TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/10 W154 2242121-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.05.2021
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Entscheidungsdatum

10.05.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
FPG §76 Abs3
VwG-AufwErsV §1 Z3
VwG-AufwErsV §1 Z4
VwGVG §35 Abs3

Spruch


W 154 2242121-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. KRACHER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX alias XXXX alias XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.04.2021, Zahl: 1098073308/210526015, sowie die Anhaltung in Schubhaft seit 21.04.2021 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 3 FPG wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

III. Gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG i.V.m. § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV hat der Beschwerdeführer dem Bund Aufwendungen in Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wurde über den Beschwerdeführer (BF) gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Der Bescheid wurde dem BF am 21.04.2021 durch persönliche Übergabe zugestellt. Die belangte Behörde stützte die Fluchtgefahr dabei auf § 76 Abs. 3 Z 1, 3,4,5 und 9 FPG

Die belangte Behörde traf im Bescheid nachstehende Feststellungen:

„Zu Ihrer Person:

-        Sie sind nicht österreichischer Staatsbürger.

-        Ihre Identität steht zwischenzeitlich fest, Sie sind Staatsangehöriger von Afghanistan. Für Sie wurde von Seiten der Botschaft der Islamischen Republik Afghanistan unter den Personalien „ XXXX , geb. XXXX , StA. v. Afghanistan“ dem BFA die Möglichkeit der Ausstellung eines EU-Laissez-Passer für Ihre behördliche Abschiebung in Ihren Herkunftsstaat Afghanistan zugesichert.

-        Sie gehören der Volksgruppe der Paschtunen an, sind Moslem mit sunnitischer Glaubensrichtung und haben 9 Jahre lang die Grundschule in Afghanistan besucht. Sie verfügen über eine Berufserfahrung als Schneider und zudem auch über Arbeitserfahrung in der Landwirtschaft in welcher Sie bei ihrer Familie gelegentlich nach der Schule mitgeholfen haben.

-        Sie sind voll handlungsfähig, ledig und haben keine Kinder.

-        Ihre Muttersprache ist Paschtu. Neben dieser haben Sie noch Kenntnisse der Sprachen Dari, Farsi und Deutsch.

-        Im Rahmen Ihrer Befragungen in den Vorverfahren brachten Sie keinerlei familiäre Bezugspunkte zu Österreich ins Treffen.

-        Sie sind weder beruflich noch sozial in Österreich verankert.

-        Sie leiden an keinen Erkrankungen, die Ihrer Abschiebung in den Herkunftsstaat Afghanistan im Wege stehen würden und Sie sind nicht immungeschwächt.

Zu Ihrer rechtlichen Position in Österreich:

Sie reisten irregulär und ohne gültiges Reisedokument – gemäß Ihren eigenen Ausführungen zur Folge am Landweg via der Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien – ins Bundesgebiet ein.

Ihr Gastaufenthalt in Österreich ist seit dem Zeitpunkt der rk. Finalisierung Ihres ersten Asylverfahrens in Österreich zu keinem Zeitpunkt rechtmäßig.

Fest steht, dass Ihnen durch mündliche Verkündung der faktische Abschiebeschutz aberkannt wurde, da keine neuen Fluchtgründe in Ihrem Folge-Asylverfahren zu Tage getreten sind und somit auch beabsichtigt ist, Ihren Folgeasylantrag wegen entschiedener Sache als unzulässig zurückzuweisen.

Ableitend von Ihrer Motivation, durch eine weitere Asylantragstellung bewusst eine weitere Verfahrensverzögerung zu erwirken, gepaart mit Ihrer Absicht, dadurch Ihrer behördlichen Abschiebung in Ihren Herkunftsstaat Afghanistan weiterhin zu entgehen, gilt es an dieser Stelle festzuhalten, dass Sie Ihren Asyl-Folgeantrag am 16.03.2021 in Missbrauchsabsicht gestellt haben.

Somit kommt Ihnen auch kein (weiteres) Bleiberecht aufgrund der Verfahrens-RL zu und der vorliegende Sachverhalt ist demzufolge auch nicht in die Rechtsnorm des § 76 Abs. 2 Z 1 FPG zu subsumieren, welcher die Bestimmungen der Aufnahme-RL zur Schubhaft umsetzt.

Nach Beurteilung des individuell vorliegenden Sachverhaltes steht für die bescheiderlassende Behörde somit fest, dass aufgrund des von Ihnen missbräuchlich gestellten Asyl-Folgeantrages die Beurteilung zur Anordnung der Sicherungsmaßnahme der Schubhaft unter die Rechtsnorm des § 76 Abs. 2 Z 2 FPG fällt, welcher die Bestimmungen der Rückführungs-RL zur Schubhaft umsetzt.

Zu Ihrem bisherigen Verhalten:

Sie reisten irregulär und ohne gültiges Reisedokument – gemäß Ihren eigenen Angaben zur Folge am Landweg via mehrerer Mitgliedstaaten der EU – ins Bundesgebiet ein.

Sie haben im Februar 2020 die Ihnen als mittelloser Fremder aus öffentlichen Mitteln der Grundversorgung des Bundeslandes Oberösterreich finanzierte und Ihnen zur Verfügung gestellte Unterkunft in XXXX , XXXX , ohne Abmeldung nach unbekannt verlassen und tauchten irregulären Aufenthaltes in der völligen Anonymität unter.

In weiterer Folge reisten Sie irregulär aus der Anonymität kommend von Österreich zunächst nach Frankreich weiter, ehe Sie sich auch dem Zugriff der französischen Behörden entzogen und mit ihrem Verhalten eine Überstellung gem. der Dublin-III-VO von Frankreich nach Österreich mit temporären Erfolg vereitelt haben.

Auch nach Finalisierung Ihres zweiten Asylverfahrens in Österreich haben Sie die Ihnen als mittelloser Fremder aus öffentlichen Mitteln der Grundversorgung des Bundes finanzierte und Ihnen zur Verfügung gestellte Unterkunft in der Bundesbetreuungsstelle XXXX , ohne Abmeldung nach unbekannt verlassen und tauchten wiederum irregulären Aufenthaltes in der völligen Anonymität unter.

Erst nachdem Sie an Ihrer Absicht, irregulär von Österreich kommend nach Italien einzureisen durch die italienische Grenzpolizei gehindert wurden haben Sie letztlich einen neuerlichen Asylantrag in Österreich eingebracht.

Durch Ihre nachhaltige Verhaltensweise, nach rk. Finalisierung eines Asylverfahrens sich zunächst dem Zugriff der Behörde zu entziehen und in weiterer Folge – in einem Fall erst nach erfolgter behördlicher Überstellung gem. der Dublin-III-VO von Frankreich nach Österreich – wiederum einen weiteren Asylantrag zu stellen, gepaart mit dem Umstand, dass Sie keine objektiv neuen Fluchtgründe ins Treffen führen konnten, liegen die Tatbestandsmerkmale einer Missbrauchsabsicht, konkret die Verzögerungsabsicht zur Hintanhaltung der Gefahr der drohenden behördlichen Abschiebung von Österreich in den HKS Afghanistan, bei Ihrem gestellten Folge-Asylantrag vor.

Sie haben gegenüber den Behörden in Frankreich ein anderslautendes Geburtsdatum von Ihnen behauptet.

Zu Ihrem Privat- und Familienleben:

Sie sind in Österreich weder beruflich noch sozial verankert.

Sie sind in keiner Weise integriert. Sie haben in Österreich keine nennenswerten Anknüpfungspunkte. Sie haben laut Aktenlage keine familiären und nur vage privaten Bindungen.“

Beweiswürdigend nahm die belangte Behörde Bezug auf den Inhalt BFA-Aktes des BF zur Zl.: 1098073308 sowie auf dessen im bekämpften Bescheid zitierten Einvernahmen vom 16.01.2021, 16.03.2021 und 21.04.2021.

Rechtlich führte die Behörde aus:

„Entsprechend ihres bisherigen Verhaltens begründen folgende Kriterien in Ihrem Fall eine Fluchtgefahr:

Ziffer 1, 3, 4, 5 und 9 treffen auf Sie zu:

Ziffer 1: Durch Ihr wiederholtes Abtauchen in der völligen Anonymität haben Sie sich dem Zugriff der bescheiderlassenden Behörde jeweils entzogen und Sie haben durch Ihr Verhalten die Ihnen drohende Gefahr der Effektuierung Ihrer behördlichen Abschiebung in Ihren Herkunftsstaat Afghanistan nachhaltig und zumindest mit temporären Erfolg verhindert.

Ziffer 3: Gegen Sie besteht bereits mit rechtskräftiger Wirkung vom 18.12.2020 eine Rückkehrentscheidung (iVm. einem rk. zweijährigen Einreiseverbot).

Ziffer 4: In Ihrem Folge-Asylantragsverfahren in Österreich wurde mittels mündlich verkündeten Bescheid des BFA EAST-West vom 21.04.2021, rechtswirksam erlassen am 21.04.2021, der faktische Abschiebeschutz gem. § 12a Abs. 2 Ziffer 2 AsylG. aufgehoben.

Ziffer 5: Zum Zeitpunkt Ihres dritten Asylantrages in Österreich am 16.03.2021 befand sich bereits eine gegen Sie im zweiten Asylverfahren erlassene und in Rechtskraft erwachsene Rückkehrentscheidung (iVm. einem rk. zweijährigen Einreiseverbot) im Rechtsbestand.

Ziffer 9: Sie sind in Österreich nicht integriert, haben hier keine Familienangehörigen. Sie verfügen über nicht ausreichende Bargeldmittel und üben keine legale Erwerbstätigkeit aus.

Daher ist die Entscheidung auch verhältnismäßig, insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass von Seiten der Botschaft der Islamischen Republik Afghanistan für Sie bereits einer Ausstellung eines EU-Laissez-Passers zur Effektuierung Ihrer Abschiebung in Ihren Herkunftsstaat Afghanistan zugestimmt wurde.

Der VwGH stellte mit Erkenntnis vom 24.10.2019 fest, dass einem Antragsteller, welcher einen ersten Folgeantrag gestellt hat und dem der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG aberkannt worden ist, aufgrund der Verfahrens-RL ein Bleiberecht bis zur Entscheidung des BVwG über den faktischen Abschiebeschutz zukommt, außer er hat den Folgeantrag in Missbrauchsabsicht gestellt (vgl. VwGH Ra 2019/21/0198, RdNr 19).

Im Erkenntnis, Zl.: Ra 2020/21/0094-11, v. 15.02.2021, stellte der VwGH dazu wie folgt weiter ergänzend fest:

( … )

schon im Erkenntnis VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0198, Rn. 18, festgehalten, dass die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes in Bezug auf einen ersten Folgeantrag gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 jedenfalls dann, wenn sie vom Bundesverwaltungsgericht noch nicht im Wege des amtswegigen Überprüfungsverfahrens nach § 22 BFA-VG bestätigt worden ist, nichts daran ändert, dass der Fremde Asylwerber ist und ihm vor dem Hintergrund der Verfahrens-RL (Richtlinie 2013/32/EU) ungeachtet der innerstaatlichen Regelung des § 22 Abs. 2 zweiter Satz BFA-VG grundsätzlich - auch wenn man schon die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes nach § 12a Abs. 2 AsylG 2005 als Entscheidung iS von Art. 40 Abs. 5 der Verfahrens-RL, den wiederholten Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zu betrachten, begreifen wollte - weiterhin ein Bleiberecht zukommt. Das steht einer Schubhaft auf Basis von Art. 15 der Rückführungs-RL (Richtlinie 2008/115/EG) und damit auf Grundlage von § 76 Abs. 2 Z 2 FPG entgegen (siehe auch VwGH 15.12.2020, Ra 2020/21/0090, Rn. 17). Im Fall eines ersten Folgeantrags könnte, solange keine gerichtliche Bestätigung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ergangen ist, nur das Vorliegen von Missbrauchsabsicht im Sinn des Art. 41 Abs. 1 lit. a der Verfahrens-RL zu einem anderen Ergebnis führen (vgl. auch dazu VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0198, Rn. 19, und VwGH 15.12.2020, Ra 2020/21/0090, Rn. 17).

( … )

Bereits aus dem erstinstanzlich geführten Ermittlungsverfahrens zu Ihrem - bereits zweiten -Folgeasylantrag geht hervor, dass Sie objektiv keine neuen Fluchtgründe vorgebracht haben, sodass dass BFA Ihren Folgeasylantrag wegen entschiedener Sache als unzulässig zurückweisen wird. Die bereits im mündlich verkündeten Bescheid des BFA vom 21.04.2021, mit welchem in Ihrem Asylfolgeantragsverfahren der faktische Abschiebeschutz nach § 12 AsylG gemäß § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben wurde, beinhaltete Feststellung zu den Gründen für Ihren neuen Antrag auf internationalen Schutz und die daraus auch abgeleitete Argumentation, dass Sie Ihren neuerlichen Asylantrag in missbräuchlicher Verzögerungsabsicht gestellt haben, ist schlüssig. Deshalb wird an dieser Stelle festgehalten, dass bereits zum Zeitpunkt der Anordnung der gegenständlichen Schubhaft über Sie Art. 15 der Rückführungsrichtlinie Anwendung findet und somit die Rechtsgrundlage von § 76 Abs. 2 Z 2 FPG zugunsten einer Anordnung der gegenständlichen Schubhaft auch nicht mehr entgegen steht. Auf Basis der Verfahrensrichtlinie kommt Ihnen somit bereits jetzt – und noch bevor die erfolgte Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes vom Bundesverwaltungsgericht im Wege des amtswegigen Überprüfungsverfahrens nach § 22 BFA-VG bestätigt wurde – kein Bleiberecht mehr zu.

Die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung ist erforderlich, da Sie sich aufgrund Ihres oben geschilderten Vorverhaltens als nicht vertrauenswürdig erwiesen haben. Es ist davon auszugehen, dass Sie auch hinkünftig wiederum nicht gewillt sein werden, die Rechtsvorschriften einzuhalten.

Aus Ihrer Wohn- und Familiensituation, aus Ihrer fehlenden sonstigen Verankerung in Österreich sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens kann geschlossen werden, dass bezüglich Ihrer Person ein beträchtliches Risiko des neuerlichen Untertauchens vorliegt.

Einem geordneten Fremdenwesen kommt im Hinblick auf die öffentliche Ordnung und dem wirtschaftlichen Wohl des Staates ein hoher Stellenwert zu. Es besteht die Verpflichtung Österreichs, seinen europarechtlichen Vorgaben, als auch den Pflichten gegenüber seinen Staatsbürgern und anderen legal aufhältigen Personen nachzukommen.

Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft und ihrer Notwendigkeit ergibt daher in Ihrem Fall, dass Ihr privates Interesse an der Schonung Ihrer persönlichen Freiheit dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen hat.

Sie verfügen zwar nicht über hinreichende Barmittel sich Ihren Unterhalt aus Eigenem zu finanzieren, haben sich aber bisweilen als höchst mobil erwiesen und es war Ihnen bisweilen auch möglich in Österreich in der Anonymität zu leben und in weiterer Folge eine irreguläre Sekundärmigration nach Frankreich zu bewerkstelligen. Außerdem besteht seitens der Behörde auch das begründete Risiko, dass Sie sich letztlich wiederum in der Anonymität absetzen könnten, um Ihrer Abschiebung zu entgehen. Außerdem besteht seitens der Behörde auch das begründete erhebliche Risiko, dass Sie sich letztlich neuerlich erfolgreich nach Frankreich, nach Italien oder in einen weiteren Mitgliedstaat der EU absetzen könnten, um Ihrer Abschiebung in Ihren Herkunftsstaat zu entgehen.

In Ihrem konkreten Fall muss daher, nicht zuletzt auch aufgrund der Tatsache, dass sich Ihre vermeintliche Hoffnung auf eine Legalisierung Ihres Aufenthaltes im Rahmen eines weiteren von Ihnen angestrebten Asylverfahrens in Österreich durch die nun erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes nicht erfüllt hat, höchste Fluchtgefahr angenommen werden. Aufgrund des fortgeschrittenen Verfahrensstandes besteht in Ihrem konkreten Fall zudem ein erheblich gesteigerter Sicherungsbedarf. Mit der Effektuierung Ihrer Ausreise ist zeitnah zu rechnen, jedenfalls aber innerhalb der gesetzlich zulässigen Schubhaftdauer.

Zudem laufen Sie mit der Ihnen drohenden Abschiebung in Ihren Herkunftsstaat Gefahr die von Ihnen erbrachten finanziellen Aufwendungen für Ihre Schleusung nach Europa in der beträchtlichen Höhe von US-Dollar 8.000,-- als ertraglos abschreiben zu müssen. Dieser Aspekt verstärkt die ohnehin bereits massive Fluchtgefahr weiter.

Aufgrund der Gesamtheit des geschilderten Sachverhaltes besteht – ohne Sicherungsmaßnahme nach den Bestimmungen des FPG – die unmittelbare und eminente Gefahr, dass Sie sich dem weiteren Zugriff der Behörde neuerlich entziehen werden um eine Außerlandesbringung von Österreich nach Afghanistan dauerhaft zu vereiteln bzw. um diese Maßnahmen zumindest weiterhin temporär weiterhin wesentlich zu verzögern.

Dabei wurde auch berücksichtigt, dass die Schubhaft eine ultima - ratio – Maßnahme darstellt. Es ist daher zu prüfen, ob die Anordnung gelinderer Mittel gleichermaßen zur Zweckerreichung dienlich wäre. In Betracht käme dabei das gelindere Mittel gem. § 77 FPG mit den dafür vorgesehenen Aufenthalts- und Meldepflichten bzw. der Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit.

Doch auch was die Unterkunftsnahme in bestimmten Räumlichkeiten und die periodische Meldeverpflichtung betrifft, kann in Ihrem Fall damit nicht das Auslangen gefunden werden.

Selbst bei der Anordnung eines Gelinderen Mittels unter Anwendung von verschärften Auflagen, z.B.: die behördliche Anordnung zur Unterkunftsaufnahme in einem von der Behörde bestimmten Wohnobjekt unter gleich gehender Anordnung einer periodisch kurz gehaltenen Meldeverpflichtung bei der nächstgelegenen Sicherheitsdienststelle, wäre der von Ihnen bereits (durch Ihr wiederholtes Abtauchen in der Anonymität in Österreich und Ihrer irregulären Sekundärmigration nach Frankreich) unter Beweis gestellten äußerst hohen räumlichen Mobilität und Selbstorganisation kein effektiver Einhalt geboten und demzufolge könne somit das von der Behörde zu verfolgende Ziel, nämlich die Sicherung der Abschiebung – mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit – auch nicht adäquat erreicht werden. Die Möglichkeit einer im Rahmen des Gelinderen Mittels allfällig darüber hinausgehenden zusätzlich anwendbaren Auflage, nämlich eine finanzielle Sicherheit bei der Behörde in einer dem individuell in diesem Fall vorliegenden Sachverhalt angemessenen Höhe zu hinterlegen, scheidet in Ihrem Fall, und zwar in Anbetracht Ihrer finanziellen Situation ohnehin aus.

Im Hinblick auf die bisher bereits von Ihnen gezeigte Motivation, dass Sie sich durch Ihr Abtauchen in der Anonymität eine größtmögliche räumliche Mobilität verschaffen möchten, um damit gleich gehend die Gefahr einer behördlichen Abschiebung zu minimieren, ist jegliches Vertrauen in Sie derart erschüttert, welches jedoch für die allfällige Anordnung eines Gelinderen Mittels (anstelle der Schubhaft) zur Sicherung Ihrer Abschiebung von Österreich nach Afghanistan elementar dazu notwendig wäre.

Demzufolge ist auch die von der bescheiderlassenden Behörde mit der gegenständlichen Anordnung einer Schubhaft getroffene Prognose, nämlich dass Sie – mit wiederum an Sicherheit angrenzender Wahrscheinlichkeit – einem neuerlichen Abtauchen in der Anonymität in Österreich und/oder allfällig einem neuerlichen Versuch einer irregulären Reisebewegung von Österreich in einen weiteren Mitgliedstaat der Europäischen Union den Vorzug geben werden gegenüber einem den Behörden bekannten Aufenthalt in Österreich bis zu einer behördlichen Abschiebung von Österreich nach Afghanistan, zulässig.

Wie oben ausführlich dargelegt, besteht in Ihrem Fall aufgrund Ihrer persönlichen Lebenssituation sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens ein beträchtliches Risiko des Untertauchens. Damit wäre jedoch der Zweck der Schubhaft, nämlich die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung, vereitelt. Es liegt somit eine ultima – ratio – Situation vor, die die Anordnung der Schubhaftverhängung unabdingbar erfordert und eine Verfahrensführung, während derer Sie sich in Freiheit befinden, ausschließt.

Es ist weiters aufgrund Ihres Gesundheitszustandes davon auszugehen, dass auch die subjektiven Haftbedingungen, wie Ihre Haftfähigkeit, gegeben sind.

Es sind keine Hinweise aktenkundig, dass Sie an einer Krankheit leiden welche Ihrer Haftfähigkeit entgegenstehen würde. Die medizinische Prüfung Ihrer tatsächlichen Haftfähigkeit obliegt dem zuständigen Polizeiarzt im Polizeianhaltezentrum.

Die Behörde gelangt daher zum Ergebnis, dass sowohl die gesetzlichen Formalerfordernisse vorliegen, als auch, dass die Schubhaft zum Zweck der Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis steht und im Interesse des öffentlichen Wohls dringend erforderlich und geboten ist.

In diesem Einzelfall ist eine Sicherung Ihrer Abschiebung durch die Anordnung eines Gelinderen Mittels nicht ausreichend, da mit dieser Maßnahme dass der Sicherung zugrunde liegende finale Ziel – nämlich die behördliche Abschiebung von Österreich nach Afghanistan – mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erreicht werden kann. Um die im Interesse des Staates gebotenen Ziele zu gewährleisten, war der Eingriff in Ihr Recht auf den Schutz der persönlichen Freiheit notwendig und demzufolge war von der Alternative der Anordnung eines Gelinderen Mittels Abstand zu nehmen und eine konkrete und akute Sicherungsnotwendigkeit – welcher in der gegenständlich vorliegenden Sachverhaltskonstellation ausschließlich durch die Anordnung einer Schubhaft Folge getragen werden kann – zu bejahen.“

2. Gegen den Bescheid, die Schubhaftanordnung sowie die fortdauernde Anhaltung in Schubhaft erhob der BF durch seine bevollmächtigte Vertretung am 03.05.2021 um 19:57 Uhr Beschwerde und begründete diese im Wesentlichen mit der Anwendung einer falschen Rechtsgrundlage, des Weiteren rügt die Beschwerde, dass im gegenständlichen Verfahren keine Einvernahme des BF durchgeführt worden sei, wodurch die Behörde den verschlechterten psychischen Zustand des BF nicht hätte erkennen können sowie Unverhältnismäßigkeit der Haft aufgrund des Gesundheitszustandes des BF und Nicht-Anwendung eines gelinderen Mittels.

In der Beschwerde wurde beantragt, den bekämpften Bescheid zu beheben und auszusprechen, dass die Anordnung der Schubhaft und die bisherige Anhaltung in Schubhaft rechtswidrig erfolgt seien und auszusprechen, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung nicht vorlägen, ebenso die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Einholung eines medizinischen Gutachtens, sowie der belangten Behörde den Ersatz der Aufwendungen aufzutragen.

3. Am 04.05.2021 legte die belangte Behörde die Verwaltungsakten vor und erstattete in Folge eine Stellungnahme. Darin führte sie aus:

„…unter Bezugnahme auf die, durch die gewillkürte Vertretung des Obgenannten mit Schriftsatz vom 03.05.2021 (beim BFA EASt-West eingelangt per E-Mail am Dienstag, 04.05.2021, 10:51 Uhr) eingebrachte Beschwerde wegen rechtswidriger Anhaltung in Schubhaft, und der bereits zum Teil erfolgten Vorlage des Verfahrensaktes wird hiermit die Gegenschrift zur Schubhaftbeschwerde und restliche Unterlagen in Vorlage gebracht.

Zum Sachverhalt wird seitens des BFA EAST-West wie folgt Stellung bezogen:

Eingangs sowie im Besonderen wird auf den im Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Zl.: 1098073308 - 210526015vom 21.04.2021 umfassend dokumentierten Sachverhalt verwiesen.

Festgehalten wird vorweg, dass speziell in dieser Angelegenheit auf die Rechtsgrundlage der Verhängung der Schubhaft umfassend im Schubhaftbescheid eingegangen wurde.

Die Rechtmäßigkeit des mit mündlich verkündetem Bescheid des BFA Gz.: 1098073308/210526015 v. 21.04.2021 aufgehobenen Abschiebeschutzes wurde mit Beschluss d. BVwG v. 26.04.21 Gz.: W198 2200368-3/5E rechtskräftig bestätigt.

Konkret u. spezifisch in dieser Causa wurde im Anschluss an die Einvernahme beim BFA nach der mündlichen, erstinstanzlichen Verkündung d. Aberkennung d. Faktischen Abschiebeschutzes (FAS) die Schubhaft gem. §76 Abs. 2 Zif. 2 erlassen.

Zu den Punkten der Schubhaftbeschwerde wird wie folgt Stellung genommen:

1. Verletzung v. Verfahrensvorschriften

1.1 Keine Einvernahme des Beschwerdeführers

Die Vorhaltung, dass die belangte Behörde „keine Einvernahme, im Zuge der Inschubhaftnahme mit dem BF“ durchführte, geht nach ausführlicher Darstellung im Schubhaftbescheid gänzlich ins Leere.

Es wird betont, dass im Anschluss an die Einvernahme beim BFA durch die belangte

Behörde die Schubhaft erlassen wurde.

Am selben Tag bei der Einvernahme v. d. BFA am 21.04.2021, wurde der BF hinsichtlich

seines Gesundheitszustandes befragt, wonach er angab:

Eine auszugsweise Wiedergabe aus der niederschriftlichen Einvernahme v. 21.04.2021:

( … )

LA: Fühlen Sie sich heute psychisch und physisch in der Lage, die gestellten Fragen

wahrheitsgemäß zu beantworten?

VP: Ja. Ich fühle mich gesund und bin bereit für die Einvernahme.

LA: Hat sich Ihr Gesundheitszustand seit der letzten Einvernahme geändert?

VP: Nein.

LA: Sie wurden in der letzten Einvernahme aufgefordert Ihre med. Unterlagen selbstständig

und ohne weitere Aufforderung der ho. Behörde in Vorlage zu bringen. Haben Sie dieser

Aufforderung Folge geleistet?

VP: Ich habe keinen Unterlagen

LA: Gemäß einer Anfrage der EASt-Ost in Traiskirchen an eine Arztstation vom 13.11.2020

und Ihrer eigenen Angaben im Zweitverfahren haben Sie die gleichen Beschwerden bereits

im Zweitverfahren angegeben. Es wurden Proben genommen und untersucht. Alle Ergebnisse waren unauffällig und es wurde ihnen gesagt, dass Sie nicht krank wären. Sie leiden an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung.

Wollen Sie dazu etwas sagen?

VP: Das passt. Damals war ich krank. Jetzt bin ich gesund.

Ende d. Auszuges

Zusammengefasst wurde der BF mehrmals durch das BFA u. Behörden d. öffentlichen

Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen, die letzten dokumentierten

Einvernahmen sind:

- Im Rahmen der niederschriftlichen Erstbefragung am 30.09.2020 zum Asyl-Folgeantrag,

- Am 16.01.2021 im Auftrag des BFA von einem Beamten des öffentlichen Sicherheitsdienstes,

- Im Rahmen Ihrer niederschriftlichen Erstbefragung am 16.03.2021 zu Ihrem Asyl- Folgeantrag, nachdem der BF infolge seines irregulären und unsteten Aufenthaltes im Bundesgebiet nach § 39 FPG festgenommen wurde,

- Am 29.03.2021 im Rahmen d. niederschriftlichen Einvernahme im neuerlichen Asylverfahren,

- Am 21.04.2021 wie oben angeführt,

- Darüber hinaus gehend werden hier noch zahlreiche Stellungnahme Möglichkeiten

beim BVwG angeführt.

Es wird hier bereits bezugnehmend auf den Punkt 4 der Beschwerdeschrift festgehalten, dass der BF zu keinem Zeitpunkt maßgebliche, gesundheitliche Probleme angegeben hat.

Speziell am Tag der Verhängung d. Schubhaft, am 21.04.2021 wurden oben zitierte Aussagen hinsichtlich seines Gesundheitszustandes dokumentiert.

2. Falsche Rechtsgrundlage

Hier wird explizit auf den Schubhaftbescheid des BFA v. 21.04.2021 Gz.: 1098073308/210526015 verwiesen, wonach sich die belangte Behörde ausführlich mit der Rechtsgrundlage der zu erlassenden Schubhaft auseinandergesetzt hat.

Darüber hinaus wurde zwischenzeitlich auch im bestätigenden Beschluss d. BVwG die Rechtmäßigkeit der Aberkennung des FAS erkannt.

Zu dem v. BF eingebrachten Folgeantrag stellt das BVwG dazu wörtlich zitiert wie folgt fest:

„In einer Gesamtschau des bisherigen Verhaltens des Asylwerbers sowie seiner widersprüchlichen Angaben in den beiden Vorverfahren ist davon auszugehen, dass es sich um ein weiteres konstruiertes Vorbringen (Anm.: Hervorhebung nicht im BVwG bestehend) und eine erneute Steigerung handelt. Abgesehen davon, dass diesem neuen Vorbringen keine Glaubwürdigkeit zukommt, ist festzuhalten, dass es sich hierbei auch um keinen neu entstandenen Sachverhalt handelt, zumal sich dieser Sachverhalt ereignet hat, als der Asylwerber noch in Afghanistan war und daher bereits vor dem Abschluss des ersten rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens bekannt war.“

Zitat Ende

Mit dieser zitierten Aussage des BVwG, dass es sich um eine erneute Steigerung durch „ein weiteres konstruiertes Vorbringen“ des BF handelt, wird somit klar die Missbrauchsabsicht d. Folgeasylantrages gegenständlich.

3. Keine Gefährdung d. öffentl. Ordnung u. Sicherheit gem. §76 Abs. 2 Zif 1 FPG

Somit geht auch die im Punkt 3 der Beschwerdeschrift angeführte Argumentation der falschen Rechtsgrundlage klar ins Leere. Es wird auf die rechtliche Würdigung im zit. Schubhaftbescheid d. BFA Gz.: 1098073308/210526015 v. 21.04.2021 verwiesen.

4. Zur Unverhältnismäßigkeit der Haft

Allgemein ist festzuhalten, dass im Zuge der Inhaftierung in Schubhaft ebenso ein polizeiärztlicher Dienst zur Verfügung steht und stets die Möglichkeit der Haftprüfung in gesundheitlicher Hinsicht besteht. Bei auftretenden, gesundheitlichen Problemen wird der polizeiärztliche Dienst in eine Haftprüfung miteinbezogen. Sollte eine Haftunfähigkeit durch den Polizeiarzt festgestellt werden, würde dem von der belangten Behörde Rechnung getragen u. eine etwaige Haftentlassung verfügt.

Ergänzend wird noch auf den letzten BVwG -Beschluss Gz: W198 2200368-3/5E (Seite 7) hingewiesen, wonach auch hier im Zuge der Beweiswürdigung zum Gesundheitszustand des BF (Anm.: nach Anordnung d. Schubhaft) erkannt wurde:

„Gesundheitliche Beeinträchtigungen, welche nach Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Judikatur zur Gefahr einer unmenschlichen Behandlung im Falle einer Rückkehr führen könnten, liegen nicht vor. In der Einvernahme am 29.03.2021 brachte der Asylwerber vor, dass er Blut im Stuhl habe. Er hat diese Beschwerden jedoch bereits in seinem Zweitverfahren vorgebracht und wurde ihm nach einer Blut- und Stuhluntersuchung gesagt, dass er nicht krank sei. Aktuelle Befunde bzw. medizinische Unterlagen wurden nicht vorgelegt. Bei seiner Einvernahme am 21.04.2021 hat der

Asylwerber schließlich selbst angegeben, dass er nunmehr gesund sei.“

In der Beilage wird die von der belangten Behörde erfolgte Anforderung des polizeiärztlichen Gutachtens im Polizeianhaltezentrum Hernalser Gürtel (HG) wie in der Anhaltevollzugsdatei v. 04.05.21 entnommen werden - beigelegt. Sobald eine Antwort beim BFA einlangt, wird diese an das BVwG in Vorlage gebracht.

5. Zur Nicht-Anwendung eines gelinderen Mittels

Im angefochtenen Schubhaftbescheid wurde das Verhalten des BF dargestellt und die Notwendigkeit der „ultima ratio“ Maßnahme der Anordnung der Schubhaft ausführlich geprüft.

Im Speziellen wird nochmals das mehrmalige Untertauchen des BF in die Anonymität und das mehrmalige Nicht-Nachkommen seiner Ausreiseverpflichtung betont.

Ergänzend wird festgehalten, dass im Hinblick der zeitlich nahe, bevorstehenden Abschiebung nach Afghanistan nunmehr ein erhöhter Sicherungsbedarf besteht.

Es finden auch im Hinblick auf die COVID-19 Pandemie weiterhin Charter – Abschiebeflüge nach Afghanistan statt. Der BF ist für den nächsten, möglichen Termin am vorgesehen.

Auszug aus Charterplanung d. BFA:

-
KW 24: 15.06.-17.06.2021 JRO Afghanistan (PMS), Abflug Hauptcharter in Wien; fixiert mit SWE

Der oa. Abschiebungstermin nach Afghanistan kann aus ho. Sicht nach derzeitigem Wissensstand als realistisch betrachtet werden.

Demzufolge liegt, in Anbetracht der Gesamtheit der individuellen Kriterien in diesem Einzelfall, mit welchen sich das BFA bereits im bekämpften Schubhaftbescheid auseinandergesetzt hat und welche einer entsprechend umfassenden Gesamtbeurteilung zugeführt worden sind, gepaart mit dem nachfolgenden Asylgesuch des BF – nach Ansicht der belangten Behörde – jedenfalls und mit gesteigertem Ausmaß weiterhin eine Notwendigkeit und im Hinblick auf die erst relativ kurze Zeit der Anhaltung in Schubhaft und die in Aussicht stehende und bereits auch terminisierte Abschiebung in den HKS Afghanistan, auch Verhältnismäßigkeit vor.“

Am Ende der Stellungnahme beantragte die belangte Behörde die Abweisung der Beschwerde sowie den Ersatz der verzeichneten Kosten.

4. Die Stellungnahme der belangten Behörde vom 05.05.2021 wurde dem bevollmächtigten Vertreter des BF zur Stellungnahme übermittelt.

5. In der am selben Tag beim Bundesverwaltungsgericht eingelangten Stellungnahme geht der BF im Wesentlichen davon aus, dass er trotz des Beschlusses der Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes durch das BFA zum Zeitpunkt der Verhängung der Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG faktisch nicht abschiebbar gewesen und die Schubhaft deshalb auf eine falsche Rechtsgrundlage gestützt worden sei. Des Weiteren stellt die Stellungnahme auf die Unverhältnismäßigkeit der Haft aufgrund des Gesundheitszustandes des BF ab und beantragt die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie die Einholung eines medizinischen Gutachtens. In der Stellungnahme wird auch weiterhin darauf abgestellt, dass aufgrund der Umstände im gegenständlichen Fall die Anordnung eines gelinderen Mittels hätte erfolgen müssen.

6. Am 05.05.2021 wurde seitens der Landespolizeidirektion Wien, Abteilung Fremdenpolizei und Anhaltevollzug, dem Bundesverwaltungsgericht auf dessen Ersuchen die den Gesundheitszustand des BF darlegenden Unterlagen übermittelt. Aus dem „Befund und Gutachten“ geht hervor, dass der BF bei Dialog in ständiger Kontrolle stehe und sich mit Medikation eine Besserung des Zustandsbildes im Verlauf des Aufenthaltes ergeben habe. Die Haftfähigkeit sei weiterhin gegeben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft.

Die Identität des BF steht fest.

Der BF stellte am 05.12.2015 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Das BFA wies den Antrag des BF auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 11.06.2018 sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) mit Bescheid vom 11.06.2018 ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 i.V.m. § 9 BFA-VG, wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist und dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für seine freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt III. bis VI.). Der Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.). Die belangte Behörde erließ gegen den BF gemäß § 53 Abs. 3 FPG ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VIII.).

Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde.

Mit Erkenntnis vom 11.07.2018 gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheids (Aberkennung der aufschiebenden Wirkung) statt und behob diesen ersatzlos.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.01.2020, W270 2200368-1/16E, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid vom 11.06.2018, hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis V. als unbegründet abgewiesen, der Beschwerde gegen Spruchpunkt VIII. des angefochtenen Bescheids stattgegeben und der Spruchpunkt VIII. gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG 2014 i.V.m. § 53 Abs. 1 FPG ersatzlos behoben sowie der Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheids stattgegeben und festgestellt, dass dieser gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG 2014 i.V.m. § 55 Abs. 1 und 2 FPG zu lauten hat: „VI. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.“ Diese Entscheidung erwuchs mit 28.01.2020 in Rechtskraft.

In der Folge reiste der BF Ende Februar 2020 nach Frankreich, wo er einen Folgeantrag auf internationalen Schutz stellte und von wo er am 30.09.2020 nach Österreich zurück überstellt wurde. Am selben Tag brachte er im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz ein

Mit Bescheid des BFA vom 04.12.2020 wurde der zweite Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 30.09.2020 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkte I. und II.) sowie ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gem. § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG i. V. m. § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie festgestellt, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.) und gemäß § 55 Abs. 1a keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

Gegen diesen Bescheid vom 04.12.2020 erhob der BF fristgerecht Beschwerde.

Das Bundesverwaltungsgericht wies mit Erkenntnis vom 16.12.2020, W202 2200368-2/2E, die Beschwerde gemäß § 68 AVG, §§ 10, 57 AsylG, § 9 BFA-VG sowie §§ 52, 53, 55 FPG als unbegründet ab. Diese Entscheidung erwuchs mit 18.12.2020 in Rechtskraft.

Am 16.03.2021 wurde der BF von der Polizei in Linz festgenommen und hat am selben Tag seinen dritten Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Dazu wurde der BF am selben Tag erstbefragt und am 29.03.2021 vor dem BFA niederschriftlich einvernommen. Am 21.03.2021 wurde der BF vor dem BFA abermals niederschriftlich einvernommen. Mit mündlich verkündetem Bescheid vom 21.04.2021 wurde gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12 AsylG 2005 den BF betreffend aufgehoben. Am 22.04.2021 legte das BFA dem Bundesverwaltungsgericht die Bezug habenden Verwaltungsakten zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes vor. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.04.2021, W198 2200368-3/5E, wurde die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes als rechtmäßig bestätigt.

Der BF ist nicht im Besitz von identitätsbezeugenden Dokumenten und kann Österreich aus eigenem Entschluss nicht verlassen. Für den BF wurde bereits einmal seitens der afghanischen Botschaft ein Heimreisezertifikat zugesichert.

Der BF verfügt in Österreich über keine nennenswerten privaten, familiären, beruflichen oder sonstigen sozialen Bindungen, über keine eigene gesicherte Unterkunft und über keine ausreichenden Existenzmittel zur Sicherung seines Lebensunterhaltes.

Die Vertrauenswürdigkeit des BF ist insgesamt beeinträchtigt.

Auf Grundlage des gegenständlich angefochtenen Schubhaftbescheides befindet sich der BF in Schubhaft. Diese wird derzeit im PAZ Wien, Hernalser Gürtel, vollzogen.

Der BF ist hafttauglich.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA sowie den Gerichtsakten zu oben genannten Zahlen.

Dass der BF nicht österreichischer Staatsbürger ist, ergibt sich aus einer IZR Abfrage.

Die Feststellung zur Identität ergibt sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA.

Die Feststellungen zu den Verfahren betreffend die Asylantragstellungen des BF in Österreich ergeben sich aus dem Verwaltungsakt des BFA sowie aus den Gerichtsakten zu oben genannten Zahlen.

Die Feststellung hinsichtlich Mittellosigkeit und mangelnder familiärer, sozialer und beruflicher Verankerung des BF in Österreich ergibt sich zum einen aus den oben genannten Gerichtsakten sowie aus den Verfahrensakt des BF, aus dem eine solche ebenso nicht hervorgekommen ist. Gegenteiliges wurde auch in der Beschwerde nicht behauptet.

Die beeinträchtigte Vertrauenswürdigkeit des BF ergibt sich aus der mehrfach erfolglosen Asylantragstellung in Österreich, aus dem Untertauchen des BF, um sich dem Zugriff der Behörden für eine Abschiebung nach rechtskräftigem Abschluss der Asylverfahren zu entziehen, dies wird auch noch dadurch untermauert, dass der BF nicht als lückenlos in Österreich gemeldet aufscheint (s. dazu die rezente Anfrage zum Zentralen Melderegister). Darüber hinaus ist der BF, wie sich aus dem Verfahrensakt ergibt, auch nach Frankreich ausgereist, dies ebenfalls um einer Abschiebung nach Afghanistan zu entgehen. In Frankreich stellte der BF unter geändertem Geburtsdatum – und sohin unter Verschleierung seiner bisherigen Identität - einen Asylantrag.

Die Feststellung zur Anhaltung in Schubhaft ergibt sich aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.

Unter Zugrundelegung der Einvernahme des BF am 21.04.2021 und der seitens der Landespolizeidirektion Wien, Abteilung Fremdenpolizei und Anhaltevollzug, dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Unterlagen den Gesundheitszustand des BF betreffend haben sich keine Anzeichen ergeben, wonach beim BF Haftunfähigkeit vorliegen würde. Darüber hinaus ist es notorisch, dass im Falle gesundheitlicher Probleme eine engmaschige gesundheitliche Kontrolle im Rahmen der Schubhaft durchgeführt wird. Falls Haftuntauglichkeit eintritt, wäre der BF jedenfalls sofort zu enthaften.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:

„§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.

Zu Spruchteil A)

Zu Spruchpunkt I. (Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft):

3.2. Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann immer nur dann verhältnismäßig sein, wenn mit der Möglichkeit einer Abschiebung auch tatsächlich zu rechnen ist. Ergibt sich, dass diese fremdenpolizeiliche Maßnahme innerhalb der Schubhafthöchstdauer nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden bzw. ist – wenn sich das erst später herausstellt – umgehend zu beenden (VwGH 28.08.2012, 2010/21/0517; 19.04.2012, 2009/21/0047).

Im Fall eines ersten Folgeantrages ist ein Fremder vor einer gerichtlichen Bestätigung nach § 22 BFA-VG im Lichte der Verfahrensrichtlinie (RL 2013/32/EU) nach wie vor Asylwerber, dem ein Bleiberecht zukommt. Das steht einer Schubhaft auf der Grundlage von § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG entgegen. Im Fall eines ersten Folgeantrages kann vor einer gerichtlichen Bestätigung nur das Vorliegen von Missbrauchsabsicht iSd Art. 41 Abs. 1 lit. a der Verfahrens-RL zu einem anderen Ergebnis führen (jüngst VwGH 15.02.2021, Ra 2020/21/0094).

3.3. Zur Frage der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und der Anhaltung in Schubhaft seit 21.04.2021:

Die verfahrensgegenständliche Beschwerde geht in ihren Ausführungen davon aus, die belangte Behörde hätte den bekämpften Bescheid auf eine falsche Rechtsgrundlage gestellt.

Dem muss unter Zugrundelegung der oben zitierten höchstgerichtlichen Judikatur entgegengehalten werden, dass es sich bei dem Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 16.03.2021 nicht um den ersten, sondern bereits um den zweiten Folgeantrag auf internationalen Schutz gehandelt hat (siehe dazu die Feststellungen). Die belangte Behörde hat in dem bekämpften Bescheid – wie oben dargelegt – unter anderem auch die Mißbrauchsabsicht des BF bei der Folgeantragsstellung vom 16.03.2021 in ihre Entscheidung einbezogen. Die Beschwerdebehauptung geht sohin insgesamt ins Leere.

Die „Fluchtgefahr“ ist in Österreich in § 76 Abs. 3 FPG (wie oben unter 3.2. wiedergegeben) gesetzlich definiert.

Die belangte Behörde begründete die festgestellte Fluchtgefahr mit § 76 Abs. 3 Z 1, 3, 4,5 und 9 FPG.

Dem kann seitens des erkennenden Gerichts nicht entgegengetreten werden.

Auf Grund seiner oben dargelegten Erwägungen ging das Bundesamt zutreffend davon aus, dass im Falle des Beschwerdeführers insgesamt Fluchtgefahr in einem die Anordnung der Schubhaft rechtfertigenden Ausmaß besteht.

3.4. Auf Grund der festgestellten Fluchtgefahr konnte auch nicht mit der Anwendung gelinderer Mittel das Auslangen gefunden werden:

Dem Bundesamt ist darin beizupflichten, dass sich im Falle des BF weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen, dies bereits aufgrund mangelnder Vertrauenswürdigkeit des BF wie oben ausgeführt.

Überdies gab es bei Anordnung der Schubhaft keine erkennbaren Hinweise auf eine Haftunfähigkeit des BF.

Das erkennende Gericht geht auch davon aus, dass die angeordnete Schubhaft bereits aufgrund der der oben beschriebenen Vertrauensunwürdigkeit des BF in der Vergangenheit das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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