Entscheidungsdatum
08.06.2021Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
I414 2235302-1/17E
SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 30.04.2021 MÜNDLICH VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES.
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Vorsitzender und den Richter Dr. Harald NEUSCHMID sowie den fachkundigen Laienrichter Dr. Ludwig RHOMBERG als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch die Arbeiterkammer Tirol, Maximilianstraße 7, 6010 Innsbruck, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Tirol (SMS) vom 03.08.2020, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30.04.2021, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
XXXX (in der Folge als Beschwerdeführer bezeichnet) beantragte am 30.04.2020 die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in seinen Behindertenpass.
Mit Sachverständigengutachten aufgrund der Aktenlage wurde am 27.07.2020 von Dr. S. hinsichtlich der Zusatzeintragung ausgeführt: „[…] berichtet der Patient seit den letzten Wochen zunehmend immer wieder über Attacken von plötzlichem Stuhldrang. Dies kann unvermittelt auftreten, ohne vorherige Warnungen und benötigt eine Toilette innerhalb von weniger Minuten, ansonsten kann der Patient den Stuhl nicht halten. Zur Evaluierung einer Stenose oder entzündlichen Darmerkrankung wird eine Koloskopie vereinbart. Trotz der beschriebenen funktionellen Einschränkungen kann nicht von einem Dauerzustand ausgegangen werden, zumal die Beschwerden bisher nicht vollständig abgeklärt wurden (ein Koloskopiebefund, insbesondere auch ein Befund über die Ausschöpfung sämtlicher Therapieoptionen liegen nicht vor). Zusammenfassend kann weiterhin davon ausgegangen werden, dass kurze Wegstrecken zurücklegbar sind, das Ein- und Aussteigen ist möglich. Ein sicherer Transport nach Ausschöpfung sämtlicher möglicher Therapieoptionen ist mit hoher Wahrscheinlichkeit gewährleistet.“
Auf Grundlage dieses Gutachtens wurde der Antrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 03.08.2020 abgewiesen. Dagegen richtet sich die Beschwerde vom 15.09.2020, mit der ein weiteres ärztliches Attest sowie ein onkologischer Arztbrief vorgelegt wurden.
Vom Bundesverwaltungsgericht wurde Dr. G. mit der Erstellung eines Ergänzungsgutachtens unter Einbeziehung des Beschwerdevorbringens beauftragt. Nach persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers beantwortete der Sachverständige die von erkennenden Gericht gestellten Fragen ausführlich. Das Gutachten des Dr. G. vom 23.10.2020 wurde den Verfahrensparteien zur Kenntnis gebracht, von der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme wurde seitens des Beschwerdeführers Gebrauch gemacht. In seiner Eingabe vom 01.02.2021 gab er zu bedenken, dass Geruch und Verschmutzung nie zu 100% verhindert werden könnten.
Am 30.04.2021 fand eine mündliche Beschwerdeverhandlung im Beisein des Beschwerdeführers, seiner Rechtsvertretung und des Amtssachverständigen statt.
Nach dem Schluss der Verhandlung wurde das Erkenntnis mündlich verkündet.
Mit Eingabe vom 10.05.2021 bzw. nach dem Schluss der Beschwerdeverhandlung beantragte der Beschwerdeführer die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht nachstehender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest:
Der Beschwerdeführer ist am XXXX geboren und hat seinen Wohnsitz in Österreich. Er ist in Besitz eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 60%.
Folgende Funktionseinschränkung liegt beim Beschwerdeführer vor: Dickdarmkrebserkrankung, COPD I leichte Form, geringgradige Hypertonie.
Das Ein- und Aussteigen sind dem Beschwerdeführer möglich. Der sichere Transport in einem Verkehrsmittel ist nicht eingeschränkt. Des Weiteren kann er auch kurze Wegstrecken von 300-400 Meter ohne Hilfsmittel und Unterbrechung zurücklegen.
Die Stuhlinkontinenz kann mit handelsüblichen Produkten, im Speziellen Windelhosen, aufgefangen werden. Durch weiteres Training des Beckenbodens kann der Zustand auch verbessert werden. Eine schwere, anhaltende Erkrankung des Verdauungssystems liegt derzeit nicht vor.
Der Beschwerdeführer ist nicht hochgradig sehbehindert, blind oder taubblind. Es besteht keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems und trotz Vorliegens von COPD I besteht keine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zu Wohnort und Alter des Beschwerdeführers sowie zum Pass ergeben sich aus dem vorgelegten Akt der belangten Behörde und sind unstrittig.
Die Feststellungen zu den funktionellen Einschränkungen des Beschwerdeführers basieren auf dem von der belangten Behörde eingeholten Gutachten der Dr. S vom 27.07.2020. Darin wurden die vorgelegten ärztlichen Unterlagen angeführt und berücksichtigt.
Die Feststellung zur Zumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel ergibt sich ebenso aus dem oben angeführten Gutachten und insbesondere aber aus dem ergänzend eingeholten Gutachten des Dr. G.. Darin fanden auch die neuesten Befunde Berücksichtigung und zeichnet der Sachverständige ein nachvollziehbares Bild hinsichtlich der Problematik mit der angegebenen Stuhlinkontinenz. Die vom erkennenden Gericht explizit zum Vorbringen des Beschwerdeführers gestellten Fragen beantwortete der Gutachter eingehend, schlüssig und nachvollziehbar. Es wurde widerspruchsfrei dargestellt, dass zwar seit der operativen Entfernung eines Dickdarmanteiles fallweise wässriger Stuhl auftritt und nicht mehr steuerbar ist, dieser aber mit adäquaten Einlagen aufzufangen ist. Die vier- bis fünfmaligen Stuhlgänge erstrecken sich von morgens bis abends und zeigte der Beschwerdeführer die von ihm verwendeten Einlagen vor. Dabei kam der Sachverständige zum Schluss, dass es sich dabei um eine Art größere Slipeinlage handelt, die nicht geschlossen ist. Es wird vom erkennenden Senat nicht verkannt, dass eine Stuhlinkontinenz für den Beschwerdeführer eine unangenehme Belastung bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel darstellt, doch kann beim Tragen von speziell für die Stuhlinkontinenz konzipierten und handelsüblichen Windelhosen die Stuhlmenge aufgefangen werden. Durch Verwendung richtiger Hilfsmittel kann auch die psychische Belastung bei Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, wie es im ärztlichen Attest der psychiatrischen Fachärztin festgehalten wurde, zumindest verringert werden, da ein Auslaufen damit verhindert wird. Eine Möglichkeit der Verbesserung wird vom Gutachter erwartet und stützt er seine Prognose auf die nachgewiesene Therapiemethode des Beckenbodentrainings. Dr. G. führt in seinem Gutachten außerdem an, dass die Verwendung von Einlagen oder Windelhosen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht in hohem Maß erschwert und dass beim Beschwerdeführer weder erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten bestehen, noch die Funktionen der unteren Extremitäten oder die körperliche Belastbarkeit eingeschränkt sind. Die COPD I- Erkrankung ist geringgradig und schränkt die körperliche Belastbarkeit deshalb nicht erheblich ein. In Zusammenschau ergibt sich nachvollziehbar, dass der Sachverständige die Möglichkeit des Zurücklegens einer kurzen Wegstrecke, des Ein- und Aussteigens und des sicheren Transportes im Verkehrsmittel bejaht.
Dass keine schwere anhaltende Erkrankung des Verdauungssystems nach operativer Entfernung eines Dickdarmanteiles und trotz Stuhlinkontinenz vorliegt, begründet der Sachverständige schlüssig mit der vollständigen Entfernung des Darmkrebses durch Hemikolektomie.
Das Gutachten nimmt Bezug auf alle Umstände und legt die medizinische Sicht dar. Es steht mit den allgemeinen Gesetzen der Logik im Einklang, ist schlüssig und vollständig und ihm wurde nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten. Die Ausführungen in der Beschwerde beschränken sich auf die Problematik mit der Stuhlinkontinenz und wurden die weiteren Voraussetzungen wie Ein- und Aussteigen, das Bewältigen einer kurzen Wegstrecke oder der sichere Transport im Verkehrsmittel nicht bestritten. Aus diesen Gründen legt der erkennende Senat diese Gutachten unter freier Beweiswürdigung seiner Entscheidung zu Grunde.
Dass der Beschwerdeführer nicht hochgradig sehbehindert, blind oder taubblind ist und bei ihm keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems besteht, ergibt sich aus den Gutachten und ist unstrittig.
Im Übrigen wäre es dem Beschwerdeführer frei gestanden, das im Auftrag der Behörde bzw. des Gerichtes erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften bzw. zu widerlegen zu versuchen. Dies ist im gegenständlichen Verfahren nicht erfolgt (vgl. VwGH vom 26.02.2008, Zl. 2005/11/0210). Es erfolgte zwar eine Stellungnahme zum Ergänzungsgutachten, diese begnügt sich aber mit bloßen Behauptungen und wurden keinerlei Beweismittel dafür vorgelegt. Zum Vorbringen, dass „wässriger dünner Stuhl“ auch durch gummierte Windeln nicht zu 100% eingeschlossen werden kann, ist auf die Produktbeschreibung unterschiedlicher Inkontinenzeinlagen zu verweisen. Bei einem Modell (https://www.windelnkaufen.de/abri-wing-special-large-l2-guertelvorlage-bei-stuhlinkontinenz-15-stueck.html, Zugriff 09.03.2021) beispielsweise wird mit einem Gürtel und zusätzlichen Verschlüssen geworben. Damit kann der Anwender die Vorlage in der Leiste und an den Beinen besonders gut anpassen. Durch das spezielle Hüftband, liegt die Vorlage optimal am Körper an. Ein anderer Hersteller (https://www.insenio.de/p/molicare-slip-maxi-molicare-super-plus/, Zugriff 09.03.2021) sichert optimale Eignung bei schwerster Harn- und/oder Stuhlinkontinenz und bei besonders unruhigen Personen durch ein extra breites Saugkissen zu. Ein zuverlässiger Rundumschutz durch die verstärkten Saugkapazitäten und die gute Speicherleistung wird ebenso garantiert, wie der Schutz vor Rücknässung aufgrund der flüssigkeitsundurchlässigen Folienrückseite. Anzumerken ist, dass es Inkontinenzprodukte in unterschiedlichen Größen und mit verschiedenen Saugstärken gibt und diese auch in Form von Windelhöschen für einen festeren Sitz erhältlich sind.
Der Beschwerdeführer hat nicht dargelegt und haben sich in keinem der vorgelegten Befunde Hinweise darauf ergeben, dass im Falle des Beschwerdeführers aufgrund anatomischer Gegebenheiten oder aus sonstigen Gründen die am Markt erhältlichen Produkte ungeeignet wären.
Der maßgebliche Sachverhalt steht dadurch für den erkennenden Senat zweifelsfrei fest.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht
§ 6 und 7 Abs. 1 BVwGG lauten wie folgt:
„Einzelrichter
§ 6. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Senate
§ 7. (1) Die Senate bestehen aus einem Mitglied als Vorsitzendem und zwei weiteren Mitgliedern als Beisitzern. Für jeden Senat sind mindestens ein Stellvertreter des Vorsitzenden und mindestens zwei Ersatzmitglieder (Ersatzbeisitzer) zu bestimmen.“
§ 45 Abs. 3 und 4 BBG lautet wie folgt:
„(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.“
Über die vorliegende Beschwerde war daher durch einen Senat, bestehend aus zwei Berufsrichtern und einem fachkundigen Laienrichter, zu entscheiden.
Die §§ 1, 17 und 58 Abs. 1 und 2 VwGVG lauten wie folgt:
„§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.
§ 17. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 58. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Jänner 2014 in Kraft.
(2) Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt.“
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
3.2.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des BBG lauten wie folgt:
„ABSCHNITT VI
BEHINDERTENPASS
§ 40 (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
§ 42 (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
(2) Der Behindertenpaß ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.
§ 45 (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.“
§ 1 Abs. 2 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 2013/495, lautet wie folgt:
„Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
-eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.“
3.2.2. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.
Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt. (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080)
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. ua. VwGH vom 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186, oder vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128).
Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. G. wirken sich die dauernden Gesundheitsschädigungen nicht maßgebend auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens sowie auf das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke aus. Der sichere und gefährdungsfreie Transport im öffentlichen Verkehrsmittel ist nicht eingeschränkt.
Im gegenständlichen Fall ist die Frage des Umganges mit Stuhlinkontinenz zu beantworten. Die auftretende Stuhlinkontinenz kann mit handelsüblichen Hygieneprodukten so therapiert werden, dass keine Verunreinigungen auftreten. Zudem kann unwillkürlicher Stuhlabgang durch regelmäßige Therapie und Training verringert bzw. verbessert werden.
Aus den vorgelegten Befunden ergibt sich nicht, dass beim Beschwerdeführer eine derart massive Form der Stuhlinkontinenz vorliegt, welcher durch handelsübliche Inkontinenzprodukte nicht entsprechend begegnet werden könnte. Beim Beschwerdeführer konnten daher Umstände, die ihm die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen unzumutbar machen, nicht festgestellt werden.
Das Ermittlungsverfahren hat des Weiteren ergeben, dass beim Beschwerdeführer keine schweren anhaltenden Erkrankungen des Immunsystems vorliegen und er weder blind noch hochgradig sehbehindert oder taubblind ist. Es besteht auch keine schwere Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit.
Insgesamt ist daher festzuhalten, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" im Behindertenpass nicht vorliegen, weshalb die Beschwerde abzuweisen war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Behindertenpass Sachverständigengutachten schriftliche Ausfertigung Zumutbarkeit ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:I414.2235302.1.00Im RIS seit
25.06.2021Zuletzt aktualisiert am
25.06.2021