TE Vwgh Erkenntnis 1984/4/10 83/05/0187

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Veröffentlicht am 10.04.1984
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Index

Baurecht - NÖ
L82000 Bauordnung
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §19
AVG §45 Abs3
AVG §56
AVG §66 Abs4 implizit
AVG §76 Abs2
BauRallg implizit
VwGG §42 Abs2 lita
VwGG §42 Abs2 Z1 implizit

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein des Schriftführers Richter Mag. Dr. Walter, über die Beschwerde des ET in W, vertreten durch den bestellten Verfahrenshelfer Dr. Ernst Wukowitz, Rechtsanwalt in Wien I, Habsburgergasse 5, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 23. Juni 1983, Zl. II/2 - V - 82152, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. FL in W, 2. GL in W, 3. UM in W, 4. Marktgemeinde M, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.060,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 14. Juni 1982 ersuchten der Erstmitbeteiligte, der Zweitmitbeteiligte und die Drittmitbeteiligte des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bei der Marktgemeinde M um die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung eines Zweifamilienhauses auf dem Grundstück Nr. 322/6, KG. M, nach den beigeschlossenen Plänen. In dem im Akt erliegenden Lageplan wird eine verbaute Fläche von 10,00 m x 9,00 m ausgewiesen, wobei der linke Abstand zur Grundgrenze mit 3,00 m, der rechte Abstand zur Grundgrenze mit 3,20 m kotiert ist. Anschließend an die rechte Grundgrenze ist in östlicher Richtung im Lageplan eine zum Grundstück Nr. 322/7 gehörige „Fahne“ dargestellt, an welche in östlicher Richtung das Grundstück des beschwerdeführenden Nachbarn (Nr. 322/9) angrenzt.

Zu der für 24. Juni 1982 anberaumten Verhandlung wurde der Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Nachbar geladen. In schriftlichen Eingaben vom 21. und 22. Juni 1982 brachte der Beschwerdeführer vor, er müsse auf die Einhaltung eines Abstandes von 3 m von der Grundgrenze bestehen und das Vorhaben sei so anzulegen, daß keine Störungen bzw. gesundheitliche Schädigungen verursacht werden. Das Grundstück Nr. 322/9 liege unter dem Einfluß einer außergewöhnlichen Tiefdrucklage, die den Rauchabzug sehr stark beeinflusse. Es werde ersucht, dies zu beachten bzw. zu berücksichtigen.

Bei der Verhandlung am 24. Juni 1982 wurde zunächst festgehalten, daß die Bauwerber die Errichtung eines Zweifamilienhauses gemäß den Bauplänen des Baumeisters FP vom 15. Juni 1982 beabsichtigten. Weiter heißt es in der Verhandlungsschrift sodann wörtlich: „Entgegen der Plandarstellung und aufgrund der Auskunft des Herrn Dipl.Ing. R.W hat die Parzelle im Bereich der Baustelle eine Breite von rd. 24 Meter, sodaß bei Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften der ostseitige Bauwich nur eine Breite von 2 Meter erhält.“ (Konkrete Folgerungen für das Bauvorhaben, also etwa eine Änderung der Pläne, wurden der Verhandlungsschrift zufolge als nicht erforderlich erachtet.) In der Verhandlung wird sodann festgehalten, daß bezüglich der ölbeheizten Zentralheizung ordnungsgemäß und gesondert um deren Bewilligung anzusuchen sei. Der Beschwerdeführer brachte bei der Verhandlung vor, daß er mit seinem Haus von der zwischen seinem Grundstück und dem Grundstück der Bauwerber situierten Fahnenparzelle ca. 3,75 m abgerückt sei und er verlange, daß auch die Bauwerber von dieser Fahnenparzelle entsprechend abrücken. Hiezu erklärte der Sachverständige, daß bei Einhaltung der zulässigen Gebäudehöhen im Hinblick auf die Seitenabstände unter Berücksichtigung des § 21 Abs. 6 der Niederösterreichischen Bauordnung die Rechtmäßigkeit des Bauvorhabens gegeben sei und Änderungen desselben ausschließlich als Entgegenkommen der Bauwerber zu werten seien. Bei eventueller Änderung wäre selbstverständlich das Einvernehmen mit der Baubehörde vor Baubeginn herzustellen. Der Beschwerdeführer erklärte weiter, daß in dieser Gegend durch das Haus der Bauwerber Änderungen im Luftdruckverhalten zu erwarten seien (Tiefdruckgebiet). Hiezu wurde in der Verhandlungsschrift festgestellt, daß durch die Bauführung eine Änderung des Tiefdruckverhaltens nicht zu erwarten sei und der Beschwerdeführer in diesen Belangen auf den Zivilrechtsweg verwiesen werde.

Ohne Vorlage geänderter Pläne erging sodann der Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde M vom 12. Juli 1982, mit welchem die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung des Zweifamilienhauses erteilt wurde. Ein Abspruch über die Einwendungen des Beschwerdeführers erfolgte nicht; in der (formularmäßigen) Begründung heißt es nur, daß die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung sich auf das Ergebnis der Bauverhandlung und die im Spruch angeführten Gesetzesstellen stütze.

In seiner dagegen erhobenen Berufung wiederholte der Beschwerdeführer im wesentlichen sein bisheriges Vorbringen und machte weitere Einwendungen, etwa bezüglich Entwertung, erhöhter Feuerübertragungsgefahr, Geruchsbelästigung und beschränkten Licht- und Sonneneinfalls, geltend.

Mit Verfahrensanordnung vom 25. August 1982 beraumte der Vizebürgermeister für 9. September 1982 eine Berufungsverhandlung an Ort und Stelle an, welcher auch ein technischer Amtssachverständiger für Heizungstechnik des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung beigezogen wurde. Nach einem Zustellversuch an den Beschwerdeführer an seiner Wohnadresse in M erfolgte sodann eine Zustellung durch Hinterlegung am 8. September 1982 an seiner W Wohnadresse.

Bei der Verhandlung am 9. September 1982 führte der technische Amtssachverständige für Heizungstechnik aus, daß für die Beheizung des Zweifamilienhauses im Kellergeschoß nach Aussage der Bauwerber eine geschlossene Warmwasserzentralheizungsanlage mit vollautomatischer Ölfeuerung geplant sei. Zur Verfeuerung solle Heizöl Extra leicht gelangen. Nach Ansicht des Amtssachverständigen sei bei einer ordnungsgemäßen Errichtung der geplanten Ölfeuerungsanlage entsprechend den Bedingungen der NÖ Mineralölverordnung 1977 sowie der NÖ Heizungsverordnung 1981 und bei ordnungsgemäßem Betrieb entsprechend den in vorstehenden Verordnungen vorgeschriebenen Betriebsvorschriften eine umzumutbare Belästigung durch Rauch, Ruß oder Lärm oder sonstige Immissionen beim Beschwerdeführer nicht zu erwarten. Bemerkt wurde noch, daß gemäß den Bestimmungen der NÖ Bauordnung vor Errichtung der Ölfeuerungsanlage bei der Baubehörde unter Vorlage der erforderlichen technischen Projektsunterlagen in dreifacher Ausfertigung um die baubehördliche Bewilligung anzusuchen sei. Bei dieser Verhandlung war der Beschwerdeführer nicht anwesend.

Bei der Sitzung vom 9. September 1982 faßte der Gemeinderat der Marktgemeinde M folgenden Beschluß:

„1. Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

2. Die Niederschrift des Lokalaugenscheines vom 9. September 1982 wird zum wesentlichen Bestandteil des Bescheides des Gemeinderates erklärt.

3. Dem Berufungswerber ist Gelegenheit zu geben, gegen das Ergebnis des Lokalaugenscheines vom 9. September 1982 Stellung zu nehmen und wird im Interesse der Bauwerber ein unverlängerbare Frist bis 15. September 1982 festgelegt. Sollte bis zu dieser Frist der Berufungswerber keine Stellungnahme abgeben, ist der Bescheid des Gemeinderates zu erlassen.

4. Der Berufungswerber T, welcher durch die Einbringung seiner Berufung einen Kostenaufwand von S 4.040,-- verursacht hat, ist im Bescheid zu verpflichten diese Kosten an die Marktgemeinde M zu ersetze (§ 76 und 77 AVG).

5. Der Vizebürgermeister wird ermächtigt, den Bescheid für den Gemeinderat der Marktgemeinde M zu fertigen.

6. Der Bescheid ist zu begründen, daß den Bestimmungen der NÖ Bauordnung durch das Projekt nicht widersprochen werde; durch die Gutachten der fünf Sachverständigen ist eine Gefährdung oder Belästigung des Hauses T ausgeschlossen. Eine Verminderung des Sonnenlichteinfalles ist durch die Einhaltung der Abstände entsprechend der NÖ Bauordnung ausgeschlossen. Die Behauptungen des Berufungswerbers wurden überdies nicht gutächtlich fundiert. Die Kostenentscheidung ist in den gesetzlichen Bestimmungen des § 76 Abs. 2 AVG begründet.“

In der Folge wurde der Beschwerdeführer am 10. September 1982 für 15. September 1982 zwecks allfälliger Akteneinsicht geladen. Anläßlich der Niederschrift am 15. September 1982 wurde festgehalten, daß der Beschwerdeführer um eine Fotokopie der Niederschrift ersuche, um eine sachliche Überprüfung durchzuführen, denn er sei der Meinung, daß der Sachverhalt seiner Berufung nicht entspreche. Seine Stellungnahme werde in vierzehn Tagen einlangen.

Mit dem vom Vizebürgermeister der Marktgemeinde M unterfertigten Bescheid vom 23. September 1982 erging unter Berufung auf die Sitzung des Gemeinderates vom 9. September 1982 ein Bescheid mit dem Spruch, daß die Berufung als unbegründet abgewiesen werde (Punkt 1.), die Niederschrift des Lokalaugenscheines vom 9. September 1982 einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bilde (Punkt 2.) und mit der Feststellung, daß das Verfahren ohne weitere Anhörung des Beschwerdeführers abzuschließen gewesen sei, da er bis 15. September 1982 zum Ergebnis der Beweisaufnahme keine Stellungnahme abgegeben habe. Weiters wurden dem Beschwerdeführer die Kosten des Berufungsverfahrens im Ausmaß vom S 4.040,-- vorgeschrieben. Zur Begründung wurde im wesentlichen auf die durchgeführte Verhandlung sowie auf den Umstand verwiesen, daß der Beschwerdeführer am 15. September 1982 nichts neues vorgebracht und auch keine Gutachten zur Erhärtung seiner Behauptungen vorgelegt habe. Eine neuerliche Frist zur Abgabe einer Stellungnahme sei im Interesse der Vermeidung einer zu langen Verzögerung der beantragten Bewilligung für die Bauwerber nicht zu gewähren gewesen. Da der Beschwerdeführer die Amtshandlung verschuldet habe, seien ihm die Verfahrenskosten aufzuerlegen.

Noch vor Zustellung des Berufungsbescheides an den Beschwerdeführer erklärte er in einer Äußerung vom 25. September 1982, daß die Zustellung der Ladung zur Bauverhandlung erst am 7. September 1982 erfolgt und ihm sohin ein Erscheinen nicht möglich gewesen sei. Im übrigen verwies er auf seine Berufung.

In seiner an die NÖ Landesregierung gerichteten Vorstellung rügte der Beschwerdeführer zunächst, daß zur zweiten Bauverhandlung zu knapp geladen worden sei, sodaß die gesetzliche Mindestfrist nicht eingehalten worden wäre. Inhaltlich machte er die Einhaltung eines Dreimeterabstandes geltend und äußerte die Befürchtung, daß im Hinblick auf die Westwindströmung und die Tiefdrucklage gesundheitsschädliche Abgase der geplanten Ölheizung ihn bedrohen würden. Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid wies die NÖ Landesregierung die Vorstellung als unbegründet ab. Die Gemeindeaufsichtsbehörde vertrat die Auffassung, aus dem Lageplan ergebe sich, daß an der Ostseite des Bauplatzes das Bauvorhaben einen Bauwich von 3,2 m einhalte, wozu noch 2 m als die Hälfte der Breite des Zufahrtsstreifens des Fahnengrundstückes Nr. 322/7 zu rechnen seien. Nach § 21 Abs. 6 der NÖ Bauordnung 1976 könnten Zufahrtsstreifen von Fahnengrundstücken je zur Hälfte ihrer Breite dem Bauwich angerechnet werden, sodaß in diesem Punkt kein Recht des Beschwerdeführers verletzt sei. Zum Problemkreis der ölbefeuerten Zentralheizung meinte die belangte Behörde, es seien die diesbezüglichen Einwendungen des Beschwerdeführers im Rahmen des bisher durchgeführten Verfahrens unzulässig, weil die später geplante Warmwasserzentralheizungsanlage noch gar nicht Gegenstand des Baubewilligungsverfahrens sei. Der Beschwerdeführer werde im Zuge des noch für die Errichtung der ölbefeuerten Warmwasserzentralheizung durchzuführenden Bewilligungsverfahrens die Möglichkeit haben, seine Einwendungen geltend zu machen. Bezüglich der nicht ordnungsgemäßen Ladung des Beschwerdeführers zur Berufungsverhandlung bemerkte die Aufsichtsbehörde, „daß dies durch das Zurkenntnisbringen des Verhandlungsergebnisses gemäß § 45 Abs. 3 AVG 1950 und die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme saniert“ sei. Der Beschwerdeführer habe von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.

Wie sich aus dem Beschwerdevorbringen ergibt, erachtet sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid deshalb in seinen Rechten verletzt, weil er entgegen der Annahme der belangten Behörde durch den letztinstanzlichen Gemeindebescheid in seinen Rechten verletzt worden sei. Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde und der mitbeteiligten Partei FL - die Gegenschrift des GL ist außerhalb der eingeräumten Frist zur Stellungnahme am 9. April 1984 eingelangt - erstatteten Gegenschriften hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach § 41 Abs. 1 VwGG 1965 hat der Verwaltungsgerichtshof, soweit er nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde oder wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gegeben findet und nicht § 38 Abs. 2 anwendbar ist, den angefochtenen Bescheid aufgrund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte oder im Rahmen der Erklärung über den Umfang der Anfechtung zu überprüfen.

Im Beschwerdefall haben nun die Gemeindebehörden mehrfach - wie noch dargetan werden wird - Verfahrensvorschriften verletzt, welche zu einer Aufhebung des bei der belangten Behörde angefochtenen letztinstanzlichen Gemeindebescheides hätten führen müssen. So ist etwa aufgrund der Feststellungen bei der Bauverhandlung vom 15. September 1982 nicht einmal die Breite des zu verbauenden Grundstückes Nr.322/6 planlich dargestellt, auch nicht jener Abstand, welchen das Bauvorhaben von der östlichen Grundgrenze einhält. Geht man von dem der baubehördlichen Bewilligung zugrunde gelegten Bauplan aus, dann ist das Grundstück Nr. 322/6 entsprechend den Kotierungen des Bauplanes 16,20 m breit, geht man von jenem Plan aus, welchen der Erstmitbeteiligte dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt hat, dann ist das Grundstück 23,70 m breit. Nach dem zuletzt genannten Bauplan hat das Bauvorhaben eine Länge von 17,50 m und es wird von der westlichen Grundgrenze ein Abstand von 4,00 m, von der östlichen ein solcher von 2.20 m eingehalten. Aufgrund des Vorbringens in der mündlichen Verhandlung vom 15. Juni 1982 wäre daher die Baubehörde erster Instanz verpflichtet gewesen, die Bauwerber aufzufordern, ihren Bauplan dahingehend abzuändern, daß entsprechend der tatsächlichen Breite des Grundstückes seine Darstellung im Lageplan vorgenommen wird. So geht etwa auch die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides entsprechend dem im Akt erliegenden Lageplan davon aus, daß das Bauvorhaben der Mitbeteiligten an der östlichen Grundgrenze einen Abstand von 3,20 m einhält, wogegen der Erstmitbeteiligte diesen Abstand in dem dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Plan mit 2,20 m darstellte. Da sohin offensichtlich nicht klargestellt ist, welches Vorhaben überhaupt Gegenstand des bisher durchgeführten Baubewilligungsverfahrens ist, erweist sich das auf Gemeindeebene durchgeführte Verfahren als so mangelhaft, daß schon aus diesem Grunde die belangte Behörde mit einer Aufhebung des bei ihr angefochtenen Bescheides hätte vorgehen müssen, sind doch bei dieser Situation Rechte des Beschwerdeführers verletzt worden, weil nicht klargestellt ist, welches Projekt bewilligt worden ist.

Der bei der NÖ Landesregierung angefochtene Gemeindebescheid vom 23. September 1982 wäre aber auch schon deshalb aufzuheben gewesen, weil die Vorgangsweise des Gemeinderates, eine Abweisung der Berufung zu beschließen, jedoch das Berufungsverfahren ergänzen zu lassen, nicht in der Rechtslage gedeckt ist. Wird nämlich ein Berufungsverfahren durch Gewährung des Parteiengehörs noch ergänzt und sohin im Intimationsbescheid auf Umstände Bezug genommen, welche sich nach dem Beschluß des Gemeinderates ergaben, dann erweist sich ein solcher Bescheid jedenfalls als rechtswidrig und kann nicht zurecht als Ausfertigung eines früheren Beschlusses (Intimationsbescheid) angesehen werden (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. November 1976, Zl. 2086, 2087/76). Eine solche Rechtswidrigkeit kann auch nicht dadurch als geheilt angesehen werden, daß der Gemeinderat im vorhinein einer solchen Vorgangsweise zugestimmt hat. Der Vizebürgermeister war daher im Beschwerdefall zur Erlassung des Bescheides vom 23. September 1982 nicht berechtigt.

Der Beschwerdeführer rügt aber auch zutreffend, daß er zur Berufungsverhandlung vom 9. September 1982 nicht rechtzeitig geladen worden ist und daß ihm zu Unrecht im Rahmen des gemeindebehördlichen Berufungsverfahrens kein Recht auf Stellungnahme zum Ergebnis der Berufungsverhandlung - entgegen der Vorschrift des § 45 Abs. 3 AVG 1950 - eingeräumt worden ist. Wenn die belangte Behörde in diesem Zusammenhang in der Begründung des angefochtenen Bescheides feststellt, daß bezüglich der nicht ordnungsgemäßen Ladung des Beschwerdeführers zur Berufungsverhandlung eine Sanierung deshalb eingetreten sei, weil durch das Zurkenntnisbringen des Verhandlungsergebnisses gemäß § 45 Abs. 3 AVG 1950 und die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme dieser Verfahrensmangel saniert sei, dann vermag der Verwaltungsgerichtshof diese Ansicht nicht zu teilen. Dem Beschwerdeführer wurde im Rahmen des Berufungsverfahrens zwar die Möglichkeit eingeräumt, zum Ergebnis der Berufungsverhandlung Stellung zu nehmen, nicht jedoch wurde ihm eine angemessene Frist zur Stellungnahme eingeräumt, etwa auch zur Vorlage eines Gutachtens.

Mit dem Bescheid vom 23. September 1982 wurden dem Beschwerdeführer auch Kosten im Ausmaß von S 4.040,-- vorgeschrieben, wobei nach der Begründung des Bescheides ein Verschulden des Beschwerdeführers darin erblickt wurde, daß er gegen den erstinstanzlichen Bescheid das Rechtsmittel der Berufung ergriffen hat. Nach § 75 Abs. 1 AVG 1950 sind die Kosten für die Tätigkeit der Behörden im Verwaltungsverfahren von Amts wegen zu tragen, sofern sich aus den Bestimmungen der §§ 76 bis 78 nicht anderes ergibt. Nach § 76 Abs. 1 AVG 1950 hat für Barauslagen, welche der Behörde bei einer Amtshandlung erwachsen, im allgemeinen die Partei aufzukommen, die um die Amtshandlung ersucht hat, sofern nach den Vorschriften nicht auch diese Kosten von Amts wegen zu tragen sind. Als Barauslagen gelten auch die Gebühren, die den Sachverständigen und Dolmetschern zustehen.

§ 76 Abs. 2 AVG 1950 ordnet an, daß dann, wenn die Amtshandlung durch das Verschulden eines anderen Beteiligten verursacht wurde, die Auslagen von diesem zu tragen sind. Wurde die Amtshandlung von Amts wegen angeordnet, so belasten die Auslagen den Beteiligten dann, wenn sie durch sein Verschulden herbeigeführt worden sind. Der Verwaltungsgerichtshof vermag nun nicht die Auffassung zu teilen, daß die Erhebung einer Berufung als ein Verschulden im Sinne des § 76 Abs. 2 AVG 1950 aufzufassen ist, ist doch das Recht der Berufung den Parteien des Verfahrens durch das Gesetz gewährleistet. Im übrigen ist die Berufungsbehörde, wenn das Berufungsvorbringen nicht begründet erscheint, nicht verpflichtet, eine Berufungsverhandlung unter Beiziehung von Sachverständigen durchzuführen. Der in einem Baubewilligungsverfahren maßgebliche Sachverhalt ist vom Amts wegen zu ermitteln, wozu die Behörde schon nach § 39 AVG 1950 verpflichtet ist. Im Beschwerdefall hätte die Behörde daher von Amts wegen die Kosten zu tragen gehabt, sofern sie nicht nach § 76 Abs. 1 den Bauwerbern vorzuschreiben gewesen wären. Wenn der Beschwerdeführer auch in seiner Vorstellung nicht ausdrücklich die Kostenvorschreibung bekämpft hat, so war doch aufgrund seines Vorbringens zu erkennen, daß er den angefochtenen Gemeindebescheid zur Gänze aufgehoben wissen wollte, sodaß die belangte Behörde verpflichtet war auch in dieser Beziehung den Bescheid der obersten Gemeindeinstanz zu überprüfen.

Aufgrund der dargelegten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid (mehrfach) mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben war.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 lit. c, d und f VwGG 1965 Abstand genommen werden, zumal im Hinblick auf die in der Gemeindeebene unterlaufenen Verfahrensmängel eine endgültige Entscheidung über die Zulässigkeit des Bauvorhabens nicht zu treffen war.

Der Zuspruch auf Aufwandersatz gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG 1965 sowie die Verordnung BGBl. Nr. 221/1981.

Wien, am 10. April 1984

Schlagworte

Bauverfahren (siehe auch Behörden Vorstellung Nachbarrecht Diverses) Diverses BauRallg11/4 Behörden Zuständigkeit Allgemein BauRallg2/1 Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren Verfahrensbestimmungen Zurechnung von Bescheiden Intimation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1984:1983050187.X00

Im RIS seit

25.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

25.06.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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