TE Bvwg Beschluss 2021/5/4 I408 2171914-2

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Veröffentlicht am 04.05.2021
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Entscheidungsdatum

04.05.2021

Norm

AsylG 2005 §3
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §32 Abs1 Z2

Spruch


I408 2171914-2/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Dr. Harald NEUSCHMID als Einzelrichter über den Antrag von XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.02.2021, Zl. I408 2171914-1/16E, rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens:

A)

Der Antrag auf Wiederaufnahme wird gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text



Begründung:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Wiederaufnahmewerber stellte nach illegaler Einreise am 20.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 04.09.2017 in vollem Umfang abgewiesen wurde. Mit ho. Erkenntnis vom 22.02.2021 wurde nach einer mündlichen Verhandlung am 21.01.2021 die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

2.       Nach Inanspruchnahme der Höchstgerichte im März 2021 wurde mit Schreiben vom 01.04.2021, ho. eingelangt am 07.04.2021, der verfahrensgegenständliche Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gestellt

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:

Der Wiederaufnahmewerber brachte erstmals mit Schriftsatz vom 19.01.2021 vor, homosexuell zu sein und seit drei Jahren in einer Partnerschaft zu leben und beantragte zum Beweis die Einvernahme seines Lebensgefährten XXXX .

In der mündlichen Verhandlung am 21.01.2021 gab der Wiederaufnahmewerber zunächst an, dass er nur den Vornahmen seines Lebensgefährten kenne, nicht jedoch den Familiennamen. Dieser habe ihn nicht begleiten können, weil er nicht frei bekommen habe. In weiterer Folge beschrieb er dessen Arbeitsplatz und Wohnung und gab auch dessen Telefonnummer bekannt. Dem Auftrag, binnen einer Woche Name, Geburtsdatum und Wohnanschrift seines behaupteten Lebensgefährten vorzulegen (Protokoll, S. 14) kam der Wiederaufnahmewerber, der auch ausführlich zu seiner Homosexualität befragt wurde (Protokoll, S. 7. bis 11), aber nicht nach.

Mit Schriftsatz vom 28.01.2021 teilte seine Rechtsberatung nur mit, dass trotz mehrfacher Nachfrage keine weiteren Personenangaben zum behaupteten Lebenspartner gemacht werden können.

Darauf wurde mit ho. Erkenntnis vom 22.02.2021 die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und sowohl sein ursprünglich angegebener Fluchtgrund als auch die nunmehr behauptete Homosexualität als unglaubhaft angesehen.

Erst nach Inanspruchnahme der Höchstgerichte (OZ 17 und 17) im März 2021 wurde am 01.04.2021 der verfahrensgegenständliche Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gestellt, mit der Begründung, sein Lebenspartner, ein Staatsangehöriger Syriens, schäme sich für seine Homosexualität und habe zunächst auf keinen Fall als Zeuge aussagen wollen. Nun sei er aber bereit, die Homosexualität des Wiederaufnahmewerbers zu bestätigen.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt und den Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes, einschließlich des Verhandlungsprotokolls vom 21.01.2021 und des Erkenntnisses vom 22.02.2021 sowie in den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens vom 01.04.2021.

Die Feststellungen ergeben sich zweifelsfrei aus der Aktenlage. Aus den an die Höchstgerichte übermittelten Unterlagen und war auch deren Einbindung vor Antragstellung auf Wiederaufnahme des Verfahrens festzustellen und telefonisch konnte beim VwGH abgeklärt werden, dass der dort eingereichte Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe abgewiesen wurde.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme:

Gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten.

Nach § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG rechtfertigen neu hervorgekommene Tatsachen und Beweismittel (also solche, die bereits zur Zeit des früheren Verfahrens bestanden haben, aber erst später bekannt wurden) – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – eine Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn sie die Richtigkeit des angenommenen Sachverhalts in einem wesentlichen Punkt als zweifelhaft erscheinen lassen; gleiches gilt für neu entstandene Beweismittel, sofern sie sich auf „alte“ – d.h. nicht erst nach Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens entstandene – Tatsachen beziehen (vgl. VwGH 21.05.2019, Ra 2018/19/0510).

Die Wiederaufnahme des Verfahrens setzt weiters die Eignung der neuen Tatsachen oder Beweismittel voraus, dass diese allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anderslautendes Ergebnis herbeigeführt hätten. Ob diese Eignung vorliegt, ist eine Rechtsfrage, die im Wiederaufnahmeverfahren zu beantworten ist (vgl. VfGH 20.02.2014, U 2298/2013); ob tatsächlich ein anderes Ergebnis des Verfahrens zustande kommt, ist sodann eine Frage, die im wiederaufgenommenen Verfahren zu klären ist (vgl. VwGH 21.05.2019, Ra 2018/19/0510).

Tauglich ist ein Beweismittel als Wiederaufnahmegrund (ungeachtet des Erfordernisses der Neuheit) also nur dann, wenn es nach seinem objektiven Inhalt und unvorgreiflich der Bewertung seiner Glaubwürdigkeit die abstrakte Eignung besitzt, jene Tatsachen in Zweifel zu ziehen, auf welche das BVwG entweder die den Gegenstand des Wiederaufnahmeverfahrens bildende Entscheidung oder zumindest die zum Ergebnis dieser Entscheidung führende Beweiswürdigung tragend gestützt hat (vgl. VwGH 21.05.2019, Ra 2018/19/0510; 04.03.2020, Ra 2020/18/0069).

Neu entstandene Tatsachen („nova causa superveniens“), also Änderungen des Sachverhalts nach Abschluss des Verfahrens, erübrigen eine Wiederaufnahme des Verfahrens. Bei Sachverhaltsänderungen, die nach der Entscheidung über einen Asylantrag eingetreten sind, ist kein Antrag auf Wiederaufnahme, sondern ein neuer Antrag (auf internationalen Schutz) zu stellen (vgl. dazu VwGH 17.02.2006, 2006/18/0031; 07.04.2000, 96/19/2240, 20.06.2001, 95/08/0036; 18.12.1996, 95/20/0672; 25. 11. 1994, 94/19/0145; 25.10.1994, 93/08/0123; 19.02.1992, 90/12/0224 ua). Im gegenständlichen Fall war die Behauptung des Wiederaufnahmewerbers, dass er homosexuell sei, bereits im rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren bekannt. Es liegen daher keine neu entstandenen Tatsachen vor.

Wenn die Wiederaufnahme von einer Partei beantragt wird, muss jedoch die unterlassene Geltendmachung im wieder aufzunehmenden Verfahren „ohne ihr Verschulden“ geschehen sein (vgl. VwGH 03.07.2015, Ro 2015/08/0013) Verschulden iSd § 32 VwGVG ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH als Verschulden iSd § 1294 ABGB zu verstehen und bedeutet (abgesehen vom Vorsatz) die Verletzung „eines solchen Grades des Fleißes und der Aufmerksamkeit (...), welcher bei gewöhnlichen Fähigkeiten angewendet werden kann.“ (vgl. VwGH 25.05.2000, 99/16/0217).

Die Wiederaufnahme eines Verfahrens dient jedenfalls nicht dazu, Versäumnisse während eines Verwaltungsverfahrens zu sanieren (VwGH 22.12.2005, 2004/07/0209). Ebensowenig bietet die Wiederaufnahme des Verfahrens eine Handhabe dafür, eine im abgeschlossenen Verfahren von der Behörde (nunmehr auch VwG) ihrer Entscheidung zugrunde gelegte Beweiswürdigung oder Sachverhaltsannahme zu bekämpfen (vgl. VwGH 09.04.2020, Ra 2019/14/0309).

Der Verwaltungsgerichtshof hat auch bereits festgehalten, dass ein „neu entstandenes Beweismittel“ wie die spätere Erklärung eines Zeugen grundsätzlich geeignet sein kann, zur Wiederaufnahme des Verfahrens zu führen, das Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes wurde jedoch in jenen Fällen verneint, in denen bereits im abgeschlossenen Verfahren, dessen Wiederaufnahme beantragt wurde, ausreichend Gelegenheit bestand, die Einvernahme der Person als Zeuge zu beantragen. In der Regel ist der Antragsteller nämlich trotz Unkenntnis der Adresse nicht gehindert, die Einvernahme des Zeugen zu beantragen, wobei es dann Aufgabe der Behörde oder des Gerichtes wäre, den gegenwärtigen Aufenthaltsort des Zeugen auszuforschen (vgl. VwGH 18.01.2017, Ra 2016/18/0197).

Der Wiederaufnahmewerber hatte im Vorverfahren mehrfach Gelegenheit, seinen behaupteten Lebenspartner als Zeugen stellig zu machen und reagierte auch nicht auf den gerichtlichen Auftrag, dessen Identität offenzulegen. Auch vermag seine Rechtfertigung in der mündlichen Verhandlung, sein Lebensgefährte oder Freund habe arbeiten müssen und ihn deshalb nicht begleitet, sein nunmehriges Vorbringen zu tragen, zumal er trotz Urgenz seiner Rechtsvertretung diesem gerichtlichen Auftrag nicht nachgekommen ist.

Vor diesem Hintergrund hat der trifft den Wiederaufnahmewerber ein nicht nur geringfügiges Verschulden daran, dass er dieses Beweismittel bisher im Verfahren nicht geltend gemacht hat und es handelt sich auch nicht um ein neues Beweismittel, welches eine Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigen würde.

Die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des mit ho. Erkenntnis des vom 22.02.2021, Zl. I408 2171914-1/16E, abgeschlossenen Verfahrens liegen nicht vor und war dem Antrag des Wiederaufnahmewerbers nicht stattzugeben.

Der Wiederaufnahmewerber beantragte zudem die „Gewährung einer vorläufigen Anordnung nach Unionsrecht“ zur Verhinderung seiner drohenden Abschiebung. Einstweilige Anordnungen haben die Funktion, vorläufigen Rechtsschutz bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu gewähren; der Grundsatz der Effektivität verlangt nicht, dass die Rechtsordnung eines Mitgliedstaats die Möglichkeit vorsieht, im Rahmen eines nach dem Recht dieses Mitgliedstaats unzulässigen Antrags den Erlass vorläufiger Maßnahmen durch das zuständige nationale Gericht zu erlangen (vgl. VwGH 16.09.2010, 2010/12/0126). Da im gegenständlichen Fall der Antrag abzuweisen war, erübrigt es sich, über den Antrag auf „Gewährung einer einstweiligen Anordnung nach Unionsrecht“ abzusprechen.

Da sich der Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit den Antrag auf Wiederaufnahme unstrittig ergibt, und es sich bei der Einordnung, ob die Eignung eines vorgebrachten Wiederaufnahmegrundes vorliegt, um eine Rechtsfrage handelt (vgl. VwGH 19.04.2007, 2004/09/0159; konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Asylverfahren Beweismittel Beweisverfahren Beweiswürdigung Eignung einstweilige Anordnung Geltendmachung geringfügiges Verschulden Homosexualität neu entstandene Tatsache Verschulden Voraussetzungen vorläufige Maßnahme Wiederaufnahmeantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I408.2171914.2.00

Im RIS seit

30.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

30.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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