Schubhaft seiner gesetzlichen Meldeverpflichtung bei der nächstgelegenen Dienststelle einer Landespolizeidirektion nicht nachgekommen ist ergibt sich aufgrund des Akteninhaltes, ebenso wie die Feststellung, dass das Bundesamt auf keine sonstige Weise Kenntnis vom Aufenthaltsort des Beschwerdeführers erlangte.

Die Feststellungen zu den Erhebungen zum Aufenthaltsort des Beschwerdeführers fußen auf der Stellungnahme des Bundesamtes (OZ 25).

Die Feststellungen zur behördlichen Anmeldung in der Notschlafstelle des Beschwerdeführers waren aufgrund der telefonischen Auskunft durch einen Sozialbetreuer aufgrund der Anfrage der Richterin vor der Verhandlung, festgehalten in einem Aktenvermerk vom 26.04.2021, zu treffen. Wenn der Beschwerdeführer im Rahmen der Beschwerdeverhandlung angibt, dass ihm in der Notschlafstelle gesagt worden sei, dass diese mit Monatsende (gemeint April 2021) schließen werde und er daher keine Verständigung über die Möglichkeit zur Anmeldung erhalten hätte, war dies nicht glaubhaft. Die gegenteilige Auskunft durch einen Mitarbeiter der Notschlafstelle wurde am 26.04.2021 erteilt. Zudem war der Beschwerdeführer bereits ab 25.01.2021 dort über 2 Monate aufhältig, weshalb ein Hinweis auf eine Schließung Ende April 2021, sohin in über 3 Monaten nicht glaubhaft war.

Dass der Beschwerdeführer sich trotz seines Aufenthalts in dieser Notschlafstelle von 24.11.2020 bis zu seiner Festnahme am 08.04.2021 nicht behördlich gemeldet hat, ergibt sich aus den Eintragungen im Melderegister (OZ 32).

Dass gegen den Beschwerdeführer ein Festnahmeauftrag erlassen werden musste, ergibt sich aus der Stellungnahme des Bundesamtes und des im Akt aufliegenden Festnahmeauftrages (OZ 5; DEF-Verfahren, AS 13 bis AS 17).

Dass der Beschwerdeführer im Inland keiner legalen Erwerbstätigkeit nachgeht und über keine ausreichenden finanziellen Mittel zur nachhaltigen Existenzsicherung verfügt, war aufgrund seiner eigenen Angaben in der Beschwerdeverhandlung am 26.04.2021 festzustellen, ebenso wie die Feststellungen zur finanziellen Unterstützung durch seinen Onkel und seine Schwester (OZ 29, PS 14 bis 16).

3. Dass der Beschwerdeführer in Österreich vorbestraft ist und er insgesamt 7 Mal rechtskräftig verurteilt wurde, zuletzt mit Urteil vom 17.04.2018, war aufgrund der Einsicht in das Strafregister und die im Akt aufliegenden Strafurteile festzustellen.

Die Feststellungen zu den drei Anzeigen wegen Ladendiebstahls fußen auf der Stellungnahme des Bundesamtes und den damit in Einklang stehenden eigenen Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 26.04.2021 (OZ 25; OZ 29, PS 13 f).

4. Dass der Beschwerdeführer in der Vergangenheit die Bestimmungen des österreichischen Strafgesetzes und des Meldegesetzes missachtete, ergibt sich einerseits aufgrund der zahlreichen strafrechtlichen Verurteilungen, andererseits aufgrund der Tatsache, dass der Beschwerdeführer über zwei Monate Unterkunft in einer Notschlafstelle genommen hatte ohne sich dort behördlich zu melden.

Dass der Beschwerdeführer dem Bundesamt seinen tatsächlichen Aufenthaltsort in der Notschlafstelle nicht bekannt gegeben hat, ergibt sich aufgrund des Akteninhaltes und hat der Beschwerdeführer dies auch nicht behauptet. Dass der Beschwerdeführer seiner gesetzlichen Meldeverpflichtung nicht nachgekommen ist, war festzustellen, da der Beschwerdeführer länger als zwei Monate Unterkunft in einer Notschlafstelle genommen hatte, eine behördliche Meldung aber unterlassen hatte.

3. Dass der Beschwerdeführer vom Bundesamt im Zusammenhang mit seinem Asylfolgeantrag am 04.05.2021 einvernommen wird, war aufgrund der Stellungnahme des Bundesamtes zu treffen, ebenso wie die Feststellung, dass seitens des Bundesamtes aufgrund der Aktenlage geplant ist, den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben (OZ 27).

Die Feststellungen zur geplanten Flugabschiebung des Beschwerdeführers waren aufgrund der Angaben des Bundesamtes in der Stellungnahme vom 21.04.2021 zu treffen (OZ 5).

Die Feststellungen zum Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates fußen auf den zitierten vorliegenden Dokumenten und Stellungnahmen. Dass die Neuausstellung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer jederzeit möglich ist, war festzustellen, da dem Beschwerdeführe bereits ein Heimreisezertifkat ausgestellt wurde und keine Gründe zu Tage getreten sind, dass die Vertretungsbehörde im Verlängerungsfall dies nicht wieder tun werde (OZ 5; SIM-Verfahren, AS 247).

4. Die Feststellungen zur Festnahme, Anhaltung, Folgeantragsstellung, dem Aktenvermerkt und der Anhaltung in Schubhaft fußen auf dem unstrittigen Akteninhalt. Dass der Beschwerdeführer seinen Asylfolgeantrag im Stande der Anhaltung ausschließlich stellte, um seine bevorstehende Abschiebung zu verzögern, war aus folgenden Gründen festzustellen:

In zeitlicher Hinsicht ist festzuhalten, dass es dem Beschwerdeführer vor seiner Festnahme am 08.04.2021 jederzeit möglich gewesen wäre einen Asylfolgeantrag zu stellen, was er aber unterlassen hat. Dem Beschwerdeführer war nämlich – seinen eigenen Angaben folgend – nach einer erfolgten Rechtsberatung klar, dass ein Asylfolgeantrag ohne neue Fluchtgründe bzw. ohne neue Beweismittel nicht aussichtsreich wäre. Der Beschwerdeführer hat zudem den Asylfolgeantrag im Wissen um die geringen Erfolgschancen unmittelbar nach der Information über das Vorliegen eines Heimreisezertifkates gestellt. Inhaltlich ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer im Rahmen der polizeilichen Erstbefragung auf die Frage, was sich in persönlicher Hinsicht und im Hinblick auf die Gefährdungslage im Herkunftsstaat verändert habe ausgeführt: „Ich kann nicht nach Hause fahren ich werde gesucht. Alle männlichen Mitglieder meiner Familie werden von KADYROV und vom russischen Geheimdienst gesucht. Mein Bruder ist letztes Jahr nach Tschetschenien gereist und ist seitdem verschollen. Er ist mit einem anderen Namen eingereist und hat auch vorher nichts gesagt und wurde trotzdem gefunden. Die ganze männliche Familie ist in Europa zerstreut.“ Auf die Frage, ob der Beschwerdeführer alle Ausreise-, Flucht, oder Verfolgungsgründe genannt habe, bejahte er dies. Im Hinblick auf die Rückkehrbefürchtung gab der Beschwerdeführer an, dass der Geheimdienst ihn sofort verhaften würde und er an die Sicherheitskräfte von KADYROV übergeben werde und niemand würde ihn mehr finden. Befragt zu konkreten Hinweisen führte der Beschwerdeführer an: „Die Leute von KADYROV und dem russischen Geheimdienst haben gesagt, dass sie uns erschießen wenn sie uns nochmal in Russland antreffen.“ Befragt zum Zeitpunkt der Kenntnis der Änderung der Situation bzw. Fluchtgründe führte der Beschwerdeführer an: „Die Frauen unserer Familie rufen uns an und sagen uns, dass wir nicht zurückkommen sollen. Daran hat sich seit 2003 nichts geändert.“ (AS 137 ff).

Bei der Befragung in der mündlichen Verhandlung am 26.04.2021 gab der Beschwerdeführer Folgendes an.

„R: Warum haben Sie erst am 09.04.2021 einen Asylfolgeantrag gestellt?

BF: Weil ich wollte nicht abgeschoben werden.

R: Waren Ihnen diese Fluchtgründe nicht bereits vor 09.04.2021 bekannt?

BF: Ich habe meine alten Fluchtgründe wiedereingesetzt.“ (OZ 29, PS 13)

Aufgrund dieser Erwägung war festzustellen, dass der Beschwerdeführer den Asylfolgeantrag im Stande der Anhaltung ausschließlich stellte, um seine bevorstehende Abschiebung zu verzögern. Zudem war das Vorbringen in der Beschwerde, wonach der Beschwerdeführer neue Fluchtgründe ins Treffen geführt habe, nicht mit der Aktenlage in Einklang zu bringen.

Dass der Beschwerdeführer nicht ausreisewillig ist, war festzustellen, dass er seit seiner Kenntnis vom Nichtbestehen eines Aufenthaltsrechts in Österreich dennoch weiterhin unrechtmäßig in Österreich verblieben ist und insbesondere keinerlei Maßnahme zur Organisation seiner freiwilligen Ausreise gesetzt hat. Der Beschwerdeführer hat sich aufgrund der zahlreichen rechtskräftigen Verurteilungen und der weiteren drei Ladendiebstählen nicht als vertrauenswürdig erwiesen.

Insbesondere ist es dem Beschwerdeführer im Rahmen der Verhandlung nicht gelungen, seine Kooperationsbereitschaft glaubhaft zu machen. Vor dem Hintergrund seiner Aufenthaltsbeendigung und seinem bisherigen gezeigten Verhalten ist nicht zu erwarten, dass er sich nach seiner Entlassung aus der Schubhaft tatsächlich dem Asylverfahren stellen und allenfalls ausreisen wird. Er hat es auch in der Vergangenheit unterlassen, die Rückkehrentscheidung und das Einreiseverbot zu befolgen. Verstärkt wird dieser Eindruck dadurch, dass der Beschwerdeführer auch nach seiner Rechtsberatung erkannt hat, dass ein positiver Abschluss eines Asylfolgeverfahren ohne neue Beweise und Fluchtgründe nicht sehr aussichtsreich ist. Dem Onkel des Beschwerdeführers ist es aber auch in der Vergangenheit nicht gelungen positiv auf den Beschwerdeführer einzuwirken. Insbesondere war der Beschwerdeführer ohne behördliche Meldung aufhältig, obwohl er bei seinem Onkel Unterkunft hätte nehmen können. Hinsichtlich seiner Kooperationsbereitschaft ist auch das Vorverhalten des Beschwerdeführers maßgeblich: er wusste vom anhängigen Verfahren zur Außerlandesbringung und hat es dennoch unterlassen, dem Bundesamt seinen tatsächlichen Aufenthaltsort in der Notschlafstelle bekanntzugeben. Der Beschwerdeführer hat nach der Mitteilung über das Vorliegen eines Heimreisezertifikates einen Asylfolgeantrag gestellt, obwohl er wusste, dass ein solcher ohne neue Fluchtgründe keine Aussicht auf einen positiven Ausgang hat. Der Beschwerdeführer hat diesen nur gestellt, um seine bevorstehende Abschiebung zu verhindern. Aufgrund dieses Verhaltens war dem Beschwerdeführer jegliche Kooperationsbereitschaft abzusprechen und auch die Feststellungen im Hinblick auf das künftige Verhalten des Beschwerdeführers im Falle seiner Haftentlassung zu prognostizieren (AS 7; AS 59 ff; AS 71 ff; AS 137 ff).

5. Dass im Asylfolgeantragsverfahren am 04.05.2021 die Einvernahme des Beschwerdeführers geplant ist und das Bundesamt aufgrund der Aktenlage beabsichtigt den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben, war aufgrund der Stellungnahme des Bundesamtes festzustellen (OZ 27).

3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchteil A) Spruchpunkt I. – Schubhaftbescheid und Anhaltung in Schubhaft seit 09.04.2021

3.1. Gesetzliche Grundlagen

3.1.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) lauten (auszugsweise):

Der mit „Begriffsbestimmungen“ betitelte § 2 FPG lautet:

§ 2 (4) Im Sinn dieses Bundesgesetzes ist

1.       Fremder: wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt.

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 FPG lautet:

§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.

Der mit „Gelinderes Mittel“ betitelte § 77 FPG lautet:

§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,

1. in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2. sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder

3. eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Der mit „Dauer der Schubhaft“ betitelte § 80 lautet:

§ 80 (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

1.

drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2.

sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

1.

die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2.

eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3.

der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4.

die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.

3.1.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lauten (auszugsweise):

Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a BFA-VG lautet:

§ 22a (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.

Der mit „Mitwirkung eines Fremden“ betitelte § 13 Abs. 2 BFA-VG lautet:

§ 13 (2) Verfügt ein Fremder lediglich über eine Hauptwohnsitzbestätigung gemäß § 19a MeldeG, so hat er sich beginnend mit dem ersten Werktag nach Ausstellung der Hauptwohnsitzbestätigung vierzehntätig bei der, der Kontaktstelle gemäß § 19a Abs. 1 Z 2 MeldeG nächstgelegenen Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden; dies gilt nicht im Falle einer Verfahrensanordnung gemäß § 15a Abs. 2 AsylG 2005. Eine Verletzung dieser Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

3.1.3. Die maßgeblichen Bestimmungen des Meldegesetzes 1991 (MeldeG) lauten (auszugsweise):

Der mit „Meldepflicht und Ausnahmen von der Meldepflicht“ betitelte § 2 MeldeG lautet:

§ 2 (1) Wer in einer Wohnung oder in einem Beherbergungsbetrieb Unterkunft nimmt oder eine solche Unterkunft aufgibt, ist zu melden.

(2) Nicht zu melden sind

1. Menschen, denen in einer Wohnung nicht länger als drei Tage Unterkunft gewährt wird;

2. ausländische Staatsoberhäupter, Regierungsmitglieder und diesen vergleichbare Persönlichkeiten sowie deren Begleitpersonen;

3. Fremde, die im Besitz eines gemäß § 5 des Amtssitzgesetzes – ASG,

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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