TE Vwgh Erkenntnis 1997/3/17 92/17/0164

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Veröffentlicht am 17.03.1997
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Index

L10018 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt Vorarlberg;
L37298 Wasserabgabe Vorarlberg;
L69308 Wasserversorgung Vorarlberg;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
41/02 Melderecht;

Norm

B-VG Art117 Abs1 litc;
B-VG Art117 Abs7;
B-VG Art18;
GdG Vlbg 1985 §27 Abs2;
MeldeG 1991 §1;
VwRallg;
WasserleitungsO Bürserberg 1962;
WasserleitungsONov Bürserberg 1977;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde der XY-Gesellschaft m.b.H. in B, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 9. April 1992, Zl. IIIa-222/0, betreffend Wasseranschlußgebühren (mitbeteiligte Partei: Gemeinde N, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der Gemeinde N Aufwendungen in der Höhe von S 6.072,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles ist auf das

hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1989, Zl. 87/17/0021, zu verweisen. Mit diesem Erkenntnis hob der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Vorstellungsbescheid der belangten Behörde vom 19. August 1985 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf, da die belangte Behörde Verfahrensmängel im Gemeindeverfahren nicht wahrgenommen hatte.

Im gemeindebehördlichen Verwaltungsverfahren ging es um die Vorschreibung der Wasseranschlußgebühr gemäß den §§ 3, 5 und 6 der Wasserleitungsordnung (WLO) für die öffentliche Wasserversorgung der mitbeteiligten Gemeinde. Die Gemeindebehörden beriefen sich auf § 5 Abs. 1 lit. a WLO, wonach "für Appartementhäuser (Zweitwohnungen u.dgl.) eine Mindestanschlußgebühr von S 100.000,-- und pro Wohnungseinheit S 20.000,--" zu entrichten seien. Maßgeblicher Aufhebungsgrund im genannten Erkenntnis war, daß die Gemeindebehörden keine ausreichenden Feststellungen dahingehend getroffen hatten, ob vom Vorliegen von Appartementhäusern ausgegangen werden könnte.

Aufgrund des genannten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes wurde der letztinstanzliche Gemeindebescheid von der Vorstellungsbehörde aufgehoben. Nachdem die Abgabenberufungskommission der mitbeteiligten Gemeinde nicht rechtzeitig einen Ersatzbescheid erlassen hatte, erhob die Beschwerdeführerin zunächst Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Nach Ergehen des ausstehenden Berufungsbescheides innerhalb der vom Verwaltungsgerichtshof im Verfahren über die Säumnisbeschwerde gesetzten Frist, wurde das Verfahren über die Säumnisbeschwerde mit Beschluß vom 14. August 1991, Zl. 91/17/0036-9, eingestellt.

Gegen den Berufungsbescheid der Abgabenkommission der mitbeteiligten Gemeinde vom 10. Juni 1991, ausgefertigt mit Datum 12. Juni 1991, erhob die Beschwerdeführerin Vorstellung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Vorstellung keine Folge. Begründend führt die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens insbesondere aus, daß der durchschnittliche Wasserverbrauch pro Wohnung in der gegenständlichen Wohnanlage 38,94 m3 jährlich betrage. Dieser Verbrauch sei in den Monaten September 1989 bis September 1990 ermittelt worden. Demgegenüber liege der durchschnittliche Wasserverbrauch pro Haushalt in der mitbeteiligten Gemeinde bei ca. 100 m3. Die Abgabenkommission der mitbeteiligten Gemeinde habe die Tatsache, daß die durchschnittliche Wasserverbrauchsmenge in der verfahrensgegenständlichen Wohnanlage gegenüber anderen Haushalten in der Gemeinde deutlich reduziert sei, als weiteren Hinweis dafür gewertet, daß die Wohnungen als Ferienwohnungen Verwendung fänden. Das Gemeindeamt der mitbeteiligten Gemeinde habe überdies an sämtliche Wohnungseigentümer der gegenständlichen Wohnanlage Fragebögen mit nachstehenden Fragen versendet:

a)

Ordentlicher Wohnsitz in?

b)

Nutzfläche der Wohnung?

c)

Die Wohnung ist vermietet an?

d)

Ist die Wohnung längerfristig vermietet?

e)

Wird die Wohnung als Zweitwohnung für Wochenende, Urlaub oder sonst nur zeitweilig benützt?

f)

Wird die Wohnung zur Deckung eines ganzjährig gegebenen Wohnbedarfes benützt?

Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 21. Dezember 1989, Zl. 87/17/0021, ausgesprochen, daß dritte Personen als Zeugen in Verfahren nach den §§ 69 ff des Abgabenverfahrensgesetzes zu vernehmen seien, wenn mit Hilfe der Einvernahme Dritter ein Beweismittel erhöhter Aussagekraft (insbesondere bei voraussehbaren oder bestehenden gegensätzlichen Auffassungen) gewonnen werden solle. Die im Fragebogen gestellten Fragen richteten sich an die einzelnen Wohnungseigentümer und zielten darauf ab zu erheben, wie die Wohnungen von den einzelnen Wohnungseigentümern genützt würden. Eine zeugenschaftliche Einvernahme der Wohnungseigentümer sei nach Ansicht der belangten Behörde nicht notwendig gewesen, da kein Beweismittel erhöhter Aussagekraft gewonnen werden sollte. Jeder Wohnungseigentümer sollte lediglich bezüglich der ihm gehörenden Wohnung mitteilen, wie diese genutzt werde. Die versandten Fragebögen hätten auch nicht den Eindruck erweckt, daß eine Person nur einen einzigen ordentlichen Wohnsitz begründen könne, weil jeder Wohnungseigentümer die Möglichkeit gehabt hätte, zwei oder mehrere ordentliche Wohnsitze anzuführen. Bei der Beurteilung, ob "Appartementhäuser" vorliegen, könne die Tatsache, ob und von wie vielen Wohnungseigentümern die Wohnung tatsächlich als Zweitwohnsitz verwendet werde, höchstens ein zusätzliches Indiz liefern. Weit wichtiger seien die Fragen nach der Nutzfläche der Wohnung, ob die Wohnung als Zweitwohnung für Wochenende, Urlaub oder sonst nur zeitweilig genützt oder die Wohnung zur Deckung eines ganzjährig gegebenen Wohnbedarfes genützt werde. Zur Beantwortung dieser Fragen sei nach Auffassung der belangten Behörde der Fragebogen geeignet.

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes lasse sich eine Zweitwohnung (Ferienwohnung) als Wohnung definieren, die nicht ständig zur Deckung eines ganzjährig gegebenen Wohnbedarfes diene, sondern nur während des Wochenendes, des Urlaubes, der Ferien oder sonst nur zeitweilig benützt werde. Ob dies zutreffe, sei nach Lage, Ausgestaltung, Einrichtung sowie Eigentums- oder Bestandverhältnissen zu beurteilen. Als Appartementhaus sei ein Gebäude anzusehen, das in der Mehrzahl oder sogar zum Großteil solche Wohnungen enthalte. Dabei komme es auf den Gesamtcharakter der Anlage an. Daraus ergebe sich, daß es bei der Beurteilung, ob die verfahrensgegenständlichen Häuser Appartementhäuser seien, grundsätzlich auf objektive Kriterien ankomme.

Der Planer der Wohnanlage, Ing. WM, sei als Zeuge einvernommen worden. Er habe ausgesagt, daß er grundsätzlich nicht zwischen einer normalen Wohnanlage und einer Ferienwohnanlage unterscheide. Es sei immer der Gedanke bei der Planung einer Wohnanlage in einer Fremdenverkehrsgemeinde, Ferienwohnungen einzuplanen, die größtenteils zwischen 30 und 50 m2 Größe aufweisen sollten (Ein- und Zweizimmerwohnungen). Bei 36 Wohnungen könne nicht erwartet werden, daß alle von Ortsansässigen gekauft würden. Bezüglich der Lage, der Ausstattung und der Ausgestaltung sowie des Grundrisses der Wohnung bestünden zwischen Ferienwohnungen und ständigen Wohnungen kein Unterschied. Sein Auftrag sei es gewesen, eine Wohnanlage zu planen, wobei die Nutzung der Wohnanlage nur mit der Planung nicht erschöpfend beantwortet werden könne.

In der Gemeinde N hätten sich 150 Haushalte befunden. Die Errichtung von 36 neuen Wohnungen bedeutete, daß im Verhältnis zu den bereits bestehenden Haushalten 24 % des Wohnbestandes neu errichtet worden seien. Es sei auszuschließen, daß der überwiegende Teil dieser Wohnungen von Ortsansässigen bezogen würde. Vielmehr sei es aufgrund der Tatsache, daß die Gemeinde N eine typische Fremdenverkehrsgemeinde sei, naheliegend, daß diese Wohnungen überwiegend für Personen gebaut worden seien, die sich dort nur während des Wochenendes oder im Urlaub aufhielten.

22 der 36 Wohnungen hätten eine Wohnnutzfläche von weniger als 53 m2. Wohnungen, die der Abdeckung eines ganzjährigen Wohnbedürfnisses dienen und eine Nutzfläche von weniger als 53 m2 haben, mögen in Stadtgemeinden eine ortsübliche Größe haben, in einer Landgemeinde wie N, die locker verbaut sei, stellten sie einen Fremdkörper dar. Die Tatsache, daß der überwiegende Teil der verfahrensgegenständlichen Wohnanlage aus solchen ortsunüblichen Kleinwohnungen bestehe, sei ein objektives Kriterium für die Einstufung als Appartementhaus. Tatsächlich hätten 27 der 36 Wohnungseigentümer anläßlich der Befragung angegeben, daß sie ihre Wohnung als Zweitwohnung für Wochenende, Urlaub oder sonst nur zeitweilig benützten.

Als zusätzliches Indiz für die Einstufungen der Wohnungen verwies die belangte Behörde schließlich auf die Werbemaßnahmen der Beschwerdeführerin anläßlich des Verkaufes der Wohnungen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der sich die Beschwerdeführerin im Recht verletzt erachtet, Wasseranschlußgebühren nur im gesetzlich vorgesehenen Ausmaß entrichten zu müssen.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und ebenso wie die mitbeteiligte Gemeinde eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Für die im ersten Rechtsgang mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 5. Juli 1979 (erstmals) vorgeschriebene Wasseranschlußgebühr ist die Verordnung der mitbeteiligten Gemeinde vom 3. August 1977 über eine Änderung der Wasserleitungsordnung für die öffentliche Wasserversorgung der Gemeinde B maßgeblich.

Der im Beschwerdefall relevante Punkt hat folgenden

Wortlaut:

"Die Höhe der Wasseranschlußgebühren wird nach Art des mit

Wasser zu versorgenden Objektes wie folgt bemessen:

...

    FÜR APPARTEMENTHÄUSER

    (ZWEITWOHNUNGEN U.DGL.):   Mindestanschluß-

                               gebühr:           S 100.000,--

                               und pro Wohnungs-

                               einheit           S  20.000,--

    ..."

Die Beschwerdeführerin wendet sich in der Beschwerde gegen die neuerliche Qualifizierung der Häuser der gegenständlichen Wohnanlage als Appartementhäuser.

Die Beschwerdeführerin bringt insbesondere vor, daß weder die Abgabenkommission noch die belangte Behörde Feststellungen über die Lage der Wohnungen und über die Nationalität der Wohnungseigentümer und Bestandnehmer getroffen hätten. Es fehlten auch Feststellungen darüber, ob die Wohnanlage die für Ferienwohnanlagen übliche Infrastruktur (Hallenschwimmbad, Sauna, Freizeiträume usw.) aufweise und wie die einzelnen Wohnungen ausgestaltet und eingerichtet seien.

Die Baubehörde habe im Zuge des Bauverfahrens keine Bewilligung der Gemeindevertretung und der Landesregierung gemäß § 14 Abs. 6 Raumplanungsgesetz eingeholt. Dies sei ein Indiz dafür, daß es sich bei den gegenständlichen Gebäuden nicht um Appartementhäuser handle.

Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem bereits mehrfach zitierten Erkenntnis vom 21. Dezember 1989 klargestellt, daß es bei der Beurteilung, ob Appartementhäuser (Zweitwohnungen u. dgl.) vorliegen, grundsätzlich auf objektive Kriterien ankomme. Ob und von wie vielen Wohnungseigentümern die Wohnungen tatsächlich als Zweitwohnsitze verwendet würden, könne höchstens ein zusätzliches Indiz für die Einstufung der Wohnungen liefern. Die Abgabenkommission der mitbeteiligten Gemeinde hätte sich nicht an diese Grundsätze gehalten und ihr Ermittlungsverfahren auf die Feststellung der tatsächlichen Verwendung der einzelnen Wohnungen konzentriert. Es seien lediglich Wohnungsgröße sowie die Eigentums- und Bestandverhältnisse ermittelt worden.

Wenn die Abgabenkommission darauf hinweise, daß 22 von 36 Wohnungen eine Wohnnutzfläche von weniger als 53 m2 aufwiesen, sodaß in der Wohnanlage kleinere Wohnungen vorhanden seien, welche zur Deckung eines ganzjährigen Wohnbedarfes "eher weniger gut geeignet" seien, so sei dies unschlüssig. Es sei völlig unerfindlich, weshalb eine komplett eingerichtete Wohnung mit einer Nutzfläche von 53 m2 für die Deckung eines ganzjährigen Wohnbedarfes "eher weniger gut geeignet" sein solle. Da 24 von 36 Wohnungen der Anlage eine Fläche von mehr als 45 m2 hätten, seien ca. 66 % der Wohnungen keine Kleinwohnungen.

Hinsichtlich der Feststellungen zum Wasserverbrauch wird ausgeführt, daß nicht ersichtlich sei, auf welche Verfahrensergebnisse sich die Feststellungen stützten. Falls diesbezügliche Erhebungen gepflogen worden seien, seien sie der Beschwerdeführerin nicht bekanntgegeben worden, sodaß eine Verletzung des Parteiengehörs vorliege. Im übrigen seien die Feststellungen über den Wasserverbrauch irrelevant. Der festgestellte Wasserverbrauch sei kein Indiz für die rechtliche Qualifikation der Wohnanlage.

Geltend gemacht wird weiters, daß die Beschwerdeführerin beantragt habe, die schriftlich befragten Wohnungseigentümer und Mieter vorzuladen; der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 21. Dezember 1989 klargestellt, daß dritte Personen als Zeugen zu vernehmen seien, wenn zum Beweisthema gegensätzliche Auffassungen bestünden. Wären die Wohnungseigentümer und Mieter zeugenschaftlich einvernommen worden, hätte sich herausgestellt, daß sie sich in der Wohnanlage mit der Absicht niedergelassen hätten, dort einen Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen zu begründen. Die von der Gemeinde versendeten Fragebögen seien mißverständlich und irreführend gestaltet, da sie den Eindruck erweckten, daß eine Person nur einen einzigen ordentlichen Wohnsitz begründen könne. Aus diesem Grund sei die Verwertung dieser Fragebögen unzulässig und eine zeugenschaftliche Einvernehmung der Wohnungseigentümer umso dringender geboten gewesen. Wenn im Bescheid der Abgabenkommission vom 12. Juni 1991 darauf hingewiesen werde, daß 27 Eigentümer die Frage ob die Wohnung zur Deckung eines ganzjährigen Wohnbedarfes benützt werde, mit Nein beantwortet hätten, rechtfertige dies keinesfalls den Schluß, daß die Wohnungen Zweitwohnungen seien. Ebenso könnten die anderen Wohnungen der Wohnungseigentümer Zweitwohnungen sein.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen.

Wie die belangte Behörde richtig erkannt hat, ergibt sich aus dem oben genannten Vorerkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Dezember 1989 insbesondere, daß der Begriff der Zweitwohnung dahingehend zu verstehen ist, daß sie nicht ständig der Deckung eines ganzjährig gegebenen Wohnbedarfes diene, sondern nur während des Wochenendes, des Urlaubes, der Ferien oder sonst nur zeitweilig benützt werde. Der Verwaltungsgerichtshof hat darauf hingewiesen, daß die Beurteilung, ob dies zutreffe, nach Lage, Ausgestaltung, Einrichtung sowie den EIGENTUMS- ODER BESTANDVERHÄLTNISSEN zu beurteilen sei. Wenn in der Beschwerde nun gerügt wird, daß keine Feststellungen zur Lage der Wohnanlage getroffen worden seien, so ist darauf hinzuweisen, daß die vom Verwaltungsgerichtshof genannten Kriterien jeweils für sich Indizien für das Vorliegen von Ferienwohnungen bzw. Zweitwohnungen darstellen, die auch nach dem Vorerkenntnis nicht in jedem Fall alle in einer bestimmten Ausprägung vorhanden sein müßten. Bei der Auslegung unbestimmter Gesetzesbegriffe muß vielmehr durchaus auch unter der Geltung des Art. 18 B-VG mitunter aus der Wertung verschiedener Sachverhaltselemente im Sinne der auf Wilburg zurückgehenden Lehre vom beweglichen System (hier insbesondere in einer Übertragung der Grundgedanken dieser Auslegungslehre auf das Problem der Wortinterpretation) eine möglichst vollständige Erfassung aller für oder gegen eine Subsumtion unter einen Rechtsbegriff (hier: der Zweitwohnung im Sinne der maßgeblichen Abgabenvorschriften) sprechenden Sachverhaltselemente versucht werden, ohne daß die bei einer abstrakten Aufzählung, welche Kriterien hiebei maßgeblich sein könnten, genannten Umstände in jedem Fall (und in jedem Fall in der gleichen Weise) vorliegen müßten (vgl. z.B. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. Auflage, 529, ders., Bewegliches System und Juristische Methodenlehre, in: Bydlinski (Hrsg.), Das bewegliche System im geltenden und künftigen Recht, 21). In diesem Sinne ist auch die Aufzählung der Kriterien, die für das Vorliegen einer Zweitwohnung im Sinne der WLO der mitbeteiligten Gemeinde sprechen könnten, im zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zu verstehen. Wenn der Verwaltungsgerichtshof im Vorerkenntnis darauf hingewiesen hat, zu welchen Fragen die Behörden keine Erhebungen gepflogen hatten, ist daraus nicht zu schließen, daß die Qualifikation als Zweitwohnung nur dann angenommen werden könnte, wenn zu allen vom Verwaltungsgerichtshof als möglicherweise ausschlaggebend genannten Fragen detaillierte Beweisergebnisse vorliegen. Vor allem läßt sich die Frage, ob eine Zweitwohnung vorliegt, nicht in der in der Beschwerde vertretenen Weise auf "objektive" Faktoren wie Wohnungsgröße und Ausstattung allein reduzieren. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Vorerkenntnis durch den Hinweis auf die Bedeutung der Eigentums- und Bestandverhältnisse und die Notwendigkeit, den Gesamtcharakter der Anlage zu beurteilen, klargestellt. Ganz abgesehen davon ist das Element der "Lage" im vorliegenden Zusammenhang nicht ausschließlich auf die Situierung im jeweiligen Gemeindegebiet zu beziehen, sondern kann im Zusammenhalt mit demographischen Faktoren, wie sie im fortgesetzten Verfahren erhoben und im Bescheid sowohl der Gemeindebehörde als auch der belangten Behörde festgehalten wurden, im Einzelfall bereits aus der Situierung in einer Kleingemeinde wie der mitbeteiligten Gemeinde im Zusammenhalt mit dem dort gegebenen Wohnungsbedarf auf das Vorliegen von Zweitwohnungen geschlossen werden, wenn - wie im Beschwerdefall - auch die übrigen Ermittlungsergebnisse nicht nur NICHT GEGEN DIESE ANNAHME SPRECHEN, SONDERN DIESE noch wesentlich ERHÄRTEN. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf die von den Gemeindebehörden getroffenen Feststellungen zum Verhältnis der Anzahl der Wohnungen in der beschwerdegegenständlichen Anlage zur Gesamtzahl der Haushalte in der mitbeteiligten Gemeinde (1:4) und auf die erhobenen Eigentumsverhältnisse hinzuweisen, auf die nach dem Vorerkenntnis - entgegen der Darstellung in der Beschwerde - sehr wohl abzustellen ist. An der in der Beschwerde zitierten Stelle des Vorerkenntnisses wird im übrigen - was der von der Beschwerdeführerin vertretenen Auffassung zuwiderläuft - zum Ausdruck gebracht, daß ein Appartementhaus bei Vorliegen der objektiven Kriterien selbst dann ein Appartementhaus sein könnte, wenn die Wohnungen ausnahmsweise sogar - zumindest teilweise - als Wohnsitz zur Befriedigung eines ganzjährigen Wohnbedürfnisses verwendet werden sollten. Im Hinblick auf entsprechende Ausführungen in der Beschwerde sei auch betont, daß sich weder aus der WLO noch aus dem mehrfach genannten Vorerkenntnis ableiten läßt, daß Zweitwohnungen etwa nur vorlägen, wenn die Eigentümer der Wohnungen oder die Nutzungsberechtigten nicht österreichische Staatsbürger seien. Auch allfällige diesbezügliche Feststellungsmängel stellen daher keine wesentlichen Verfahrensmängel dar, da es für die Qualifikation als Wohnung, die nicht für die Deckung eines ganzjährigen Wohnbedürfnisses verwendet wird, nicht maßgeblich ist, ob der Eigentümer oder Mieter Inländer oder Ausländer ist; daß aus dem Umstand, daß die Wohnungen im Eigentum von Ausländern sind oder an Ausländer vermietet sind, eher auf die Qualifikation als Zweitwohnung geschlossen werden kann als sonst, ändert nichts an der Tatsache, daß auch Inländer Benützer von Zweitwohnungen sein können.

Entscheidungswesentlich ist ferner, daß die vom Verwaltungsgerichtshof im Vorerkenntnis angegebenen Kriterien NICHT etwa auch das Vorliegen eines ORDENTLICHEN WOHNSITZES im Sinne der früheren Rechtslage (vor der B-VG-Novelle 1991, BGBl. Nr. 565; vgl. etwa die den Verfassungsbegriff des ordentlichen Wohnsitzes im Wege der Versteinerung im Sinne des § 66 Abs. 1 JN auslegende Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu Art. 26, Art. 95 Abs. 1 und Art. 117 B-VG, VfSlg. 1327/1930 und 1994/1950, oder Häußl, Ist der Landesgesetzgeber zuständig, den Begriff "ordentlicher Wohnsitz" selbständig zu regeln, ÖJZ 1985, 750) umfassen. Wenn nach dieser Rechtslage jemand an mehreren Orten seinen ordentlichen Wohnsitz begründen konnte, schloß das nicht aus, daß einer dieser Wohnsitze eine "Zweitwohnung" im Sinne der hier maßgeblichen Vorschriften betreffend Wassergebühren sein konnte. Wenn in der Beschwerde daher darauf hingewiesen wird, daß der von der Gemeinde versendete Fragebogen insoweit mißverständlich gewesen sei, als er den Eindruck erweckt hätte, daß man lediglich EINEN ordentlichen Wohnsitz haben könne, so kann dies - wie auch die belangte Behörde zutreffend erkannt hat - im Hinblick darauf, daß dieses Kriterium nicht maßgeblich ist, dahingestellt bleiben (es ist daher nicht erheblich, ob die entsprechende Frage tatsächlich irreführend gestellt war, oder ob dies - wie die belangte Behörde meint - im Hinblick auf die Möglichkeit, mehrere ordentliche Wohnsitze anzugeben, nicht der Fall war). Gleichgültig, ob eine Wohnung als ordentlicher Wohnsitz im Sinne der früheren Rechtslage gelten konnte, konnte sie gleichzeitig im Sinne der hier maßgeblichen Vorschriften eine Ferienwohnung bzw. Zweitwohnung darstellen (vgl. nunmehr die Begriffe Wohnsitz und Hauptwohnsitz in § 1 Abs. 6 und 7 Meldegesetz, BGBl. Nr. 9/1992, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 549/1995, und Art. 26 Abs. 2 B-VG einerseits, Art. 95 Abs. 1 B-VG andererseits, die sämtliche im Beschwerdefall, in dem der letztinstanzliche Gemeindebescheid im Juni 1991 erging, noch nicht anwendbar waren; in Art. 95 Abs. 1 B-VG wird die Wahlberechtigung zum Landtag NICHT auf das Bestehen eines Hauptwohnsitzes im Bundesland eingeschränkt). Wenn in der Beschwerde geltend gemacht wird, daß zu diesem Thema die Wohnungseigentümer bzw. Bestandnehmer zeugenschaftlich zu vernehmen gewesen wären, zeigt die Beschwerde somit keinen wesentlichen Verfahrensmangel auf.

Entscheidendes Beweisthema im Verwaltungsverfahren hatte nicht zu sein, ob die Wohnungseigentümer bzw. Bestandnehmer in der gegenständlichen Wohnanlage ordentliche Wohnsitze begründet hatten, sondern ob sie die Wohnungen für die BEFRIEDIGUNG EINES GANZJÄHRIGEN WOHNBEDÜRFNISSES benutzten. Zu dieser Frage liegen aufgrund der Antworten zu den Fragebögen in Verbindung mit den übrigen Verfahrensergebnissen ausreichende Beweisergebnisse vor. (Nur der Vollständigkeit halber ist über den Beschwerdefall hinaus festzuhalten, daß es auch im Hinblick auf die neue Rechtslage auf Verfassungsebene und im Melderecht für die Auslegung der WLO der mitbeteiligten Gemeinde nicht darauf ankommt, ob etwa ein Wohnsitz im Sinn des § 1 Abs. 6 Meldegesetz 1991 vorliegt, da auch dann, wenn dies bei einer überwiegenden Zahl der Wohnungen einer Anlage der Fall sein sollte, im Hinblick auf die übrigen, im Vorerkenntnis genannten Kriterien ein Appartementhaus vorliegen kann).

Die in diesem Zusammenhang in der Beschwerde enthaltene Feststellung, es könnten die jeweils anderen Wohnungen der Wohnungseigentümer Zweitwohnungen sein, ist in dieser Allgemeinheit nicht zu widerlegen, zumal jemand auch mehr als zwei Wohnungen besitzen bzw. benützen kann und somit mehrere Zweitwohnungen innehaben kann. Maßgeblich ist jedoch nur, welche Qualifikation die beschwerdegegenständlichen Wohnungen aufweisen. Es wird bei diesem Einwand auch übersehen, daß an die Wohnungseigentümer mehrere Fragen gerichtet wurden. Die Fragen an die Wohnungseigentümer gingen u.a. dahin, ob sie die Wohnung als Zweitwohnung am Wochenende bzw. im Urlaub benützten und ob sie die Wohnung zur Deckung eines ganzjährig gegebenen Wohnbedarfes benützen. Es wurde der Beschwerdeführerin auch im Verwaltungsverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Beweisergebnissen (unter Wiedergabe der Antworten der Wohnungseigentümer auf die einzelnen Fragen) gegeben, wobei der Beschwerdeführerin auch bekanntgegeben wurde, daß 29 der Eigentümer in der Anlage nicht erreichbar seien. Die Beschwerdeführerin reagierte auf dieses Schreiben mit dem Antrag, die Wohnungseigentümer zeugenschaftlich zu vernehmen.

In der Beschwerde wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf die diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes im Vorerkenntnis die zeugenschaftliche Vernehmung der Wohnungseigentümer beantragt hätte. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Vorerkenntnis unter Berufung auf Stoll, BAO-Handbuch, 391, ausgeführt, daß dann, wenn mit Hilfe der Aussage Dritter ein Beweismittel erhöhter Aussagekraft (insbesondere bei voraussehbaren oder bestehenden gegensätzlichen Auffassungen) gewonnen werden solle, dritte Personen als Zeugen im Sinn des §§ 69ff AbgVG zu vernehmen sein würden. Dazu ist darauf hinzuweisen, daß die im Vorerkenntnis zum Ausdruck gebrachte Auffassung eine verfahrensrechtliche Regel formuliert, deren Nichtbeachtung im fortgesetzten Verfahren gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit c VwGG zur Aufhebung des Bescheides führen muß, wenn der in der Mißachtung dieser Regel liegende Verfahrensmangel wesentlich ist. Die Beschwerdeführerin bringt nun nichts vor, zu welchen anderen Ergebnissen bei Durchführung einer formellen zeugenschaftlichen Einvernahme an Stelle der informellen Befragung die belangte Behörde hinsichtlich der Benützung durch die Wohnungseigentümer kommen hätte können.

Strittig ist im Beschwerdefall auch nach dem Beschwerdevorbringen nicht die Art und Weise der tatsächlichen Benützung der Wohnungen, sondern die rechtliche Qualifikation des von den Gemeindebehörden und der belangten Behörde festgestellten Sachverhaltes; im Gegensatz zur belangten Behörde (und den Gemeindebehörden) geht die Beschwerdeführerin, wie auch der oben erwähnte Beweisantrag "zum Beweise dafür, daß sie (d.s. die Wohnungseigentümer) sich in B niedergelassen haben mit der Absicht, dort einen Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen zu begründen" zeigt, davon aus, daß die Benutzung der Wohnungen durchaus als Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes im Sinn des § 66 JN qualifiziert werden kann. Dies ist jedoch, wie oben dargestellt, nicht die im Beschwerdefall maßgebliche Rechtsfrage. Es ist daher (insbesondere unter Berücksichtigung der übrigen vorliegenden Beweisergebnisse wie der zeugenschaftlichen Einvernahme des planenden Baumeisters, der Feststellungen der Gemeindebehörden zur Nicht-Erreichbarkeit der überwiegenden Zahl der Wohnungseigentümer in der gegenständlichen Anlage) nicht ersichtlich, zu welchem anderen Beweisergebnis die Gemeindebehörde bei Durchführung der zeugenschaftlichen Einvernahme der als Auskunftspersonen befragten Wohnungseigentümer kommen hätte können. Die Beschwerde vermag daher keinen vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Verfahrensmangel aufzuzeigen.

Soweit in der Beschwerde die Rechtmäßigkeit der Durchführung der Vernehmung des planenden Baumeisters durch den Gemeindesekretär der mitbeteiligten Gemeinde bestritten wird, da dem Gemeindesekretär keine Behördenqualität zukomme, genügt es auf Art. 117 Abs. 7 B-VG hinzuweisen, demzufolge die Geschäfte der Gemeinde durch das Gemeindeamt geführt werden. Abgesehen davon, daß damit eine ausdrückliche verfassungsrechtliche Grundlage für den Hilfsapparat der Gemeindeorgane, zu denen gemäß Art. 117 Abs. 1 lit. c B-VG der Bürgermeister zählt, besteht, gibt die Vorarlberger Gemeindeordnung - worauf die mitbeteiligte Gemeinde hingewiesen hat - dem Bürgermeister ausdrücklich die Möglichkeit, Bediensteten der Gemeinde die Befugnis zu übertragen, in seinem Namen Amtshandlungen vorzunehmen. Selbst wenn man somit die Befugnis zur Vornahme von Verfahrenshandlungen an das Bestehen einer Approbationsbefugnis knüpfen wollte, ist im Beschwerdefall diesbezüglich keine Rechtswidrigkeit festzustellen (zur Zuständigkeit zur Ergänzung des Ermittlungsverfahrens im Berufungsverfahren vgl. § 121 Abs. 3 AbgVG).

Bei den vorliegenden Verfahrensergebnissen ist es im übrigen zutreffend - wie auch in der Beschwerde ausgeführt wird -, daß dem Wasserverbrauch in der gegenständlichen Wohnanlage keine ausschlaggebende Bedeutung zukommt. Etwaige Verfahrensmängel in diesem Zusammenhang (wie die Nichteinräumung des Parteiengehörs zu den Feststellungen betreffend den Wasserverbrauch) erweisen sich daher nicht als wesentlich. Im übrigen ist jedoch die diesbezügliche Verfahrensrüge der Beschwerde insoferne aktenwidrig, als der Beschwerdeführerin zu den Feststellungen bezüglich des Wasserverbrauches das Parteiengehör auf Gemeindeebene mit Schreiben vom 18. April 1991 eingeräumt wurde. Eine Verletzung des Parteiengehörs liegt daher insofern nicht vor.

Die behaupteten Rechtsverletzungen liegen somit nicht vor. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich - hinsichtlich der mitbeteiligten Gemeinde im Rahmen des Antrages - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Auslegung Allgemein authentische Interpretation VwRallg3/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1992170164.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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